Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 C 1/15

Tatbestand

1

Der Kläger, der das gerichtliche Verfahren als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Vorhabenträgerin aufgenommen hat, begehrt die Erteilung eines standortbezogenen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für die Errichtung und den Betrieb von vier Windenergieanlagen. Die vorgesehenen Anlagenstandorte liegen in einer Mindestentfernung von ca. 1 600 m zu der im Eigentum der Beigeladenen zu 2 stehenden und von ihr betriebenen Flugsicherungseinrichtung .... Nordöstlich dieser Einrichtung - in einem Abstand von 2 200 bis 3 200 m - existiert u.a. ein Windpark mit acht Windenergieanlagen. Darüber hinaus waren zum Zeitpunkt der Antragstellung neun weitere Windenergieanlagen im Anlagenschutzbereich der Flugsicherungseinrichtung bekannt.

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Nachdem die Beigeladene zu 1 ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben versagt und die Beigeladene zu 2 bei der zuständigen Behörde angezeigt hatte, dass die Windenergieanlagen im Anlagenschutzbereich der Flugsicherungseinrichtung lägen und diese möglicherweise in nicht hinnehmbarer Weise störten, lehnte die Beklagte die Erteilung des Vorbescheids ab. Hiergegen erhob die Vorhabenträgerin Klage.

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Infolge einer Gesetzesänderung, durch die die bislang in § 18a Abs. 1 LuftVG vorgesehene Anzeige der für die Flugsicherung zuständigen Stelle durch eine Entscheidung des neu errichteten Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung (BAF) ersetzt worden war, teilte letzteres der zuständigen Behörde zunächst mit, § 18a LuftVG stehe lediglich der Errichtung von drei der vier beantragten Windenergieanlagen entgegen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Vorhabenträgerin wies das BAF als unzulässig zurück, weil es sich bei der Entscheidung nach § 18a Abs. 1 LuftVG nicht um einen selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt handele. Später teilte das BAF der zuständigen Behörde mit, dass nach der gutachtlichen Stellungnahme der Beigeladenen zu 2 § 18a LuftVG der Errichtung aller vier Windenergieanlagen entgegenstehe.

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Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, der Vorhabenträgerin einen Vorbescheid bezogen auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs einer Windenergieanlage zu erteilen, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen.

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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beigeladenen zu 2 und 3 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. § 18a Abs. 1 LuftVG stütze die Ablehnung des Vorbescheids. Von einer Störung im Sinne des § 18a Abs. 1 Satz 1 LuftVG sei auszugehen, wenn die sich aus den einschlägigen ICAO-Dokumenten ergebenden bzw. - soweit diese Dokumente widersprüchlich seien - in vertretbarer Weise hergeleiteten Toleranzwerte überschritten würden. Eine validierte und damit unangreifbare Analysemethode gebe es derzeit nicht; die Methodik der Beigeladenen zu 2 und 3 sei aber vertretbar und werde durch das vom Kläger vorgelegte Gutachten nicht in Frage gestellt. Ebenfalls vertretbar sei es, den anlageninternen Winkelfehler der Flugsicherungseinrichtung (Alignmentfehler) mit ± 2° und den Gesamtwinkelfehler mit ± 3° anzusetzen. Ohne Rechtsfehler seien die Beigeladenen zu 2 und 3 davon ausgegangen, dass das maximale Fehlerbudget für externe Störer schon durch die vorhandenen Windenergieanlagen ausgeschöpft sei.

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Mit seiner von der Vorinstanz zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Prüfungsmaßstab zu Unrecht auf eine bloße Vertretbarkeitskontrolle beschränkt. Darüber hinaus habe es verkannt, dass ein Bauverbot nach § 18a LuftVG nur dann gerechtfertigt sei, wenn eine objektiv feststellbare Beeinflussung der Flugsicherungseinrichtung im Hinblick auf ihren Zweck und die Eigentumsbelange des Vorhabenträgers nicht mehr hinnehmbar sei. Auch müsse auf die tatsächliche Leistung der Flugsicherungseinrichtung und nicht auf ihren rechtlich zugelassenen Alignmentfehler abgestellt werden. Der zugrunde zu legende Gesamtwinkelfehler betrage ± 3,5° und nicht lediglich ± 3°. Auslegung und Anwendung der insoweit einschlägigen und als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften zu qualifizierenden ICAO-Regelwerke unterlägen der revisionsgerichtlichen Kontrolle.

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Die Beigeladenen zu 2 und 3 verteidigen das angegriffene Urteil, die Beklagte und die Beigeladene zu 1 haben sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angegriffene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht.

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A. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass der Erteilung des Vorbescheids für die Errichtung und den Betrieb von vier Windenergieanlagen ein Bauverbot nach § 18a Abs. 1 LuftVG entgegensteht.

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1. Das Bauverbot ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass der Kläger gegen die Entscheidung, mit der das BAF gemäß § 18a Abs. 1 Satz 2 LuftVG eine Störung von Flugsicherungseinrichtungen durch das klägerische Vorhaben bejahte, keine (weiteren) Rechtsbehelfe eingelegt hat. Denn mangels Verwaltungsaktsqualität konnte diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden. Ihre Wirkung bleibt nach der gesetzlichen Ausgestaltung verwaltungsintern (vgl. nur Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand Juli 2015, § 18a Rn. 35); sie ist nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Die Bekanntgabe der Entscheidung erfolgt - nur - gegenüber der zuständigen Luftfahrtbehörde des Landes (§ 18a Abs. 1 Satz 3 LuftVG). Nach der bis 2009 geltenden Vorgängervorschrift war die Störung der Flugsicherungseinrichtung dieser Behörde "anzuzeigen". Mit der Änderung sollte zwar die Störungsfeststellung für andere Behörden verbindlich sein; eine Änderung der Rechtsqualität der Entscheidung gegenüber vom Bauverbot Betroffenen hat der Gesetzgeber damit aber erkennbar nicht verbunden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/11608 S. 15). Es bedarf vielmehr - auch mit Blick auf die Gebote rechtsstaatlicher Klarheit und effektiven Rechtsschutzes - nach wie vor eines Trägerverfahrens, durch das die Entscheidung des BAF diesen Betroffenen gegenüber Außenwirkung erlangen kann.

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2. Die mithin gebotene Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 18a Abs. 1 LuftVG durch das Oberverwaltungsgericht ist nicht zu beanstanden.

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a) Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass eine Störung einer Flugsicherungseinrichtung im Sinne des § 18a Abs. 1 LuftVG vorliegt, wenn diese die vorgesehenen Fehlertoleranzen nicht einhält und somit nicht mit der gebotenen Präzision arbeitet. Die Vorinstanz ist somit von einem technisch geprägten, objektiven Störungsbegriff ausgegangen. Demgegenüber hält der Kläger eine an Art. 14 GG und am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Auslegung für geboten, die danach fragt, ob eine technisch feststellbare Beeinflussung der Flugsicherungseinrichtung ihre Funktion in nicht hinnehmbarer Weise einschränkt. In der Sache zielt diese Rüge auf eine - vom Oberverwaltungsgericht nicht vorgenommene - Abwägung zwischen Flugsicherung und Eigentumsinteresse.

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Für eine solche Abwägung lässt § 18a Abs. 1 LuftVG bei der Auslegung des Begriffs der Störung indessen keinen Raum. Wie auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt hat, ist es nicht vorstellbar, dass der Umfang der hinzunehmenden Funktionseinschränkung der Flugsicherungseinrichtung von der Intensität der durch ein Bauverbot betroffenen Eigentümerinteressen abhängig sein soll. Norm und Systematik bieten für eine solche Auslegung keinen Ansatzpunkt. Zutreffend ist zwar, dass nicht jede beliebige Beeinflussung einer Flugsicherungseinrichtung als Störung zu qualifizieren ist. Eine Störung tritt erst ein, wenn bauwerksbedingte Beeinflussungen von Flugsicherungseinrichtungen eine bestimmte - feste - Schwelle überschreiten, wodurch deren Funktion beeinträchtigt wird (vgl. bereits Gesetzesbegründung zu § 18a LuftVG a.F., BT-Drs. 8/3431 S. 11). Ob diese Schwelle erreicht ist, muss mit Blick auf die Aufgabenstellung der Flugsicherung in § 27c Abs. 1 LuftVG bestimmt werden (dazu Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand Juli 2015, § 18a Rn. 10). Eine Störung ist danach gegeben, wenn die Funktion der Flugsicherungseinrichtung bauwerksbedingt in einem Maß beeinträchtigt wird, das sich auf die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Flugverkehrs auswirkt. Das hat das Oberverwaltungsgericht ebenso erkannt wie den Umstand, dass insoweit nicht erst Gefahren für die Luftsicherheit oder die Möglichkeit eines konkreten Schadenseintritts (etwa im Sinne einer gefährlichen Annäherung von Flugzeugen oder einer Kollision) in den Blick zu nehmen sind.

14

Dass diese Auslegung dem grundrechtlichen Eigentumsschutz widerspräche, ist nicht erkennbar. Der Gesetzgeber hat sich durch den Verzicht auf eine Relativierung des Störungsbegriffs bewusst und abschließend für einen Vorrang der Belange der Flugsicherung und des hierdurch bezweckten Schutzes von Leben und Gesundheit gegenüber den Eigentümerinteressen und mithin für eine entsprechende Inhaltsbestimmung des vom Bauverbot betroffenen Grundeigentums entschieden und diesen Vorrang, der im Hinblick auf die weitreichenden Störungsfolgen für die genannten Schutzgüter nicht zu beanstanden ist, auch durch die Entschädigungsregelung in § 19 Abs. 1 LuftVG zum Ausdruck gebracht.

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b) Zur Entscheidung der Frage, ob Flugsicherungseinrichtungen durch Bauwerke gestört werden, hat das Oberverwaltungsgericht mangels gesetzlicher oder anderweitiger rechtlich konkretisierender Festlegungen auf Richtlinien und Empfehlungen zu Themenbereichen der Luftfahrt auf der Grundlage des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944 (BGBl. 1956 II S. 41), - Chicagoer Abkommen - zurückgegriffen. Dabei hat es sich auf Regelungen des Annex 10 des Abkommens sowie auf solche des europäischen Regionalbüros der durch das Abkommen gegründeten internationalen Zivilluftfahrtsbehörde ICAO (ICAO EUR Doc 015) gestützt. Das ist nicht zu beanstanden. Diese Regeln sind zwar nicht unmittelbar anwendbar, sie geben jedoch international anerkannte und bestverfügbare Regeln der Technik, der Praxis und der Normung wieder, die als Orientierungshilfe bei der Auslegung und Anwendung von § 18a Abs. 1 LuftVG herangezogen werden können. Das entspricht einem breiten Konsens in Rechtsprechung und Literatur (vgl. zuletzt etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2014 - 11 K 3648/12 - juris Rn. 45; VG Frankfurt, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 8 K 3509/13.F - juris Rn. 45; VG Halle, Urteil vom 14. April 2015 - 2 A 11/15 - juris Rn. 62 ff.; Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand Juli 2015, § 18a Rn. 11 und 13; Weiss, NVwZ 2013, 14 <18>; Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 <404, 407 f.>) und liegt schon mit Blick auf Art. 37 des Chicagoer Abkommens nahe, wonach sich die Mitgliedstaaten verpflichtet haben, die Richtlinien, Empfehlungen und Verfahren anzuwenden, damit ein höchstmöglicher Grad an Einheitlichkeit in allen Angelegenheiten erreicht wird, in denen die Luftfahrt erleichtert und verbessert wird.

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Auch die Revision stellt dies nicht in Frage. Sie will aus den einschlägigen ICAO-Dokumenten allerdings andere Ergebnisse herleiten, als es das Oberverwaltungsgericht getan hat. Diese Rüge unrichtiger Auslegung und Anwendung geht aber mangels Revisibilität dieser Regelungen fehl.

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Technischen Regelwerken, wie sie sich auch aus den ICAO-Dokumenten ergeben, kommt grundsätzlich nur die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen zu, so dass ihre Auslegung und Anwendung Teil der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht sind und somit im Revisionsverfahren nur unter den hierfür geltenden Voraussetzungen und Einschränkungen mit Verfahrensrügen angegriffen werden können (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 14. August 1998 - 4 B 81.98 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 280). Verfahrensrügen hat die Revision aber nicht erhoben.

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Als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, denen die Rechtsprechung ausnahmsweise Normcharakter und damit Revisibilität zubilligt, sind die ICAO-Regelwerke entgegen der Auffassung der Revision schon deswegen nicht anzusehen, weil sie - anders als etwa die TA Lärm (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 und vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 18 f.) - sich selbst nur Empfehlungscharakter beimessen, ausfüllungsbedürftige Spielräume belassen und jedenfalls keine abschließende normative Konkretisierung geben und beanspruchen.

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c) Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht im Weiteren davon ausgegangen, dass es für die Entscheidung des BAF nach § 18a Abs. 1 LuftVG einer Prognose bedarf, ob eine Störung der Flugsicherungseinrichtung durch das beabsichtigte Vorhaben zu erwarten ist. Im Rahmen dieser Prüfung hat es sodann bei der Bestimmung des (anlageninternen) Alignmentfehlers auf die - aufgrund der Zulassungsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Flugsicherungs-Anlagen- und Geräte-Musterzulassungs-Verordnung (FSMusterzulV) - erlaubte Anlagenfehlertoleranz und nicht auf die - bessere - tatsächliche Leistung der Anlage abgestellt.

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Die Revision rügt, dass sich hieraus die gebotene hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Störungseintritts nicht herleiten lasse. Ihr ist zuzugestehen, dass § 18a Abs. 1 LuftVG dem Ausschluss konkreter Störungen von Flugsicherungseinrichtungen dient, nicht hingegen auf den Schutz des - durch die Anlagenzulassung - rechtlich Erlaubten zielt. Arbeitet die Anlage mithin unter Einhaltung anderer verbindlicher Vorgaben besser als rechtlich geboten, so dass der maßgebliche Gesamtwinkelfehler verlässlich nicht überschritten wird, ist eine Störung nicht zu erwarten und besteht ohne Weiteres kein Anlass und mit Blick auf das damit gegebenenfalls verbundene Bauverbot wohl auch keine Rechtfertigung, die rechtlich zulässige Fehlertoleranz als maßgeblich anzusehen. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn das Oberverwaltungsgericht hat die Maßgeblichkeit der erlaubten Anlagenfehlertoleranz selbständig tragend auch damit begründet, dass die Einhaltung eines niedrigeren, die tatsächliche Leistung der Anlage wiedergebenden Alignmentfehlers von der Beigeladenen zu 2 nicht garantiert werden kann, weil die Ergebnisse aus den dazu erforderlichen Flugvermessungen nur punktuelle Momentaufnahmen darstellen, die nicht zwingend den für die Berechnung maßgeblichen worst case abbilden. Auch insoweit hat die Revision keine Verfahrensrüge erhoben, so dass der Senat an diese Feststellung gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO). Wenn das Oberverwaltungsgericht auf dieser Grundlage die rechtlich erlaubte Fehlertoleranz im vorliegenden Zusammenhang als die "einzige verbindliche Vorgabe" ansieht, ist dies bundesrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.

21

d) Der weitere Einwand der Revision, das Oberverwaltungsgericht habe sich bei der gerichtlichen Prüfung der Entscheidung nach § 18a Abs. 1 LuftVG unzulässigerweise auf eine bloße Vertretbarkeitskontrolle beschränkt, trifft ebenfalls nicht zu.

22

Dass die genannte Norm der Beigeladenen zu 3 für die Entscheidung, ob durch die Errichtung von Bauwerken Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können, einen die gesamte Auslegung und Anwendung der Norm umfassenden Beurteilungsspielraum einräumt (vgl. zu den anerkannten Fallgruppen etwa Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 114 Rn. 66 ff.), hat das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich und zu Recht verneint. Insoweit geht die Kritik der Revision am Urteil vorbei. Lediglich für den Fall der Widersprüchlichkeit der ICAO-Vorgaben hat das Oberverwaltungsgericht geprüft, ob aus den einschlägigen ICAO-Dokumenten in vertretbarer Weise hergeleitete Toleranzwerte durch Bauwerke überschritten werden, und sich damit insoweit der Sache nach und in Anlehnung an die Formulierungen des Bundesverwaltungsgerichts zur naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 64 ff., vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 14 ff. und vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 - Buchholz 406.25 § 6 BImSchG Nr. 6 Rn. 16 ff.) auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt. Diese Vorgehensweise ist jedoch im Hinblick auf den von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG umfassten Grundsatz vollständiger gerichtlicher Prüfung der Verwaltungstätigkeit (dazu BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <156>) nicht zu beanstanden. Der daraus punktuell und begrenzt erwachsende behördliche Regelungsspielraum findet eine hinreichende gesetzliche Grundlage und ist von hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Gründen getragen (vgl. zu diesen Anforderungen BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22>; einen Regelungsspielraum im Ergebnis ebenso bejahend z.B. VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2014 - 11 K 3648/12 - juris Rn. 47; VG Frankfurt, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 8 K 3509/13.F -; Kämper, in: Ziekow, Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2012, 2013, S. 27 <37>; ablehnend etwa von der Groeben/Kindler, ZfBR 2015, 337 <340>; Fülbier, ZUR 2015, 432 <434 ff.>; Federwisch/Schmitz, ZfBR 2015, 542 <543>).

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§ 18a Abs. 1 LuftVG lässt es für ein Bauverbot ausreichen, dass durch die Errichtung des Bauwerks Flugsicherungseinrichtungen "gestört werden können". Anders als nach der bis 2009 geltenden Vorgängerfassung, wonach insoweit maßgeblich war, ob Flugsicherungseinrichtungen "gestört werden", verlangt die Vorschrift mithin nach dem Willen des Gesetzgebers keine Gewissheit einer Störung; vielmehr reicht deren Möglichkeit. Helfen die ICAO-Vorgaben - wie hier nach den irrevisiblen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - wegen Widersprüchlichkeit nicht weiter, bedarf es darüber hinausgehender Erkenntnisse und Wertungen hinsichtlich der Möglichkeit von Störungen, deren Maßgeblichkeit angesichts der Hochrangigkeit der gefährdeten Rechtsgüter und der zu erwartenden Schadensintensität nicht davon abhängig sein kann, ob hierüber ein allgemeiner wissenschaftlicher Konsens besteht. Es muss vielmehr ausreichen, dass die entsprechenden Annahmen in der von § 18a Abs. 1 Satz 2 LuftVG vorgesehenen gutachtlichen Stellungnahme der Deutschen Flugsicherung (DFS) und der darauf gestützten Entscheidung des BAF, denen das Gesetz zwar keine Richtigkeitsgewähr, wohl aber einen im Vergleich mit anderen behördlichen Gutachten und Entscheidungen hervorgehobenen Stellenwert beimisst (vgl. dazu Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand Juli 2015, § 18a Rn. 53), wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und durch wissenschaftliche Gegenpositionen in ihren Grundannahmen, ihrer Methodik und ihren Schlussfolgerungen jedenfalls nicht substanziell in Frage gestellt werden. Denn die Möglichkeit einer Störung ist damit dargetan.

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Die Funktionsgrenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. hierzu bereits BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34 <50>) wären überschritten, wollte man den Verwaltungsgerichten in einer solchen Situation abverlangen, sich zwischen vertretbaren wissenschaftlichen Positionen zu entscheiden (vgl. hierzu insbesondere BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 15). Es ist weder Aufgabe der Verwaltungsgerichte, wissenschaftliche Streitfragen zu entscheiden, noch eine solche Entscheidung durch die Erteilung von Forschungsaufträgen zu ermöglichen oder zu fördern. Das gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch angesichts des Doppelstatus der DFS als einerseits hoheitlich Beliehener und andererseits wirtschaftlich tätiger privater Dritter, woraus der Kläger ein die gutachtliche Stellungnahme beeinflussendes wirtschaftliches Eigeninteresse der DFS herleiten will (kritisch etwa auch Sittig/Falke, ER 2015, 17 <20>). Denn die Privatisierung der DFS war gerade der Anlass für die dargelegte Änderung des § 18a LuftVG (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/11608 S. 15) und dem Gesetzgeber somit bewusst. Sie hat ihn aber nicht davon abgehalten, dennoch die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Bauverbots zu ändern und den verfahrensrechtlichen Stellenwert des Gutachtens der DFS und der darauf gestützten Entscheidung des BAF gegenüber der früheren Rechtslage zu verstärken. Diese Verknüpfung begegnet mit Blick auf die unveränderte öffentlich-rechtliche Trägerschaft der DFS und die übergeordnete Entscheidungskompetenz des als Behörde öffentlich-rechtlich organisierten BAF keinen rechtsstaatlichen Bedenken. Jedenfalls besteht mangels weiterer, hier nicht geltend gemachter oder erkennbarer Anhaltspunkte kein Anlass, die Objektivität der gutachtlichen Stellungnahme der DFS von vornherein in Frage zu stellen.

25

Die tatsächlichen Voraussetzungen für die vom Oberverwaltungsgericht im dargelegten Umfang in Anspruch genommene Vertretbarkeitskontrolle, nämlich das Vorliegen widerstreitender und nicht weiter aufklärbarer wissenschaftlicher Positionen zu den von den ICAO-Vorgaben widersprüchlich beantworteten entscheidungserheblichen Fragen, hat das Oberverwaltungsgericht bejaht. Es ist nach mehrstündiger Erörterung in der mündlichen Verhandlung unter Einbeziehung des Fachbeistands des Klägers zum Ergebnis gelangt, dass angesichts der Offenheit der wissenschaftlichen Diskussion insbesondere zu der Frage des externen Störeinflusses durch die geplanten Windenergieanlagen und wegen des Umstandes, dass neben den bereits beteiligten Gutachtern keine weiteren, besser geeigneten Gutachter zur Verfügung stehen, eine verlässliche, die bestehenden Widersprüche beseitigende Antwort nicht gefunden werden kann. Der Kläger hat auch insoweit Verfahrensrügen nicht erhoben. Der Senat ist deswegen an diese Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Er weist allerdings darauf hin, dass die Rechtfertigung einer bloßen Vertretbarkeitskontrolle in dem hier vom Oberverwaltungsgericht in Anspruch genommenen Umfang insbesondere durch die Fortentwicklung der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Standards entfallen kann. Davon ist etwa auszugehen, wenn und soweit sich für die Feststellung der möglichen Störung einer Flugsicherungseinrichtung eine bestimmte Methode oder für die Risikobewertung ein bestimmter Maßstab durchgesetzt hat und gegenteilige Meinungen als nicht mehr vertretbar angesehen werden. Dies haben DFS und BAF in ihren Gutachten bzw. Entscheidungen zu berücksichtigen und unterliegt in sich anschließenden gerichtlichen Verfahren der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 - Buchholz 406.25 § 6 BImSchG Nr. 6 Rn. 19).

26

B. Den Berufungen der Beigeladenen zu 2 und 3 gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts durfte das Oberverwaltungsgericht nur dann stattgeben, wenn diese Beteiligten durch das erstinstanzliche Urteil, das den Beklagten teilweise zur Erteilung des vom Kläger begehrten Vorbescheids verpflichtet, jeweils in subjektiven Rechtspositionen verletzt worden sind (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 39.86 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 96 = juris Rn. 15 m.w.N.). Das ist der Fall.

27

Für die Beigeladene zu 2 folgt dies daraus, dass § 18a Abs. 1 LuftVG zu ihren Gunsten zumindest insoweit drittschützende Wirkung entfaltet, als ihre Funktion als Eigentümerin und Betreiberin der Flugsicherungseinrichtung betroffen ist. Die Norm dient nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit (Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand Juli 2015, § 18a Rn. 55 ff.). Sie geht über die Funktion einer bloßen Gefahrenabwehrnorm hinaus, weil sie auf den Schutz von Flugsicherungseinrichtungen zielt, dabei auch seinen privatisierten Eigentümer und Betreiber als von der Allgemeinheit abgrenzbaren Berechtigten einbezieht (vgl. zu diesem Kriterium etwa BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129 Rn. 19) und im Konflikt mit konkreten Nachbarinteressen nicht nur reflexartig begünstigt.

28

Auch der Beigeladenen zu 3 steht eine subjektive Rechtsposition zur Seite. Denn sie ist nicht lediglich als in einem Verwaltungsverfahren mitwirkende Behörde, sondern als eigenständige juristische Person in andere Behörden bindenden Entscheidungsbefugnissen ihres als Bundesverwaltung geführten originären Aufgabenbereichs (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 14. April 1989 - 4 C 31.88 - BVerwGE 82, 17 <18 ff.> und vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <338>) betroffen, und zwar durch Maßnahmen einer Behörde einer anderen juristischen Person. Andernfalls müsste das vom BAF materiellrechtlich zu verantwortende Bauverbot mangels gemeinsamer Verwaltungsspitze beider Behörden (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1995 - 7 C 49.93 - Buchholz 112 § 26 VermG Nr. 2 S. 2 f.) leerlaufen.

29

Beides hat das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend erkannt und ausgeführt. Die Revision hat insoweit keine Kritik geübt.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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