Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 120/11

Gründe

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Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 41 Disziplinargesetz des Landes Berlin - DiszG -, § 69 Bundesdisziplinargesetz - BDG - liegt nicht vor.

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Der Beklagte war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit im Jahre 2003 als Oberamtsanwalt tätig. Im Oktober 2005 wurde er wegen Betruges zum Nachteil des Dienstherrn, Verstoß gegen das Ausländergesetz, Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen und Vereitelung der Zwangsvollstreckung zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Die auf Aberkennung des Ruhegehalts gerichtete Disziplinarklage war erstinstanzlich erfolgreich; die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht stellte u.a. als Sachverhalt fest, dass der Beklagte im Jahre 1999 als Alleingesellschafter die W. GmbH gegründet und als Geschäftsführer deren Geschäfte persönlich geführt hat, und zwar auch in der Zeit seiner Krankschreibung von November 2001 bis Mai 2003. Im Februar 2001 habe die GmbH ein Mietshaus in Berlin erworben, das saniert und in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden sollte; allerdings seien lediglich drei der insgesamt 20 Eigentumswohnungen verkauft worden. Der Beklagte sei außerdem für dieses und für ein anderes Objekt alleiniger Ansprechpartner der von der GmbH übernommenen Hausverwaltung gewesen. Eine Nebentätigkeitsgenehmigung habe er nicht gehabt, und eine solche hätte ihm auch nicht erteilt werden können. Des Weiteren habe er die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von 6 849 DM unterlassen.

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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Beklagte Verfahrensfehler geltend.

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1. Der Beklagte rügt zum einen, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zum konkreten zeitlichen Umfang seiner Nebentätigkeit getroffen habe. Das sei aber erforderlich gewesen, um die Schwere des Dienstvergehens beurteilen zu können. Es fehle deshalb an einer Grundlage für die Gesamtwürdigung.

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Die diesem Vorbringen zu entnehmende Aufklärungsrüge, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 41 DiszG, § 69 BDG, greift nicht durch.

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Die Ausführungen genügen bereits nicht den Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Danach muss ein Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan werden (vgl. zuletzt Beschluss vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 4.11 - juris Rn. 3 m.w.N.). Für die Frage, ob ein Aufklärungsmangel oder ein Gehörsverstoß zur Beschwerdezulassung führt, kommt es auf die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts an; andernfalls kann die Entscheidung nicht auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO "beruhen". An der Darlegung des Beruhens fehlt es, wenn die Beschwerde sich im Wesentlichen nicht mit dem Berufungsurteil auseinandersetzt, sondern an ihm vorbei argumentiert (Beschluss vom 26. Oktober 2011 a.a.O.).

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Für die Ahndung ungenehmigter Nebentätigkeiten steht wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung. Es kommt auf Dauer, Häufigkeit und Umfang der Nebentätigkeiten an. Weiterhin muss berücksichtigt werden, ob der Ausübung der Nebentätigkeiten gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen, d.h. die Betätigungen auch materiell rechtswidrig sind und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat. Erschwerend wirkt sich aus, wenn ein Beamter ungenehmigte Nebentätigkeiten in Zeiten einer Krankschreibung wahrnimmt (Urteile vom 11. Januar 2007 - BVerwG 1 D 16.05 - juris Rn. 59, vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338> und vom 11. Dezember 1990 - BVerwG 1 D 63.89 - BVerwGE 86, 370 <378>).

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Das Berufungsgericht hat hiervon ausgehend angenommen, dass ein Versagungsgrund hinsichtlich der Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung unabhängig davon vorliege, inwieweit nach Art und Umfang die Arbeitszeit des Beamten in Anspruch genommen werde, wenn die Tätigkeit dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein könne; es hat dies für gewerbsmäßige Dienst- und Arbeitsleistungen auch bei weniger zeitintensiven Betätigungen bejaht und einen solchen Fall bei der Gründung und Geschäftsführung der W. GmbH angenommen (UA S. 18 f.). Das Dienstvergehen wiege äußerst schwer und indiziere die disziplinarische Höchstmaßnahme. Mit der ungenehmigten Nebentätigkeit in Gestalt der Gründung und Führung der Geschäfte der W. GmbH habe sich der Beklagte massiv über das Verbot der Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeit hinweggesetzt und gegen seine Pflicht zur Gesunderhaltung verstoßen. Dabei seien insbesondere die Gesamtdauer von drei Jahren und sieben Monaten, auch in der Zeit seiner Krankschreibung von November 2001 bis Mai 2003, sowie die Häufigkeit der Verstöße - mit jeder Wahrnehmung von Geschäften für die W. GmbH - zu berücksichtigen (UA S. 29).

9

Danach hat das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass es von einer Beweiserhebung zum konkreten Umfang der Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer der W. GmbH abgesehen hat. Zum einen hat das Berufungsgericht den konkreten zeitlichen Umfang der Nebentätigkeit des Beklagten nicht als maßgeblich für die Schwere des Dienstvergehens gehalten; es hat vielmehr auf die Gesamtdauer der unerlaubten Nebentätigkeit und die Häufigkeit der Verstöße abgestellt. Deshalb ist es ausgeschlossen, dass das Berufungsurteil auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel "beruht". Zum anderen hat der anwaltlich vertretene Beklagte einen entsprechenden Beweisantrag im Berufungsverfahren nicht gestellt. Nachdem das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt hatte, dass der Beklagte zeitlich in einem nicht unerheblichen Maße tätig gewesen sein müsse, um den Kauf und die Sanierung des Wohnhauses mit 20 Wohnungen sowie die Umwandlung in Eigentumswohnungen und deren Weiterveräußerung zu bewerkstelligen (UA S. 10 bis 12), wäre im Berufungsverfahren ein entsprechender Beweisantrag des anwaltlich vertretenen Beklagten zu erwarten gewesen, wenn er insoweit Korrekturbedarf sah. Dem Berufungsgericht musste sich eine solche Beweiserhebung ausgehend von seiner Rechtsauffassung nicht aufdrängen.

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2. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Rüge fehlender Feststellungen zu einer etwaigen Nachentrichtung der nicht fristgerecht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge. Das Berufungsgericht hat auch insoweit seine Aufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass es von einer Beweiserhebung dazu abgesehen hat, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des Strafaufhebungsgrundes des § 266a Abs. 6 Satz 1 StGB vorlagen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen von einer Bestrafung absehen, wenn der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nachentrichtet.

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Aus dem Umstand, dass in dem Strafurteil, an dessen tatsächliche Feststellungen das Berufungsgericht gemäß § 23 Abs. 1 DiszG gebunden war, Feststellungen zu einer solchen Nachentrichtung fehlen, ist nicht zu schließen, dass das Strafgericht es unterlassen hat, das Vorliegen dieses Strafaufhebungsgrundes zu prüfen. Nicht von Bedeutung ist insoweit, dass das Urteil nach § 267 Abs. 4 StPO in abgekürzter Form begründet worden ist. Denn die Urteilsgründe müssen nach § 267 Abs. 2 StPO stets entsprechende Feststellungen nur dann enthalten, wenn in der mündlichen Verhandlung dahin gehende Umstände behauptet worden sind. Der Beklagte trägt aber nicht vor, solche Umstände im Strafverfahren behauptet zu haben, er behauptet sie im Übrigen auch nicht im Rahmen dieser Beschwerde.

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3. Soweit der Beklagte schließlich rügt, dass das Berufungsurteil sich maßgeblich auch auf die strafgerichtliche Verurteilung stütze, dies aber rechtsfehlerhaft sei, weil seine Verurteilung wegen Betruges rechtlich falsch gewesen sei, deshalb die 5-jährige Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG gelte und abgelaufen sei und schließlich das Strafurteil nach § 51 Abs.1 BZRG einem Verwertungsverbot unterliege, rügt er damit die Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall, zeigt aber keinen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO, § 41 DiszG, § 69 BDG auf.

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Abgesehen davon regeln die Disziplinargesetze die Bindungswirkung im Disziplinarverfahren für tatsächliche Feststellungen von rechtskräftigen Urteilen in Straf- oder Bußgeldverfahren (vgl. § 23 Abs. 1 DiszG, § 23 Abs. 1 und § 57 Abs. 1 BDG). Mit der Bindung der Disziplinargerichte an die tatsächlichen Feststellungen in Urteilen, die in einem sachgleichen Strafverfahren ergangen sind, sollen die besseren Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden genutzt und zugleich das Auseinanderfallen von Entscheidungen verschiedener Gerichtsbarkeiten in ein- und derselben Sache verhindert werden. Es handelt sich hierbei um eine für Disziplinarverfahren gesetzlich bestimmte Ausnahme von der grundsätzlichen Freiheit der Gerichte bei der Feststellung des von ihnen unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Sachverhalts (Urteil vom 8. April 1986 - BVerwG 1 D 145.85 - BVerwGE 83, 180). Danach erfasst die Bindungswirkung bei rechtskräftigen Strafurteilen nur diejenigen Feststellungen, die zu den Tatbestandsmerkmalen der jeweiligen Strafnorm gehören, die Grundlage der Verurteilung ist, nicht aber etwa auch diejenigen Feststellungen, die für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB (vgl. Urteile vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 juris Rn. 29 und vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 2.03 - Buchholz 235.01 § 84 WDO 2002 Nr. 2 S. 3) oder sonst für den Strafausspruch oder das Strafmaß Bedeutung haben. Folgerichtig ist eine Ausnahme von der Bindungswirkung im Falle der offenkundigen Unrichtigkeit auch nur hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, nicht aber hinsichtlich des nicht bindenden Strafausspruchs vorgesehen (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG; vgl. zur Lösung von grundsätzlich bindenden Feststellungen im Disziplinarverfahren zuletzt Beschluss vom 28. Dezember 2011 - BVerwG 2 B 74.11 - juris Rn. 13 m.w.N.).

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Für die Frage, ab welchem Zeitraum nach Vollendung eines Dienstvergehens - das auch und gerade in einer Straftat liegen kann - eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden darf (sog. Disziplinarmaßnahmeverbot), treffen die Disziplinargesetze eine eigenständige, nach der Schwere der Disziplinarmaßnahme abgestufte Regelung (vgl. § 15 DiszG, § 15 BDG). Die Disziplinargesetze enthalten auch Regelungen zu Verwertungsverboten früherer Disziplinarmaßnahmen nach Ablauf bestimmter Fristen (vgl. § 16 DiszG, §16 BDG). Das Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz - BZRG -, wonach die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder zu tilgen ist, ist in Disziplinarverfahren daneben lediglich insoweit von Bedeutung, als im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme, bei der das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. § 13 Abs. 1 BDG), nicht zu Lasten des Beamten auf von § 51 BZRG erfasste Verurteilungen wegen anderer - nicht den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildender - Vergehen abgestellt werden darf.

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Das Berufungsgericht hatte mithin im vorliegenden Fall die Bindungswirkung des § 23 Abs. 1 DiszG unabhängig davon zu beachten, ob der (nicht bindende) Strafausspruch im Strafurteil rechtsfehlerhaft war oder nicht und ob sich aus einem rechtsfehlerhaften Strafausspruch Folgerungen für die Tilgungsfrist nach dem Bundeszentralregistergesetz ergeben können oder nicht.

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