Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 BN 29/13
Gründe
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I.
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Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob sich die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Februar 2013 erledigt hat.
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Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat der Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan Nr. 34/2 "Am Wiesenteich" der Antragsgegnerin für unwirksam erklärt, weil die maßgebliche Auslegungsbekanntmachung insoweit gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB verstoße, als sie keinerlei Angaben dazu enthalte, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar seien. Der bloße Hinweis, dass der Umweltbericht und bereits vorliegende umweltbezogene Stellungnahmen ausgelegt würden, ohne Angaben dazu, welche Themen betroffen seien, genüge nicht. Von einer Unbeachtlichkeit des Fehlers nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB könne nicht ausgegangen werden. Das schlichte Unterlassen von Angaben zu den verfügbaren umweltbezogenen Informationen bleibe auch nach der sogenannten internen Unbeachtlichkeitsklausel ein beachtlicher Mangel.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Antragsgegnerin Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nachfolgender Rechtsfragen eingelegt:
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Welche Verpflichtung trifft die Gemeinde, "soweit sie 'Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind', nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB (richtig: § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB) ortsüblich bekannt zu machen hat?"
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Unter welchen Voraussetzungen ist "ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB (richtig: § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB) nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB unbeachtlich, weil nur 'einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind', gefehlt haben?"
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Mit Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 4 CN 3.12 - (zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) hat der Senat entschieden, dass § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB die Gemeinden dazu verpflichtet, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Das Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich auch auf solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, die die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. Ein pauschaler Hinweis auf den Umweltbericht genügt nicht (a.a.O. Rn. 22). Auf der Grundlage der Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im angefochtenen Urteil hat es der Senat bundesrechtlich für ausgeschlossen gehalten, im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB von einem bloßen Fehlen einzelner Angaben auszugehen (a.a.O. Rn. 25).
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Im Hinblick auf diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision insgesamt für erledigt erklärt, weil die als rechtsgrundsätzlich erachteten Fragen nunmehr im Sinne der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs entschieden worden seien. Die Antragstellerin hat der Erledigung widersprochen. Sie ist der Auffassung, eine Erledigung sei vorliegend nicht eingetreten.
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II.
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1. Der zulässige Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Februar 2013 hat sich nicht erledigt.
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Tritt nach Klageerhebung ein außerprozessuales Ereignis ein, das dem Klagebegehren die Grundlage entzieht, womit die Klage für den Kläger gegenstandslos wird, dann kann er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären. Widerspricht der Beklagte, so wird der Rechtsstreit als Erledigungsrechtsstreit fortgesetzt. In diesem Fall hat das Gericht gemäß dem Begehren des Klägers jedenfalls noch die Frage zu prüfen, ob sich das ursprüngliche Klagebegehren durch ein nach Klageerhebung eingetretenes Ereignis außerhalb des Prozesses tatsächlich erledigt hat. Dabei ist die Umstellung vom ursprünglichen Klageantrag auf den Antrag, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen, von den für Klageänderungen geltenden einschränkenden Voraussetzungen der §§ 91, 142 VwGO freigestellt. Hat das nachträgliche Ereignis der Klage die Grundlage entzogen, so ist dem Feststellungsantrag stattzugeben; anderenfalls ist die (Feststellungs-)Klage abzuweisen (stRspr; Urteile vom 14. Januar 1965 - BVerwG 1 C 68.61 - BVerwGE 20, 146 <149 ff.> = Buchholz 310 § 161 Abs. 2 VwGO Nr. 12, vom 27. Februar 1969 - BVerwG 8 C 37.67 und 8 C 38.67 - BVerwGE 31, 318 <319 f.>, vom 24. Juli 1980 - BVerwG 3 C 120.79 - BVerwGE 60, 328 <330 f.>, vom 22. Januar 1993 - BVerwG 8 C 40.91 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 100 = juris Rn. 11 und vom 31. Oktober 1990 - BVerwG 4 C 7.88 - BVerwGE 87, 62 = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 2 = juris Rn. 19; Beschlüsse vom 30. Oktober 1969 - BVerwG 8 B 219.67 - BVerwGE 34, 159 <160>, vom 25. November 1981 - BVerwG 1 WB 131.80 - BVerwGE 73, 312 <313>, vom 25. April 1989 - BVerwG 9 C 61.88 - BVerwGE 82, 41 <42> und vom 24. Oktober 1997 - BVerwG 4 NB 35.96 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 121 = juris Rn. 7). Auf die Begründetheit der ursprünglichen Klage kommt es - außer im Fall eines besonderen Feststellungsinteresses der der Erledigung widersprechenden Partei - dabei nicht an (Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 161 Rn. 161, 162 ff. m.w.N.). Ob neben der Erledigung auch die Zulässigkeit der ursprünglichen Klage zu prüfen ist, wird nicht einheitlich beurteilt (Neumann a.a.O. § 161 Rn. 143 ff.; Kremer, NVwZ 2003, 797), bedarf aber vorliegend - wie noch darzulegen ist - keiner Entscheidung.
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Diese Grundsätze gelten auch für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Beschlüsse vom 17. Dezember 1993 - BVerwG 3 B 134.92 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 103 = juris Rn. 1 und vom 8. April 1998 - BVerwG 4 B 184.97 - BauR 2000, 79 = juris Rn. 1). Ein solches Verfahren kann sich im Falle allein geltend gemachter grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) z.B. dadurch erledigen, dass die vom Beschwerdeführer als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete(n) Frage(n) durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne der Berufungsentscheidung geklärt wird/werden und damit der Beschwerde insgesamt, d.h. bezüglich aller geltend gemachter Grundsatzfragen, die Grundlage entzogen wird, weil auch der Übergang zur Divergenzbeschwerde (siehe hierzu etwa Beschlüsse vom 11. Februar 1986 - BVerwG 8 B 7.85 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 240 = juris Rn. 3, vom 9. April 1999 - BVerwG 9 B 21.99 - juris Rn. 3 und vom 21. Februar 2000 - BVerwG 9 B 57.00 - juris Rn. 6) in dieser Konstellation ausgeschlossen ist (ebenso: Neumann a.a.O. § 133 Rn. 96; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand August 2012, § 133 Rn. 105; siehe auch Beschluss vom 24. Oktober 1997 a.a.O. juris Rn. 11 für eine Nichtvorlagebeschwerde nach § 47 Abs. 7 VwGO a.F.). Dagegen tritt keine, auch keine teilweise Erledigung einer solchen Beschwerde ein, wenn lediglich eine einzige oder einzelne von mehreren vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage(n) durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt wird/werden, weil der Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - bei nicht teilbarem Streitgegenstand - einheitlich zu sehen ist und nicht in einzelne Fragen und deren Erledigung aufgespaltet werden kann.
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Dem entsprechend hat sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vorliegend nicht erledigt, weil jedenfalls die zweite von ihr als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage zu den Voraussetzungen der Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB im Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 4 CN 3.12 - nicht entschieden worden ist. Das Urteil enthält keine rechtsgrundsätzlichen Ausführungen dazu, wann noch von "einzelnen Angaben" i.S.d. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB auszugehen ist. Auf der Grundlage der Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat der Senat lediglich ausgesprochen, dass die Nennung einer einzigen Quelle umweltbezogener Informationen nicht unter § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 BauGB fällt, wenn im Umweltbericht zu zahlreichen weiteren Themen umweltbezogene Informationen zur Verfügung gestanden haben, die aber nicht genannt worden sind.
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Liegt aber keine Erledigung hinsichtlich aller als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfragen vor, dann ist der Feststellungsantrag schon deshalb zurückzuweisen, ohne dass es noch darauf ankommt, ob er auch zulässig gewesen wäre.
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Über den ursprünglichen Antrag auf Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ist nicht mehr zu entscheiden, denn die Antragsgegnerin hat diesen Antrag nicht, auch nicht hilfsweise, weiter verfolgt (vgl. Beschluss vom 3. Juli 2006 - BVerwG 7 B 18.06 - juris Rn. 16).
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Er ist auf den (hier überschlägig ermittelten) Betrag der Kosten festzusetzen, die bis zur Erledigungserklärung entstanden sind (Beschluss vom 3. Juli 2006 - BVerwG 7 B 18.06 - Rn. 16).
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3. Mit diesem Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Februar 2013 rechtskräftig (vgl. Beschluss vom 8. April 1998, a.a.O. juris Rn. 6).
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Referenzen
- § 29 BNatSchG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 132 4x
- VwGO § 47 2x
- VwGO § 91 1x
- VwGO § 154 1x
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 161 3x
- VwGO § 142 1x
- § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB 5x (nicht zugeordnet)