Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 BN 15/17

Gründe

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Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

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1. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

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a) Das Normenkontrollurteil beruht nicht auf einer aktenwidrigen Feststellung des Sachverhalts hinsichtlich der Einleitung des ergänzenden Verfahrens.

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Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt, bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1999 - 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226).

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Das Oberverwaltungsgericht (UA Rn. 102) hat angenommen, dass sich ein Verfahrensverstoß nicht aus einer Äußerung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin (in der Gemeinderatssitzung vom 8. Dezember 2014) zur Notwendigkeit der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens ableiten lasse. Es sei schon zweifelhaft, ob sich die Prozessbevollmächtigte eindeutig dahingehend geäußert habe, dass die Antragsgegnerin Schadenersatzansprüchen ausgesetzt wäre, wenn sie das ergänzende Verfahren nicht betreibe. Ein Wortlautprotokoll über die Gemeinderatssitzung sei nicht geführt worden. Sollte sich die Prozessbevollmächtigte im Sinne einer gemeindlichen Haftung geäußert haben, sei dies durch ihre Antwort auf den Vorhalt eines Gemeinderatsmitglieds wohl relativiert worden. Dessen ungeachtet erscheine eine Haftung der Antragsgegnerin für den Fall, dass sie das ergänzende Verfahren nicht durchgeführt hätte, auch nicht offensichtlich ausgeschlossen.

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Die Beschwerde kritisiert, das Oberverwaltungsgericht habe übersehen, dass sich die Äußerung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu möglichen Schadenersatzansprüchen aus der Niederschrift der Gemeinderatssitzung ergebe, der als öffentliche Urkunde gesteigerte Beweiskraft zukomme. Aktenwidrige Feststellungen sind damit nicht dargetan. Das Oberverwaltungsgericht hat den Inhalt des Sitzungsprotokolls, anders als die Beschwerde behauptet, nicht übersehen, nur hat es im Rahmen seiner Sachverhaltswürdigung nicht die von der Beschwerde für richtig gehaltenen Schlüsse gezogen. Eine Kritik an der tatrichterlichen Überzeugungsbildung ist als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1999 - 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226).

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Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin die betreffenden Äußerungen im Normenkontrollverfahren zumindest indirekt bestätigt habe, und dass der Bürgermeister der Antragsgegnerin ausweislich der Sitzungsniederschrift zu Beginn der Sitzung auf Anfrage eines Gemeinderatsmitglieds entgegnet habe, dass bei Abbruch des Bebauungsplanverfahrens Schadenersatzansprüche drohten, und den Gemeinderatsmitgliedern nach dem Beschluss über die Einleitung des ergänzenden Verfahrens noch einmal gedankt habe, dass diese Schaden von der Gemeinde abgewendet hätten. Damit habe das Oberverwaltungsgericht den Akteninhalt erkennbar nicht ausgeschöpft. Der Sache nach macht die Beschwerde damit einen Verstoß gegen die Grundsätze richterlicher Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (z.B. BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> und vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209 f.>) geltend, der jedoch nicht schlüssig dargetan ist. Aus der Nichterwähnung einzelner Umstände in den Urteilsgründen kann regelmäßig nicht geschlossen werden, dass das Gericht diese bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht seiner Pflicht aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt und seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209 f.>). Hiervon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen, zumal sich das Oberverwaltungsgericht mit dem Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung ausdrücklich befasst hat. Gegenteiliges legt die Beschwerde nicht substantiiert dar.

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b) Aktenwidrig unvollständige Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur Öffentlichkeitsbeteiligung, auf denen die angegriffene Entscheidung beruhen kann, legt die Beschwerde ebenfalls nicht dar.

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Das Oberverwaltungsgericht (UA Rn. 25 und 121) hat festgestellt, dass die Antragsgegnerin den Grüne Liga Sachsen e.V. als Träger öffentlicher Belange beteiligt habe. Dieser sei damit nicht übergangen, sondern fehlerhaft als Träger öffentlicher Belange beteiligt worden, wobei seine Einwendungen von der Antragsgegnerin berücksichtigt worden seien. In einem solchen Fall sei die Anwendung der internen Unbeachtlichkeitsklausel nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB in der bis zum 12. Mai 2017 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) erst recht gegeben ("a maiore ad minus"). Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht nach den Umständen des Falles keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die fehlerhafte Beteiligung des Grüne Liga Sachsen e.V. als Träger öffentlicher Belange die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte erschwert habe.

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Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht sei "ersichtlich" davon ausgegangen, dass lediglich der Grüne Liga Sachsen e.V. als Träger öffentlicher Belange beteiligt worden sei. Bei vollständiger Ausschöpfung des Akteninhalts hätte das Oberverwaltungsgericht jedoch zu der Erkenntnis gelangen müssen, dass nicht nur der Grüne Liga Sachsen e.V., sondern mehrere Umweltverbände (fehlerhaft) als Träger öffentlicher Belange beteiligt worden seien. In diesem Zusammenhang unvollständig sei auch die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, es seien keine Anhaltspunkte für eine Erschwerung der Mitwirkungsrechte vorhanden. Zumindest der BUND habe in seiner Stellungnahme vom 20. Januar 2015 darauf hingewiesen, dass ihm eine weitere Stellungnahme innerhalb der kurzen Frist nicht möglich sei.

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Der Sachvortrag der Beschwerde trifft zu: Die Antragsgegnerin hat nicht nur den Grüne Liga Sachsen e.V., sondern auch andere Umweltverbände als Träger öffentlicher Belange beteiligt. Das hat die Antragstellerin (GA Bl. 241) als Verfahrensfehler gerügt. Es (GA Bl. 228) findet sich auch der Vortrag, dass beispielsweise der BUND zwar eine kurze Stellungnahme abgegeben, aber ausdrücklich auf den (aus seiner Sicht) kurzen Fristablauf hingewiesen habe, der eine ordnungsgemäße Stellungnahme zu den Planunterlagen nicht ermöglicht habe. Gleichwohl ist damit eine aktenwidrig unvollständige Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, auf der die angegriffene Entscheidung beruhen kann, nicht dargetan. Denn die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (UA Rn. 121) lassen erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht die interne Unbeachtlichkeitsklausel nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB a.F. im Wege des Erst-Recht-Schlusses auch auf die übrigen Umweltverbände angewandt hätte. Dass bestimmte Belange wegen der fehlerhaften Beteiligung dieser Umweltverbände in der Planungsentscheidung der Antragsgegnerin unberücksichtigt geblieben wären mit der Folge, dass die interne Unbeachtlichkeitsklausel nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB a.F. unanwendbar wäre, macht die Beschwerde nicht substantiiert geltend.

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c) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, das Normenkontrollurteil beruhe auf unvollständigen Feststellungen zur Lärmemissionskontingentierung.

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Soweit die Antragstellerin im Normenkontrollverfahren eine Verletzung des Konfliktbewältigungsgebots geltend gemacht hat, weil im Aufstellungsverfahren weder geprüft worden sei, mit welchen Immissionen tatsächlich zu rechnen sei, noch, ob die festgesetzten Lärmemissionskontingente tatsächlich einzuhalten seien, ist ihr das Oberverwaltungsgericht (UA Rn. 172) mit der Begründung entgegengetreten, die Antragsgegnerin habe prognostisch davon ausgehen dürfen, dass die festgesetzten Lärmemissionskontingente eingehalten werden können; der in der mündlichen Verhandlung erläuterten schalltechnischen Untersuchung lasse sich die Aussage entnehmen, dass die in Rede stehenden Kontingente hinreichend seien.

14

Die Beschwerde kritisiert, das Oberverwaltungsgericht habe damit als Inhalt der Verfahrensakte etwas festgestellt, was dort nicht vorhanden sei. Die Aussage, dass die festgesetzten Emissionskontingente hinreichend seien, finde sich im Textteil des Gutachtens nicht. Diesbezügliche Aussagen ließen sich auch der Niederschrift der mündlichen Verhandlung nicht entnehmen. Auf die Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung könne es überdies nicht ankommen, weil diese nicht in den Abwägungsvorgang des Gemeinderats der Antragsgegnerin hätten einfließen können.

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Die Verfahrensrüge geht fehl. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Würdigung nicht allein auf die in den Akten befindliche schalltechnische Untersuchung gestützt, sondern auch auf deren Erläuterung in der mündlichen Verhandlung. Dass die schalltechnische Untersuchung so, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert wurde, die Aussage des Oberverwaltungsgerichts nicht trägt, macht die Beschwerde nicht geltend. Dass die Erläuterungen in der Sitzungsniederschrift nicht wiedergegeben sind, ist unschädlich, weil der Niederschrift insoweit keine (negative) Beweiskraft nach § 105 VwGO i.V.m. § 165 Satz 1 ZPO zukommt (Geiger, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 105 Rn. 30).

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Soweit die Beschwerde noch anmerkt, die Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung hätten "denklogisch" nicht in den Abwägungsvorgang des Gemeinderats einfließen können, macht sie der Sache nach Abwägungsfehler geltend. Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers des Gerichts kann hierauf nicht gestützt werden.

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2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

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a) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,

ob ein Abwägungsfehler vorliegt, wenn ein ergänzendes Verfahren (zumindest auch) mit dem Ziel durchgeführt wird, Schadenersatzansprüche von der Gemeinde wegen der Nichtfortführung des Bebauungsplanverfahrens abzuwenden,

ist in doppelter Weise nicht entscheidungserheblich.

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Zum einen hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt, dass das ergänzende Verfahren vorliegend (zumindest auch) mit dem Ziel durchgeführt worden ist, Schadenersatzansprüche von der Antragsgegnerin wegen der Nichtfortführung des Bebauungsplanverfahrens abzuwenden, wie die Beschwerde ihrer Frage als Prämisse unterlegt. Es hat sich - wie dargestellt - mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich aus einer Äußerung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin in der Gemeinderatssitzung zur Notwendigkeit der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens ein Verfahrensverstoß ableiten lässt, und die Frage verneint (UA Rn. 102). Zu den für die Durchführung des ergänzenden Verfahrens maßgeblichen Motiven des Gemeinderats hat es jedoch keine Feststellungen getroffen. Auch mit der Formulierung, eine Haftung der Antragsgegnerin für den Fall, dass sie das ergänzende Verfahren nicht durchgeführt hätte, erscheine nicht offensichtlich ausgeschlossen, ist nichts darüber ausgesagt, ob Schadenersatzansprüche für den Gemeinderat letztlich (zumindest auch) ein Motiv für den Eintritt in das ergänzende Verfahren waren. Wenn aber das Normenkontrollgericht eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, vielmehr lediglich die Möglichkeit besteht, dass sie nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte, kann die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 1998 - 9 B 197.98 - juris Rn. 6).

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Zum anderen betrifft die Frage die Gemeinderatssitzung vom 8. Dezember 2014, in der das ergänzende Verfahren eingeleitet wurde. Für Abwägungsfehler, um die es der Beschwerde in diesem Zusammenhang geht, ist jedoch nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgeblich. Dass drohende Schadenersatzansprüche die Abwägungsentscheidung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses beeinflusst haben könnten, ist seitens der Beschwerde nicht einmal behauptet.

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b) Die Frage,

ob die interne Unbeachtlichkeitsklausel des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 BauGB (a.F.) anwendbar ist, wenn die anerkannten Umweltvereinigungen und andere Einwender als Träger öffentlicher Belange beteiligt wurden und ihnen für die Stellungnahme eine kürzere Frist gesetzt wurde als dies bei der allgemeinen Öffentlichkeitsbeteiligung der Fall ist,

rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu bestätigen, dass § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 BauGB a.F. (jetzt: § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BauGB) - wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - "erst recht" anzuwenden ist, wenn "einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange" nicht übergangen, sondern fehlerhaft als Träger öffentlicher Belange beteiligt worden sind. Es unterliegt auch keinen Zweifeln, dass sich eine entsprechende Anwendung der internen Unbeachtlichkeitsklausel nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB a.F. auf eine fehlerhafte Beteiligung nicht zwangsläufig daran scheitert, dass mehrere Umweltverbände fehlerhaft beteiligt worden sind. Das legt bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe, der im Plural von "einzelnen" Personen spricht. Im Übrigen ist es Sache des Tatsachengerichts, im jeweiligen Einzelfall über eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die fehlerhafte Beteiligung mehrerer Umweltverbände zu befinden, gegebenenfalls auch unter Gewichtung der Relevanz des Beteiligungsfehlers (vgl. dazu Berkemann, in: Berkemann/Halama, Erstkommentierungen zum BauGB 2004, 1. Aufl. 2005, § 214 Rn. 81).

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Soweit die Beschwerde für klärungsbedürftig hält, ob ein beachtlicher Verfahrensfehler voraussetzt, dass durch die fehlerhafte Beteiligung die Gefahr einer Einschränkung der Mitwirkungsrechte bestehen muss, ist die Frage schon nicht entscheidungserheblich. Denn das Oberverwaltungsgericht (UA Rn. 121) hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die fehlerhafte Beteiligung des Grüne Liga Sachsen e.V. als Träger öffentlicher Belange die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte erschwert hätte. Dass dies bei den übrigen fehlerhaft beteiligten Umweltverbänden der Fall gewesen wäre, macht die Beschwerde - wie ausgeführt - nicht substantiiert geltend.

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c) Auch die Fragen,

ob vorhabenbezogene Bebauungspläne nach § 12 Abs. 1 BauGB einer Lärmemissionskontingentierung nach DIN 45691 zugänglich sind,

ob die Lärmemissionskontingentierung nach DIN 45691 auch bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen eine Gliederung des Plangebietes anhand des Emissionsverhaltens der im Plangebiet zulässigen Betriebe und Anlagen voraussetzt,

und ob die planende Gemeinde bei der Lärmemissionskontingentierung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans schon im Bebauungsplanverfahren durch eine konkret vorhabenbezogene Betrachtung der vom Vorhaben ausgehenden Immissionen klären muss, ob die festzusetzenden Emissionskontingente für diese Immissionen ausreichend sind,

führen nicht zur Zulassung der Revision.

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Die beiden zuerst genannten Fragen lassen sich beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

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Dass vorhabenbezogene Bebauungspläne einer Lärmemissionskontingentierung zugänglich sind, lässt sich mit dem Oberverwaltungsgericht (UA Rn. 153 ff.) ohne Weiteres bejahen. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB wird der Vorhaben- und Erschließungsplan Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Gegenstand des Vorhaben- und Erschließungsplans wiederum ist das Vorhaben, das darin, unbeschadet etwaiger zusätzlicher Bestimmungen im vorhabenbezogenen Bebauungsplan, so konkret beschrieben werden muss, wie dies zur Beurteilung seiner bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 30 Abs. 2 BauGB erforderlich ist (z.B. Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 12 Rn. 6). Bei der Bestimmung, welches Vorhaben zulässig ist, ist die Gemeinde gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht an die Festsetzungen nach § 9 BauGB und nach der aufgrund von § 9a BauGB erlassenen Baunutzungsverordnung gebunden. Ein wesentlicher Unterschied zum qualifizierten Bebauungsplan liegt deshalb gerade in der gestalterischen Breite des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (zutreffend Busse, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 3. Aufl. 2018, § 12 Rn. 3). Es steht deshalb außer Frage, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan auch die Festsetzung von Lärmemissionskontingenten gestattet, wenn dies im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und Ordnung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) zur Beschreibung des Vorhabens erforderlich ist.

26

Bestätigen lässt sich ferner die Annahme des Oberverwaltungsgerichts (UA Rn. 157), dass es unschädlich ist, wenn für einen Bereich, in dem unterschiedliche Nutzungen und Anlagen zulässig sind, nur ein Lärmemissionskontingent festgesetzt ist. Von einem unzulässigen Summenpegel ist hier bereits deshalb nicht auszugehen, weil im Fall eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans regelmäßig und so auch hier nur ein Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB ermöglicht wird, mit der Folge, dass mit den festgesetzten Emissionskontingenten das Emissionsgeschehen als Eigenschaft einer Anlage gelenkt wird. Der Umstand, dass diese Gesamtanlage mehrere Einzelanlagen oder Nutzungen aufnehmen soll, steht der Annahme nicht entgegen (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 4 CN 7.16 - juris Rn. 11). Die von der Beschwerde angeführte Rechtsprechung des Senats zur Unzulässigkeit von Summenpegeln in Sondergebieten (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2013 - 4 BN 10.13 - ZfBR 2014, 148 Rn. 8) ist deshalb nicht einschlägig.

27

Entgegen der Auffassung der Beschwerde erfordert eine Lärmemissionskontingentierung im vorhabenbezogenen Bebauungsplan auch keine Gliederung des Plangebietes anhand des Emissionsverhaltens der vorgesehenen Anlagen. Richtig ist zwar, dass die Lärmemissionskontingentierung nach DIN 45691 ihrem Wesen nach auf die Regelung von Verteilungskonflikten im Plangebiet und damit auch auf die Gliederung des Plangebietes nach dem Emissionsverhalten der jeweiligen Anlagen ausgelegt ist, wie § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO dies ausdrücklich voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 4 CN 7.16 - juris Rn. 14 ff.). Im vorhabenbezogenen Bebauungsplan ist die Gemeinde aber nicht an die Baunutzungsverordnung und damit auch nicht an § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO gebunden. Der Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB ist eindeutig. Soweit es der Senat (BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 - 4 CN 4.01 - BVerwGE 116, 296 <299 f. zu § 7 BauGB-MaßnahmenG>) gleichwohl als sinnvoll erachtet hat, auch für den Inhalt eines Vorhaben- und Erschließungsplans auf die aus der Bauleitplanung im Übrigen bekannte "Plansprache" zurückzugreifen und die Begriffe, zeichnerischen Festsetzungen und Planzeichen zu verwenden, die sich aus § 9 BauGB, der Baunutzungsverordnung und der Planzeichenverordnung ergeben, zielt dies auf den Maßstab einer geordneten städtebaulichen Entwicklung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB), die Leitlinien- und Orientierungsfunktion der Baunutzungsverordnung (BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 a.a.O.) sowie die Erfordernisse der Rechtssicherheit. Hierzu ist seitens der Beschwerde nichts vorgetragen. Inhaltliche Einschränkungen der Festsetzungsermächtigung ergeben sich hieraus nicht.

28

Die Frage schließlich, ob die planende Gemeinde bei der Lärmemissionskontingentierung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans schon im Bebauungsplanverfahren klären muss, ob die festzusetzenden Emissionskontingente für diese Immissionen ausreichend sind, zielt auf die Möglichkeiten einer Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bauleitplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln. In der Rechtsprechung des Senats (z.B. BVerwG, Urteile vom 12. September 2013 - 4 C 8.12 - BVerwGE 147, 379 Rn. 17 und vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 14 f., jeweils m.w.N.) ist geklärt, dass die Grenzen eines zulässigen "Konflikttransfers" überschritten sind, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offen gelassene Interessenkonflikt in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht wird lösen lassen. Dabei ist für einen "Konflikttransfer" umso weniger Raum, je weitergehend das geplante Vorhaben durch die planerischen Festsetzungen und die sie ergänzenden Regelungen im Durchführungsvertrag bereits konkretisiert sind. Deshalb sind diese Maßstäbe auf einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan nur mit Einschränkungen übertragbar, weil die Festsetzungen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans in aller Regel einen hohen Konkretisierungsgrad besitzen werden (BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2003 - 4 BN 7.03 - BauR 2004, 975).

29

Von diesen Maßstäben hat sich das Oberverwaltungsgericht (UA Rn. 169 ff.) leiten lassen. Alles andere ist eine Frage des Einzelfalles, den das Oberverwaltungsgericht hier auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung erläuterten schalltechnischen Untersuchung dahingehend gewürdigt hat, dass die Antragsgegnerin prognostisch davon habe ausgehen dürfen, dass die festgesetzten Lärmemissionskontingente eingehalten werden können. Grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.

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d) Mit der Frage schließlich,

ob es für die Beachtung des interkommunalen Abstimmungsgebotes bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan in materieller Hinsicht ausreichend ist, wenn sich die planende Gemeinde auf die Erwägung beschränkt, im Gebiet der Nachbargemeinde würden die Orientierungswerte der DIN 18005 eingehalten,

möchte die Beschwerde in einem Revisionsverfahren klären lassen, inwiefern sich die planende Gemeinde hinsichtlich der planbedingten Lärmbelastung auf dem Gebiet der Nachbargemeinde mit der Erwägung begnügen darf, die Orientierungswerte der DIN 18005 würden eingehalten. Zwar gehe das Bundesverwaltungsgericht - so die Beschwerde - in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die in der Umgebung eines Plangebietes zumutbare Lärmbelastung eine Frage des Einzelfalles sei und die Werte der DIN 18005 im Einzelfall auch überschritten werden könnten. Dies betreffe aber die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB und sage nichts darüber aus, welche Anforderungen sich ergeben, wenn die Lärmbelastungen auch das Gebiet einer Nachbargemeinde beträfen.

31

Auch die Frage der Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen auf das Gebiet einer planbetroffenen Nachbargemeinde ist eine Frage des Einzelfalles und einer verallgemeinernden Beantwortung nicht zugänglich. In der Rechtsprechung des Senats (z.B. BVerwG, Urteil vom 1. August 2002 - 4 C 5.01 - BVerwGE 117, 25 <32 f.>) ist geklärt, dass das interkommunale Abstimmungsgebot in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB steht und sich als dessen besondere Ausprägung darstellt. § 2 Abs. 2 BauGB verlangt einen Interessenausgleich zwischen benachbarten Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der gemeindlichen Belange. Sofern es - wie hier - um die Berücksichtigung von Belangen der Nachbargemeinde geht, die keine Auswirkungen gewichtiger Art darstellen, sind diese nach den allgemeinen Regeln in die Abwägung einzustellen. Deshalb gilt auch hier, dass für die Frage der Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen die Werte der DIN 18005 je nach den Umständen des Einzelfalles als Orientierungshilfe herangezogen, bei Vorliegen entsprechend gewichtiger Belange aber auch im Wege der Abwägung überschritten werden dürfen.

32

3. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht schlüssig dargetan.

33

Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz (unter anderem) einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr). Daran fehlt es hier.

34

Die Beschwerde sieht eine Abweichung darin, dass das Oberverwaltungsgericht Schadenersatzansprüche für den Fall der Nichtdurchführung des ergänzenden Verfahrens für möglich gehalten habe; insoweit setze das Oberverwaltungsgericht voraus, dass es eine Rechtspflicht zur Fortsetzung eines Planverfahrens geben könne, weil ohne eine solche Rechtspflicht kein Schadenersatzanspruch entstehen könne. Damit setze sich das Oberverwaltungsgericht in Widerspruch zum Beschluss des Senats vom 9. Oktober 1996 - 4 B 180.96 - (Buchholz 406.11 § 2 BauGB Nr. 39 = juris Rn. 4), in dem dieser ausgesprochen habe, dass es kein subjektives Recht auf Bauleitplanung gebe und sich der Einzelne nicht mit Erfolg dagegen zur Wehr setzen könne, dass die Gemeinde ein von ihr eingeleitetes Aufstellungs-, Änderungs-, Ergänzungs- oder Aufhebungsverfahren, aus welchen Gründen auch immer, aufgebe. Gleiches müsse gelten, wenn Schadenersatzansprüche drohten, welche die Gemeinde in einen Zwang versetzen könnten, ein Planverfahren fortzusetzen.

35

Einen abstrakten Rechtssatz mit dem von der Beschwerde behaupteten Inhalt hat das Oberverwaltungsgericht nicht formuliert. Dass die Beschwerde einen Rechtssatz formuliert, den die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts "vorausgesetzt" hätten, genügt für die schlüssige Darlegung einer Rechtssatzdivergenz nicht.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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