Beschluss vom Bundessozialgericht (13. Senat) - B 13 R 309/14 B

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 24. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde an das BSG gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG für das Saarland vom 24.7.2014, mit dem ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint worden ist. Sie beruft sich für ihr Zulassungsbegehren ausschließlich auf einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), weil das LSG Beweisanträgen ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei.

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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil ist unzulässig. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt.

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1. Die Beschwerdebegründung vom 25.9.2014 genügt schon deshalb nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG, weil die Klägerin bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt hat. Ihren Schilderungen sind - abgesehen von den Ergebnissen der im Verlauf des Verfahrens erster Instanz vom SG eingeholten Gutachten - allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen zu entnehmen. So bleibt bereits die von der Klägerin beanspruchte Rentenart unklar, wenn sie auf Seite 2 der Beschwerdebegründung davon spricht, das SG habe "ihre Klage auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente" abgewiesen, andererseits aber auf Seite 10 vorträgt, dass "bei Einholung der verfahrensfehlerhaft begangenen Beweise" auf die Berufung der "Klage auf Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitsrente stattzugeben gewesen wäre". Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. "Bezeichnet" ist der Verfahrensmangel noch nicht, wenn vereinzelt Sachverhaltselemente herausgegriffen werden und anhand dieser der behauptete Verfahrensmangel diskutiert wird, sondern nur dann, wenn er in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan wird. Denn das Beschwerdegericht muss sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es als möglich erscheinen lassen, dass das Urteil darauf beruhe (BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 - Juris RdNr 3; s auch BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - Juris RdNr 5).

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Ein substantiierter Vortrag zum dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden entscheidungserheblichen Sachverhalt kann auch nicht durch die pauschale Bezugnahme auf den Inhalt einer der Beschwerdebegründung beigefügten Urteilskopie ersetzt werden (vgl Seite 2 der Beschwerdebegründung). Das Begründungserfordernis dient dem Ziel, die Revisionsgerichte zu entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens zu gewährleisten (BSG Beschluss vom 24.2.1992 - 7 BAr 86/91 - SozR 3-1500 § 166 Nr 4 - Juris RdNr 3 f; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 9; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Diesem Ziel wird mit der bloßen Wiederholung des Vortrags vor den Instanzgerichten ebenso wenig genügt, wie mit einer - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen - Bezugnahme auf Schriftsätze, die in den Vorinstanzen eingereicht worden sind (stRspr zB BSG Beschluss vom 15.2.2011 - B 12 KR 53/10 B - Juris RdNr 5 mwN; Leitherer, aaO, § 160a RdNr 13a; Kummer, aaO, RdNr 292). Nichts anderes gilt für die Bezugnahme auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidung, wenn dieser an die Stelle einer eigenen Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts tritt. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen.

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2. Abgesehen davon genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin aber auch im Übrigen nicht den Darlegungsanforderungen im Hinblick auf den von ihr gerügten Verfahrensmangel.

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Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

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Als Verfahrensmangel rügt die Klägerin einen Verstoß des LSG gegen die Sachaufklärungspflicht aus § 103 SGG: Das Gericht sei ihren in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Anträgen, von Amts wegen, hilfsweise gemäß § 109 SGG "einen Befundbericht und ein zugehöriges Gutachten beim Orthopäden Dr. W. …" sowie Sachverständigengutachten eines Facharztes für Ohrenmedizin, für Augenmedizin und ein weiteres internistisches Gutachten einzuholen, ohne hinreichende Begründung nicht nachgekommen.

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Damit genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin jedoch nicht den Anforderungen an die Darlegung einer unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 6 mwN).

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Diese Anforderungen werden bereits deshalb verfehlt, weil die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht die Rechtsauffassung des LSG darstellt und das BSG dadurch nicht in die Lage versetzt, allein nach dem Inhalt ihrer Begründung beurteilen zu können, ob auf Grundlage dieser Rechtsauffassung die von ihr mit den in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Anträgen auf Einholung weiterer Sachverständigengutachten unter Beweis gestellten Tatsachen klärungsbedürftig gewesen sind. Diesem Erfordernis wird weder durch das wörtliche Zitat der vom LSG für das Unterbleiben weiterer Sachaufklärung im Urteil angeführten Gründe noch durch die Bezugnahme auf den Inhalt des Urteils im Übrigen genügt (vgl oben unter 1.). Besonderer Anlass zu einer solchen Darstellung hätte vorliegend zB schon deshalb bestanden, weil die Klägerin die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung unter anderem mit der Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes wegen der Vielzahl der festgestellten bzw von ihr geltend gemachten Leistungseinschränkungen begründet (vgl Seite 10 der Beschwerdebegründung). Ob sich das LSG - ausgehend von seiner zur Beurteilung des behaupteten Verfahrensmangels allein maßgeblichen Rechtsauffassung - zu weiterer Sachaufklärung und der Einholung der beantragten Gutachten hätte gedrängt fühlen müssen, hängt insoweit entscheidend davon ab, welche rechtlichen Anforderungen es an die Bejahung einer Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes stellt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob es eine solche Gefahr nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der unbestimmten Rechtsbegriffe "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder "schwere spezifische Leistungsbehinderung" annimmt (vgl zB BSG Urteil vom 19.8.1997 - 13 RJ 1/94 - BSGE 81, 15 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 - Juris RdNr 23 ff) und wie es diese Rechtsbegriffe auslegt. Hierauf geht die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung jedoch ebenso wenig ein, wie auf die Rechtsauffassung des LSG zu den Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Rentenanspruchs im Übrigen.

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Schon aufgrund der fehlenden Darstellung der Rechtsauffassung des LSG - zB zu den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - enthält die Beschwerdebegründung der Klägerin entgegen den oben genannten Anforderungen auch keine ausreichende Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann. Denn Prüfungsmaßstab für die Frage des "Beruhens" ist - wie oben dargestellt - die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG. Die insoweit zur zulässigen Beschwerdebegründung notwendige substantiierte Darlegung des "Beruhens" kann daher auch nicht durch die bloße Behauptung ersetzt werden, dass "bei Einholung der verfahrensfehlerhaft begangenen Beweise sich eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin ergeben und … der Klage … stattzugeben gewesen wäre" (Seite 10 der Beschwerdebegründung).

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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160 Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

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