Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 B 13/15

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 14. November 2014 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

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Die Klägerin, der eine mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Fläche nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Satz 7 des Einigungsvertrages - EV - zurückübertragen worden ist, wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für Zentrale Dienste und offene Vermögensfragen. Darin wird festgestellt, dass die beigeladene Stadt, die Beigeladene zu 1, vertreten durch die Beigeladene zu 2, gegen die Klägerin nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG - einen Anspruch auf Ersatz werthaltiger Maßnahmen in Höhe von 51 970 € hat und die Beteiligten die Kosten eines zur Feststellung der Werterhöhung eingeholten Sachverständigengutachtens in Höhe von 2 824,97 € je zur Hälfte zu tragen haben.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte "zumindest der Beigeladenen zu 2" zu Recht einen Wertersatzanspruch zuerkannt habe. Es könne offen bleiben, ob die nicht nach § 8 Abs. 1 VZOG verfügungsbefugte Beigeladene zu 2 mit der notariellen Umwandlungserklärung, mit der sie von dem VEB Gebäudewirtschaft in ihre jetzige Rechtsform umgewandelt worden sei, das Eigentum an der streitbefangenen Fläche erlangt habe. Sie sei unabhängig hiervon Verfügungsberechtigte im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 3 VZOG, weil dieser Begriff nach Sinn und Zweck weit auszulegen sei. Es sei darauf abzustellen, welche mit Haushaltsmitteln ausgestattete juristische Person tatsächlich die Mittel für eine Bebauung, Modernisierung oder Instandhaltung in Ausübung einer - zumindest vermeintlichen - Verfügungsberechtigung aufgewandt habe. Hier seien die Mittel von der Beigeladenen zu 2 aus ihrem Vermögen aufgewendet worden. Hinsichtlich des Betrags habe sich die Beklagte zutreffend auf die Feststellungen zur Werterhöhung in dem eingeholten Gutachten gestützt; auch das Gericht folge den überzeugenden Darlegungen des Gutachters. Ebenfalls offen bleiben könne, ob sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides daraus ergebe, dass der Anspruch ausdrücklich der Beigeladenen zu 1 und nicht der Beigeladenen zu 2 zuerkannt worden sei, obwohl die Aufwendungen aus dem Vermögen der Beigeladenen zu 2 getätigt worden seien und nur diese im eigenen Namen einen Antrag gestellt und das Verwaltungsverfahren geführt habe; denn obwohl der Anspruch der Beigeladenen zu 2 hätte zuerkannt werden müssen, werde die Klägerin hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt, weil es für sie ohne Bedeutung sei, ob sie den Wertersatz an die Beigeladene zu 1 oder deren Tochterunternehmen zu leisten habe. Da sie auf Grund eines bestandskräftigen Bescheides leiste, werde sie in jedem Fall durch die Leistung von ihrer Schuld befreit. Offen bleiben könne daher auch, ob die Tenorierung des Bescheides dahin auszulegen sei, dass der Anspruch der Beigeladenen zu 2 als Unternehmen der Beigeladenen zu 1 zustehe, wofür Überwiegendes spreche.

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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat Erfolg. Zwar weist die Rechtssache nicht die nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auf (1.); ebenso wenig lässt die Beschwerdebegründung den gerügten Mangel richterlicher Sachaufklärung im Hinblick auf die Überprüfung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens erkennen (2.). Das angegriffene Urteil leidet jedoch an einer fehlerhaften richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO und beruht daher auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3.).

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1. Die Klägerin hält für klärungsbedürftig,

"ob ein guter Glaube für die Begründung der Verfügungsberechtigung/Verfügungsbefugnis im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 3 VZOG ausreicht - so das Verwaltungsgericht - oder ob es darauf ankommt, dass die Voraussetzungen einer Verfügungsberechtigung/Verfügungsbefugnis tatsächlich vorliegen."

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Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn es liegt angesichts des klaren Gesetzeswortlauts auf der Hand und bedarf daher nicht der grundsätzlichen Klärung, dass der Anspruch nach § 11 Abs. 2 Satz 3 VZOG ausschließlich dem Verfügungsberechtigten oder Verfügungsbefugten zugewiesen ist und nicht etwa auch demjenigen, der entgegen der Rechtslage lediglich meint, Verfügungsberechtigter oder Verfügungsbefugter zu sein. Das Vermögenszuordnungsgesetz begründet insoweit ein Rechtsverhältnis ausschließlich zwischen dem Restitutionsberechtigten und demjenigen, der vor der Rückübertragung berechtigt oder befugt war, über den zurückzuübertragenden Vermögenswert zu verfügen. Nicht verfügungsberechtigte oder -befugte Dritte, die vor der Rückübertragung in den Vermögenswert investiert haben, sind in dieses öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis nicht einbezogen. Sie sind darauf verwiesen, etwaige Ansprüche gegenüber dem tatsächlich Verfügungsberechtigten oder -befugten auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen. Ansprüche sind jedenfalls dann denkbar, wenn und soweit dieser sich die Investitionen zu eigen macht und daher selbst nach § 11 Abs. 2 Satz 3 VZOG gegenüber dem Rückübertragungsberechtigten anspruchsberechtigt ist.

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2. Auch die Sachaufklärungsrüge der Klägerin, mit der sie beanstandet, dass das Verwaltungsgericht sich mit dem vom Bundesamt im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten nicht in der gebotenen Weise auseinander gesetzt habe, kann nicht zur Zulassung der Revision führen.

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Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wird insoweit nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargetan. Die Klägerin rügt, dass das Gericht nicht geprüft habe, ob die durch den Sachverständigen vorgenommene Einordnung der einzelnen Maßnahmen als Bebauung, Modernisierung oder Instandhaltung und ihre Abgrenzung von einer gewöhnlichen Erhaltung zutreffend seien, obwohl sie im Verwaltungsverfahren und in ihren Schriftsätzen vom 23. Juli 2012 S. 6 f., und 14. Juli 2014 S. 3, detailliert dargelegt habe, dass die von der Beigeladenen zu 2 geltend gemachten Aufwendungen als gewöhnliche Erhaltungskosten einzuordnen seien und das Gutachten insoweit nicht aussagekräftig sei. In dem genannten Schriftsatz vom 23. Juli 2012 hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Beklagte gegenüber dem Sachverständigen habe festlegen müssen, welche der Maßnahmen bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs berücksichtigungsfähig seien und welche nicht, weil es sich dabei um eine Rechtsfrage handele. Der Sachverständige habe sich auf die gutachtliche Feststellung der Werterhöhung beschränken müssen. Stattdessen sei der Bescheid den nicht begründeten Einordnungen des Sachverständigen gefolgt, ohne diese eigenständig zu prüfen. Im Schriftsatz vom 14. Juli 2014 betont die Klägerin, dass auch das Gericht gehalten sei, die Einordnung der Maßnahmen auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren; sie wiederholt ihre Einschätzung, dass der Sachverständige zur Beantwortung solcher Rechtsfragen nicht berufen gewesen sei.

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Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber in seinem Urteil darlegt, dass der Gutachter die Baufachbegriffe der Bebauung, Modernisierung oder Instandhaltung selbstständig habe definieren und auf die von ihm untersuchten Maßnahmen habe anwenden dürfen. Ausgehend von dieser dem Urteil zugrunde liegenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die für den Umfang der gerichtlichen Sachaufklärung maßgeblich ist, scheidet der gerügte Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO aus. Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, dem Gutachten lasse sich entnehmen, dass der Gutachter die einzelnen Maßnahmen unter zutreffender Heranziehung der gesetzlichen Grundlagen überprüft und nur insoweit der ermittelten Summe zugrunde gelegt habe, wie sie für eine Bebauung, Modernisierung oder Instandsetzung erfolgt seien; das Gericht hat weiterhin zum Ausdruck gebracht, dass es den überzeugenden Darlegungen des Gutachters folge. Allein mit der wiederholten Behauptung der Klägerin, dass das Gericht die Ausführungen des Sachverständigen nicht im Einzelnen geprüft habe, wird ein Sachaufklärungsmangel nicht hinreichend bezeichnet, solange die Klägerin nicht konkret darlegt, welche der einzelnen Maßnahmen fehlerhaft eingeordnet und bewertet worden sind und woraus sich ergibt, dass das Verwaltungsgericht dies ungeprüft gelassen hat. Der pauschale Einwand, das Verwaltungsgericht habe Einschätzungen und Bewertungen des Gutachters unreflektiert übernommen, genügt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Begründung einer Sachaufklärungsrüge.

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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat in diesem Zusammenhang gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

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3. Berechtigt ist demgegenüber die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei verfahrensfehlerhaft zu der Einschätzung gelangt, sie sei nicht in ihren Rechten verletzt, selbst wenn das Bundesamt den Anspruch rechtsfehlerhaft der Beigeladenen zu 1 und nicht der Beigeladenen zu 2 zuerkannt habe. Die Begründung des Gerichts, dass es aus der Sicht der Klägerin ohne Belang sei, an welchen dieser Beteiligten sie den Wertersatz zu leisten habe, weil sie in jedem Fall durch die Leistung von ihrer Schuld befreit werde, blendet das Vorbringen der Klägerin in unzulässiger Weise aus. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob dem Gericht insoweit eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG anzulasten ist, wie die Klägerin meint. In jedem Fall ist die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Klägerin in den Urteilsgründen mit einer ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO nicht zu vereinbaren.

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Die Klägerin hatte sich in ihrem Schriftsatz vom 23. Juli 2012 ausdrücklich darauf berufen, dass die Beigeladene zu 1 keinen Antrag auf Gewährung von Wertersatz gestellt habe, sondern nur die erst im späteren Verlauf des Prozesses in das Verfahren einbezogene Beigeladene zu 2. Zwar erwähnt das Verwaltungsgericht in der maßgeblichen Passage seiner Urteilsbegründung den fehlenden Antrag der Beigeladenen zu 1 und erwägt, dass auch deshalb der Beigeladenen zu 2 und nicht - wie im Bescheid geschehen - der Beigeladenen zu 1 der Anspruch zuzuerkennen gewesen wäre, vernachlässigt jedoch bei seiner Überlegung, mit der es eine daraus resultierende Rechtsverletzung der Klägerin ausschließt, dass die Klägerin mit der Aufhebung des Bescheides von der zu ihren Lasten ergangenen Feststellung befreit wäre. Obwohl die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 14. Juli 2014 der in der vorläufigen gerichtlichen Einschätzung der Streitsache (Bl. 119 ff. GA) vertretenen These einer fehlenden Rechtsverletzung deutlich widersprochen hatte, stützt das Gericht die Abweisung der Klage auf diese Rechtsauffassung, ohne auch nur ein Wort auf den sinngemäßen Einwand der Klägerin zu verwenden, dass nicht darauf abgestellt werden könne, ob sie mit der Zahlung an einen der Beteiligten auf jeden Fall von ihrer Schuld befreit werde, vielmehr maßgeblich sei, dass der in dem Bescheid bestimmte Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 3 VZOG erfülle, damit sie - die Klägerin - ihm einen Wertausgleich schulde. Zu diesem Einwand Stellung zu nehmen, bestand insbesondere deswegen aller Anlass, weil es offenkundig ist, dass die Feststellung, einem Dritten einen Geldbetrag zu schulden, notwendigerweise mit einer Verletzung von Rechten des Verpflichteten einhergeht, wenn der Dritte keinen der angeordneten Verpflichtung korrespondierenden Anspruch hat. Die These, es fehle an einer Rechtsverletzung, wenn jedenfalls ein anderer anspruchsberechtigt sei, der aber seine Rechte wegen der ihm gegenüber eingetretenen Bestandskraft des Feststellungsbescheides nicht mehr geltend machen könne, geht daran vorbei, dass mit der Aufhebung des Bescheides die gegenüber der Klägerin getroffene Feststellung und die daraus folgende Leistungspflicht entfällt und eine an deren Stelle tretende Verbindlichkeit gegenüber einem anderen Gläubiger zunächst wiederum einer behördlichen Feststellung nach § 11 Abs. 2 Satz 5 VZOG bedürfte.

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Auf diesem Verfahrensmangel beruht das angegriffene Urteil. Eine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung hätte das naheliegende Ergebnis zeitigen können, dass der angegriffene Bescheid nicht nur rechtswidrig ist, sondern auch die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

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Der Senat nimmt den Verfahrensfehler zum Anlass, das angegriffene Urteil nach § 133 Abs. 6 VwGO aufzuheben und den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

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