Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (6. Senat) - 6 PB 7/12

Gründe

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Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 95 Abs. 2 BrbgPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.

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Der Beteiligte zu 1 will geklärt wissen, ob § 9 Abs. 2 BPersVG auch für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst des gehobenen Dienstes einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung im Angestelltenverhältnis gibt. Diese Frage ist eindeutig zu verneinen, so dass es ihrer Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.

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1. Das streitige Begehren richtet sich nach § 9 BPersVG (§ 9 BrbgPersVG i.V.m. § 107 Satz 2 BPersVG). Hieran hat das am 1. September 2006 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034, nichts geändert (vgl. Beschluss vom 21. Februar 2011 - BVerwG 6 P 12.10 - BVerwGE 139, 29 = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 42 Rn. 9 ff.).

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2. Die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung von Jugendvertretern bezieht sich nach § 9 Abs. 1 BPersVG eindeutig auf Beschäftigte in einem Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz, dem Krankenpflegegesetz und dem Hebammengesetz. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 BBiG gilt das Berufsbildungsgesetz nicht für die Berufsbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Eine Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz ist daher nicht der Vorbereitungsdienst im Beamtenverhältnis auf Widerruf (vgl. Beschluss vom 4. September 1995 - BVerwG 6 P 20.93 - Buchholz 251.7 § 26 NWPersVG Nr. 1 S. 8; BAG, Urteil vom 23. August 1984 - 6 AZR 519/82 - BAGE 46, 270 <280>; Faber, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, Stand Januar 2012, § 9 Rn. 23; Altvater/Peiseler, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 7. Aufl. 2011, § 9 Rn. 2; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 11. Aufl. 2008, § 9 Rn. 4; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Band V, Stand Januar 2012, K § 9 Rn. 9; Treber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 9 Rn. 8).

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3. Für die analoge Anwendung der Regelung in § 9 BPersVG auf Ausbildungen im Beamtenverhältnis fehlt es an einer planwidrigen Lücke.

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a) Dagegen spricht schon die Bezugnahme auf das Berufsbildungsgesetz mit seinem Ausschluss öffentlich-rechtlicher Ausbildungsverhältnisse und auf zwei weitere Spezialgesetze über privatrechtlich zu gestaltende Berufsausbildungen. Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt dies. Durch das Gesetz zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Verwaltungen vom 13. Juli 1988, BGBl I S. 1037, ist § 9 Abs. 1 BPersVG um die Ausbildungen nach dem Krankenpflegegesetz und dem Hebammengesetz ergänzt worden. Damit hat der Gesetzgeber darauf reagiert, dass die Auszubildenden nach dem Krankenpflegegesetz und dem Hebammengesetz mit der Novellierung dieser Gesetze aus dem Schutzbereich des § 9 BPersVG herausgefallen waren (vgl. § 22 KrPflG und § 26 HebG; BTDrucks 11/2480 S. 4 und 11). Daran wird deutlich, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf Ausbildungen, die denjenigen nach dem Berufsbildungsgesetz vergleichbar sind, um Vollständigkeit bemüht war (vgl. in diesem Zusammenhang Urteil vom 31. Mai 1990 - BVerwG 6 P 16.88 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 8 S. 26 ff.). Auf Berufsausbildungen, welche ihre Grundlage in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder finden, bezog sich diese Einstellung des Gesetzgebers offensichtlich nicht.

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b) Die Annahme einer planwidrigen Lücke verbietet sich ebenfalls mit Blick auf die allgemeine Systematik des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Danach hat der Gesetzgeber berücksichtigt, dass es in der öffentlichen Verwaltung mit den Beamten und Arbeitnehmern zwei durchaus verschiedene Gruppen von Beschäftigten gibt (§§ 4, 5 BPersVG), und dementsprechend sowohl gruppenübergreifende als auch gruppenspezifische Regelungen getroffen. Gruppenspezifisch angelegt sind namentlich beteiligungspflichtige personelle Einzelmaßnahmen, welche ausdrücklich oder sinngemäß entweder für Arbeitnehmer (§ 75 Abs. 1, § 79 Abs. 1 und 2 BPersVG) oder für Beamte (§ 76 Abs. 1, § 78 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BPersVG) vorgesehen sind. Eine differenzierende Regelung betrifft die Rechtsstellung der Personalratsmitglieder selbst. Während sich der Schutz vor außerordentlicher Kündigung naturgemäß nur auf die Arbeitnehmervertreter beziehen kann (§ 47 Abs. 1 BPersVG), erstreckt sich der Schutz vor Versetzungen und Abordnungen auf Arbeitnehmer- und Beamtenvertreter gleichermaßen (§ 47 Abs. 2 BPersVG). Im vorliegenden Zusammenhang besonders auffällig ist, dass der Gesetzgeber beim aktiven und passiven Wahlrecht für die Jugend- und Auszubildendenvertretungen nicht den engen Auszubildendenbegriff in § 9 Abs. 1 BPersVG zu Grunde legt, sondern auf den weiten, Berufsausbildungen aller Art umfassenden Beschäftigtenbegriff in § 4 Abs. 1 BPersVG zurückgreift (§§ 57, 58 BPersVG). Die bewusste, das Gesetz als Ganzes durchziehende Unterteilung der Regelungen in gruppenübergreifende und gruppenspezifische schließt die Annahme aus, der Gesetzgeber habe den Weiterbeschäftigungsschutz in § 9 BPersVG nicht auf privatrechtliche Ausbildungsverhältnisse beschränken wollen.

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c) Eine Analogie ist schließlich nicht zur Herbeiführung eines verfassungskonformen Ergebnisses geboten. Dies gilt jedenfalls, soweit es wie im vorliegenden Fall um den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Dienst geht. Dass die Absolventen einer solchen Ausbildung nicht den Weiterbeschäftigtenschutz des § 9 BPersVG genießen, verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt.

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Der Beteiligte zu 1 hat nach Maßgabe der einschlägigen laufbahnrechtlichen Bestimmungen einen dreijährigen Vorbereitungsdienst in einem Studiengang am Fachbereich Sozialversicherung der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung absolviert. Seine Ausbildung war daher durch ein Hochschulstudium geprägt und unterfiel auch aus diesem Grunde nicht dem Anwendungsbereich des Berufsbildungsgesetzes (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Absolventen von Ausbildungen eines derartigen Qualifikationsniveaus sind unter dem Gesichtspunkt des § 9 BPersVG nicht in gleicher Weise schutzwürdig wie nach dem Berufsausbildungsgesetz ausgebildete Personen.

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Sinn und Zweck der Regelung in § 9 BPersVG gehen dahin, den Jugendvertreter von nachteiligen Folgen seiner Amtsausübung zu schützen und die Kontinuität der Gremienarbeit sicherzustellen (vgl. Beschluss vom 21. Februar 2011 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Der letztgenannte "kollektive" Schutzzweck ist unabhängig vom Qualifikationsniveau der jeweiligen Ausbildung gewahrt. Für den erstgenannten "individuellen", auf die Person des Jugendvertreters bezogenen Schutzzweck gilt das nicht in gleicher Weise. Bei typisierender Betrachtungsweise darf der Gesetzgeber zu Grunde legen, dass Absolventen einer berufsqualifizierenden Ausbildung mit Hochschulniveau im Vergleich zu Absolventen anderer Ausbildungen einem geringeren Risiko ausgesetzt sind, nach Abschluss der Ausbildung über einen nennenswerten Zeitraum ohne Beschäftigung zu bleiben. Dies rechtfertigt zugleich die Annahme, dass Auszubildende für den gehobenen Dienst als Jugendvertreter sich auch ohne den besonderen Weiterbeschäftigungsschutz nach § 9 BPersVG durchweg nachhaltig für die Belange der von ihnen vertretenen jugendlichen Beschäftigten und Auszubildenden einsetzen werden (§§ 57, 61 BPersVG). Schutzlos sind auch solche Jugendvertreter nicht. Sie dürfen bei der Entscheidung über eine etwaige Anschlussbeschäftigung nicht wegen ihrer personalvertretungsrechtlichen Funktion benachteiligt werden (§ 8 BrbgPersVG und § 107 Satz 1 BPersVG).

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d) Die in der Beschwerdebegründung vorgetragenen unionsrechtlichen Gesichtspunkte geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 regelt spezielle Diskriminierungsverbote u.a. wegen des Alters. Ausschließlich dazu verhalten sich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2011 - Rs. C-297/10 und C-298/10 - sowie die in der Beschwerdebegründung weiter zitierten drei Urteile erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10 - befasst sich mit der Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG im Zusammenhang mit der Frage, ob einem Beamten, der in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in den Ruhestand dienstunfähig war, eine Urlaubsabgeltung zusteht. Aus alledem ergeben sich keine Aussagen zur hier in Rede stehenden Fallgestaltung.

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