Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (8. Senat) - 8 C 7/16

Tatbestand

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Der Kläger begehrt das Wiederaufgreifen des vermögensrechtlichen Verfahrens betreffend seinen Antrag auf Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des Grundstücks R. Straße ... in D. Es stand seit 1935 im Eigentum des Vaters des Klägers, des Rechtsanwalts und Notars Dr. K. K., dem auch das Kanzleigrundstück O.platz ... in D. gehörte. Am 9. Dezember 1945 erklärte dieser, seine Grundstücke unterlägen dem SMAD-Befehl Nr. 124. Der Landrat zu D. teilte Dr. K. mit Schreiben vom 3. Januar 1946 mit, dessen gesamter Grundbesitz und Vermögen seien "im Zuge der Bereinigung von Nazis" beschlagnahmt.

2

Mit einem zunächst nur in Abschrift vorgelegten Schreiben an die Mutter des Klägers vom 27. Juni 1946 erklärte das Landratsamt D.:

"Auf Anordnung des Präsidiums der Landesverwaltung Sachsen wird die seinerzeit ausgesprochene Beschlagnahme Ihres Grundstückes R. Str. ... (Das Grundst. O.pl. ... verbleibt weiter unter Zwangsverwaltung) hiermit aufgehoben. Sie können über Ihr Eigentum wieder frei verfügen. Eine Urkunde der Landesverwaltung Sachsen wird Ihnen noch zugestellt werden. ...

Dieser Bescheid ist nur dann rechtskräftig, wenn die Landesverwaltung dagegen keinen Einspruch erhebt.".

3

In der von der Landesregierung Sachsen am 16. Juli 1948 bestätigten Liste A der sonstigen sequestrierten Vermögenswerte war Dr. K. auf Blatt 73 unter der lfd. Nr. 32 mit den Vermögenswerten "Gebäude 57 000,--" und "Einlagen 8 400,--" verzeichnet. Die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) bestätigte die Enteignung der auf der Liste verzeichneten sonstigen sequestrierten Vermögenswerte mit Beschluss vom 21. September 1948 - S 222/48 -. Beide Grundstücke wurden auf das Eigentum des Volkes umgeschrieben.

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Dr. K. K. verstarb 1990. Er wurde von seiner Ehefrau U. K. und nach deren Tod vom Kläger und dessen Geschwistern beerbt.

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Den Antrag auf Rückübertragung der Grundstücke an Frau U. K. lehnte das Landratsamt D. mit Teilbescheid vom 22. Januar 1993 ab. Die dagegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 18. Dezember 1995 - 6 K 2200/94 - abgewiesen. Es führte aus, die Enteignung sei besatzungshoheitlicher Natur. Sie verletze kein generelles oder konkretes sowjetisches Enteignungsverbot. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beschlagnahme des Grundstücks "O.platz ..." [richtig: R. Straße ...] dem Schreiben des Landratsamts vom 27. Juni 1946 zufolge durch Anordnung des Präsidiums der Landesverwaltung aufgehoben worden sei. Da die Besatzungsmacht nicht selbst mit dem Enteignungsfall befasst gewesen sei, habe die Landesverwaltung ihre Auffassung zum Vorliegen der Enteignungsvoraussetzungen nach der Freigabeerklärung ändern, das Grundstück erneut beschlagnahmen und der DWK zur Enteignung vorschlagen können. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. Mai 1996 - 7 B 135.96 - zurück; die offenkundige Verwechslung der Grundstücksbezeichnung sei unerheblich.

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Am 14. Dezember 2005 veräußerte der Rechtsvorgänger des Beigeladenen das verfahrensgegenständliche Grundstück notariell zum Kaufpreis von 120 000 €. Das Bundesverwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 19. Oktober 2006 - 3 C 39.05 - (BVerwGE 127, 56), den Erben nach Dr. K. K. Ausgleichsleistungen für den Verlust beider Grundstücke zu gewähren. Mit notariellem Vertrag vom 26. Januar 2007 trat der Kläger alle Auszahlungsansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz an die T. Vermögensverwaltung GmbH ab. Ansprüche auf Herausgabe von Vermögenswerten verblieben nach § 2 des Vertrages beim Zedenten.

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Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Januar 2008 beantragte der Kläger das Wiederaufgreifen des vermögensrechtlichen Verfahrens wegen einer Änderung der Rechtslage. Zur Begründung verwies er auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2006 - 8 C 25.05 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 34) zum Enteignungsverbot nach Ziffer 5 des SMAD-Befehls Nr. 64. Die Beklagte lehnte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 20. Juli 2009 ab. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch.

8

Am 13. November 2009 beantragte der Kläger das Wiederaufgreifen des Verfahrens wegen neuer Beweismittel. Er legte ein Schreiben des Direktors des Sächsischen Staatsarchivs vom 14. August 2009 und die ihm damit übersandte Kopie der Ausfertigung des Schreibens an Frau K. vom 27. Juni 1946 vor. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Mai 2010 ab. Der Kläger erhob auch dagegen Widerspruch.

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Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 12. November 2010 (Az. W1 0057/10 und W1 0058/10) wies die Landesdirektion Dresden beide Widersprüche zurück. Der Kläger erhob nur gegen den Widerspruchsbescheid betreffend den ersten Wiederaufgreifensantrag Klage. Er machte geltend, das verfahrensgegenständliche Grundstück sei im Juni 1946 freigegeben und bis zum Inkrafttreten des SMAD-Befehls Nr. 64 vom 17. April 1948 nicht erneut beschlagnahmt worden. Dazu legte er Kopien weiterer Unterlagen vor und erklärte, sein Prozessbevollmächtigter habe diese am 23. Juli 2012 im Sächsischen Staatsarchiv recherchiert. Im Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht am 8. August 2012 nahm der Kläger seine Klage zurück.

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Mit dem verfahrensgegenständlichen dritten Wiederaufgreifensantrag vom 19. Oktober 2012 machte der Kläger geltend, die am 23. Juli 2012 recherchierten Unterlagen stellten neue Beweismittel dar, die geeignet seien, eine ihm günstigere Entscheidung herbeizuführen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. August 2013 ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Landesdirektion Sachsen mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2014 zurück.

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Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Oktober 2015, berichtigt mit Beschluss vom 3. März 2016, abgewiesen. Die Abtretung von Ansprüchen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz stehe der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Ein Wiederaufgreifen des vermögensrechtlichen Verfahrens sei auch nicht schon wegen des rechtskräftigen Zuerkennens von Ausgleichsleistungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 VwVfG lägen jedoch nicht vor. Als neue Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG seien nur die erstmals im vorliegenden Verfahren vorgelegten - im angegriffenen Urteil im Einzelnen aufgezählten - Unterlagen einzuordnen. Diese Beweismittel seien ungeeignet, eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen, weil sie keinen Verstoß gegen das Enteignungsverbot der Ziffer 5 des SMAD-Befehls Nr. 64 belegten. Nach der neuen Beweislage sei davon auszugehen, dass die Beschlagnahme des Grundstücks nicht in rechtlich beachtlicher Weise tatsächlich aufgehoben worden sei, sondern bis zum Inkrafttreten des SMAD-Befehls Nr. 64 fortbestanden habe. Der ursprüngliche Vorschlag, das Grundstück der Mutter des Klägers zu übergeben, sei ausweislich eines Kommissionsprotokolls vom 29. November 1946 und der Einträge in der Liste A nicht umgesetzt worden. In den Freigabelisten werde Dr. K. nicht aufgeführt. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 580 ZPO lägen ebenfalls nicht vor. Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Wiederaufgreifen auf der Grundlage der §§ 48, 49 VwVfG stehe dem Kläger nicht zu.

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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das angegriffene Urteil wende § 51 Abs. 1 VwVfG und § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG unrichtig an. Es habe nicht auf die faktische Freigabe des Grundstücks, sondern auf deren rechtliche Wirksamkeit abgestellt und diese zu Unrecht verneint. Außerdem habe das Verwaltungsgericht die vorgelegten Schriftstücke fehlerhaft ausgelegt, die Beweiskraft der öffentlichen Urkunden missachtet und den Überzeugungsgrundsatz verletzt. So habe es das unstreitige Einziehen der Mieten durch die Mutter des Klägers übergangen, das eine tatsächliche Freigabe des Grundstücks belege. Die von der Vorinstanz versäumte Gesamtschau der zeitlichen Abfolge der Ereignisse ergebe, dass das Schreiben vom 27. Juni 1946 den Freigabeantrag der Mutter des Klägers vom 4. Juni 1946 bewilligt und der Kläger mit Schreiben vom 11. November 1948 gegen eine erneute Beschlagnahme des Grundstücks im November 1948 protestiert habe. Die Annahme, das nicht unterzeichnete Kommissionsprotokoll vom 29. November 1946 spreche für eine Sequestrierung bei Inkrafttreten des SMAD-Befehls Nr. 64, sei aktenwidrig und denkfehlerhaft. Das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt und verkannt, dass die Beklagte die Fortdauer der Beschlagnahme zu beweisen habe.

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Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. Oktober 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 3. März 2016 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Landesdirektion Sachsen vom 8. Juli 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das vermögensrechtliche Verfahren wiederaufzugreifen und unter Aufhebung der entgegenstehenden·Regelungen im Teilbescheid des Landratsamtes D. vom 22. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 6. September 1994 festzustellen, dass den Erben nach Dr. K. K. ein Anspruch auf Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des Flurstücks 640a der Gemarkung D. (R. Straße ..., Bl. ... des Grundbuchs von D.) mit notariellem Kaufvertrag vom 14. Dezember 2005 (UR-Nr. 2446/2005 der Notarin L. H.) zusteht.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, da die Einschränkung der Abtretung in § 2 des Vertrags vom 26. Januar 2007 unwirksam sei. Der besatzungshoheitliche Zurechnungszusammenhang der Enteignung ergebe sich jedenfalls daraus, dass sich die Enteignung des Vaters des Klägers nach den Richtlinien Nr. 3 der DWK auch auf das verfahrensgegenständliche Grundstück erstreckt habe.

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Der Beigeladene hat zur Revision keine Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil geht zu Recht von der Zulässigkeit der Klage aus. Seine Annahme, dem Kläger stehe kein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu, beruht zwar auf einer teils unzutreffenden Anwendung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Das Urteil erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO).

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1. Der Zulässigkeit der Klage stehen weder die rechtskräftige Bestätigung der Ausgangsentscheidung noch das rechtskräftige Zuerkennen eines Ausgleichsleistungsanspruchs oder die notarielle Abtretung des ausgleichsleistungsrechtlichen Auszahlungsanspruchs entgegen.

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a) Der Tatbestand des § 51 Abs. 1 VwVfG erfasst alle unanfechtbaren Verwaltungsakte, ohne nach dem Grund der Bestandskraft zu differenzieren. Auch bei gerichtlicher Bestätigung des Ausgangsbescheides schließt er einen Wiederaufgreifensanspruch nicht aus (BVerwG, Urteile vom 5. November 1985 - 6 C 22.84 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 18 S. 19 und vom 28. Juli 1989 - 7 C 78.88 - BVerwGE 82, 272 ). Überdies stimmt der Streitgegenstand des Wiederaufgreifensverfahrens nicht mit dem des Restitutionsverfahrens überein. Das gilt auch bei einem Verpflichtungsantrag auf eine neue Sachentscheidung, wenn er - wie hier - sinngemäß nur für den Fall des Zuerkennens eines Wiederaufgreifensanspruchs gestellt wird. Damit wird nur der aus der Verpflichtung zum Wiederaufgreifen folgende Anspruch auf eine neue Sachentscheidung geltend gemacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 - 8 C 75.80 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 11 S. 7 f.).

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b) Dass dem Kläger als Mitglied der Erbengemeinschaft ein Ausgleichsleistungsanspruch rechtskräftig zuerkannt war, führt ebenfalls nicht zur Unzulässigkeit der Klage auf Wiederaufgreifen des vermögensrechtlichen Verfahrens. Auch hier ist der Streitgegenstand nicht identisch. Zwar stimmt der beiden Verfahren zugrunde liegende Lebenssachverhalt - die Enteignung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks - überein, nicht jedoch das jeweils darauf gestützte Begehren. Dass der Restitutions- und der Ausgleichsleistungsanspruch einander materiell-rechtlich ausschließen (vgl. § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, § 1 Abs. 1 AusglLeistG), ändert daran nichts. Sollte dem Wiederaufgreifensantrag und dem daran geknüpften Restitutionsbegehren stattzugeben sein, kann dies allenfalls zur Rücknahme der Bewilligung der Ausgleichsleistung führen. Die Bindung durch die Rechtskraft des die Leistung zusprechenden Urteils (§ 121 VwGO) entfällt nicht nur bei einer wesentlichen Änderung der Sachlage, sondern auch, wenn neue Beweismittel vorliegen, die infolge eines früheren Beweisnotstands erst nach Abschluss des Vorprozesses beschafft werden konnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 1984 - 8 C 137.81 - BVerwGE 70, 156 <158> m.w.N.).

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c) Die notarielle Abtretungsvereinbarung vom 26. Januar 2007 schließt die Klagebefugnis des Klägers nicht aus. Nach § 1 der Vereinbarung bezog die Abtretung sich nur auf die rechtskräftig zuerkannten Ausgleichsleistungen. Ihr § 2 grenzt den Gegenstand der Abtretung weiter auf Auszahlungsansprüche nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz ein. Vermögensrechtliche Restitutionsansprüche einschließlich des hier geltend gemachten Erlösauskehranspruchs nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG wurden von dieser Abtretung nicht erfasst, da sie einen anderen Rechtsgrund und einen anderen Gegenstand haben als die ausgleichsleistungsrechtlichen Zahlungsansprüche.

22

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Beschränkung der Abtretung auch wirksam. Die Abtretung allein der Auszahlungsansprüche aus der rechtskräftig zuerkannten Bewilligung von Ausgleichsleistungen war rechtlich weder unmöglich noch unzulässig. Der Anspruch auf Auszahlung einer bewilligten Ausgleichsleistung lässt sich nach Anspruchsgrund und -gegenstand sowohl von anderen Ansprüchen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (vgl. §§ 3 und 5 AusglLeistG) als auch von gegebenenfalls bestehenden vermögensrechtlichen Restitutionsansprüchen unterscheiden und selbständig abtreten. Abtretungsverbote sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Dass ein- und dieselbe Enteignung nicht sowohl Restitutions- als auch Ausgleichsleistungsansprüche auslösen kann, begründet kein solches Verbot. Es betrifft nur die materiell-rechtliche Begründetheit der jeweiligen Ansprüche und bringt das Risiko mit sich, dass eine Abtretung einzelner Ansprüche ins Leere geht.

23

2. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des vermögensrechtlichen Verfahrens wegen neuer Beweismittel gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift und der übrigen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes ergibt sich aus § 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen (SächsVwVfZG) vom 19. Mai 2010 (SächsGVBl. S. 142), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 12. Juli 2013 (SächsGVBl. S. 503, 553).

24

a) Offen bleiben kann, ob das Verwaltungsgericht zu Recht von der Zulässigkeit des Wiederaufgreifensantrags bezüglich sämtlicher erstmals mit dem dritten Wiederaufgreifensantrag vorgelegten Beweismittel ausgegangen ist. Neu waren diese Beweismittel nur, soweit sie bis zum Abschluss der vorangegangenen Verfahren - einschließlich der daran anschließenden gerichtlichen Verfahren - noch nicht existierten oder vom Kläger unverschuldet nicht oder nicht rechtzeitig beigebracht werden konnten (BVerwG, Urteile vom 21. April 1982 - 8 C 75.80 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 11 S. 5, vom 13. September 1984 - 2 C 22.83 - BVerwGE 70, 110 <113 f.> und vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <90>). Zweifel daran bestehen etwa bezüglich des Kommissionsprotokolls vom 27. Juni 1946, dessen Existenz der Direktor des Sächsischen Staatsarchivs dem Kläger mit Schreiben vom 14. August 2009 mitgeteilt und dessen Übersendung er ihm angeboten hatte. Dem nachzugehen erübrigt sich jedoch ebenso wie eine Prüfung der weiteren Zulässigkeitsanforderungen, also der schlüssigen Darlegung der Eignung der Beweismittel, der Präklusion gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG und der Frist gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG. Selbst wenn diese Zulässigkeitsanforderungen bezüglich aller als neu vorgelegten Beweismittel erfüllt sein sollten, besteht kein Wiederaufgreifensanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, weil diese Beweismittel bei einer Berücksichtigung im Erstverfahren keine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten.

25

b) Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Dieser Beurteilung legt das angegriffene Urteil zu Unrecht die heutige Auslegung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG zugrunde. Es hält für maßgeblich, ob die Enteignung wegen dauerhafter Aufhebung der Sequestration gegen Ziffer 5 des SMAD-Befehls Nr. 64 verstieß, die erstmals im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2006 - 8 C 25.05 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 34) als sowjetisches Enteignungsverbot anerkannt wurde. Richtigerweise hätte das Urteil nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG auf die Rechtsauffassung abstellen müssen, die der im Erstverfahren getroffenen bestandskräftigen, den Restitutionsanspruch ablehnenden Entscheidung zugrunde lag und nach der es auf die erneut unter Beweis gestellte Aufhebung der Sequestration nicht ankam.

26

aa) § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG setzt voraus, dass die zulässigerweise geltend gemachten neuen Beweismittel auf der Grundlage der den bestandskräftigen Bescheid tragenden Rechtsauffassung zu einer günstigeren Entscheidung geführt hätten. Dazu müssen sich aus der neuen Beweislage Tatsachen ergeben, die nach dem damaligen rechtlichen Maßstab zu einer günstigeren Entscheidung zwingen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 - 7 C 78.88 - BVerwGE 82, 272 <277 f.>; Beschlüsse vom 29. Oktober 1997 - 7 B 336.97 - juris Rn. 5, insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 428.5 § 6 GVO Nr. 1, vom 3. Mai 2000 - 8 B 352.99 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 42 LS, S. 2 und vom 4. Januar 2011 - 8 B 75.10 - ZOV 2011, 87 Rn. 9). Als Maßstab ist nicht die damalige objektive Rechtslage zugrunde zu legen, sondern die Rechtsauffassung, die die bestandskräftige Entscheidung im Erstverfahren trägt. Sie ergibt sich zunächst aus der Begründung des Verwaltungsaktes, gegebenenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheides. Wurde der Verwaltungsakt gerichtlich bestätigt, ist die diese Bestätigung tragende Rechtsauffassung maßgeblich.

27

Schon der Wortlaut des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG stellt mit der Verwendung des Konjunktiv Perfekts auf den hypothetischen Ausgang des Erstverfahrens bei Berücksichtigung der neuen Beweislage unter sonst unveränderten Prämissen ab. Die systematische Auslegung ergibt ebenfalls, dass bei dieser Prüfung nur die Beweislage im Erstverfahren durch die aktuelle Beweislage ersetzt werden soll, die die damalige Entscheidung tragenden rechtlichen Erwägungen aber unverändert zugrunde zu legen sind. § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwVfG regeln das Wiederaufgreifen des Verfahrens wegen einer nachträglichen Veränderung der rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen des bestandskräftigen Bescheides. Veränderungen der rechtlichen Grundlage werden von Nr. 1 erfasst, der ein Wiederaufgreifen nur bei einer Änderung der Rechtslage zulässt. Eine neue oder genauere Erkenntnis einer unveränderten Rechtslage - einschließlich einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - genügt also nicht (stRspr; vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <89>; Beschluss vom 7. Juli 2004 - 6 C 24.03 - BVerwGE 121, 226 <228 f.>). Hinsichtlich der tatsächlichen Grundlage differenziert § 51 Abs. 1 VwVfG danach, ob sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt (Nr. 1) oder lediglich die Beweislage zur Feststellung des damaligen Sachverhalts geändert hat (Nr. 2). Im hier einschlägigen letztgenannten Fall wird das Wiederaufgreifen nur eröffnet, wenn die neue Beweislage bei einer Berücksichtigung im Erstverfahren schon für sich genommen - also ohne eine Änderung (auch) der rechtlichen Entscheidungsgrundlage - zu einer für den Betroffenen günstigeren Entscheidung geführt hätte. Dies setzt voraus, dass die Beweismittel im Rahmen der den bestandskräftigen Bescheid tragenden Rechtsauffassung eine günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. Dagegen genügt es nicht, unter Berufung auf die neue Beweislage der rechtlichen Bewertung des ursprünglichen Bescheides zu widersprechen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 - 7 C 78.88 - BVerwGE 82, 272 <277 f.>; Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 7 B 336.97 - juris Rn. 5). Beweismittel, die nur nach heutiger und nicht nach der damals entscheidungstragenden Rechtsauffassung erheblich sind, können daher keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vermitteln (BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 2011 - 8 B 75.10 - ZOV 2011, 87 Rn. 9). Andernfalls würde im Wiederaufgreifensverfahren eine Sachprüfung auf neuer rechtlicher Grundlage schon bei neuen Auffassungen und Erkenntnissen zur unveränderten Rechtslage ermöglicht, obwohl § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG eine solche Sachprüfung nur bei einer Änderung der Rechtslage zulässt (BVerwG, Beschlüsse vom 29. Oktober 1997 - 7 B 336.97 - juris Rn. 5 und vom 3. Mai 2000 - 8 B 352.99 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 42 LS, S. 2).

28

Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch nicht auf die objektive Rechtslage im damaligen, für die bestandskräftige Erstentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt abgestellt werden. Es ist deshalb nicht zu prüfen, ob die der Erstentscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung der damaligen Rechtslage entspricht. Die abweichende Beurteilung von Rechtsfragen kann bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht zum Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 VwVfG führen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <89, 91>; Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 7 B 336.97 - juris Rn. 5 m.w.N.). Etwaige materiell-rechtliche Mängel der Erstentscheidung hätten seinerzeit mit Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Dass diese nicht oder nicht erfolgreich eingelegt wurden, stellt noch keinen Wiederaufgreifensgrund dar.

29

bb) Die bestandskräftige Ablehnung des Restitutionsbegehrens des Klägers im Erstverfahren wird von der Rechtsauffassung getragen, die dem den Ablehnungsbescheid bestätigenden, rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Dezember 1995 (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 1996 - 7 B 135.96 - n.v.) zugrunde lag. Danach kam es für den besatzungshoheitlichen Charakter der Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nicht darauf an, ob die Sequestration des verfahrensgegenständlichen Grundstücks am 27. Juni 1946 aufgehoben und bis zum Inkrafttreten des SMAD-Befehls Nr. 64 vom 17. April 1948 nicht erneut vorgenommen worden war. Das Urteil ging trotz der von ihm angenommenen Aufhebung der Sequestration von einer besatzungshoheitlichen Enteignung aus, weil es eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch einen Verstoß gegen ein sowjetisches Enteignungsverbot verneinte. Seine Begründung, die Besatzungsmacht habe sich nicht mit dem Enteignungsfall befasst, lässt erkennen, dass es Ziffer 5 des SMAD-Befehls Nr. 64 - im Einklang mit dem damaligen Stand der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - nicht als Enteignungsverbot auffasste. Aus seiner Sicht kam es daher nicht darauf an, ob das Grundstück im Zeitpunkt des Inkrafttretens des SMAD-Befehls Nr. 64 noch oder jedenfalls wieder sequestriert war. Vielmehr ging es davon aus, mangels konkreten sowjetischen Enteignungsverbots sei die Landesregierung nicht gehindert gewesen, das nur von ihr freigegebene Grundstück erneut zu beschlagnahmen und der DWK zur Enteignung vorzuschlagen. Dass eine erneute Beschlagnahme nicht geprüft wurde, lässt darauf schließen, dass das damalige Urteil entweder - wie das hier angegriffene - schon wegen der Erfassung des Grundstücks in der bestätigten Liste A von einer erneuten Sequestration ausging oder annahm, selbst bei deren Fehlen sei die Enteignung allenfalls willkürlich gewesen, der Besatzungsmacht aber mangels eines konkreten Enteignungsverbots noch zuzurechnen.

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Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung hätten die vom Kläger als neu vorgelegten Beweismittel im Erstverfahren keine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt. Dies gilt auch, wenn man diesen Beweismitteln den jeweils vom Kläger geltend gemachten Beweiswert beimisst. Auf die gegen die abweichenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.

31

Auch nach dem Revisionsvorbringen des Klägers ergibt sich aus den Beweismitteln nur die seinerzeit ohnehin vom Verwaltungsgericht angenommene Aufhebung der Sequestration am 27. Juni 1946 und das nach dessen Rechtsauffassung unerhebliche Fehlen einer erneuten Sequestration bis zum Inkrafttreten des SMAD-Befehls Nr. 64. Von einem konkreten sowjetischen Enteignungsverbot, das eine besatzungshoheitliche Zurechnung nach der tragenden Rechtsauffassung im Erstverfahren ausgeschlossen hätte, kann dagegen auch nach der neuen Beweislage und dem darauf bezogenen Vortrag des Klägers nicht ausgegangen werden. Ein konkretes Enteignungsverbot setzt nicht nur einen Rückgabevorschlag, sondern eine von der Besatzungsmacht bestätigte Freigabe voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2008 - 8 B 17.08 - juris Rn. 12 und 14; Urteil vom 13. April 2016 - 8 C 10.15 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 49 Rn. 51 f.). Die Annahme des angegriffenen Urteils, Dr. K. sei nicht in eine von der Besatzungsmacht bestätigte Freigabeliste aufgenommen worden, wurde nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Aus den vorgelegten Beweismitteln ergibt sich auch keine von der Besatzungsmacht bestätigte Freigabe - nur - des verfahrensgegenständlichen Grundstücks. Der in die Liste der Zwangsmaßnahmen im Landkreis D. eingetragene Klammerzusatz, das Grundstück solle der Mutter des Klägers übergeben werden (vgl. die mit Schriftsatz vom 8. September 2015 als Anlage K 8 vorgelegte Kopie des im Archivbestand 11412 Nr. 373 des Sächsischen Staatsarchivs Dresden enthaltenen Dokuments), wurde nicht in die bestätigte Liste A übernommen.

32

3. Die Annahme der Vorinstanz, sonstige Wiederaufnahmegründe gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG seien nicht gegeben, ist revisionsrechtlich fehlerfrei. Nachträglich verändert hat sich nur die soeben abgehandelte Beweislage. Die Rechtslage und der tatsächliche Sachverhalt, der den Gegenstand der Beweiserhebung bildet, sind unverändert geblieben. Die Annahme, Wiederaufnahmegründe gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 580 ZPO lägen nicht vor, wird nicht mit wirksamen Rügen angegriffen und ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

33

4. Im Ergebnis zutreffend verneint das angegriffene Urteil auch einen Anspruch des Klägers auf Rücknahme des Ablehnungsbescheides gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind nicht erfüllt. Die bestandskräftige Ablehnung des Restitutionsbegehrens des Klägers war im dafür maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung auch nach dem aktuellen Stand der Rechtserkenntnis zu § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG und unter Berücksichtigung der aktuellen Beweislage rechtmäßig. Dabei kommt es ebenfalls nicht darauf an, ob das verfahrensgegenständliche Grundstück bei Inkrafttreten des SMAD-Befehls Nr. 64 noch oder jedenfalls wieder sequestriert war. Lag eine solche Sequestration vor, scheidet ein Verstoß gegen das Verbot der Enteignung bislang nicht sequestrierter Vermögenswerte gemäß Ziffer 5 des SMAD-Befehls Nr. 64 aus. Sollte die Sequestration des Grundstücks im Juni 1946 aufgehoben worden und bis zum Inkrafttreten des SMAD-Befehls Nr. 64 nicht erneut vorgenommen worden sein, ergibt sich der besatzungshoheitliche Zurechnungszusammenhang aus § 2 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinien Nr. 3 der DWK vom 21. September 1948 (ZVOBl. 1948, 449), auf die die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung zu Recht hingewiesen hat. Danach erstreckte sich die Listenenteignung des sonstigen sequestrierten Vermögens auf das gesamte Vermögen der Betroffenen, das sich im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Landesregierung in deren Eigentum befand, einschließlich Anteilen an Grundbesitz, Unternehmensbeteiligungen, Forderungen und Guthaben.

34

Hier knüpfte die Erstreckung der Enteignung an die Listenenteignung des Kanzleigrundstücks O.platz ... in D. an. Nach den insoweit ungerügten, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz wurde Dr. K. in der bestätigten Liste A - auch - mit dem in seinem Eigentum stehenden Kanzleigrundstück erfasst. Dessen Sequestration vom 3. Januar 1946 blieb dem Schreiben vom 27. Juni 1946 zufolge ausdrücklich aufrechterhalten. Eine spätere Aufhebung dieser Sequestration bis zum Inkrafttreten des SMAD-Befehls Nr. 64 ist weder festgestellt noch geltend gemacht und ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Akten und Unterlagen.

35

Die Erstreckung der Listenenteignung des Kanzleigrundstücks auf das gesamte Vermögen Dr. K. umfasste auch das verfahrensgegenständliche Grundstück. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag des Klägers in der Revisionsverhandlung, dieses Grundstück sei seiner Mutter faktisch übereignet worden. Auf faktische Kriterien kommt es zwar für die vermögensrechtlichen Begriffe der Enteignung und Freigabe von Vermögenswerten an, nicht jedoch für die Bestimmung des von der Enteignung betroffenen Eigentümers, die sich nach der zivilrechtlichen Eigentumszuordnung richtet.

36

Die Erstreckung der Listenenteignung auf das verfahrensgegenständliche Grundstück war auch unabhängig vom Fortbestehen seiner Sequestration vom Willen der Besatzungsmacht gedeckt. Für die besatzungshoheitliche Zurechnung der Enteignungserstreckung nach § 2 Abs. 1 der Richtlinien Nr. 3 der DWK kommt es nicht auf eine Sequestration der in die Enteignung einbezogenen Vermögenswerte im Zeitpunkt des Inkrafttretens des SMAD-Befehls Nr. 64 an (BVerwG, Urteil vom 7. März 2012 - 8 C 1.11 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 45 Rn. 20 ff.). Wie sich aus der Präambel des SMAD-Befehls Nr. 64 ergibt, wollte die SMAD die seinerzeit als "Nazi- oder Kriegsverbrecher" eingeordneten Personen aus dem wirtschaftlichen Leben der sowjetischen Besatzungszone verdrängen und dazu vollständig enteignen. Bei der Bestätigung der Listenenteignungen ging sie davon aus, dass das gesamte Vermögen der Betroffenen nach SMAD-Befehl Nr. 124 sequestriert worden war (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. März 2000 - 7 C 13.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 11 S. 43 f. und vom 7. März 2012 - 8 C 1.11 - a.a.O. Rn. 21). Soweit Vermögenswerte eines Betroffenen - etwa wegen Koordinationsschwierigkeiten oder Fehlern bei der Umsetzung des SMAD-Befehls Nr. 124 - nur unvollständig erfasst worden waren, entsprach es der Zielrichtung des Befehls und dem ihm zugrunde liegenden, auf eine umfassende Enteignung der Betroffenen gerichteten Willen der SMAD, solche Lücken zu schließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 2012 - 8 C 1.11 - a.a.O. Rn. 22 m.w.N.; Beschluss vom 4. November 2000 - 7 B 70.02 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 23 S. 80 f.).

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Ziffer 5 des SMAD-Befehls Nr. 64 stand der Erstreckung der Enteignung gemäß Ziffer 8 dieses Befehls i.V.m. § 2 Abs. 1 der Richtlinien Nr. 3 der DWK nicht entgegen. Er sollte lediglich verhindern, dass die Enteignungskampagne über den Kreis der bei Inkrafttreten des Befehls bereits von Sequestrationen nach SMAD-Befehl Nr. 124 betroffenen, damals als belastet eingestuften Personen hinaus ausgeweitet wurde (dazu vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2006 - 8 C 25.05 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 34 Rn. 23, 27 ff.). Die Enteignung der übrigen Vermögenswerte eines Betroffenen, der mit einem sequestrierten Vermögenswert in der bestätigten Liste A erfasst wurde, war deshalb ebenso vom Willen der Besatzungsmacht gedeckt wie die Einbeziehung von Privatgrundstücken in die Listenenteignung eines Unternehmens nach § 1 Abs. 2 der Richtlinien Nr. 3 der DWK (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 1997 - 7 C 42.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 106 S. 321 f., vom 25. Mai 2005 - 8 C 7.04 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 31 = juris Rn. 21 und vom 10. August 2005 - 8 C 18.04 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 32 Rn. 29). Da die vom Willen der Besatzungsmacht gedeckte Erstreckung der Listenenteignung des Betroffenen dessen weitere Vermögenswerte selbst dann erfasste, wenn diese bei der Sequestration "vergessen" und daher nicht in die Liste aufgenommen worden waren, umfasst sie erst recht in der Liste verzeichnete, ursprünglich sequestrierte Vermögenswerte unabhängig davon, ob die Sequestration bei Inkrafttreten des SMAD-Befehls Nr. 64 noch andauerte.

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Der besatzungshoheitliche Zurechnungszusammenhang der Enteignungserstreckung wird hier auch nicht durch einen Verstoß gegen ein - sonstiges - sowjetisches Enteignungsverbot unterbrochen. Ein konkretes Enteignungsverbot in Gestalt einer von der Besatzungsmacht bestätigten Freigabe lag nicht vor (vgl. oben Rn. 31). Einschlägige generelle Enteignungsverbote sind nicht ersichtlich.

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5. Ein Anspruch auf Widerruf des Ablehnungsbescheides gemäß § 49 VwVfG oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber steht dem Kläger ebenfalls nicht zu. Wegen des besatzungshoheitlichen Charakters der Enteignung müsste erneut ein Ablehnungsbescheid mit gleichem Regelungsinhalt erlassen werden (vgl. § 49 Abs. 1 Halbs. 2 VwVfG).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, entsprach nicht der Billigkeit, weil er keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

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