Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (1. Wehrdienstsenat) - 1 WB 51/11
Tatbestand
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Der Antragsteller beantragte, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im vorgerichtlichen Wehrbeschwerdeverfahren für notwendig zu erklären. Er machte geltend, er habe den Bevollmächtigten nicht erst mit einer formularmäßigen Vollmacht vom 4. Juli 2011, sondern schon vorher in einer Email vom 8. Juni 2011 für das Verfahren mandatiert.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat den Antrag zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 80 Abs. 2 VwVfG und § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (Beschluss vom 18. November 2010 - BVerwG 1 WB 34.10 -; vgl. ferner Beschlüsse vom 21. August 2003 - BVerwG 6 B 26.03 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 51 und vom 1. Februar 2007 - BVerwG 6 B 85.06 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 52, jeweils m.w.N.; ähnlich Beschluss vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 2 C 124.07 -). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung wird auch durch die Bedeutung der Streitsache für den Beschwerdeführer bestimmt (Urteil vom 24. Mai 2000 - BVerwG 7 C 8.99 - Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 5). Aus dem Begriff der "Notwendigkeit" der Zuziehung eines Rechtsanwalts folgt nicht, dass die Erstattungsfähigkeit im Vorverfahren eine Ausnahme bleiben müsste; der Gesetzeswortlaut gibt für eine solche Einschränkung keinen Anhaltspunkt (vgl. Urteil vom 24. Mai 2000 a.a.O.). Insoweit ist nicht das Begriffspaar "Regel/Ausnahme" maßgeblich, sondern vielmehr die gesetzgeberische Differenzierung, dass die Erstattungsfähigkeit nicht automatisch, sondern je nach Lage des Einzelfalls nur unter der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit anzuerkennen ist (vgl. Beschlüsse vom 15. September 2005 - BVerwG 6 B 39.05 - Buchholz 448.0 § 17 WPflG Nr. 12 und vom 1. Juni 2010 - BVerwG 6 B 77.09 - juris Rn. 6).
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Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt der Bevollmächtigung abzustellen (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 24. Mai 2000 a.a.O., Beschlüsse vom 1. Juni 2010 a.a.O. m.w.N. und vom 18. November 2010 - BVerwG 1 WB 34.10 -).
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Nach diesen Maßstäben war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im vorgerichtlichen Verfahren nicht nach § 16a Abs. 3 WBO notwendig.
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Im Zeitpunkt der förmlichen Bevollmächtigung des Bevollmächtigten durch den Antragsteller am 4. Juli 2011 - oder zu einem späteren Datum, wenn man das Vorbringen des Bevollmächtigten zugrunde legt, dass das Datum des 4. Juli 2011 auf dem Vollmachtsformular erst der Tag des Ausdrucks gewesen ist - bestand keine Notwendigkeit mehr für dessen Hinzuziehung. Zu diesem Zeitpunkt war dem Antragsteller persönlich der Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 30. Juni 2011 ausgehändigt worden; das entsprechende Empfangsbekenntnis hat der Antragsteller am 4. Juli 2011 unterzeichnet. In diesem Bescheid hat das Personalamt dem Antragsteller mitgeteilt, dass die disziplinaren Vorermittlungen gegen ihn eingestellt worden seien und dass der Bescheid der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 2. Mai 2011 aufgehoben werde. Über das Ergebnis der Auswahlkonferenz 2011 Luftwaffe hinausgehend hat das Personalamt den Antragsteller gleichzeitig darüber informiert, dass die Voraussetzungen für seine Aktivierung als Nachrücker erfüllt seien und die Zulassungszusage zum 1. Oktober 2011 eingelöst werde. Damit war dem Antrag des Antragstellers auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes vom 13. August 2010 - vorbehaltlich noch entgegenstehender Hinderungsgründe - bereits für das Auswahljahr 2011 in vollem Umfang Rechnung getragen worden. Angesichts dieser Sachlage bedurfte es für das vorgerichtliche Verfahren keines anwaltlichen Beistandes mehr für den Antragsteller.
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Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers ist für den Zeitpunkt der Bevollmächtigung nicht auf das E-Mail-Schreiben des Antragstellers vom 8. Juni 2011 abzustellen.
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Zwar hängt die Wirksamkeit einer Vollmacht für das vorgerichtliche Verfahren nicht von ihrer schriftlichen Erteilung ab. Die Vorlage einer Vollmacht für das vorgerichtliche Verfahren ist nicht Voraussetzung der Vertretungsbefugnis - wie etwa nach § 67 VwGO -, sondern dient lediglich dem Nachweis der Vollmacht. Die Vollmacht kann deshalb auch durch konkludentes Handeln erteilt werden (so zu § 14 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 VwVfG: Kopp/Ramsauer VwVfG, 12. Auflage 2011, § 14 Rn. 17 m.w.N.; VGH Kassel, Urteil vom 10. August 1992 - 12 UE 2254/89 - juris Rn. 26). Deshalb scheitert die Wirksamkeit einer möglicherweise früher erteilten Bevollmächtigung nicht daran, dass der Antragsteller bei seinem E-Mail-Schreiben nicht das Vollmachtsformular seines Bevollmächtigten benutzt hat.
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Inhaltlich stellt das E-Mail-Schreiben des Antragstellers vom 8. Juni 2011 an seinen Bevollmächtigten bei der erforderlichen objektiven Auslegung seines Textes aber keine Bevollmächtigung für das vorgerichtliche Verfahren dar. In diesem Schreiben hat der Antragsteller ausdrücklich nur einen internen Prüfauftrag erteilt. Er hat seinen Bevollmächtigten gebeten zu prüfen, ob man auf dem Rechtsweg noch etwas an dem Ablehnungsbescheid der Stammdienststelle vom 2. Mai 2011 ändern könne, obwohl er inzwischen - wie der Antragsteller selbst betont - vom Amtsgericht freigesprochen worden sei. Bereits aus dieser Formulierung eines Prüfauftrages ergibt sich, dass der Antragsteller lediglich eine interne Rechtsberatung durch seinen späteren Bevollmächtigten wünschte, jedoch nicht ohne jede Bedingung eine anwaltliche Vertretung im vorgerichtlichen Verfahren. Bestätigt wird diese Auslegung durch den Hinweis des Antragstellers in seinem E-Mail-Schreiben, er "habe keine private Rechtsschutzversicherung". Auch dieser Formulierung ist der Wunsch des Antragstellers zu entnehmen, dass er nur eine Beratung im Innenverhältnis wünsche, jedoch noch keine Vertretung im Außenverhältnis im vorgerichtlichen Verfahren.
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Davon abgesehen hatte der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Freispruch durch das Urteil des Amtsgerichts ... vom 25. Mai 2011, also von dem Umstand, der als entscheidendes Argument für die Aufhebung des Bescheides der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 2. Mai 2011 genutzt werden konnte. Dies auch ohne anwaltlichen Beistand im vorgerichtlichen Verfahren geltend zu machen, war dem Antragsteller nach seinen persönlichen Verhältnissen zuzumuten. Allein auf den Umstand des Freispruchs hat sein späterer Bevollmächtigter dann die Beschwerde vom 15. Juni 2011 gestützt.
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Referenzen
- § 16a Abs. 3 WBO 1x (nicht zugeordnet)
- VermG § 38 Kosten 1x
- VwVfG § 14 Bevollmächtigte und Beistände 1x
- VwVfG § 80 Erstattung von Kosten im Vorverfahren 3x
- 12 UE 2254/89 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- § 17 WPflG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 67 1x