Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 5 K 1556/08

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

 
Der 67 Jahre alte Kläger (Kl) ist kaufmännischer Angestellter und erhielt im Streitjahr, neben Einkünften aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung Lohnersatzleistungen. Zum 2. Juni 2004 hatte sich der Kl mit seiner Ehefrau mit Wohnsitz in die Schweiz, nach X, abgemeldet.
Am 9. Juli 2003 hatte das Hauptzollamt Y / Zollamt Z den Kl gemeinsam mit seiner Ehefrau bei der Ausreise aus der Schweiz kommend einer Bargeldkontrolle nach dem Zollverwaltungsgesetz unterzogen. Die Zollbediensteten fanden bei dieser Kontrolle eine Aktenmappe mit anonymisierten Depotunterlagen für die Depots ...01, ...02 und ...03 bei der A-Bank. Für den Inhaber des Depots tragen alle drei Depots die Nummer 11111. Die Stammnummer und das Abwicklungskonto (Kontokorrent) sind mit der Nummer ... bezeichnet. Die Unterlagen wiesen für die Depots folgende Wertstellungen zum 8. Juli 2003 aus:
...01:
 1.071.256,64 EUR
...02:
 -617.458,70 EUR
...03:
 250.186,91 EUR
Bei dem Depot ...02 handelt es sich um eine Yen-Anleihe.
Der Kl und seine Ehefrau machten gegenüber den Zollbeamten keine Angaben über die aufgefundenen Depotunterlagen.
Aufgrund einer Mitteilung des Zollamts Z über die Kontrolle nahm die Steuerfahndungsstelle L am 10. Juli 2003 Ermittlungen auf und leitete ein Steuerstrafverfahren gegen den Kl und seine Ehefrau ein. Nachdem eine von der damaligen Bevollmächtigten des Kl angekündigte Selbstanzeige des (wahren) Depotinhabers vom Beklagten (Bekl) nicht festgestellt werden konnte, durchsuchte die Steuerfahndungsstelle am 3. Februar 2004 die Wohn-, Geschäfts- und sonstigen Räume des Kl und seiner Ehefrau.
Der Bekl ordnete am 13. Februar 2004 den dinglichen Arrest in das Vermögen des Kl wegen nicht beglichener Einkommensteuer-(ESt)- und Solidaritätszuschlagsbeträge für die Jahre 1993 bis 2002 in Höhe von 106.546,66 EUR an. Im Rahmen einer dagegen vom Kl erhobenen Anfechtungsklage beim Finanzgericht Baden-Württemberg (Az.: 8 K 154/04) trug der Kläger vor, er plane nicht, seinen Lebensmittelpunkt in die Schweiz zu verlegen. Die von der Steuerfahndung aufgefundenen Unterlagen hinsichtlich des Interesses an einem Immobilienerwerb in der Schweiz beträfen lediglich eine Ferienimmobilie. In einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 25. Oktober 2004 regte der Berichterstatter folgende Verfahrensweise an:
„1. Der Beklagte möge die Bescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 auf der Grundlage der Anordnung des dinglichen Arrests vom 13. Februar 2004 ändern, sobald der Kläger (oder seine Ehefrau) den dort ausgewiesenen Betrag von insgesamt 106.546,66 EUR bezahlt hat.
2. Der Kläger und seine Ehefrau mögen hiermit darauf verzichten, gegen die vorbezeichneten geänderten Bescheide Einspruch einzulegen.
10 
3. Der Beklagte möge zusichern, dass hinsichtlich des Klägers und seiner Ehefrau auf der Grundlage des Sachverhalts, der der Anordnung des dinglichen Arrests vom 13. Februar 2004 zugrunde gelegt wurde, keine weiteren steuerlichen Folgen mehr gezogen werden.
11 
4. Außerdem möge der Beklagte zusichern, die Anordnung des dinglichen Arrests vom 13. Februar 2004 in dem Zeitpunkt aufzuheben, zu dem die geänderten Bescheide wie vorstehend bezeichnet, erteilt werden.
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5. Der Beklagte möge außerdem zusichern, bis zu dem soeben zu 4. genannten Zeitpunkt keine weiteren Maßnahmen aus den Sicherheiten zu treffen, die er auf Grund der Anordnung des dinglichen Arrests vom 13. Februar 2004 erlangt hat.“
13 
Die Beteiligten gaben hierauf zu Protokoll, entsprechend verfahren zu wollen, und erklärten übereinstimmend den Rechtsstreit als in der Hauptsache für erledigt.
14 
Gegenüber der Steuerfahndung erklärte der Kl, dass die Depotunterlagen einem Verwandten gehörten und berief sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht. Später konkretisierte er seine Angaben dahingehend, dass Kontoinhaberin seine am 9. März 2002 verstorbene Mutter, Frau W, gewesen sei.
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Der Kl war das einzige Kind seiner Mutter. Nach ihrem notariellen Testament vom 20. Juni 1994 hatte sie die Ehefrau des Kl, Frau Q, ersatzweise deren Tochter als Alleinerbin eingesetzt. Gleichzeitig hatte sie den Kl als Testamentsvollstrecker und Nacherben bestimmt und ihm im Wege des Vermächtnisses den Nießbrauch an der Erbschaft der Vorerbin überlassen. Am 25. August 2002 unterrichtete der Kl unter Beifügung der Nachweise das Nachlassgericht V davon, dass seine Mutter das Testament vom 20. Juni 1994 durch Testament vom 3. November 2001 widerrufen und ihn als Alleinerben eingesetzt habe. Auf dem Testament vom 3. November 2001 ist vermerkt, dass sowohl der Kl als auch dessen Ehefrau Zeugen des Widerrufs und der Erbeinsetzung des Kl gewesen seien. Zuvor, am 25. März 2004, hatte sich der Kl an das Nachlassgericht mit dem Anliegen der Einräumung einer Frist gewandt, weil ihm nicht bekannt gewesen sei, dass er nur sechs Wochen Zeit habe, ein Erbe anzutreten oder auszuschlagen. Ebenfalls am 25. März 2004 hatte die Ehefrau des Kl beim Nachlassgericht nachgefragt, bis wann sie sich entscheiden müsse, ob sie das Erbe gemäß Testament vom 20. Juni 1994 antrete oder ob sie wegen des Testaments vom 3. November 2001 überhaupt Erbe sei. Mit notariell beglaubigter Urkunde vom 12. Juli 2004 schlug die Ehefrau des Kl - vorsorglich - die Erbschaft aus und focht für den Fall der Versäumnis der Ausschlagungsfrist die Annahme der Erbschaft an. Die Tochter der Ehefrau des Kl schlug mit Urkunde vom 15. Oktober 2004, ebenfalls unter vorsorglicher Anfechtung der Annahme der Erbschaft, die - mögliche - Erbschaft aus.
16 
Mit Schreiben vom 25. November 2004 beantragte der Kl einen Erbschein als Alleinerbe seiner Mutter. Das Nachlassgericht wies den Kl darauf hin, dass der Erbschein nur aufgrund einer in öffentlicher Form abgegebenen eidesstattlichen Versicherung erteilt werden könne.
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Die Akte des Nachlassgerichts enthält eine Aktennotiz, wonach der Abteilungsrichter aufgrund der Vorlage der zuständigen Rechtspflegerin die Frage nach der Erbschaft am 15. Oktober 2004 wie folgt beantwortete: „Erbe ist der Sohn“.
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In einem Fax an die Stadt V, Kassen- und Steueramt, vom 7. Oktober 20002 schrieb der Kl:
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„Sehr geehrte Damen und Herren,
bitte überweisen Sie den Überschuss gemäß Ihrer Aufstellung vom 12.8.2002 auf mein Konto … bei der B-Bank Ü.
Meine Mutter ist leider verstorben (Frau W) und ich bin der alleinige Erbe. …“
20 
Mit der ESt-Erklärung für das Jahr 2003 vom 25. August 2005 beantragte der Kl zunächst die Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau. Er erklärte für sich neben Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 7.328 EUR und einem gesondert festgestellten Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von – 7.561 EUR weiterhin Lohnersatzleistungen in Höhe von 20.177 EUR.
21 
Der Bekl schätzte im ESt-Bescheid vom 6. März 2006 aufgrund des Steuerfahndungsberichts vom 21. Oktober 2005 zu den Einkünften des Kl aus Kapitalvermögen Einnahmen in Höhe von 45.000 EUR hinzu. Er legte dabei den durchschnittlichen Zinssatz der Deutschen Bundesbank im Streitjahr zugrunde.
22 
Gegen diesen Bescheid legte der Kl Einspruch ein und beantragte schließlich am 15. November 2006 die getrennte Veranlagung. Der ebenfalls am 15. November 2006 abgegebenen ESt-Erklärung (zur getrennten Veranlagung) fügte der Kl keine Anlage KAP, jedoch eine Übersicht über Zinsen und Dividenden bei, in der Einnahmen in Höhe von insgesamt 127,06 EUR ausgewiesen sind.
23 
Nach Aufhebung des Zusammenveranlagungsbescheides erließ der Bekl am 5. Juli 2007 einen nur an den Kl gerichteten ESt-Bescheid, in dem er wiederum Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 45.000 EUR hinzuschätzte. In den Erläuterungen führte er aus: „Kapitalerträge aus Kapitalanlagen bei der A-Bank wurden aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt L entsprechend geschätzt.“ Gegen diesen Bescheid erhob der Kl wiederum Einspruch .
24 
In der Einspruchsschrift vom 22. März 2006 gegen den ESt-Bescheid vom 6. März 2006 ließ der Kl durch seine Bevollmächtigte vortragen: „Laut Auskunft meiner Mandanten waren beide nicht verfügungsberechtigt hinsichtlich der Schweizer Kapitalanlage. Vom Gericht wurde noch immer kein Erbe bestimmt. …“. Im Juni 2006 trug der Kl nochmals vor: „… dass er bisher vom Gericht in V nicht als Erbe bestimmt wurde und daher eine Zurechnung von Zinsen nicht erfolgen könne.“
25 
Die Ehefrau des Kl teilte in einem Schreiben vom 17. September 2006, dem sich der Kl ausdrücklich anschloss, mit: „… Mein Mann hatte 2003 noch gar kein Erbe angetreten und bis heute ist unklar, ob mein Mann überhaupt der Erbe ist! ...“.
26 
Zum Verfahren 8 K 154/04 führte sie am 29. Oktober 2004 aus: „Schließlich habe ich mit der Erbsache meines Mannes nichts zu tun, das Erbe ausgeschlagen und Schreiben der A-Bank, dass ich dort kein Konto unterhalte und keine Vollmacht über ein Konto besitze.“
27 
Der Kl legte folgendes Schreiben der A-Bank vom 25. September 2007 vor:
28 
„Sehr geehrte Frau Q,
Sehr geehrter Herr Q,
        
Ihre erneute Anfrage beantworten wir wie folgt:
Es bestehen keine Konten oder Depots auf die Namen EQ oder HQ bei der A-Bank.
Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir nicht verpflichtet gewesen wären, Ihnen diese Information zu erteilen.
Wir erachten diese Angelegenheit nun endgültig als erledigt. …“
29 
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht der Kl im Wesentlichen geltend, er habe im Streitjahr keine Kapitaleinkünfte aus Anlagen und sei auch nicht Inhaber des Depots bei der A-Bank. Er habe dem Bekl ein Schreiben der A-Bank vorgelegt, worin bestätigt werde, dass er nicht Inhaber dieses Depots sei. Später habe er dem Bekl auf dessen Verlangen noch ein weiteres Bestätigungsschreiben der A-Bank übersandt, dass er generell nicht als Bevollmächtigter geführt werde. Damit sei widerlegt, dass er als wirtschaftlich Berechtigter mit entsprechender Vollmacht ein Konto unter fremden Namen führe. Erst unter dem ungeheuerlichen Druck der Fahndungsmaßnahmen, insbesondere der Durchsuchungsmaßnahmen, habe er dem Bekl offengelegt, dass die wahre Depotinhaberin seine Mutter gewesen sei. Der Einwand des Bekl, er habe ohne eigene Berechtigung gar nicht an die Depotunterlagen gelangen können, sei unzutreffend. Er habe seinen Besuch der Bank vorher telefonisch angekündigt und erfragt, welche Unterlagen er vorlegen müsse. So hätten die Vorlage des Personalausweises oder Reisepasses und des Totenscheins der Mutter ausgereicht, um die Depotunterlagen ausgehändigt zu bekommen. Er sei jedoch nicht Erbe seiner Mutter geworden. Die Frage, wer Erbe geworden sei, sei höchst strittig, da zwei Testamente vorlägen. Er habe bis heute keinen Erbschein bekommen.
30 
Der Bekl sei an der Festsetzung von Einkünften aus angeblichen Anlagen bei der A-Bank in der Schweiz auf Grund der Vereinbarung der Parteien vor dem Finanzgericht Stuttgart in dem Verfahren 8 K 154/04 gehindert. Der Regelung im Erörterungstermin am 25. Oktober 2004 habe eindeutig das Ziel einer endgültigen Regelung bezüglich des streitigen Lebenssachverhalts zugrunde gelegen. So habe der Berichterstatter auch bestätigt, dass seine Anregung so zu verstehen sei, dass damit alle steuerlichen Folgen aus dem streitigen Sachverhalt erledigt seien. Es hätte für ihn keinen Sinn gemacht, sich zu der hohen Zahlung für die Jahre 1993 bis 2002 zu verpflichten, um dann denselben Streitpunkt in den Folgejahren mit dem Beklagten wieder auszufechten. Dies sei auch für den Bekl erkennbar gewesen. Aus dem Lebenssachverhalt „Auffinden von anonymisierten Kontounterlagen“ könnten daher schon deshalb keinerlei steuerlichen Folgen mehr gezogen werden, auch nicht im Streitjahr.
31 
Schließlich seien seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse dem Bekl bekannt, woraus sich eindeutig ergebe, dass es ihm unmöglich gewesen sei, ein der Anlagesumme bei der A-Bank entsprechendes Vermögen anzusammeln.
32 
Der Kl beantragt sinngemäß,
33 
den ESt-Bescheid 2003 vom 5. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Februar 2008 insoweit zu ändern, dass seine Einkünfte aus Kapitalvermögen um 45.000 EUR niedriger angesetzt werden.
34 
Der Bekl beantragt,
35 
die Klage abzuweisen.
36 
Er trägt unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung vor, der Kl könne sich nicht darauf berufen, dass das Depot seiner Mutter gehört habe. Es bestehe kein Anlass, dass Depot nicht dem Kl zuzurechnen. Insbesondere seien die Bescheinigungen der A-Bank darüber, dass der Kl nicht Inhaber des Depots sei, wenig aussagekräftig, da es sich um ein sog. Nummernkonto handele. Die Legitimation des Kontoinhabers laufe ja gerade (nur) über die Nummer, so dass immer bescheinigt werden könne, dass auf den Namen des Kl kein Konto bestehe.
37 
Bei der Verständigung im Verfahren des Finanzgerichts Baden-Württemberg 8 K 154/04 sei es erkennbar nur um die streitbefangenen Zeiträume gegangen. Der Wille, auch Veranlagungszeiträume einzubeziehen, die vom anhängigen Verfahren nicht betroffen gewesen seien und für die noch nicht einmal ein Bescheid ergangen sei, hätte im Termin objektiv zu Tage treten müssen.
38 
Die „Akten über die Verfügung von Todes wegen“ der W, gestorben am 9. März 2002, beim Amtsgericht V, die Finanzgerichtsakten zum Verfahren 8 K 154/04 sowie die Erbschaftssteuerakten des Finanzamtes V (StNr.) sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe

 
39 
Die zulässige Klage ist unbegründet.
40 
Der ESt-Bescheid für 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kl nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat der Bekl die geschätzten Erträge aus Guthaben in den o.g. Depots bei der A-Bank den Einkünften des Kl aus Kapitalvermögen zugerechnet. Diese Erträge stammten aus Guthaben, die im Streitjahr 2003 Eigentum des Kl waren.
41 
1. Die Guthaben hatten entweder von vornherein dem Kl selbst gehört. Dafür spricht, dass der Kl im Finanzgerichtsverfahren wegen der Anordnung des dinglichen Arrests in sein Vermögen (Az. 8 K 154/04) letztlich die Zuordnung des Kapitalvermögens an sich selbst akzeptierte und Einkünfte für die dem Streitjahr vorangegangenen Jahre nachversteuerte.
42 
Sollten die Guthaben jedoch nicht schon ursprünglich dem Kl selbst gehört haben, waren sie nach wiederholter Aussage des Kl Eigentum seiner Mutter gewesen. Dieses Eigentum seiner Mutter war in dem dem Streitjahr vorausgegangenen Jahr 2002, in dem die Mutter des Kl verstorben war, kraft Erbschaft gemäß §§ 1937, 1942 Abs. 1 i.V.m. § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Kl übergegangen. Denn er und nicht seine Ehefrau war Erbe seiner Mutter geworden. Zwar hatte die Mutter des Kl ursprünglich die Ehefrau des Kl mit Testament vom 20. Juni 1994 als Alleinerbin eingesetzt. Doch dieses wurde durch das spätere von der Erblasserin eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testament vom 3. November 2001 gemäß § 2258 BGB widerrufen. Zweifel an der Rechtsgültigkeit dieses Testaments hat der Senat nicht. Es weist den Kl und auch die ursprünglich als Alleinerbin eingesetzte Ehefrau des Kl als Zeugen des Testaments aus. Es wurde nicht angefochten. Anhaltspunkte für eine mangelnde Testierfähigkeit der Erblasserin sind dem Senat auch nach Beiziehung der „Akten über die Verfügung von Todes wegen“ nicht erkennbar.
43 
Dass dem Kl kein Erbschein erteilt wurde, ist für die Annahme der Erbschaft des Kl unerheblich. Der Erbschein stellt zwar ein - mit öffentlichem Glauben versehener - amtlicher Ausweis für den Rechtsverkehr dar und bekundet, wer Erbe ist. Er entfaltet jedoch lediglich Legitimations- und Schutzwirkung, wirkt aber nicht rechtsbegründend und ist einzuziehen, wenn er sich als unrichtig herausstellt (vgl. Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 67. Auflage, 2008, Anm. 1 vor § 2353). Im Übrigen erhielt der Kl vorliegend keinen Erbschein erteilt, weil er die erforderlichen Erklärungen nicht in der dafür vorgesehenen Form abgab (vgl. §§ 2354 - 2356 BGB). Auch die vom Kl behauptete Unsicherheit bezüglich seiner Eigenschaft als Erbe ist ohne Belang. Für die Frage der Erbschaft sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten und nicht eine angebliche Unsicherheit darüber entscheidend.
44 
Ohne Bedeutung ist schließlich, dass die A-Bank im Schreiben vom 25. September 2007 mitteilte, dass keine Konten oder Depots auf den Namen des Kl bestehen. Zu Recht weist der Bekl darauf hin, dass diese Mitteilung bei einem Nummernkonto wenig aussagekräftig ist. Ein Nummernkonto wird nicht über den Namen des Eigners, sondern über eine Nummer geführt. Dies geschieht gerade zu dem Zweck, den Namen des Eigners nicht zu offenbaren.
45 
Da der Kl jedenfalls Eigentümer der o.g. Guthaben bei der A-Bank war, die ihm auch die Depotunterlagen aushändigte, flossen ihm als ihrem Eigner folglich die Erträge zu. Er hatte sie somit nach § 20 Einkommensteuergesetz (EStG) zu versteuern.
46 
2. Die Schätzungen der Höhe der Erträge aus den Guthaben des Kl bei der A-Bank durch den Bekl sind sachgerecht. Seine Schätzungsbefugnis und -verpflichtung zu den Besteuerungsgrundlagen lag mangels entsprechender Unterlagen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) vor. Der Senat sieht keinen Anlass, von seiner eigenen Schätzungsbefugnis gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO Gebrauch zu machen. Er geht davon aus, dass die Schätzungen durch den Bekl im Ergebnis der Wirklichkeit entsprechen. Sie gehen jedenfalls nicht über die Besteuerung hinaus, die bei Kenntnis aller Steuergrundlagen erfolgen müsste. Der Ansatz des durchschnittlichen Zinssatzes der Deutschen Bundesbank im Jahr 2003 in Höhe von 3,8 vom Hundert ist insoweit nicht zu beanstanden (vgl. Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank, Heft Januar 2010, Übersichtstabellen, S. 6).
47 
3. Dem Entscheidungsergebnis steht schließlich nicht die im Erörterungstermin vom 25. Oktober 2004 im Finanzgerichtsverfahren 8 K 154/04 protokollierte Vereinbarung mit dem Bekl entgegen. Aus ihr ergibt sich nicht eine Bindung des Bekl über eine sogenannte tatsächliche Verständigung, die Erträge aus den o.g. Guthaben im Streitjahr nicht zu besteuern. Eine tatsächliche Verständigung kann, wie der Name schon sagt, nur eine Bindung hinsichtlich der einvernehmlichen Annahme eines maßgeblichen Besteuerungssachverhalts herbeiführen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhof-BFH- vom 1. September 2009 VIII R 78/06, dokumentiert in juris, mit weiteren Nachweisen). Zur gegenwärtigen oder gar wie im Streitfall zukünftigen Rechtsanwendung ist keine bindende Verständigung möglich. Der unter Ziffer 3 der Vereinbarung protokollierte Passus enthält keine Regelung über Sachverhaltsfragen. Auf die Frage, ob der streitbefangene Passus tatsächlich dahingehend zu verstehen war, dass der Bekl zukünftig von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch machen wolle oder lediglich eine Klarstellung für die im dortigen Verfahren streitbefangenen Jahre zum Inhalt haben sollte, kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf den Sachvortrag des Kl, er habe die Regelung als für die Zukunft bindend verstanden.
48 
Da die Klage keinen Erfolg hat, trägt der Kl gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

Gründe

 
39 
Die zulässige Klage ist unbegründet.
40 
Der ESt-Bescheid für 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kl nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat der Bekl die geschätzten Erträge aus Guthaben in den o.g. Depots bei der A-Bank den Einkünften des Kl aus Kapitalvermögen zugerechnet. Diese Erträge stammten aus Guthaben, die im Streitjahr 2003 Eigentum des Kl waren.
41 
1. Die Guthaben hatten entweder von vornherein dem Kl selbst gehört. Dafür spricht, dass der Kl im Finanzgerichtsverfahren wegen der Anordnung des dinglichen Arrests in sein Vermögen (Az. 8 K 154/04) letztlich die Zuordnung des Kapitalvermögens an sich selbst akzeptierte und Einkünfte für die dem Streitjahr vorangegangenen Jahre nachversteuerte.
42 
Sollten die Guthaben jedoch nicht schon ursprünglich dem Kl selbst gehört haben, waren sie nach wiederholter Aussage des Kl Eigentum seiner Mutter gewesen. Dieses Eigentum seiner Mutter war in dem dem Streitjahr vorausgegangenen Jahr 2002, in dem die Mutter des Kl verstorben war, kraft Erbschaft gemäß §§ 1937, 1942 Abs. 1 i.V.m. § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Kl übergegangen. Denn er und nicht seine Ehefrau war Erbe seiner Mutter geworden. Zwar hatte die Mutter des Kl ursprünglich die Ehefrau des Kl mit Testament vom 20. Juni 1994 als Alleinerbin eingesetzt. Doch dieses wurde durch das spätere von der Erblasserin eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testament vom 3. November 2001 gemäß § 2258 BGB widerrufen. Zweifel an der Rechtsgültigkeit dieses Testaments hat der Senat nicht. Es weist den Kl und auch die ursprünglich als Alleinerbin eingesetzte Ehefrau des Kl als Zeugen des Testaments aus. Es wurde nicht angefochten. Anhaltspunkte für eine mangelnde Testierfähigkeit der Erblasserin sind dem Senat auch nach Beiziehung der „Akten über die Verfügung von Todes wegen“ nicht erkennbar.
43 
Dass dem Kl kein Erbschein erteilt wurde, ist für die Annahme der Erbschaft des Kl unerheblich. Der Erbschein stellt zwar ein - mit öffentlichem Glauben versehener - amtlicher Ausweis für den Rechtsverkehr dar und bekundet, wer Erbe ist. Er entfaltet jedoch lediglich Legitimations- und Schutzwirkung, wirkt aber nicht rechtsbegründend und ist einzuziehen, wenn er sich als unrichtig herausstellt (vgl. Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 67. Auflage, 2008, Anm. 1 vor § 2353). Im Übrigen erhielt der Kl vorliegend keinen Erbschein erteilt, weil er die erforderlichen Erklärungen nicht in der dafür vorgesehenen Form abgab (vgl. §§ 2354 - 2356 BGB). Auch die vom Kl behauptete Unsicherheit bezüglich seiner Eigenschaft als Erbe ist ohne Belang. Für die Frage der Erbschaft sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten und nicht eine angebliche Unsicherheit darüber entscheidend.
44 
Ohne Bedeutung ist schließlich, dass die A-Bank im Schreiben vom 25. September 2007 mitteilte, dass keine Konten oder Depots auf den Namen des Kl bestehen. Zu Recht weist der Bekl darauf hin, dass diese Mitteilung bei einem Nummernkonto wenig aussagekräftig ist. Ein Nummernkonto wird nicht über den Namen des Eigners, sondern über eine Nummer geführt. Dies geschieht gerade zu dem Zweck, den Namen des Eigners nicht zu offenbaren.
45 
Da der Kl jedenfalls Eigentümer der o.g. Guthaben bei der A-Bank war, die ihm auch die Depotunterlagen aushändigte, flossen ihm als ihrem Eigner folglich die Erträge zu. Er hatte sie somit nach § 20 Einkommensteuergesetz (EStG) zu versteuern.
46 
2. Die Schätzungen der Höhe der Erträge aus den Guthaben des Kl bei der A-Bank durch den Bekl sind sachgerecht. Seine Schätzungsbefugnis und -verpflichtung zu den Besteuerungsgrundlagen lag mangels entsprechender Unterlagen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) vor. Der Senat sieht keinen Anlass, von seiner eigenen Schätzungsbefugnis gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO Gebrauch zu machen. Er geht davon aus, dass die Schätzungen durch den Bekl im Ergebnis der Wirklichkeit entsprechen. Sie gehen jedenfalls nicht über die Besteuerung hinaus, die bei Kenntnis aller Steuergrundlagen erfolgen müsste. Der Ansatz des durchschnittlichen Zinssatzes der Deutschen Bundesbank im Jahr 2003 in Höhe von 3,8 vom Hundert ist insoweit nicht zu beanstanden (vgl. Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank, Heft Januar 2010, Übersichtstabellen, S. 6).
47 
3. Dem Entscheidungsergebnis steht schließlich nicht die im Erörterungstermin vom 25. Oktober 2004 im Finanzgerichtsverfahren 8 K 154/04 protokollierte Vereinbarung mit dem Bekl entgegen. Aus ihr ergibt sich nicht eine Bindung des Bekl über eine sogenannte tatsächliche Verständigung, die Erträge aus den o.g. Guthaben im Streitjahr nicht zu besteuern. Eine tatsächliche Verständigung kann, wie der Name schon sagt, nur eine Bindung hinsichtlich der einvernehmlichen Annahme eines maßgeblichen Besteuerungssachverhalts herbeiführen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhof-BFH- vom 1. September 2009 VIII R 78/06, dokumentiert in juris, mit weiteren Nachweisen). Zur gegenwärtigen oder gar wie im Streitfall zukünftigen Rechtsanwendung ist keine bindende Verständigung möglich. Der unter Ziffer 3 der Vereinbarung protokollierte Passus enthält keine Regelung über Sachverhaltsfragen. Auf die Frage, ob der streitbefangene Passus tatsächlich dahingehend zu verstehen war, dass der Bekl zukünftig von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch machen wolle oder lediglich eine Klarstellung für die im dortigen Verfahren streitbefangenen Jahre zum Inhalt haben sollte, kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf den Sachvortrag des Kl, er habe die Regelung als für die Zukunft bindend verstanden.
48 
Da die Klage keinen Erfolg hat, trägt der Kl gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

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