Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 B 74/12

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 724,53 € festgesetzt.

Gründe

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Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG), die ihrer Mutter für den Wegnahmeschaden an Grundvermögen im Sowjetsektor von Berlin gewährt worden war. Das Grundvermögen wurde im Jahre 2000 der Klägerin zurückübertragen, weil ihre Mutter ihr den Rückübertragungsanspruch 1994 notariell abgetreten hatte. Der Beklagte forderte von der Klägerin mit Leistungsbescheid von 2010 Hauptentschädigung in Höhe von 3 724,53 € zurück. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht gestützt auf § 349 LAG abgewiesen. Durch die Rückübertragung sei ein Schadensausgleich eingetreten. Die Klägerin könne gemäß § 349 Abs. 5 Satz 2 LAG neben ihrer Mutter als deren Rechtsnachfolgerin herangezogen werden, weil sie die Schadensausgleichsleistung ohne angemessene Gegenleistung erlangt habe. Im notariellen Schenkungs- und Übertragungsvertrag von 1994 sei keine Gegenleistung in Form des behaupteten Pflegeversprechens vereinbart worden. Für notarielle Erklärungen streite die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Diese Vermutung sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht widerlegt. Der als Zeuge angehörte Notar könne sich nicht mehr genau erinnern. Die Erklärungen des Ehemanns der Klägerin seien nicht geeignet zu bestätigen, dass das behauptete Pflegeversprechen synallagmatisch mit der Übertragung des Grundvermögens verknüpft gewesen sei. Auch habe der Ehemann der Behauptung der Klägerin widersprochen, es habe zur Herbeiführung der Vereinbarung ein bestimmtes Gespräch gegeben. Überdies sei der eigene Vortrag der Klägerin zu dieser Pflegevereinbarung widersprüchlich und daher zu bezweifeln.

2

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

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1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn für die angegriffene Entscheidung eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob zwischen dem Erlangen der Schadensausgleichsleistung und der Gegenleistung eine synallagmatische Beziehung bestehen muss oder ob eine angemessene Gegenleistung (hier einer Pflegevereinbarung) auch freiwillig erbracht werden kann, ist ohne Weiteres im Sinne des vom Verwaltungsgericht vertretenen Standpunktes zu beantworten. Dies hat der Senat bereits entschieden (Beschluss vom 6. September 2007 - BVerwG 3 B 65.07 - juris), hieran ist festzuhalten.

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Nach Satz 2 des § 349 Abs. 5 LAG in der bei Erlass des Leistungsbescheides geltenden Fassung kann ein Rechtsnachfolger des wegen Schadensausgleichs Rückzahlungspflichtigen im Sinne von Satz 1 neben diesem als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, wenn er die Schadensausgleichsleistung ohne angemessene Gegenleistung erlangt hat. Schon der Begriff "Gegenleistung" deutet unmissverständlich auf die Notwendigkeit einer rechtlichen Verknüpfung zwischen dem Erlangen der Ausgleichsleistung und der vom Rechtsnachfolger gewährten Leistung hin. Das wird durch Sinn und Zweck der Mithaftung des Einzelrechtsnachfolgers bestätigt: Die Mithaftung soll dagegen vorsorgen, dass Rückzahlungsansprüche notleidend werden, weil der Rückzahlungspflichtige das zurückerlangte Vermögen ohne angemessene Gegenleistung an Dritte weitergibt, selbst aber durch die Übertragung vermögenslos wird (Urteil vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 3 C 10.08 - ZOV 2009, 45 unter Hinweis auf BTDrucks 14/866 S. 16). Damit ist eine Mithaftung nur dann ausgeschlossen, wenn dem Rückzahlungspflichtigen im Austausch für den Vermögenswert, der zum Zwecke des Schadensausgleichs gewährt wird, eine wirtschaftlich gleichwertige, im rechtlichen Zusammenhang stehende - eben synallagmatische -Leistung zufließt. Ein Austausch, der verhindert, dass der Rückzahlungspflichtige infolge der Weitergabe der Schadensausgleichsleistung vermögenslos wird, findet nicht statt, wenn Leistungen freiwillig, also ohne rechtliche Verpflichtung und ohne Rücksicht auf die Erlangung des Schadensausgleichs erbracht werden.

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Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Angaben der Klägerin zu dem behaupteten Austauschverhältnis als widersprüchlich und nicht glaubhaft gewertet, was die Beschwerde nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen infrage stellt (2.). Auf die Klärung, ob Art und Umfang der Pflegeleistung als Gegenleistung angemessen wäre, kommt es daher nicht entscheidungserheblich an, insbesondere nicht darauf, ob die Pflegevereinbarung auf der Grundlage der Darstellung der Klägerin konkret genug gewesen ist, um eine Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit zu erlauben.

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2. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügend dargelegt. Die Klägerin rügt insoweit, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt falsch verstanden und die Beweise unzutreffend gewürdigt. Indes macht sie mit ihrer abweichenden Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme, namentlich der Aussagen der vernommenen Zeugen, Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung geltend, die revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen sind (stRspr, Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Von einem Ausnahmefall objektiv willkürlicher Bewertung der Tatsachengrundlage, die auch als verfahrensfehlerhaft anzusehen ist, kann hier keine Rede sein. Dasselbe gilt, soweit die Klägerin die Entscheidungserheblichkeit ihrer widersprüchlichen Angaben zu Zeit und Ort der Vereinbarung verneint. Die vom Verwaltungsgericht festgestellte Widersprüchlichkeit ist nicht unerheblich, weil anderenfalls die Absprache und die Gegenleistung festgestellt worden wären. Das Verwaltungsgericht hat sich vielmehr gerade nicht in der Lage gesehen, sich hiervon zu überzeugen.

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Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

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