Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat 2. Kammer) - 1 BvR 2394/10

Gründe

I.

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Die Verfassungsbeschwerde betrifft das in Art. 10 § 3 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 4. November 1971 (BGBl I S. 1745; im Folgenden: MRVG) geregelte Verbot, Grundstückskaufverträge mit Ingenieur- oder Architektenverträgen zu koppeln.

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1. Der Beschwerdeführer ist freier Architekt. Im Ausgangsrechtsstreit begehrte er aus abgetretenem Recht einer Gesellschaft, für die er tätig geworden war, nach vorzeitiger Beendigung eines Architektenvertrags Vergütung für erbrachte Leistungen nach den Leistungsphasen 1 bis 4 gemäß § 15 Abs. 2 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen in der bis zum 17. August 2009 geltenden Fassung sowie für nicht erbrachte Leistungen nach den Leistungsphasen 5 bis 9.

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Das Landgericht wies seine Klage ab, weil es den zugrunde liegenden Architektenvertrag wegen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot aus Art. 10 § 3 MRVG für nichtig hielt. Auch das Oberlandesgericht hielt den Vertrag für nichtig, gab der Klage aber in geringem Umfang statt, weil der Beschwerdeführer insoweit einen Anspruch aus Bereicherungsrecht habe. Auf die Revision des Beschwerdeführers hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil mit Urteil vom 25. September 2008 (veröffentlicht in BGHZ 178, 130) auf und verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht. In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung führte der Bundesgerichtshof aus, dass Art. 10 § 3 MRVG nicht anzuwenden sei, wenn der Erwerber eines Grundstücks den Architekten selbst veranlasst habe, ihm dieses zu vermitteln, und gleichzeitig die Beauftragung mit der Architektenleistung in Aussicht gestellt habe. Ob dies hier der Fall gewesen sei, lasse sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Daraufhin verurteilte das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung einer Vergütung hinsichtlich der Leistungsphasen 1 bis 4. Insoweit könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte dem Beschwerdeführer bereits zu Beginn der Zusammenarbeit in Aussicht gestellt habe, ihn beziehungsweise die Gesellschaft, für die er tätig war, zu beauftragen. Hinsichtlich der Leistungsphasen 5 bis 9 sei der Architektenvertrag dagegen wegen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot nichtig. Es stehe fest, dass der Beklagte dem Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt vor Abschluss des Architektenvertrags in Aussicht gestellt habe, ihn mit diesen Leistungsphasen zu beauftragen.

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Die Revision des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil wies der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22. Juli 2010 (veröffentlicht in BGHZ 186, 314) zurück, wobei er insbesondere ausführte, dass das Koppelungsverbot nicht gegen das Grundgesetz verstoße.

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2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Es fehle schon an einem Gemeinwohlbelang, der den Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen könnte. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich seit Inkrafttreten des Art. 10 § 3 MRVG im Jahr 1971 geändert. Die zahlenmäßige Bedeutung von Bauland habe sich seitdem stark verringert. Wo überhaupt noch Bauland erschlossen werden könne oder zur Verfügung stehe, sei dieses in der Regel im Einflussbereich von Bauträgern, die dem Koppelungsverbot nicht unterlägen. Damit gebe es für die gesetzliche Regelung keinen über Einzelfälle hinausreichenden Anwendungsbereich mehr. Soweit das Koppelungsverbot auch dazu dienen solle, Mieter vor einer Verteuerung auf dem Wohnungsmarkt zu schützen, sei zudem zumindest heute nicht zu erkennen, dass es einen Zusammenhang zwischen Architektenbindung und Miethöhe gebe. Jedenfalls sei die Regelung nicht erforderlich. § 138 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) biete einen hinreichenden Schutz. Außerdem führe das Koppelungsverbot zu einer unangemessenen Belastung. Da die Regelung unverhältnismäßig sei, verstoße sie auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

II.

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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte des Beschwerdeführers angezeigt.

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1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) rügt, ist die Verfassungsbeschwerde mangels hinreichend substantiierter Begründung unzulässig (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Insoweit reicht es nicht aus, lediglich auf die bei der Rüge einer Verletzung der Berufsfreiheit behauptete Unverhältnismäßigkeit zu verweisen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz kann zwar je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen durchaus eine strenge Bindung des Gesetzgebers an Verhältnismäßigkeitserfordernisse folgen (vgl. BVerfGE 124, 199 <219> m.w.N.), so dass es zu einer wechselseitigen Verschränkung von Gleichheits- und Freiheitsschutz kommen kann (vgl. beispielsweise BVerfGE 109, 96 <123>; 111, 10 <48, 54>; 118, 1 <27 f.>; vgl. auch Osterloh, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 3 Rn. 18 ff.). Anknüpfungspunkt für die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Zusammenhang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz muss aber gerade der Differenzierungsgrund sein (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; 126, 29 <47 f.>). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Der Beschwerdeführer setzt sich auch weder mit sachlichen Gründen für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung noch mit den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auseinander.

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2. Eine Verletzung der Berufsfreiheit des Beschwerdeführers ist nicht zu erkennen.

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a) Das von den Gerichten angewandte Koppelungsverbot greift in die Freiheit der Berufsausübung des Beschwerdeführers ein, nicht jedoch in die Freiheit der Berufswahl. Es beeinträchtigt nicht den Zugang zum Beruf des Architekten, sondern betrifft lediglich die Berufsausübung. Selbst wenn ein Architekt in Erweiterung seines Berufs regelmäßig auch die Vermittlung von Grundstücken und damit verbunden das Erbringen von Architektenleistungen betreiben wollte, würde er damit nicht den Zugang zu einem anderen Beruf als dem des Architekten anstreben. Bei Tätigkeiten, die nur als Bestandteil eines umfassenderen Berufs oder als Erweiterung eines anderen Berufs ausgeübt werden und deren Regelung die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt lässt, kann von einem selbständigen Beruf keine Rede sein (vgl. BVerfGE 68, 272 <281>; zum Beruf des Architekten vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. April 1993 - 1 BvR 738/88 -, NVwZ-RR 1994, S. 153). Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass eine sinnvolle Ausübung des Architektenberufs durch die mit dem Koppelungsverbot verbundenen Einschränkungen und wirtschaftlichen Folgen in einer Weise beeinträchtigt würde, die einer Beschränkung der Berufswahlfreiheit nahe käme (vgl. dazu BVerfGE 123, 186 <239 ff.>). Der Beschwerdeführer macht selbst geltend, dass vom Koppelungsverbot nur wenige Fälle erfasst würden.

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b) Der Eingriff ist gerechtfertigt. Er findet in Art. 10 § 3 MRVG die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche gesetzliche Grundlage. Das gesetzliche Koppelungsverbot und seine Anwendung im vorliegenden Fall genügen auch materiell den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG.

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Das Verbot dient vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls (zu diesem Maßstab vgl. BVerfGE 7, 377 <405 ff.>; 85, 248 <259>). Es soll das freie Wahlrecht eines bauwilligen Grundstückserwerbers hinsichtlich des zu beauftragenden Ingenieurs oder Architekten sichern (vgl. BTDrucks VI/1549, S. 14 f.). Der Bauwillige soll in der Lage sein, sich seinen Vertragspartner allein aufgrund der fachlichen Eignung auszusuchen. Der Wettbewerb unter den verschiedenen Ingenieuren und Architekten soll nicht dadurch "manipuliert" werden, dass ein Wettbewerber "sich einer berufsfremden Tätigkeit, die der des Maklers ähnlich ist", widmet (BTDrucks VI/1549, S. 15; vgl. auch BTDrucks VI/2421, S. 6). Hierdurch wollte der Gesetzgeber zudem mittelbar einen Schutz von Mietern vor einem Anstieg der Mietpreise aufgrund steigender Baukosten erreichen (vgl. BTDrucks VI/1549, S. 6).

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Es kann dahinstehen, ob sich das Koppelungsverbot heute tatsächlich merkbar auf die Bau- und damit möglicherweise auch die Mietpreise auswirkt und damit geeignet ist, zu einer Begrenzung des Mietpreisanstiegs beizutragen. Jedenfalls ist es geeignet, die Auswahl eines Architekten nach fach- und leistungsbezogenen Kriterien sowie den fachlichen Wettbewerb zwischen den Architekten zu fördern. Dabei handelt es sich erkennbar um eigenständige Ziele der gesetzlichen Regelung und nicht nur um Mittel zur Begrenzung der Bau- und Mietpreise (vgl. allerdings Hesse, BauR 1985, S. 30 <33>). Die Gesetzesbegründung stellt zwar einen Zusammenhang zwischen dem Wettbewerb unter Architekten und der Höhe der Mietpreise her, begründet das Koppelungsverbot aber gleichwohl eigenständig mit Blick auf die Auswahlmöglichkeit des Bauherrn und den Wettbewerb unter den Architekten.

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Das Koppelungsverbot ist zur Erreichung dieses Zwecks geeignet. Ein Mittel ist bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr; vgl. BVerfGE 103, 293 <307>; 121, 317 <354>). Insoweit kommt dem Gesetzgeber ebenso wie bei der Beurteilung der Erforderlichkeit des gewählten Mittels ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 90, 145 <173>; 117, 163 <189>). Es liegt auf der Hand, dass die Freiheit eines Bauherrn, zwischen verschiedenen Ingenieuren oder Architekten nach fachlichen Kriterien zu wählen, gestärkt wird, wenn er nicht schon durch den Erwerb eines Grundstücks an einen bestimmten Vertragspartner gebunden ist.

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Gegen die Eignung lässt sich auch nicht erfolgreich einwenden, die Regelung sei letztlich kontraproduktiv, weil sie die Wettbewerbsfähigkeit der Architekten und Ingenieure schwäche und eine Monopolstellung von Bauträgern, Generalunternehmern und Generalübernehmern bewirke (vgl. dazu Vygen, BauR 2008, S. 730 <731>). Der Gesetzgeber hat das Koppelungsverbot bewusst auf Architekten und Ingenieure beschränkt und sich dagegen entschieden, auch "Unternehmer" in den Anwendungsbereich der Norm einzubeziehen (vgl. BTDrucks VI/2421, S. 6). Deshalb versteht der Bundesgerichtshof die Vorschrift auch als "nicht leistungs-, sondern berufsstandsbezogen" (BGHZ 89, 240 <243>; BGH, Urteil vom 18. März 1993 - VII ZR 176/92 -, NJW 1993, S. 2240; vgl. auch BGHZ 70, 55 <59 f.>; Christiansen-Geiss, Voraussetzungen und Folgen des Koppelungsverbotes Art. 10 § 3 MRVG, 2009, S. 103 ff.). Entscheidet sich ein Bauherr für die Beauftragung eines "freien" Architekten, dann sollen bei der Planung und Durchführung des von ihm gewünschten Bauwerks seine Interessen im Vordergrund stehen; der Architekt soll insoweit eine Sachwalterfunktion wahrnehmen (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. April 1993 - 1 BvR 738/88 -, a.a.O., S. 153). Insoweit unterscheidet sich die Situation typischerweise von derjenigen beim Vertragsschluss namentlich mit einem gewerblichen Bauträger. Bei dessen Tätigkeiten geht es, wie der Bundesgerichtshof im angegriffenen Urteil hervorgehoben hat, um ein "Gesamtpaket", bei dem mit der Grundstücksbeschaffung und der kompletten Erstellung eines Bauwerkes andere Leistungen im Vordergrund stehen (vgl. auch Doerry, in: Prütting, Festschrift für Gottfried Baumgärtel zum 70. Geburtstag, 1990, S. 41 <52>).

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Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber, dem auch insoweit ein Einschätzungsspielraum zusteht, die Überprüfung von Koppelungsgeschäften am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB nicht als in jeder Hinsicht gleich wirksames Mittel angesehen hat. Bis zum Inkrafttreten des Art. 10 § 3 MRVG waren vergleichbare Bindungsvereinbarungen an Architekten zwar als standeswidrig, aber nur unter engen Voraussetzungen als nichtig gemäß § 138 BGB angesehen worden. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sollte allein der Umstand, dass "ein Baulustiger, wenn er ein Grundstück erwerben und bebauen will, in der Wahl des Architekten nicht mehr völlig frei ist", unschädlich sein (vgl. BGHZ 60, 28 <33>; vgl. dazu Christiansen-Geiss, a.a.O., S. 33 ff.). Angesichts dessen durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass allein durch § 138 Abs. 1 BGB die Wahlfreiheit des Bauwilligen nicht hinreichend geschützt würde.

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Es lässt sich schließlich nicht feststellen, dass das Koppelungsverbot unverhältnismäßig im engeren Sinne wäre. Der Begründung der Verfassungsbeschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass sich das Verbot über den vorliegenden Einzelfall hinaus auf die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers auswirken würde. Das Vorbringen, es gebe für das Verbot kaum noch einen praktischen Anwendungsbereich, deutet im Gegenteil darauf hin, dass die von ihm ausgehenden Beeinträchtigungen insgesamt eher gering sind. Vor allem aber lassen Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 10 § 3 MRVG den Fachgerichten genügend Raum, bei der Anwendung und Auslegung der Norm die Interessen der betroffenen Ingenieure und Architekten in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise zu berücksichtigen. Das zeigt die erste Revisionsentscheidung im zugrunde liegenden Verfahren, mit der der Bundesgerichtshof in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung den Anwendungsbereich des Verbots mit Rücksicht auf die Berufsfreiheit der Architekten erheblich eingeschränkt hat.

17

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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