Beschluss vom Bundessozialgericht - B 3 KR 60/17 B

Tenor

Der Antrag der Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12. Oktober 2017 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Jennifer Weigelt, Hannover, zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

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I. Der Kläger ist mit seinem Begehren, von der beklagten Krankenkasse über den 22.2.2015 hinaus Krankengeld zu erhalten, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben (zuletzt Beschluss des LSG vom 12.10.2017).

2

Mit seiner - näher begründeten - Beschwerde wendet er sich unter Geltendmachung einer Divergenz gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss und begehrt dafür die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner anwaltlichen Bevollmächtigten.

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II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

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Wer sich - wie hier der Kläger - zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Divergenz beruft, muss darlegen, dass die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Eine Divergenz ist nur dann gegeben, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung "beruht" (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht des Beschwerdeführers bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher in der Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22). Diesen Anforderungen entspricht das Vorbringen des Klägers im Beschwerdeverfahren nicht. Er beruft sich zum einen auf die Aussagen des LSG:

"Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs ist es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts jeweils erneut ärztlich festgestellt wird."

und

"Der Versicherte muss sich deshalb bei befristeten Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen vor Fristablauf erneut seine Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigen lassen und dafür Sorge tragen, dass die Krankenkasse davon Kenntnis erlangt."

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Dem stellt er unter "anderslautende Entscheidungen" Passagen aus zwei Entscheidungen des BSG gegenüber:

6

a) BSG Urteil vom 18.2.2016 - B 3 KR 15/15 R - Juris RdNr 19:
"Dem Anspruch stand nicht entgegen, dass der Kläger für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne stationäre Behandlung der Beklagten keine ärztlichen AU-Bescheinigungen vorgelegt hat, wie es in § 30 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung angeordnet worden ist."

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b) BSG Beschluss vom 30.9.2015 - B 3 KR 40/15 B:
"dass … unbeschadet des § 91 Abs. 6 SGB V die Regelungen in den Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien über den Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung und ihren retro- und prospektiven Feststellungszeitraum den leistungsrechtlichen Krankengeldtatbestand nicht ausgestalten. Die Krankenkasse kann sich danach nicht auf das Fehlen einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung berufen, wenn eine solche Feststellung vorliegt und lediglich die Krankenkasse die Verhältnisse abweichend beurteilt. Der Anspruch auf Krankengeld ruht in diesem Fall auch nicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V." ... "Es wird auch nicht vorausgesetzt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf dem dafür vorgesehenen Vordruck erfolgt." (Es handelt sich bei) "einem Auszahlschein zwar um eine allgemein den Ärzten zur Verwendung vorgegebene Mustererklärung zur Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit …, rechtlich (muss) die Arbeitsunfähigkeit aber nicht zwingend auf diesem Vordruck bescheinigt werden …, so dass auch das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit mit den eigenen Worten des Arztes angegeben werden kann."

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Die Beschwerdebegründung stützt sich sodann darauf, das LSG habe sich bei seiner Entscheidung zu Unrecht darauf berufen, dass sich die vom BSG entschiedene Fallkonstellation grundlegend vom vorliegenden Fall unterscheide, da die behandelnden Ärzte des Klägers immer nur zeitabschnittsweise eine Arbeitsunfähigkeit attestiert hätten. Tatsächlich verkenne das LSG aber - wie sodann näher ausgeführt wird -, dass der den Kläger behandelnde Arzt der Beklagten mit einem auch dem LSG bekannt gegebenen Schreiben mitgeteilt habe, dass er eine abschließende Beurteilung über die Arbeitsfähigkeit noch nicht geben könne und mithin die Arbeitsunfähigkeit bis auf Weiteres fortbestehe. Das LSG habe bei alledem entgegen den vorgenannten Entscheidungen des BSG zulasten des Klägers entschieden, dass dieser seine Arbeitsunfähigkeit mangels Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum nach dem 28.2.2015 nicht hinreichend nachgewiesen habe.

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Es kann dahinstehen, ob damit überhaupt im vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche "divergierende" Rechtssätze aufgezeigt werden. Die Beschwerdebegründung stützt sich mit ihrer Darstellung der Passagen aus gerichtlichen Entscheidungen und der dazu gegebenen Erläuterung schon nicht auf sich widersprechende "abstrakte" Rechtssätze aus den zitierten Entscheidungen des BSG einerseits und aus dem Beschluss des LSG andererseits. Sie lässt unberücksichtigt, dass das LSG in seinen entscheidungstragend herangezogenen Obersätzen der BSG-Rechtsprechung nicht "im Grundsätzlichen" ausdrücklich widersprochen und mit dieser Rechtsprechung nicht zu vereinbarende eigene Rechtssätze aufgestellt hat. Wie der Kläger selbst vorträgt, wollte sich das LSG vielmehr nach seinem eigenen Verständnis im Rahmen der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG halten, ist diesen aber in dem von ihm entschiedenen Fall lediglich deshalb nicht gefolgt, weil es - vom Kläger als unzutreffend gerügte - wesentliche Sachverhaltsunterschiede zu den bereits entschiedenen Fällen angenommen hat. Bei dieser Konstellation wird mit der Beschwerde - anders als es Sinn und Zweck einer Divergenzrüge erfordern - nicht das Bedürfnis nach Herbeiführung von Rechtseinheit im angestrebten Revisionsverfahren dargelegt. Der Kläger subsumiert die Sachverhaltskonstellation seines Falls vielmehr selbst anhand der vorgenannten Rechtsprechung des BSG und zieht daraus im Kern den Schluss, dass das LSG auf der Basis dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung seinen Fall "falsch entschieden" habe. Eine solche bloße "Subsumtionsrüge" erfüllt aber nicht die Darlegungsanforderungen für eine Rechtsprechungsabweichung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 6/09 B - Juris RdNr 16 mwN). Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig - sei es auch, weil höchstrichterliche Rechtsprechung falsch angewandt wurde -, führt nämlich nicht schon zur Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Verfahrensrügen gegen die Tatsachenfeststellungen des LSG, die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren allerdings auch an besondere Voraussetzungen geknüpft sind (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 103 SGG), hat der Kläger im Übrigen nicht erhoben.

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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

12

4. Nach den Erwägungen unter 1. kann dem Kläger auch keine PKH unter Beiordnung seiner anwaltlichen Bevollmächtigten gewährt werden. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO erhält ein bedürftiger Beteiligter, der die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Vorliegend kann offenbleiben, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage wäre, die Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts ganz oder teilweise selbst aufzubringen. PKH kann ihm jedenfalls nicht bewilligt werden, weil seine bereits durch eine postulationsfähige Bevollmächtigte erhobene und im einzelnen begründete Nichtzulassungsbeschwerde, für die PKH begehrt wird, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

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