Entscheidung vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 K 3359/17

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob als Sonderausgaben abziehbare Kinderbetreuungskosten um steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse zu kürzen sind.
Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr 2015 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Beide hatten nichtselbständige Einkünfte und der Kläger noch selbständige Einkünfte als .. und gewerbliche Einkünfte aus ... Die im .. 2010 geborene Tochter der Kläger besuchte von Januar bis Juli und von September bis Dezember 2015 den Kindergarten in X. Die Aufwendungen für den Kindergarten in Höhe von 926 EUR (ohne Verpflegung) zahlten die Kläger von ihrem gemeinsamen Konto. Von seinem Arbeitgeber hatte der Kläger einen steuerfreien Kindergartenzuschuss von 600 EUR erhalten (§ 3 Nr. 33 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger 926 EUR als Sonderausgaben für Kinderbetreuungskosten geltend.
Das beklagte Finanzamt (FA) kürzte die abziehbaren Kinderbetreuungskosten im zuletzt am 14. Dezember 2017 geänderten Einkommensteuerbescheid 2015 wie folgt:
Aufwendungen Kindergarten
926 EUR 
abzgl. steuerfreier Arbeitgeberzuschuss
600 EUR 
verbleiben
326 EUR 
davon 2/3 abziehbar
218 EUR 
Mit ihrem hiergegen erhobenen Einspruch machten die Kläger geltend, dass die Aufwendungen für den Kindergarten nicht um den steuerfreien Arbeitgeberzuschuss gemindert werden dürften und die abziehbaren Kinderbetreuungskosten somit 618 EUR (2/3 von 926 EUR) betragen würden. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG sehe eine Kürzung der Aufwendungen für Kinderbetreuung nicht vor. Im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 14. März 2012 (BStBI I 2012, 307) sei ebenfalls nicht vorgesehen, dass die Kinderbetreuungskosten um einen steuerfreien Arbeitslohn i.S. des § 3 Nr. 33 EStG zu kürzen seien. Die vom Arbeitgeber bezahlten 600 EUR seien Arbeitslohn und keine Erstattung von Sonderausgaben.
Auch § 3c EStG sei für eine Kürzung nicht einschlägig, da sich dieser auf Werbungskosten und nicht auf Sonderausgaben beziehe. Soweit der Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG für bestimmte Sonderausgaben eine dem § 3c EStG entsprechende Abzugsbeschränkung geschaffen habe, fehle darin ein Verweis auf Kinderbetreuungskosten. Es wäre für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen, die Vorschrift des § 10 Abs. 2 EStG um eine Abzugsbeschränkung für Kinderbetreuungskosten zu ergänzen. Dies sei ab dem Veranlagungszeitraum 2012 aber unterblieben, nachdem § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG an die bisherigen Abzugstatbestände für Kinderbetreuungskosten in § 9c EStG 2011 und § 4f EStG 2006 getreten sei. Der Gesetzgeber habe damit bewusst von einer Kürzung der Kinderbetreuungskosten um steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse abgesehen. Das zeige sich auch in einer gescheiterten Bundesratsinitiative, mit der für Kinderbetreuungskosten der Sonderausgabenabzug und der steuerfreie Arbeitslohn nach § 3 Nr. 33 EStG abgestimmt werden sollten.
Aus R 3.33 Abs. 1 Satz 2 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) ergebe sich, dass der gezahlte Arbeitslohn auch dann nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfrei bleibe, wenn der andere Elternteil, der nicht bei diesem Arbeitgeber beschäftigt sei, die Aufwendungen für die Kinderbetreuung trage. Der steuerfreie Arbeitslohn sei daher nicht ausschließlich zur Bestreitung von Sonderausgaben bestimmt. Nicht verheiratete Elternteile könnten die vom FA vorgenommene Kürzung umgehen, indem nicht der Elternteil mit den steuerfreien Arbeitgeberleistungen, sondern der andere Elternteil die Kinderbetreuungskosten zahle. Diese Gestaltung sei verheirateten Elternteilen im Rahmen einer Zusammenveranlagung nicht möglich, was zu einer Benachteiligung der Ehe gegenüber nicht verheirateten Elternteilen führe.
Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 als unbegründet zurück. Sonderausgaben dürften nur dann abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sei. Sonderausgaben, die der Steuerpflichtige aufwende und hierfür einen nicht zu versteuernden Ersatz erhalte, würden ihn wirtschaftlich nicht belasten und seien daher nicht abziehbar. Die zweckgebundenen steuerfreien Zuschüsse des Arbeitgebers nach § 3 Nr. 33 EStG müssten für die Kinderbetreuung verwendet werden und seien daher auf die Sonderausgaben anzurechnen.
Mit ihrer Klage vom 21. Dezember 2017 wiederholen und vertiefen die Kläger ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
10 
Die Kläger beantragen,
11 
den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 14. Dezember 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2017 dahin zu ändern, dass bei den Sonderausgaben für Kinderbetreuungskosten ein weiterer Betrag in Höhe von 400 EUR (2/3 von 600 EUR) abgezogen wird.
12 
Das FA beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Es bleibt bei seiner Auffassung und verweist auf ein rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts (FG) Schleswig-Holstein vom 18. Dezember 2017 (2 K 77/17, nicht veröffentlicht), das eine Kürzung des Sonderausgabenabzugs um steuerfreie Arbeitgeberleistungen für die Kinderbetreuung bestätigt habe.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA durfte die Sonderausgaben für Kinderbetreuungskosten um den vom Arbeitgeber des Klägers steuerfrei gezahlten Kindergartenzuschuss kürzen.
16 
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 Euro je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Absatz 1 EStG als Sonderausgaben abziehbar, wenn das Kind das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
17 
Der Begriff der „Aufwendungen“ in § 10 Abs. 1 EStG ist ebenso wie in § 4 Abs. 4 EStG gleichbedeutend mit dem Begriff der „Ausgaben“ (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBI II 1990, 830). Ausgaben sind im Umkehrschluss zum Begriff der Einnahmen in § 8 Abs. 1 EStG der Abfluss von Gütern, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Das setzt beim Abzugsberechtigten eine Vermögensminderung durch tatsächliche Leistung der Sonderausgaben voraus. Der Zweck des § 10 EStG, bestimmte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, erfordert eine endgültige wirtschaftliche Belastung (BFH-Urteil vom 28. Mai 1998 X R 7/96, BFHE 186, 521, BStBI II 1999, 95).
18 
2. Nach diese Grundsätzen haben die Kläger für die Kinderbetreuung keine Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 EStG getragen, soweit der Arbeitgeber des Klägers für die Kinderbetreuungskosten einen Betrag von 600 EUR steuerfrei gezahlt hat. Nach § 3 Nr. 33 EStG sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen steuerfrei. Von den insgesamt angefallenen Kinderbetreuungskosten von 926 EUR waren die Kläger daher nur in Höhe von 326 EUR endgültig wirtschaftlich belastet.
19 
3. Das Fehlen der Kinderbetreuungskosten in der Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 2 für Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen rechtfertigt es nicht, die steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse nach § 3 Nr. 33 EStG bei der Berechnung der Höhe der abziehbaren Sonderausgaben für Kinderbetreuungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG unberücksichtigt zu lassen.
20 
a) § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG setzt für den Abzug der in Absatz 1 Nummer 2, 3 und 3a dieser Vorschrift bezeichneten Beträge (Vorsorgeaufwendungen) voraus, dass sie nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Für Aufwendungen zur Kinderbetreuung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG enthält § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG keine Regelung. Das hat aber nicht zur Folge, dass die vom Arbeitgeber steuerfrei gezahlten Zuschüsse für die Kinderbetreuung bei der Berechnung der abzugsfähigen Sonderausgaben unberücksichtigt bleiben müssen.
21 
b) Bereits bei Einführung der Vorgängerregelung zum Sonderausgabenabzug für Kinderbetreuungskosten in § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091) gab es den § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG, ohne dass darin eine Abzugsbeschränkung auch für Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG enthalten war. Einer ausdrücklichen Abzugsbeschränkung für vom Steuerpflichtigen getragene Betreuungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG bei gleichzeitig vom Arbeitgeber steuerfrei geleisteten Zahlungen nach § 3 Nr. 33 EStG für die Kindergartenbetreuung bedurfte es nicht. Der BFH hat bereits in einer Entscheidung vor Inkrafttreten des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 (BStBl I 2011, 986) darauf hingewiesen, dass unberechtigte Doppelbegünstigungen der Arbeitnehmer ausgeschlossen sind. Denn soweit Arbeitnehmer gemäß § 3 Nr. 33 EStG steuerfreien Ersatz ihrer Aufwendungen erhielten, seien sie vom Abzug nach § 9 Abs. 5 Satz 1 und § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG a.F. ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 5. Juli 2012 III R 80/09, BFHE 238, 76, BStBl II 2012, 816).
22 
c) Auch die im Rahmen einer Bundesratsinitiative geplante, aber nicht verwirklichte Gesetzesänderung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG lässt keinen Rückschluss auf eine „gewollte Doppelbegünstigung“ zu.
23 
Der Bundesrat hatte in seinem Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Steuerrechts 2013 vom 14. Dezember 2012 unter anderem folgende Gesetzesänderungen vorgeschlagen (BRDrucks 684/12, Anlage, S. 1):
24 
„1. § 3 wird wie folgt geändert:
25 
a) Nummer 33 wird wie folgt gefasst:
26 
zwei Drittel der Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nichtschulpflichtigen Kindern des Arbeitnehmers in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen, höchstens 4.000 Euro je Kind. Die Begrenzung nach Satz 1 gilt nicht in den Fällen der Unterbringung und Betreuung in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen des Arbeitgebers;
27 
6. In § 10 Absatz 1 Nummer 5 Satz 4 wird das Semikolon durch einen Punkt ersetzt und folgender Satz angefügt:
28 
Der Abzug erfolgt nur, soweit für das Kind im Kalenderjahr keine nach § 3 Nummer 33
29 
steuerfreien Leistungen erbracht worden sind;"
30 
Anlass des Änderungsvorschlags für § 3 Nr. 33 EStG war, dass die der Höhe nach unbegrenzte Steuerbefreiung in Zeiten flexibler Arbeitsverträge zu steueroptimierten Gestaltungen einlade (z.B. steuerfreie Kinderbetreuungszuschüsse anstelle steuerpflichtigen Arbeitslohns). Eine Begrenzung der Steuerbefreiung entsprechend der Regelung beim Abzug der Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben würde diese Gestaltungslücke schließen und die steuerliche Behandlung der Kinderbetreuungskosten vereinheitlichen, unabhängig davon, ob sie der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer zahle (BRDrucks 684/12, Anlage, S. 13).
31 
Der Änderungsvorschlag wurde durch die Bundesregierung abgelehnt (vgl. BTDrucks 17/12197, S. 20). Die Berücksichtigung eines jährlichen Höchstbetrags beim monatlichen Lohnsteuerabzug in § 3 Nr. 33 EStG würde eine aufwändige Zusammenrechnung und Überwachung der Aufwendungen erforderlich machen. Durch den Wegfall des Tatbestandsmerkmals „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" würden zunehmend Gehaltsumwandlungen von steuerpflichtigem Arbeitslohn in steuerfreie Arbeitgeberleistungen zur Kinderbetreuung zugelassen und damit neue Gestaltungsmodelle (sogenannte Entgeltoptimierung) gefördert. Zum Vorschlag der korrespondierenden Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG erfolgte keine gesonderte Äußerung.
32 
Hieraus kann nach Auffassung des Senats nicht gefolgert werden, die Bundesregierung habe eine Doppelbegünstigung durch steuerfreie Arbeitgeberleistungen und den Abzug von Sonderausgaben für die Kinderbetreuung bestehen lassen wollen. Eine Doppelbegünstigung, die hätte abgeschafft werden sollen, gab es nicht. Vielmehr sollten nach der Intention des Bundesrats eine Doppelbegünstigung durch steuerfreie Arbeitgeberleistungen und Sonderausgabenabzug eigener Betreuungskosten der Eltern für ein und dasselbe Kind vermieden werden und steuerfreie Arbeitgeberleistungen und Sonderausgabenabzug auch kumuliert stets nur bis zum Höchstbetrag von 4.000 Euro pro Jahr abziehbar sein.
33 
d) Soweit der Kläger vorträgt, nicht verheiratete Eltern könnten durch die Verlagerung der Kostentragung für die Kinderbetreuung auf den Elternteil, der keine steuerfreien Arbeitgeberleistungen erhalte, eine Anrechnung umgehen, macht er eine Benachteiligung von verheirateten Eltern geltend. Hieraus ergibt sich aber kein Anspruch auf Berücksichtigung ungekürzter Sonderausgaben. Bei zusammenveranlagten Ehegatten sind die Sonderausgaben auf der Ermittlungsstufe des § 2 Abs. 4 EStG abzuziehen, auf der die Eheleute als ein Steuersubjekt mit einer gemeinsamen Berechnungsgrundlage gelten (sog. Einheit der Ehegatten beim Sonderausgabenabzug). Es kommt nicht darauf an, welcher Ehegatte die Aufwendungen getragen hat (BMF-Schreiben vom 14. März 2012, BStBl I 2012, 307, Rz 25).
34 
e) Soweit vertreten wird, dass einem Steuerpflichtigen, der von seinem Arbeitgeber nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfreie Zuschüsse zu Kinderbetreuungskosten erhalte, gleichwohl der volle Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 zur Verfügung stehe (Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 10 EStG Rz 43, 148), folgt der Senat dieser Auffassung aus den oben genannten Gründen nicht (wie hier FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18. Dezember 2017 2 K 77/17, nicht veröffentlicht, und Finanzbehörde Hamburg, Fachinformation vom 18. Januar 2017, S 2221 - 2016/013 - 52).
35 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
36 
5. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Gründe

 
15 
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA durfte die Sonderausgaben für Kinderbetreuungskosten um den vom Arbeitgeber des Klägers steuerfrei gezahlten Kindergartenzuschuss kürzen.
16 
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 Euro je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Absatz 1 EStG als Sonderausgaben abziehbar, wenn das Kind das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
17 
Der Begriff der „Aufwendungen“ in § 10 Abs. 1 EStG ist ebenso wie in § 4 Abs. 4 EStG gleichbedeutend mit dem Begriff der „Ausgaben“ (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBI II 1990, 830). Ausgaben sind im Umkehrschluss zum Begriff der Einnahmen in § 8 Abs. 1 EStG der Abfluss von Gütern, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Das setzt beim Abzugsberechtigten eine Vermögensminderung durch tatsächliche Leistung der Sonderausgaben voraus. Der Zweck des § 10 EStG, bestimmte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, erfordert eine endgültige wirtschaftliche Belastung (BFH-Urteil vom 28. Mai 1998 X R 7/96, BFHE 186, 521, BStBI II 1999, 95).
18 
2. Nach diese Grundsätzen haben die Kläger für die Kinderbetreuung keine Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 EStG getragen, soweit der Arbeitgeber des Klägers für die Kinderbetreuungskosten einen Betrag von 600 EUR steuerfrei gezahlt hat. Nach § 3 Nr. 33 EStG sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen steuerfrei. Von den insgesamt angefallenen Kinderbetreuungskosten von 926 EUR waren die Kläger daher nur in Höhe von 326 EUR endgültig wirtschaftlich belastet.
19 
3. Das Fehlen der Kinderbetreuungskosten in der Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 2 für Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen rechtfertigt es nicht, die steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse nach § 3 Nr. 33 EStG bei der Berechnung der Höhe der abziehbaren Sonderausgaben für Kinderbetreuungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG unberücksichtigt zu lassen.
20 
a) § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG setzt für den Abzug der in Absatz 1 Nummer 2, 3 und 3a dieser Vorschrift bezeichneten Beträge (Vorsorgeaufwendungen) voraus, dass sie nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Für Aufwendungen zur Kinderbetreuung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG enthält § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG keine Regelung. Das hat aber nicht zur Folge, dass die vom Arbeitgeber steuerfrei gezahlten Zuschüsse für die Kinderbetreuung bei der Berechnung der abzugsfähigen Sonderausgaben unberücksichtigt bleiben müssen.
21 
b) Bereits bei Einführung der Vorgängerregelung zum Sonderausgabenabzug für Kinderbetreuungskosten in § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091) gab es den § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG, ohne dass darin eine Abzugsbeschränkung auch für Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG enthalten war. Einer ausdrücklichen Abzugsbeschränkung für vom Steuerpflichtigen getragene Betreuungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG bei gleichzeitig vom Arbeitgeber steuerfrei geleisteten Zahlungen nach § 3 Nr. 33 EStG für die Kindergartenbetreuung bedurfte es nicht. Der BFH hat bereits in einer Entscheidung vor Inkrafttreten des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 (BStBl I 2011, 986) darauf hingewiesen, dass unberechtigte Doppelbegünstigungen der Arbeitnehmer ausgeschlossen sind. Denn soweit Arbeitnehmer gemäß § 3 Nr. 33 EStG steuerfreien Ersatz ihrer Aufwendungen erhielten, seien sie vom Abzug nach § 9 Abs. 5 Satz 1 und § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG a.F. ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 5. Juli 2012 III R 80/09, BFHE 238, 76, BStBl II 2012, 816).
22 
c) Auch die im Rahmen einer Bundesratsinitiative geplante, aber nicht verwirklichte Gesetzesänderung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG lässt keinen Rückschluss auf eine „gewollte Doppelbegünstigung“ zu.
23 
Der Bundesrat hatte in seinem Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Steuerrechts 2013 vom 14. Dezember 2012 unter anderem folgende Gesetzesänderungen vorgeschlagen (BRDrucks 684/12, Anlage, S. 1):
24 
„1. § 3 wird wie folgt geändert:
25 
a) Nummer 33 wird wie folgt gefasst:
26 
zwei Drittel der Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nichtschulpflichtigen Kindern des Arbeitnehmers in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen, höchstens 4.000 Euro je Kind. Die Begrenzung nach Satz 1 gilt nicht in den Fällen der Unterbringung und Betreuung in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen des Arbeitgebers;
27 
6. In § 10 Absatz 1 Nummer 5 Satz 4 wird das Semikolon durch einen Punkt ersetzt und folgender Satz angefügt:
28 
Der Abzug erfolgt nur, soweit für das Kind im Kalenderjahr keine nach § 3 Nummer 33
29 
steuerfreien Leistungen erbracht worden sind;"
30 
Anlass des Änderungsvorschlags für § 3 Nr. 33 EStG war, dass die der Höhe nach unbegrenzte Steuerbefreiung in Zeiten flexibler Arbeitsverträge zu steueroptimierten Gestaltungen einlade (z.B. steuerfreie Kinderbetreuungszuschüsse anstelle steuerpflichtigen Arbeitslohns). Eine Begrenzung der Steuerbefreiung entsprechend der Regelung beim Abzug der Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben würde diese Gestaltungslücke schließen und die steuerliche Behandlung der Kinderbetreuungskosten vereinheitlichen, unabhängig davon, ob sie der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer zahle (BRDrucks 684/12, Anlage, S. 13).
31 
Der Änderungsvorschlag wurde durch die Bundesregierung abgelehnt (vgl. BTDrucks 17/12197, S. 20). Die Berücksichtigung eines jährlichen Höchstbetrags beim monatlichen Lohnsteuerabzug in § 3 Nr. 33 EStG würde eine aufwändige Zusammenrechnung und Überwachung der Aufwendungen erforderlich machen. Durch den Wegfall des Tatbestandsmerkmals „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" würden zunehmend Gehaltsumwandlungen von steuerpflichtigem Arbeitslohn in steuerfreie Arbeitgeberleistungen zur Kinderbetreuung zugelassen und damit neue Gestaltungsmodelle (sogenannte Entgeltoptimierung) gefördert. Zum Vorschlag der korrespondierenden Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG erfolgte keine gesonderte Äußerung.
32 
Hieraus kann nach Auffassung des Senats nicht gefolgert werden, die Bundesregierung habe eine Doppelbegünstigung durch steuerfreie Arbeitgeberleistungen und den Abzug von Sonderausgaben für die Kinderbetreuung bestehen lassen wollen. Eine Doppelbegünstigung, die hätte abgeschafft werden sollen, gab es nicht. Vielmehr sollten nach der Intention des Bundesrats eine Doppelbegünstigung durch steuerfreie Arbeitgeberleistungen und Sonderausgabenabzug eigener Betreuungskosten der Eltern für ein und dasselbe Kind vermieden werden und steuerfreie Arbeitgeberleistungen und Sonderausgabenabzug auch kumuliert stets nur bis zum Höchstbetrag von 4.000 Euro pro Jahr abziehbar sein.
33 
d) Soweit der Kläger vorträgt, nicht verheiratete Eltern könnten durch die Verlagerung der Kostentragung für die Kinderbetreuung auf den Elternteil, der keine steuerfreien Arbeitgeberleistungen erhalte, eine Anrechnung umgehen, macht er eine Benachteiligung von verheirateten Eltern geltend. Hieraus ergibt sich aber kein Anspruch auf Berücksichtigung ungekürzter Sonderausgaben. Bei zusammenveranlagten Ehegatten sind die Sonderausgaben auf der Ermittlungsstufe des § 2 Abs. 4 EStG abzuziehen, auf der die Eheleute als ein Steuersubjekt mit einer gemeinsamen Berechnungsgrundlage gelten (sog. Einheit der Ehegatten beim Sonderausgabenabzug). Es kommt nicht darauf an, welcher Ehegatte die Aufwendungen getragen hat (BMF-Schreiben vom 14. März 2012, BStBl I 2012, 307, Rz 25).
34 
e) Soweit vertreten wird, dass einem Steuerpflichtigen, der von seinem Arbeitgeber nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfreie Zuschüsse zu Kinderbetreuungskosten erhalte, gleichwohl der volle Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 zur Verfügung stehe (Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 10 EStG Rz 43, 148), folgt der Senat dieser Auffassung aus den oben genannten Gründen nicht (wie hier FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18. Dezember 2017 2 K 77/17, nicht veröffentlicht, und Finanzbehörde Hamburg, Fachinformation vom 18. Januar 2017, S 2221 - 2016/013 - 52).
35 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
36 
5. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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