Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 K 1990/14

Tenor

1. Die Klage ist unbegründet.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Streitig ist die Wirksamkeit der Abtretung eines Vorsteuererstattungsanspruchs.
1. Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 10. November 1995 gegründete GbR. Gründungsgesellschafter waren ein R und ein H. Geschäftsführer war zunächst R, der von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreit war (vgl. § 9 des Gesellschaftsvertrags). Bis Ende des Jahres 1995 wurden über 50 weitere Gesellschafter aufgenommen. Der Sitz der Gesellschaft befand sich zunächst in X, ... straße xx.
Als Zweck der Gesellschaft ist der Erwerb und die Verwaltung von fünf gewerblich genutzten Einheiten in einem noch zu errichtenden Wohn- und Geschäftshauses („EKZ C...“) in C (nachfolgend: C), ... Allee angegeben (vgl. § 2 des Gesellschaftsvertrags).
R und H „in Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ erwarben mit Kaufvertrag vom 28. Dezember 1995 abweichend hiervon nur zwei gewerbliche Einheiten im Erdgeschoss für x.xxx.xxx DM zuzüglich xxx.xxx,xx DM Umsatzsteuer. In das Grundbuch wurde als Eigentümerin eine „H... und R... GbR“ eingetragen. R und H „in Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ erwarben mit Kaufvertrag vom 19. Februar 1996 weitere 15 Einheiten im Obergeschoss für x.xxx.xxx DM zuzüglich xxx.xxx,xx DM Umsatzsteuer. In das Grundbuch wurde als Eigentümerin eine „H... und R...  GbR“ eingetragen.
Das Objekt wurde im Jahr 1996 fertiggestellt und ab dem Jahr 1997 vermietet.
2. Die Klägerin erklärte in der Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1995 vom 15. Mai 1996 und in der -von R unterschriebenen- Umsatzsteuererklärung 1995 vom 23. Mai 1996 keine Ausgangsumsätze, dafür Vorsteuern von xxx.xxx DM. Unter „Steuernummer“ war jeweils „neu“ eingetragen. Der Umsatzsteuererklärung 1995 lagen die folgenden Rechnungen bei:
Datum 
Aussteller
Umsatzsteuer
27.12.1995
  U... GmbH
xx.xxx DM
28.12.1995
  G... GmbH
xx.xxx DM
28.12.1995
  G... GmbH
xx.xxx DM
28.12.1995
  W... GmbH
xxx.xxx DM
Summe 
        
xxx.xxx DM
Die Klägerin erklärte unter der Steuernummer ... zzzz in der -berichtigten- Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1995 vom 2. Juli 1996 ebenfalls keine Ausgangsleistungen, dafür Vorsteuern von xx.xxx DM. Eine weitere Rechnung mit einem Steuerausweis von rd. x.xxx DM wurde nachgereicht.
Datum 
Aussteller
Umsatzsteuer
22.11.1995
  ... Rechtsanwälte
  rd. x.xxx DM
28.12.1995
  H       
xx.xxx DM
Summe 
        
xx.xxx DM
10 
3. Dem Beklagten (das Finanzamt -FA-) gingen zwischen Oktober 1996 und Februar 1997 auf amtlichem Vordruck drei Abtretungsanzeigen zu:
11 
In der Abtretungsanzeige vom 1. Oktober 1996 teilte die Klägerin als Abtretende (Steuernummer: ... xxx), die Abtretung des Erstattungsanspruchs aus Umsatzsteuer für Dezember 1995 zur Verrechnung mit einer Umsatzsteuerschuld für 1995 der ebenfalls beim FA unter der Steuernummer ... yyyy veranlagten „Grundstücksgesellschaft Geschäftshaus A... GbR“ (A GbR) in Höhe von xxx.xxx,xx DM mit. Die A GbR hat ihren Sitz bei derselben Anschrift wie die Klägerin. Die Abtretungsanzeige ist sowohl für die Abtretende als auch für die Abtretungsempfängerin von R und von H (ohne Vertretungszusatz) unterschrieben.
12 
In der Abtretungsanzeige vom 19. Februar 1997 wird abweichend von der vorherigen Abtretungsanzeige als Erstattungsanspruch nicht die Umsatzsteuer für Dezember 1995 genannt, sondern -in gleicher Höhe- die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 1995. Die Abtretungsanzeige ist sowohl für die Abtretende als auch für die Abtretungsempfängerin nur von R (ohne Vertretungszusatz) unterschrieben.
13 
Das FA übersandte mit Schreiben vom 25. Februar 1997 an R eine Abtretungsanzeige mit der Bitte um Unterschrift und Rücksendung im Original. Vorausgegangen war ein Telefonat des Sachbearbeiters des FA mit R. Außerdem hatte der Sachbearbeiter Fragen zum Objekt in C.
14 
In der Abtretungsanzeige vom 28. Februar 1997 teilte die Klägerin als Abtretende (Steuernummer: ... zzzz, wobei die letzte Ziffer handschriftlich überschrieben wurde) die Abtretung des Erstattungsanspruchs aus Umsatzsteuer für 1995 in Höhe von xxx.xxx DM an die A GbR (Steuernummer: ... yyyy) als Abtretungsempfängerin zur Verrechnung mit einer Umsatzsteuerschuld für 1995 der A GbR in Höhe von xxx.xxx,xx DM mit. Die Abtretungsanzeige wurde sowohl für die Abtretende als auch für die Abtretungsempfängerin von R (ohne Vertretungszusatz) unterschrieben.
15 
4. Das FA ordnete die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1995 vom 15. Mai 1995 und die Umsatzsteuererklärung 1995 vom 23. Mai 1996 unter der Steuernummer „neu“ sowie die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1995 vom 4. Juli 1995 unter der Steuernummer ... zzzz einem einzigen Unternehmer zu und setzte im Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 18. April 1997 unter der Steuernummer ... zzzz den Überschuss der Vorsteuern über die Umsatzsteuer auf xxx.xxx DM fest. Abweichend von den erklärten Vorsteuerbeträgen von zusammen xxx.xxx DM (xxx.xxx DM + xx.xxx DM) rechnete es einen Teil hiervon (xx.xxx DM und xx.xxx DM) steuerfreien Ausgangsleistungen zu. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
16 
Im Zuge der Bearbeitung der Umsatzsteuererklärungen und der Abtretungsanzeige buchte das FA am 17. April 1997 -neben weiteren, kleineren Verrechnungen- den Vorsteuererstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von xxx.xxx,xx DM auf die A GbR um und zahlte der Klägerin einen Betrag von xx.xxx DM aus.
17 
Die Klägerin gab am 7. April 1998 unter der Steuernummer ... zzzz eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 1995 ab, in der sie erklärte, von den Vorsteuern in Höhe von xxx.xxx DM seien nur 97,57 %, also rd. xxx.xxx DM abziehbar. Das FA folgte dem im geänderten Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 5. Mai 1998. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
18 
5. Das FA setzte im Feststellungsbescheid 1997 vom 10. März 1999 unter der Steuernummer ... zzzz den -verrechneten- Vorsteuererstattungsanspruch in Höhe von xxx.xxx,xx DM bei der Klägerin als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung an. In ihrer Feststellungserklärung 1997 vom 22. Februar 1999 hatte die Klägerin lediglich Einnahmen aus Umsatzsteuererstattungen 1995 von xx.xxx DM sowie aus 1. und 2. Kalendervierteljahr 1996 von xxx DM und xxx DM (zusammen: xx.xxx DM) angegeben. Der Feststellungsbescheid 1997 erging ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
19 
6. R wurde im Jahr 2001 als Geschäftsführer der Klägerin abberufen. Zum neuen Geschäftsführer wurde am 20. September 2002 Herr A bestellt. R und H wurden am 18. Juli 2003 auch als Gesellschafter aus der Klägerin ausgeschlossen.
20 
7. Bei einer vom Finanzamt Y für die Umsatzsteuer sowie die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1997 bis 2000 durchgeführten Außenprüfung kam der Prüfer -unstreitig- zu dem Ergebnis, die Klägerin habe nur die beiden Einheiten im Erdgeschoss erworben, während die Einheiten im Obergeschoss einer anderen GbR, bestehend ausschließlich aus den beiden Gesellschaftern R und H zuzurechnen seien (Bericht vom 16. November 2006).
21 
Nach den Berechnungen des Prüfers entfielen auf das Erdgeschoss Vorsteuern in Höhe von xxx.xxx,xx DM, von denen bereits xx.xxx DM im Jahr 1997 und weitere xxx.xxx DM im Jahr 1998 als Einnahmen erfasst worden seien. Daher seien im Feststellungsbescheid 1997 weitere xx.xxx,xx DM als Einnahmen anzusetzen; die Abtretung an die A GbR führe steuerlich zu einem Zufluss bei der Klägerin (Anlage 2 des Berichts vom 16. November 2006).
22 
Der Umsatzsteuerbescheid 1995, in dem die Vorsteuern aus dem Erwerb der Einheiten im Erd- und im Obergeschoss abgezogen worden sind, wurde nicht geändert.
23 
8. Die Klägerin beantragte mit Schriftsatz vom 25. April 2008 beim FA die Auszahlung von xxx.xxx,xx DM, da die Abtretung des Vorsteuererstattungsanspruchs an die A GbR unwirksam sei.
24 
Das FA lehnte den Antrag mit Abrechnungsbescheid vom 16. November 2012 ab, weil der Anspruch gemäß folgender Aufstellung erloschen sei:
25 
Festsetzung laut Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 30.04.1998
./. xxx.xxx DM
Verrechnung mit Umsatzsteuer Dezember 1995 der A GbR
xxx.xxx DM
Erstattung am 17.04.1997
xx.xxx DM
Verrechnung mit Umsatzsteuer IV/1996 (incl. Verspätungszuschlag)
x.xxx DM
Zubuchung von Umsatzsteuer 1996
  xx.xxx DM
                 
verbleibende Steueransprüche
0 DM
26 
Der dagegen am 17. Dezember 2012 eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2014 als unbegründet zurückgewiesen. Die Abtretungsanzeige habe ungeachtet der Einhaltung der Formerfordernisse jedenfalls Schuldnerschutz ausgelöst. Der Vorsteuererstattungsanspruch sei überdies durch den Eintritt der Zahlungsverjährung erloschen.
27 
9. Mit der daraufhin am 11. Juni 2014 erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Auszahlung des Vorsteuererstattungsanspruchs. Sie macht geltend, die Abtretungsempfängerin (A GbR) habe im Zeitpunkt der Abtretung nicht mehr existiert, da das Projekt „Geschäftshaus A...“ nie realisiert worden sei. R habe die Abtretungsempfängerin jedenfalls nicht wirksam vertreten, da eine Personengesellschaft grundsätzlich durch sämtliche Gesellschafter vertreten werde; eine anderweitige Vereinbarung sei nicht ersichtlich. Es sei davon auszugehen, dass sich die Abtretungsempfängerin in der Phase der Auflösung befunden habe. Die Abtretung sei zumindest als Insichgeschäft des R unwirksam. Zudem habe R gegenüber der Klägerin den Tatbestand der Untreue verwirklicht, so dass die Abtretung auch deshalb nichtig sei. Da zwei Gesellschaften mit der Firma „EKZ C...“ existiert hätten, sei die Identität der abtretenden Gesellschaft nicht eindeutig geklärt und die Abtretung auch aus diesem Grunde unwirksam. Die Abtretungsanzeige genüge nicht der gesetzlichen Schriftform, weil der Vertretungswille darin nicht durch Verwendung eines Vertretungszusatzes zum Ausdruck komme. Das FA könne sich auch nicht auf Schuldnerschutz berufen, weil es die Unterschrift für die Abtretungsempfängerin nicht geprüft habe. Der Vorsteuererstattungsanspruch sei auch nicht durch den Eintritt der Zahlungsverjährung erloschen.
28 
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 16. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2014 zu ändern und zu ihren Gunsten einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt xxx.xxx,xx DM festzusetzen.
29 
Das FA bleibt bei seiner Rechtsauffassung und beantragt,
die Klage abzuweisen.
30 
10. Die Klage gegen den Feststellungsbescheid 1997 vom 10. März 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2012 ist ebenfalls beim Finanzgericht Baden-Württemberg anhängig (Az.: 13 K 4128/12). Die Klägerin beruft sich in diesem Verfahren darauf, es dürften keine weiteren Einnahmen von xx.xxx,xx DM als Einnahmen angesetzt werden, weil dieser Betrag mangels Wirksamkeit der Abtretung nicht zugeflossen sei. R hat dem damaligen Berichterstatter in diesem Verfahren auf formlose Anfrage hin mitgeteilt (Email von 31. Oktober 2013), er sei auch für die A GbR vertretungsberechtigt gewesen. Außerdem hat in diesem Verfahren am 16. Juni 2014 -ohne Ergebnis- ein Erörterungstermin stattgefunden.

Entscheidungsgründe

 
31 
Die Klage ist unbegründet. Der Abrechnungsbescheid über Umsatzsteuer 1995 vom 16. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Klägerin hat ihren Vorsteuererstattungsanspruch wirksam an die A GbR abgetreten. Zumindest kann sich das FA auf Schuldnerschutz berufen.
32 
1. Nach § 46 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) können Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen abgetreten, verpfändet und gepfändet werden. Die Abtretung wird gemäß § 46 Abs. 2 AO jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt. Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 AO ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben (§ 46 Abs. 3 Satz 2 AO).
33 
Die formalisierte Abtretungsanzeige soll die Abtretenden davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten. Darüber hinaus soll die einheitliche Gestaltung des amtlichen Vordrucks dem FA die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern (Begründung der Bundesregierung, BTDrucks 7/2852, S. 47; Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557).
34 
Die Abtretungsanzeige ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestandsmerkmal der Abtretung. Ohne sie liegt eine rechtswirksame Abtretung überhaupt nicht vor, und zwar nicht nur gegenüber dem Steuergläubiger, sondern auch nicht im Verhältnis zwischen Abtretenden und Abtretungsempfänger (BFH-Urteil vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557).
35 
2. Im Streitfall hat die Klägerin die Abtretung ihres Vorsteuererstattungsanspruchs aus dem Jahr 1995 an die A GbR wirksam dem FA angezeigt.
36 
a) Die Beurteilung der Wirksamkeit der Abtretung richtet sich nach der (dritten) Abtretungsanzeige vom 28. Februar 1997. Die Klägerin hatte zunächst zwei Abtretungsanzeigen eingereicht, in der für die Klägerin eine falsche Steuernummer angegeben wurde. Daraufhin hat das FA nach telefonischer Rücksprache mit R der Klägerin einen neuen Vordruck übersandt, der am 28. Februar 1997 ausgefüllt wurde. Alle Beteiligten gingen davon aus, dass die Abtretungsanzeige vom 28. Februar 1997 der Verrechnung zugrunde gelegt werden sollte.
37 
b) Der Vorsteuererstattungsanspruch ist bereits mit Ablauf des Jahres 1995 und damit vor der Abtretung entstanden (vgl. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662; vom 12. Oktober 1999 VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl II 2000, 486). Auf den Zeitpunkt der Festsetzung des Vorsteuererstattungsanspruchs kommt es insoweit nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; vom 6. Juni 2000 VII R 104/98, BFHE 192, 21, BStBl II 2000, 491).
38 
c) Aus der Abtretungsanzeige sind Abtretender und Abtretungsempfänger sowie die Art des abgetretenen Anspruchs eindeutig erkennbar (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2000 VII R 104/98, BFHE 192, 21, BStBl II 2000, 491, unter II.5.b).
39 
Als Abtretende ist die Unternehmerin hinreichend genau bestimmt, deren Steuernummer ... zzzz in der Abtretungsanzeige vom 28. Februar 1997 angegeben worden ist. Unter dieser Steuernummer hat das FA am 18. April 1997 den Umsatzsteuerbescheid 1995 mit einem Vorsteuererstattungsanspruch von xxx.xxx DM erlassen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden und entfaltet Tatbestandswirkung dahin, dass der unter der Steuernummer ... zzzz erfassten Klägerin ein entsprechender Vorsteuererstattungsanspruch zustand. Daher ist die in der Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 2000 gewonnene Erkenntnis unerheblich, wonach der Klägerin nur die Einheiten im Erdgeschoss zuzurechnen sind.
40 
Die Abtretungsempfängerin ist ebenfalls durch Angabe der Firma „Grundstücksgesellschaft Geschäftshaus A... GbR“ und Steuernummer ... yyyy eindeutig bezeichnet. Dem steht nicht entgegen, dass das Projekt „Geschäftshaus A...“ -wie von der Klägerin behauptet- nie realisiert worden sei und die A GbR im Zeitpunkt der Abtretung bereits aufgelöst gewesen sein soll. Eine Personengesellschaft ist als Unternehmer anzusehen, sobald sie unter ihrem Namen nach außen hin tätig wird (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 1999 V R 22/99, BFHE 190, 255, BStBl II 2000, 241).Sie besteht als Umsatzsteuerschuldner auch nach Auflösung so lange fort, bis alle Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt beendet sind (BFH-Entscheidungen vom 21. Mai 1971 V R 117/67, BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540; vom 19. Oktober 1995 V R 128/93, BFH/NV 1996, 275; vom 8. November 1995 V R 64/94, BFHE 179, 211, BStBl II 1996, 256; vom 1. September 2010 XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140). Im Streitfall bestand für die A GbR zumindest noch eine Umsatzsteuerverbindlichkeit. Die Existenz der A GbR und das Bestehen einer Umsatzsteuerverbindlichkeit ergibt sich auch aus dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben der Steuerberater F vom 13. Februar 1997 und dem Kontoauszug des FA vom 2. April 2004. Der im Kontoauszug angegebene Zahlungstag „23. Mai 1996“ erklärt sich daraus, dass die Umsatzsteuererklärung 1995 der Klägerin an diesem Tag beim FA einging. Im Übrigen ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass Abtretung und Aufrechnung mangels Existenz der A GbR fehlgeschlagen wären.
41 
d) Auch der Abtretungsgrund ergibt sich aus der Abtretungsanzeige mit hinreichender Bestimmtheit.
42 
Die Angaben zum Abtretungsgrund sollen dem FA Hinweise geben, ob es sich bei der Abtretung um einen geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung handeln könnte, der gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 AO grundsätzlich unzulässig ist, sowie dem FA die Möglichkeit zur schnellen und einfachen Prüfung eröffnen, ob eine Sicherungsabtretung von Ansprüchen vorliegt, zu deren geschäftsmäßigem Erwerb oder Einziehung nach § 46 Abs. 4 Satz 3 AO nur Unternehmen befugt sind, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist. Zur Bezeichnung des Abtretungsgrundes genügt eine kurze stichwortartige Kennzeichnung des der Abtretung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhalts. Fehlen Angaben zum Abtretungsgrund völlig, leidet die Abtretungsanzeige an einem Formmangel, der nach § 46 Abs. 2 AO zur Unwirksamkeit der Abtretung führt (BFH-Urteile vom 13. November 2001 VII R 107/00, BFHE 197, 5, BStBl II 2002, 402; vom 28. September 2011 VII R 52/10, BFHE 235, 111, BStBl II 2012, 92).
43 
Im Streitfall lässt sich aus der Formulierung „Verrechnung“ hinreichend deutlich erkennen, dass der Abtretung eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zugrunde liegt, die nicht auf eine geschäftsmäßige Abtretung schließen lässt. Denn durch die Angabe wird deutlich, dass mit der Abtretung eine Aufrechnungslage hergestellt werden soll, weil der Abtretungsempfänger eine entsprechende Verbindlichkeit beim FA hat. Das Kästchen „Sicherungsabtretung“ wurde nicht angekreuzt.
44 
e) Die Abtretungsanzeige wurde sowohl vom Abtretenden als auch vom Abtretungsempfänger wirksam unterschrieben.
45 
Bei Personenvereinigungen haben die zur Vertretung befugten Personen (§ 34 AO) zu unterschreiben (BFH-Beschluss 19. März 2009 VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236).
46 
Gemäß § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) steht die Führung der Geschäfte einer GbR den Gesellschaftern grundsätzlich gemeinschaftlich zu. Die Gesellschafter vertreten die Gesellschaft gemeinschaftlich. Nur wenn einem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag die Befugnis zur Geschäftsführung eingeräumt wurde, ist er im Zweifel auch ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten (§ 714 BGB).
47 
Vorliegend wurde die Klägerin wirksam von R vertreten. Der Gesellschaftsvertrag bestimmt in § 9 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 1.1 allein ihn zum -von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten- geschäftsführenden Gesellschafter. Ein ausdrücklicher Vertretungszusatz war nicht erforderlich. Eine Personengesellschaft wird erst durch das Handeln von zumindest einer natürlichen Person handlungsfähig. Das ergibt sich auch aus dem Erläuterungstext über dem Unterschriftenfeld in der Abtretungsanzeige: „V. Wichtige Hinweise: Die Abtretungsanzeige ist sowohl von dem Abtretenden als auch von dem Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Dies gilt z.B. auch, wenn der zeichnungsberechtigte Vertreter einer abtretenden juristischen Person oder sonstigen Gesellschaft personengleich sind (2 Unterschriften).“
48 
Es besteht kein vernünftiger Anlass daran zu zweifeln, dass R Vertretungsmacht auch für die A GbR besaß. Er bestätigte dies gegenüber dem damaligen Berichterstatter in der Email vom 31. Oktober 2013. Substantiierte Einwendungen hat die Klägerin hiergegen nicht erhoben. Der Ansicht der Klägerin, der damalige Berichterstatter habe gegen das Steuergeheimnis verstoßen und daher sei die Auskunft nicht verwertbar, kann im Hinblick auf den im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 76 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 4 Nr. 1 FGO) nicht gefolgt werden.
49 
3. Das FA kann sich jedenfalls hinsichtlich der Vertretungsmacht des R für die A GbR auf den Schuldnerschutz des § 46 Abs. 5 AO berufen.
50 
a) Wird der Finanzbehörde die Abtretung angezeigt, so müssen nach § 46 Abs. 5 AO Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam oder wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 4 AO nichtig ist.
51 
Die Vorschrift soll der Finanzbehörde die Prüfung ersparen, ob die Abtretung wirksam ist (BFH-Urteil vom 5. Juni 2007 VII R 17/06, BFHE 217, 241, BStBl II 2007, 738).
52 
Aus dem Schutzzweck des § 46 Abs. 5 AO folgt, dass das FA, dem die Abtretung angezeigt worden ist und das an den Abtretungsempfänger gezahlt hat, auch dann von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Abtretenden frei wird, wenn die Abtretungsanzeige nicht der in § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Form entspricht (BFH-Urteile vom 25. September 1990 VII R 114/89, BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201; vom 22. März 1994 VII R 117/92, BFHE 174, 112, BStBl II 1994, 789; Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 46 AO Rz. 72). Nach dem Wortlaut der Vorschrift greift der Schuldnerschutz ein, auch wenn die angezeigte Abtretung „nicht erfolgt oder nicht wirksam oder ... nichtig ist“; die Unwirksamkeit der Abtretung kann sich danach gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO auch daraus ergeben, dass die Anzeige nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben enthält. Die Schuldnerschutzregelung macht hinsichtlich der Rechtsgründe, aus denen die Abtretung nicht wirksam ist, keinerlei Einschränkungen. Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung der Vorschrift, in der es heißt: „Da das Lohnsteuerverfahren ein Massenverfahren ist, das im Interesse der redlichen Steuerzahler ohne zeitliche Verzögerung abgewickelt werden muss, ist den Finanzbehörden die eingehende Überprüfung der Wirksamkeit einer eingegangenen Abtretungserklärung nicht zuzumuten“ (BTDrucks 7/2852, S. 47). Würde sich dagegen der Schuldnerschutz darauf beschränken, dass dem FA nur erspart bleibt, das hinter der Abtretungsanzeige stehende Rechtsgeschäft (Abtretungsvertrag, § 398 BGB) auf seine Wirksamkeit zu überprüfen, so wäre § 46 Abs. 5 AO nahezu ohne Bedeutung; denn eine solche materiell-rechtliche Prüfung ist dem FA ohnehin kaum möglich.
53 
Danach greift der Schuldnerschutz, wenn die Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen haben sollte, z.B. wenn R den Tatbestand der Untreue verwirklicht haben sollte. Das gleiche gilt, wenn R ein Insichgeschäft getätigt haben sollte. Schuldnerschutz besteht aber auch dann, wenn die Abtretungsanzeige mangels wirksamer Vertretung der A GbR durch R gegen § 46 Abs. 3 Satz 2 AO verstieße. Die Vertretungsmacht der für den Abtretungsempfänger unterschreibenden Person gehört zu den typischerweise von der Finanzbehörde nicht nachprüfbaren Umständen, für die nach § 46 Abs. 5 AO Schuldnerschutz bestehen soll.
54 
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem -von der Klägerin herangezogenen- Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 12. September 2007  5 K 1918/05 (n.v.). Dieses Urteil ist zu einem anderen Sachverhalt ergangen. Dort hat das Finanzamt gegenüber dem Abtretungsempfänger die Wirksamkeit der Abtretungsanzeige in Abrede gestellt hat und die Auszahlung des abgetretenen Anspruchs verweigert. Zur Reichweite des Vertrauensschutzes nach § 46 Abs. 5 AO hat sich das FG nicht geäußert. Im Streitfall geht es aber darum, ob sich das FA gegenüber dem Abtretenden auf Vertrauensschutz berufen kann. Der Sachverhalt, der dem Urteil des Hessischen FG zugrunde lag, unterscheidet sich noch in weiteren Punkten vom Streitfall: Das Feld „Abtretungsempfänger“ war nicht ausgefüllt. Im Feld „Unterschrift des Abtretungsempfängers“ war ein Stempel mit den Namen von drei Gesellschaftern angebracht, obwohl ein Gesellschafter geltend machte, schon vor Jahren aus der Gesellschaft ausgeschieden zu sein. Außerdem war die Abtretungsanzeige für den Abtretungsempfänger mit einer nicht lesbaren, d.h. keiner konkreten Person zuordenbaren Unterschrift unterschrieben. An solchen Mängeln leidet die Abtretungsanzeige im Streitfall nicht.
55 
b) Die Anzeigewirkung tritt auch ein, wenn die Finanzbehörde positiv weiß oder nach den Umständen wissen muss, dass die Abtretung nicht erfolgt, unwirksam oder nichtig ist (BFH-Entscheidungen vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83, BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223; vom 14. Februar 1989 VII R 55/86, BFH/NV 1989, 751; vom 25. September 1990 VII R 114/89, BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201; vom 24. April 2006 VII B 322/05, BFH/NV 2006, 1442; vom 19. März 2009 VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236, in diesem Punkt entgegen dem ebenfalls von der Klägerin angeführten Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. Januar 2008  1 K 98/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2008, 750; vom 8. Juni 2010 VII R 39/09, BFHE 229, 482, BStBl II 2010, 839). Diese einschneidenden Wirkungen werden allerdings nur einer Abtretungsanzeige zugemessen, die der Abtretende oder sein Vertreter selbst unterschrieben hat; bei fehlender oder gefälschter Unterschrift kann die Finanzbehörde als Schuldner nicht beanspruchen, mit befreiender Wirkung an den in der Anzeige angegebenen Abtretungsempfänger leisten zu können (BFH-Beschluss vom 19. März 2009 VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; die Abtretungsanzeige ist der Klägerin zuzurechnen (vgl. oben unter II.2.e). Daher gehen auch die -durch nichts belegten- Anschuldigungen der Klägerin fehl, das FA habe R zu einer Steuerhinterziehung angestiftet und würde eigenes Fehlverhalten vertuschen.
56 
c) Die Berufung auf den Schuldnerschutz in § 46 Abs. 5 AO steht im Ermessen der Finanzbehörde (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 AO Rz. 73a), welches das FA in der Einspruchsentscheidung auch ausgeübt hat. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
57 
4. Auf den etwaigen Eintritt der Zahlungsverjährung kommt es nicht mehr an.
58 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe

 
31 
Die Klage ist unbegründet. Der Abrechnungsbescheid über Umsatzsteuer 1995 vom 16. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Klägerin hat ihren Vorsteuererstattungsanspruch wirksam an die A GbR abgetreten. Zumindest kann sich das FA auf Schuldnerschutz berufen.
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1. Nach § 46 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) können Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen abgetreten, verpfändet und gepfändet werden. Die Abtretung wird gemäß § 46 Abs. 2 AO jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt. Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 AO ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben (§ 46 Abs. 3 Satz 2 AO).
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Die formalisierte Abtretungsanzeige soll die Abtretenden davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten. Darüber hinaus soll die einheitliche Gestaltung des amtlichen Vordrucks dem FA die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern (Begründung der Bundesregierung, BTDrucks 7/2852, S. 47; Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557).
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Die Abtretungsanzeige ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestandsmerkmal der Abtretung. Ohne sie liegt eine rechtswirksame Abtretung überhaupt nicht vor, und zwar nicht nur gegenüber dem Steuergläubiger, sondern auch nicht im Verhältnis zwischen Abtretenden und Abtretungsempfänger (BFH-Urteil vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557).
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2. Im Streitfall hat die Klägerin die Abtretung ihres Vorsteuererstattungsanspruchs aus dem Jahr 1995 an die A GbR wirksam dem FA angezeigt.
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a) Die Beurteilung der Wirksamkeit der Abtretung richtet sich nach der (dritten) Abtretungsanzeige vom 28. Februar 1997. Die Klägerin hatte zunächst zwei Abtretungsanzeigen eingereicht, in der für die Klägerin eine falsche Steuernummer angegeben wurde. Daraufhin hat das FA nach telefonischer Rücksprache mit R der Klägerin einen neuen Vordruck übersandt, der am 28. Februar 1997 ausgefüllt wurde. Alle Beteiligten gingen davon aus, dass die Abtretungsanzeige vom 28. Februar 1997 der Verrechnung zugrunde gelegt werden sollte.
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b) Der Vorsteuererstattungsanspruch ist bereits mit Ablauf des Jahres 1995 und damit vor der Abtretung entstanden (vgl. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662; vom 12. Oktober 1999 VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl II 2000, 486). Auf den Zeitpunkt der Festsetzung des Vorsteuererstattungsanspruchs kommt es insoweit nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; vom 6. Juni 2000 VII R 104/98, BFHE 192, 21, BStBl II 2000, 491).
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c) Aus der Abtretungsanzeige sind Abtretender und Abtretungsempfänger sowie die Art des abgetretenen Anspruchs eindeutig erkennbar (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2000 VII R 104/98, BFHE 192, 21, BStBl II 2000, 491, unter II.5.b).
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Als Abtretende ist die Unternehmerin hinreichend genau bestimmt, deren Steuernummer ... zzzz in der Abtretungsanzeige vom 28. Februar 1997 angegeben worden ist. Unter dieser Steuernummer hat das FA am 18. April 1997 den Umsatzsteuerbescheid 1995 mit einem Vorsteuererstattungsanspruch von xxx.xxx DM erlassen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden und entfaltet Tatbestandswirkung dahin, dass der unter der Steuernummer ... zzzz erfassten Klägerin ein entsprechender Vorsteuererstattungsanspruch zustand. Daher ist die in der Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 2000 gewonnene Erkenntnis unerheblich, wonach der Klägerin nur die Einheiten im Erdgeschoss zuzurechnen sind.
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Die Abtretungsempfängerin ist ebenfalls durch Angabe der Firma „Grundstücksgesellschaft Geschäftshaus A... GbR“ und Steuernummer ... yyyy eindeutig bezeichnet. Dem steht nicht entgegen, dass das Projekt „Geschäftshaus A...“ -wie von der Klägerin behauptet- nie realisiert worden sei und die A GbR im Zeitpunkt der Abtretung bereits aufgelöst gewesen sein soll. Eine Personengesellschaft ist als Unternehmer anzusehen, sobald sie unter ihrem Namen nach außen hin tätig wird (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 1999 V R 22/99, BFHE 190, 255, BStBl II 2000, 241).Sie besteht als Umsatzsteuerschuldner auch nach Auflösung so lange fort, bis alle Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt beendet sind (BFH-Entscheidungen vom 21. Mai 1971 V R 117/67, BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540; vom 19. Oktober 1995 V R 128/93, BFH/NV 1996, 275; vom 8. November 1995 V R 64/94, BFHE 179, 211, BStBl II 1996, 256; vom 1. September 2010 XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140). Im Streitfall bestand für die A GbR zumindest noch eine Umsatzsteuerverbindlichkeit. Die Existenz der A GbR und das Bestehen einer Umsatzsteuerverbindlichkeit ergibt sich auch aus dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben der Steuerberater F vom 13. Februar 1997 und dem Kontoauszug des FA vom 2. April 2004. Der im Kontoauszug angegebene Zahlungstag „23. Mai 1996“ erklärt sich daraus, dass die Umsatzsteuererklärung 1995 der Klägerin an diesem Tag beim FA einging. Im Übrigen ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass Abtretung und Aufrechnung mangels Existenz der A GbR fehlgeschlagen wären.
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d) Auch der Abtretungsgrund ergibt sich aus der Abtretungsanzeige mit hinreichender Bestimmtheit.
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Die Angaben zum Abtretungsgrund sollen dem FA Hinweise geben, ob es sich bei der Abtretung um einen geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung handeln könnte, der gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 AO grundsätzlich unzulässig ist, sowie dem FA die Möglichkeit zur schnellen und einfachen Prüfung eröffnen, ob eine Sicherungsabtretung von Ansprüchen vorliegt, zu deren geschäftsmäßigem Erwerb oder Einziehung nach § 46 Abs. 4 Satz 3 AO nur Unternehmen befugt sind, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist. Zur Bezeichnung des Abtretungsgrundes genügt eine kurze stichwortartige Kennzeichnung des der Abtretung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhalts. Fehlen Angaben zum Abtretungsgrund völlig, leidet die Abtretungsanzeige an einem Formmangel, der nach § 46 Abs. 2 AO zur Unwirksamkeit der Abtretung führt (BFH-Urteile vom 13. November 2001 VII R 107/00, BFHE 197, 5, BStBl II 2002, 402; vom 28. September 2011 VII R 52/10, BFHE 235, 111, BStBl II 2012, 92).
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Im Streitfall lässt sich aus der Formulierung „Verrechnung“ hinreichend deutlich erkennen, dass der Abtretung eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zugrunde liegt, die nicht auf eine geschäftsmäßige Abtretung schließen lässt. Denn durch die Angabe wird deutlich, dass mit der Abtretung eine Aufrechnungslage hergestellt werden soll, weil der Abtretungsempfänger eine entsprechende Verbindlichkeit beim FA hat. Das Kästchen „Sicherungsabtretung“ wurde nicht angekreuzt.
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e) Die Abtretungsanzeige wurde sowohl vom Abtretenden als auch vom Abtretungsempfänger wirksam unterschrieben.
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Bei Personenvereinigungen haben die zur Vertretung befugten Personen (§ 34 AO) zu unterschreiben (BFH-Beschluss 19. März 2009 VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236).
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Gemäß § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) steht die Führung der Geschäfte einer GbR den Gesellschaftern grundsätzlich gemeinschaftlich zu. Die Gesellschafter vertreten die Gesellschaft gemeinschaftlich. Nur wenn einem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag die Befugnis zur Geschäftsführung eingeräumt wurde, ist er im Zweifel auch ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten (§ 714 BGB).
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Vorliegend wurde die Klägerin wirksam von R vertreten. Der Gesellschaftsvertrag bestimmt in § 9 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 1.1 allein ihn zum -von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten- geschäftsführenden Gesellschafter. Ein ausdrücklicher Vertretungszusatz war nicht erforderlich. Eine Personengesellschaft wird erst durch das Handeln von zumindest einer natürlichen Person handlungsfähig. Das ergibt sich auch aus dem Erläuterungstext über dem Unterschriftenfeld in der Abtretungsanzeige: „V. Wichtige Hinweise: Die Abtretungsanzeige ist sowohl von dem Abtretenden als auch von dem Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Dies gilt z.B. auch, wenn der zeichnungsberechtigte Vertreter einer abtretenden juristischen Person oder sonstigen Gesellschaft personengleich sind (2 Unterschriften).“
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Es besteht kein vernünftiger Anlass daran zu zweifeln, dass R Vertretungsmacht auch für die A GbR besaß. Er bestätigte dies gegenüber dem damaligen Berichterstatter in der Email vom 31. Oktober 2013. Substantiierte Einwendungen hat die Klägerin hiergegen nicht erhoben. Der Ansicht der Klägerin, der damalige Berichterstatter habe gegen das Steuergeheimnis verstoßen und daher sei die Auskunft nicht verwertbar, kann im Hinblick auf den im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 76 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 4 Nr. 1 FGO) nicht gefolgt werden.
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3. Das FA kann sich jedenfalls hinsichtlich der Vertretungsmacht des R für die A GbR auf den Schuldnerschutz des § 46 Abs. 5 AO berufen.
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a) Wird der Finanzbehörde die Abtretung angezeigt, so müssen nach § 46 Abs. 5 AO Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam oder wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 4 AO nichtig ist.
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Die Vorschrift soll der Finanzbehörde die Prüfung ersparen, ob die Abtretung wirksam ist (BFH-Urteil vom 5. Juni 2007 VII R 17/06, BFHE 217, 241, BStBl II 2007, 738).
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Aus dem Schutzzweck des § 46 Abs. 5 AO folgt, dass das FA, dem die Abtretung angezeigt worden ist und das an den Abtretungsempfänger gezahlt hat, auch dann von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Abtretenden frei wird, wenn die Abtretungsanzeige nicht der in § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Form entspricht (BFH-Urteile vom 25. September 1990 VII R 114/89, BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201; vom 22. März 1994 VII R 117/92, BFHE 174, 112, BStBl II 1994, 789; Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 46 AO Rz. 72). Nach dem Wortlaut der Vorschrift greift der Schuldnerschutz ein, auch wenn die angezeigte Abtretung „nicht erfolgt oder nicht wirksam oder ... nichtig ist“; die Unwirksamkeit der Abtretung kann sich danach gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO auch daraus ergeben, dass die Anzeige nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben enthält. Die Schuldnerschutzregelung macht hinsichtlich der Rechtsgründe, aus denen die Abtretung nicht wirksam ist, keinerlei Einschränkungen. Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung der Vorschrift, in der es heißt: „Da das Lohnsteuerverfahren ein Massenverfahren ist, das im Interesse der redlichen Steuerzahler ohne zeitliche Verzögerung abgewickelt werden muss, ist den Finanzbehörden die eingehende Überprüfung der Wirksamkeit einer eingegangenen Abtretungserklärung nicht zuzumuten“ (BTDrucks 7/2852, S. 47). Würde sich dagegen der Schuldnerschutz darauf beschränken, dass dem FA nur erspart bleibt, das hinter der Abtretungsanzeige stehende Rechtsgeschäft (Abtretungsvertrag, § 398 BGB) auf seine Wirksamkeit zu überprüfen, so wäre § 46 Abs. 5 AO nahezu ohne Bedeutung; denn eine solche materiell-rechtliche Prüfung ist dem FA ohnehin kaum möglich.
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Danach greift der Schuldnerschutz, wenn die Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen haben sollte, z.B. wenn R den Tatbestand der Untreue verwirklicht haben sollte. Das gleiche gilt, wenn R ein Insichgeschäft getätigt haben sollte. Schuldnerschutz besteht aber auch dann, wenn die Abtretungsanzeige mangels wirksamer Vertretung der A GbR durch R gegen § 46 Abs. 3 Satz 2 AO verstieße. Die Vertretungsmacht der für den Abtretungsempfänger unterschreibenden Person gehört zu den typischerweise von der Finanzbehörde nicht nachprüfbaren Umständen, für die nach § 46 Abs. 5 AO Schuldnerschutz bestehen soll.
54 
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem -von der Klägerin herangezogenen- Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 12. September 2007  5 K 1918/05 (n.v.). Dieses Urteil ist zu einem anderen Sachverhalt ergangen. Dort hat das Finanzamt gegenüber dem Abtretungsempfänger die Wirksamkeit der Abtretungsanzeige in Abrede gestellt hat und die Auszahlung des abgetretenen Anspruchs verweigert. Zur Reichweite des Vertrauensschutzes nach § 46 Abs. 5 AO hat sich das FG nicht geäußert. Im Streitfall geht es aber darum, ob sich das FA gegenüber dem Abtretenden auf Vertrauensschutz berufen kann. Der Sachverhalt, der dem Urteil des Hessischen FG zugrunde lag, unterscheidet sich noch in weiteren Punkten vom Streitfall: Das Feld „Abtretungsempfänger“ war nicht ausgefüllt. Im Feld „Unterschrift des Abtretungsempfängers“ war ein Stempel mit den Namen von drei Gesellschaftern angebracht, obwohl ein Gesellschafter geltend machte, schon vor Jahren aus der Gesellschaft ausgeschieden zu sein. Außerdem war die Abtretungsanzeige für den Abtretungsempfänger mit einer nicht lesbaren, d.h. keiner konkreten Person zuordenbaren Unterschrift unterschrieben. An solchen Mängeln leidet die Abtretungsanzeige im Streitfall nicht.
55 
b) Die Anzeigewirkung tritt auch ein, wenn die Finanzbehörde positiv weiß oder nach den Umständen wissen muss, dass die Abtretung nicht erfolgt, unwirksam oder nichtig ist (BFH-Entscheidungen vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83, BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223; vom 14. Februar 1989 VII R 55/86, BFH/NV 1989, 751; vom 25. September 1990 VII R 114/89, BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201; vom 24. April 2006 VII B 322/05, BFH/NV 2006, 1442; vom 19. März 2009 VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236, in diesem Punkt entgegen dem ebenfalls von der Klägerin angeführten Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. Januar 2008  1 K 98/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2008, 750; vom 8. Juni 2010 VII R 39/09, BFHE 229, 482, BStBl II 2010, 839). Diese einschneidenden Wirkungen werden allerdings nur einer Abtretungsanzeige zugemessen, die der Abtretende oder sein Vertreter selbst unterschrieben hat; bei fehlender oder gefälschter Unterschrift kann die Finanzbehörde als Schuldner nicht beanspruchen, mit befreiender Wirkung an den in der Anzeige angegebenen Abtretungsempfänger leisten zu können (BFH-Beschluss vom 19. März 2009 VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; die Abtretungsanzeige ist der Klägerin zuzurechnen (vgl. oben unter II.2.e). Daher gehen auch die -durch nichts belegten- Anschuldigungen der Klägerin fehl, das FA habe R zu einer Steuerhinterziehung angestiftet und würde eigenes Fehlverhalten vertuschen.
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c) Die Berufung auf den Schuldnerschutz in § 46 Abs. 5 AO steht im Ermessen der Finanzbehörde (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 AO Rz. 73a), welches das FA in der Einspruchsentscheidung auch ausgeübt hat. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
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4. Auf den etwaigen Eintritt der Zahlungsverjährung kommt es nicht mehr an.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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