Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (10. Senat) - 10 B 14/16, 10 B 14/16 (10 C 6/17)

Gründe

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Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rückforderung einer ihr gewährten Zuwendung.

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Die Beklagte bewilligte der Klägerin zur Beseitigung von Hochwasserschäden an von dieser betriebenen Beherbergungs- und Gaststättenanlagen mit Bescheid vom 25. November 2002 eine nicht rückzahlbare Zuwendung in Höhe von 255 400 € (74,99 % der zuwendungsfähigen Kosten). Mit Änderungsbescheid vom 13. Juni 2003 wurde die Höhe des Zuwendungsbetrags auf "höchstens 271 400 €" geändert. Die Zuwendung wurde vollständig ausgezahlt. Mit Bescheid vom 28. September 2010 stellte die Beklagte fest, dass sich die Zuwendung wegen des Eintritts einer auflösenden Bedingung im Sinne von Nr. 2.1 ANBest-P infolge geringerer förderfähiger Gesamtausgaben und höherer Deckungsmittel verringert habe, und forderte 100 900 € als zu viel ausgezahlte Fördermittel zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2012 wurde die Rückforderung auf 90 420 € reduziert; im Übrigen wurde der Widerspruch mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der teilweise Wegfall der Zuwendung auch Folge eines Teilwiderrufs des Zuwendungsbescheides sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht den Rückforderungs- und den Widerspruchsbescheid aufgehoben; die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen.

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Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsurteil ist - selbständig tragend - auf zwei Gründe gestützt. In derartigen Fällen setzt die Zulassung der Revision voraus, dass hinsichtlich jeder dieser beiden Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. April 1989 - 1 B 54.89 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 37 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vor.

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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Klägerin die Zuwendung als Festbetragsfinanzierung bewilligt worden sei. Deshalb habe der Zuwendungsbescheid seine Wirkung nicht infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung verlieren können. Damit verneint das Berufungsurteil ersichtlich auch das Vorliegen eines Zuwendungsbescheides unter dem Vorbehalt späterer Prüfung (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. November 2009 - 3 C 7.09 - BVerwGE 135, 238, vom 16. Juni 2015 - 10 C 15.14 - BVerwGE 152, 211, vom 11. Mai 2016 - 10 C 8.15 - NVwZ 2016, 1577 und vom 15. März 2017 - 10 C 1.16 - juris sowie Beschluss vom 31. Juli 2017 - 10 B 26.16 -), auch wenn es auf diese Möglichkeit nicht eingeht. Den im Widerspruchsbescheid ausgesprochenen Teilwiderruf hält es für rechtswidrig, weil verspätet; bei Erlass des Widerspruchsbescheides sei die Jahresfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG i.V.m. § 1 SächsVwVfG bereits abgelaufen gewesen. Im Übrigen und unabhängig davon sei die Erstattungsforderung verjährt.

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1. In Ansehung der Annahme des Berufungsgerichts, dem teilweisen Widerruf des Zuwendungsbescheides stehe die Jahresfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG entgegen, beruft sich die Beklagte mit Erfolg auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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Die Beklagte bezeichnet die Rechtsfrage, ob der Erlass eines Feststellungs- und Rückforderungsbescheides nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG in der rechtsirrigen Annahme des Eintritts einer auflösenden Bedingung die Frist des § 49 Abs. 3 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG hemmt. Die Frage geht ersichtlich von der Annahme aus, das Berufungsgericht habe den Teilwiderruf im Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2012 als verspätet angesehen, weil die Beklagte bereits bei Erlass des Feststellungs- und Rückforderungsbescheides vom 28. September 2010 oder doch jedenfalls bei dem Hinweis an die Klägerin vom 16. Dezember 2010, der Widerspruch habe keine Aussicht auf Erfolg, Kenntnis sämtlicher für den Widerruf erforderlichen Umstände gehabt habe. Dieses Verständnis des Berufungsurteils liegt nahe, auch wenn dessen Begründung insofern nicht völlig eindeutig ist. Nun ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass sich der Lauf der Frist des § 49 Abs. 3 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG nach Regeln bestimmt, die diesen Vorschriften selbst zu entnehmen sind; eine analoge Anwendung von Verjährungsrecht - unter Einschluss der Regeln über die Hemmung der Verjährung - scheidet aus (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 23 ff.). Der Vortrag der Beklagten führt aber auf die Frage, ob die Jahresfrist schon dann gewahrt ist, wenn die Behörde in der irrigen Annahme, der Zuwendungsbescheid sei wegen des Eintritts einer auflösenden Bedingung (ganz oder teilweise) unwirksam geworden, von der fristgerechten Erklärung eines Widerrufs des Bescheides in entsprechendem Umfang abgesehen, den ihres Erachtens zu viel gezahlten Betrag jedoch vor Fristablauf unter Berufung auf die Rechtswidrigkeit seiner Gewährung zurückgefordert hat. Diese Frage ist in dem erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2012 nicht entschieden worden.

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2. Ein Revisionszulassungsgrund liegt auch in Ansehung der weiteren Annahme des Berufungsgerichts vor, die Erstattungsforderung der Beklagten sei jedenfalls verjährt. Insoweit weicht das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab und beruht hierauf (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

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Das Berufungsurteil führt hierzu unter anderem aus, dass der Erstattungsanspruch aus § 49a Abs. 1 VwVfG der Regelverjährung von drei Jahren unterliegt, dass der Lauf dieser Frist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und die verfügungsberechtigte Behörde von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt, und dass bei Zuwendungsfällen hierfür ausreicht, dass der Verwendungsnachweis die Behörde in die Lage versetzt hat, eine Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung vorzunehmen (Berufungsurteil Rn. 31 f.). Dies gelte unabhängig davon, ob der Zuwendungsbescheid infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung insoweit seine Wirkung verloren habe oder rechtmäßig widerrufen worden sei. Dies weicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass für den Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB n.F. Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 15. März 2017 - 10 C 3.16 - juris Rn. 16 ff.); hiermit befindet sich das angefochtene Urteil in Übereinstimmung. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber ebenfalls entschieden, dass der Lauf dieser Frist voraussetzt, dass der Zuwendungsbescheid seine Wirkung verloren hat, sei es durch Rücknahme, Widerruf oder durch Eintritt einer auflösenden Bedingung; die bloße Vorlage der Verwendungsnachweise genügt nicht (BVerwG, Urteil vom 15. März 2017 - 10 C 1.16 - juris Rn. 17).

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Unschädlich ist, dass die Beklagte ihre Nichtzulassungsbeschwerde auf diese Abweichung nicht gestützt hat. Sie hat deshalb ihre Darlegungspflicht aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht verletzt. Die genannten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts sind erst am 15. März 2017 ergangen; die Entscheidungsgründe lagen erst am 27. April bzw. am 31. Mai 2017 und damit deutlich nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist im vorliegenden Verfahren vor. In solchen Fällen ist der Darlegungspflicht genügt, wenn der Beschwerdeführer wegen der Frage, welche das Bundesverwaltungsgericht nachträglich - divergierend - entschieden hat, fristgerecht die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) erhoben hat (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Februar 1961 - 8 B 193.60 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 6 und vom 20. November 1972 - 7 B 105.68 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 98). So liegt es hier; die Beklagte hat die zuvor in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ungeklärte Rechtsfrage, ob der Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG schon vor der Entstehung des Anspruchs bzw. vor Erlass einer Widerrufsentscheidung verjähren kann, in hinlänglicher Weise bezeichnet (Frage 7 ihres Fragenkatalogs).

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