1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 25. August 2014 wird dahingehend geändert, dass eine Umsatzsteuer für 2010 i.H. von 1.112.738,40 Euro festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
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| Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Gutschriften und Rechnungen für Edelmetalllieferungen im Jahr 2010 (Streitjahr). |
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| 1. Der Kläger meldete zum xx.xx. 2008 einen Großhandel mit Schmuck, Textilien und Kosmetik im Nebenerwerb an (Gewerbe-Anmeldung, Beweismittelordner -BMO- I, Fach 1). Seine Umsätze berechnete er nach vereinnahmten Entgelten (Genehmigung vom 25. Februar 2009, USt-Akte, Bl. 1 f.). Seinen Gewinn ermittelte der Kläger in den Jahren 2008 und 2009 durch Einnahmenüberschussrechnung und im Streitjahr durch Betriebsvermögensvergleich (BMO I, Fach 4). In dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung gab er für das Jahr der Betriebseröffnung einen geschätzten Gesamtumsatz von 5.000 Euro und im Folgejahr von 30.000 Euro an (Ziffer 7.1, BMO I, Fach 1). In einer Gewerbe-Ummeldung vom 28. Oktober 2010 erklärte der Kläger, dass er ab 1. November 2010 den Großhandel mit Schmuck als Haupterwerb ausübe und den Großhandel mit Textilien und Kosmetik aufgebe (BMO, Fach 1). |
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| Der Kläger führt aus, dass er zunächst von 2000 bis 2010 bei der Firma A GmbH & Co. KG - [ ___ ] (nachfolgend: A-KG) als Sachbearbeiter angestellt war. Dort habe er auch seine Berufsausbildung zum Industriekaufmann absolviert. Seit 2008 habe er sein Unternehmen erst im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit betrieben. Dabei habe er Schmuck-Restposten von den Kunden der A-KG aufgekauft und diese an Juweliere --vornehmlich aus der Umgebung- verkauft. Anfang 2010 habe er seine Anstellung bei der A-KG gekündigt, um seine unternehmerische Tätigkeit in Vollzeit auszuüben (vgl. Niederschrift zum Erörterungstermin vom 18. März 2016, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 131). |
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Den Handel mit Altgold habe er Anfang Juli 2010 begonnen, welches er im Wesentlichen von vier Großlieferanten bezogen habe: |
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- B-GmbH, [ ___ ] (nachfolgend: B-GmbH), |
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- C- GmbH, [ ___ ] (nachfolgend: C-GmbH), |
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- D-GmbH, [ ___ ] (nachfolgend: D-GmbH) und |
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- E-GmbH, [ ___ ] (nachfolgend: E-GmbH). |
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| Das angekaufte Altgold habe er im Umfang von wöchentlich 30 bis 40 Kilogramm zunächst an die Scheideanstalt S-AG, [ ___ ] (nachfolgend: S-AG) physisch geliefert. Verkauft worden sei das Altgold allerdings an die Bank I [ ____ ] (nachfolgend: Bank I), die an der S-AG beteiligt sei. Dort sei das Altgold einem Edelmetallkonto gutgeschrieben worden. Er habe dann per Überweisung über das entsprechende Guthaben -als Buchgold- verfügt und seine Lieferanten bezahlt. Mit der Bank I habe er geschäftliche Kontakte bis Ende August 2010 unterhalten. Seither habe diese kein Altgold mehr von ihm abgenommen (Gutschriften, BMO Fach 12). Zudem -insbesondere nachdem die Bank I ihm kein Altgold mehr abgenommen habe- habe er Altgold an die Firma M [ ___ ] (nachfolgend: M) verkauft (Gutschriften, BMO I, Fach 13). |
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| Die Lieferungen seien nach den Angaben des Klägers über ihn abgewickelt worden, weil er aus der Goldbranche komme und deshalb Vertrauen genieße. Als Gewinnmarge habe er ca. 0,5% des für die Transaktionen erzielten Preises einbehalten. So habe er pro Kilogramm Gold Einnahmen von 400 bis 500 Euro erzielt. Die ihm in Rechnung gestellten Scheidekosten habe er vollständig an seine Lieferanten weitergegeben. |
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| Das Altgold sei jeweils in seinen betrieblichen Räumlichkeiten angeliefert und dann von ihm umgehend weitergehandelt worden. Sicherheiten im Gegenzug für die Überlassung des Altgoldes habe er seinen Lieferanten nicht gestellt. Über drei seiner größeren Lieferanten habe er Auskünfte der Creditreform eingeholt, die im Wesentlichen ein Bonitätsproblem festgestellt und von geschäftlichen Kontakten abgeraten hätten. Aus seiner Sicht habe dies aber kein Hindernis dargestellt, denn er habe das Altgold physisch erhalten, so dass die Bonität seiner Lieferanten für ihn unerheblich gewesen sei (vgl. Niederschrift zum Erörterungstermin vom 18. März 2016, S. 2, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 131). |
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| Weiter trägt der Kläger vor, er sei seit [ ___ ] 2008 Kunde der Bank I gewesen. Dort habe er bis Ende 2010 ein Gehaltskonto und ein unternehmerisches Girokonto gehabt. Seit dem Frühjahr 2010 habe er bei der Bank I zudem ein Edelmetallkonto, ein Girokonto, auf dem Edelmetalle in der Einheit „Gramm“ gebucht worden seien, unterhalten. Im Rahmen der Gründung seines Nebenerwerbs Ende 2008 habe er auch ein Geschäftsdarlehen von ca. 9.000 Euro bei der Bank I aufgenommen. Im Sommer 2010 sei die Bank I, die seine Hausbank gewesen sei, zu seinem Hauptabnehmer geworden. So habe die Edelmetallabteilung der Bank I von Juli bis 20. August 2010 in der Hauptsache Feingold des Klägers im Nettowert von ca. 4.300.000 Euro angekauft (Bericht der Steufa des Beklagten vom 11. November 2013, S. 31 ff., Tz. 5.3.9, Ordner Fahndungsberichte, Lasche Kl). |
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| 2. Der Kläger errechnete die Umsatzsteuer für das Streitjahr wie folgt: |
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| Zuvor -für die Kalenderjahre 2008 und 2009 sowie für die Voranmeldungszeiträume des Streitjahres- hatte er die folgenden Angaben gemacht: |
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lt. Umsatzsteuererklärung für 2010 |
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6.477.071 Euro (2 Euro mehr als Summe von 1. bis 4. Kalendervierteljahr) |
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- 6.101,54 Euro (35,99 Euro weniger als Summe von 1.bis 4.Kalendervierteljahr) |
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| In der Bemessungsgrundlage für das Kalenderjahr 2009 und für das Streitjahr war jeweils ein Betrag i. H. von 360 Euro als unentgeltliche Wertabgabe angegeben. |
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| Der Kläger machte für das Streitjahr die in Gutschriften -die er den in der nachfolgenden Übersicht genannten Unternehmern erteilt hatte- ausgewiesenen Vorsteuerbeträge geltend (vgl. Schreiben des Beklagten vom 15. Juli 2013, Rb-Akte, Bl. 4): |
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Zeitraum der Gutschrifterteilung |
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| 3. Die Bank I erstattete am 19. August 2010 hinsichtlich des Klägers eine Geldwäscheverdachtsanzeige an das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (BMO I, Fach 9). |
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| Hierzu sei es gekommen, weil seit Ende Juli 2010 „explosionsartige Umsatzsteigerungen“ aus den Edelmetallverkäufen des Klägers stattgefunden hätten. Der Kläger habe auf seinem Goldkonto (Gewichtskonto) Nr. xxx Gutschriften von der S-AG erhalten. Sodann habe der Kläger Altgold an die Bank I verkauft und Gutschriften in Euro auf seinem Girokonto Nr. yyy erhalten (vgl. Gutschriften über den Ankauf durch Bank I, BMO I, Fach 12). Von dort habe er das Geld an diverse Zahlungsempfänger in Deutschland transferiert (vgl. Kontoauszüge, BMO I, Fach 10). Auf die erhebliche Umsatzsteigerung angesprochen, habe der Kläger gegenüber der Bank I angegeben, dass er zurzeit Urlaub habe und deshalb den Umsatz aus Schmuckanlieferungen bzw. Schmuckverkauf habe steigern können. Die verschiedenen Schmucklieferanten würden die Schmuckteile bei ihm (in X) körperlich anliefern und er bringe die Ware dann zur Scheideanstalt der S-AG. Dieses Geschäftsmodell -so die Bank I- erscheine wenig glaubhaft. Hinzu kämen die „wohl auch schon auffällig gewordenen Geschäftspartner“ des Klägers. Als „auffällige Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge“ führte die Bank I die Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH auf (BMO I, Fach 9). |
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| 4. Am 25. August 2010 wurde daraufhin ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. |
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Nach dem Bericht der Steuerfahndung (Steufa) des beklagten Finanzamtes (FA) vom 11. November 2013 (S. 23 ff, Ordner Fahndungsberichte, Lasche Kl) seien die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, da der Kläger |
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insoweit nicht als Unternehmer anzusehen sei, |
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lediglich „Schein-Eigentümer“ der angelieferten Ware gewesen sei, |
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die in den Gutschriften genannten Leistenden nicht die tatsächlichen Lieferer seien, |
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zwischen den vorgeblichen Lieferanten und dem Unternehmen des Klägers kein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch zustande gekommen sei und |
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die Rechnungen bzw. Gutschriften gravierende formelle Mängel aufwiesen. |
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| Im Einzelnen wird ausgeführt: |
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| Aus den Gutschriften zugunsten von B-GmbH mache der Kläger Vorsteuerbeträge i.H. von 669.961,15 Euro zu Unrecht geltend. |
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| Die Steufa gehe davon aus, dass die Empfängerin der Gutschriften die „B-GmbH“ habe sein sollen. Tatsächlich lauteten die Gutschriften aber nicht auf diese GmbH, sondern auf ein Einzelunternehmen unter gleicher Adresse namens „B, Inh. X. X.“. B-GmbH sei daher nicht der tatsächliche Lieferant, sondern ein sog. Missing Trader. |
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| So zeigten der Ermittlungsbericht der Steufa des FA Y vom 27. August 2012 in der X. X. betreffenden Steuerstrafsache und der Bericht über die Fahndungsprüfung bei der B-GmbH (jeweils BMO II, Fach 23), dass die angeblichen Wareneinkäufe von B-GmbH über sog. Abdeckrechnungen dargestellt worden und dass an B-GmbH tatsächlich keine Lieferungen erfolgt seien. Das fragliche Altgold stamme stattdessen wohl von einem Y. N., der vom Landgericht (LG) Z mit Urteil vom 26. Mai 2011 wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, bzw. einer N GmbH. Ein wirksames zivilrechtliches Rechtsgeschäft von diesen an B-GmbH liege nicht vor. Da die vorgeblichen Lieferungen an den Kläger tatsächlich nicht stattgefunden hätten, seien die Gutschriften des Klägers nach § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu beurteilen. Zudem sei X. X., der Geschäftsführer von B-GmbH, seit der Durchführung einer Durchsuchungsmaßnahme flüchtig. |
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| Im 1. Halbjahr 2010 habe B-GmbH Altgold im Nettowert von ca. 5.000.000 Euro an mehrfach in Betrugsverfahren aufgefallene Großaufkäufer von Altgold, nämlich die Firmen P KG, X (nachfolgend: P-KG) sowie M veräußert. Insgesamt dränge sich vor diesem Hintergrund die Frage auf, weshalb B-GmbH, welche lange Zeit die „exzellenten und erprobten Goldankaufsadressen“ in X selbst genutzt habe, sich ab Mitte Juli 2010 ausgerechnet des unbekannten Unternehmens des Klägers bedient habe. In einer Gesamtschau sei zu schlussfolgern, dass unter planvollem und arbeitsteiligem Vorgehen eine auf die Erzielung von unberechtigten Umsatzsteuervorteilen angelegte, fingierte Leistungskette aufgebaut worden sei. |
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| Unabhängig davon könnten die Vorsteuerbeträge aus den Gutschriften bereits aus formellen Gründen nicht anerkannt werden. Jede Gutschrift müsse den vollständigen Namen des leistenden Unternehmers enthalten (hier: „B-GmbH“). Die Bezeichnung „B, Inh. X. X.“ genüge dem nicht (Bericht der Steufa des Beklagten vom 11. November 2013, S. 24 f., Tz. 5.3.4, Ordner Fahndungsberichte, Lasche Kl). |
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| Aus den Gutschriften zugunsten der C-GmbH mache der Kläger Vorsteuerbeträge i.H. von 311.086,89 Euro unberechtigt geltend. |
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| Die C-GmbH sei ebenfalls ein Missing Trader. So zeige der Bericht der Steufa des FA Q (Ordner Fahndungsberichte, Lasche C-GmbH), dass -vergleichbar B-GmbH- für die Wareneinkäufe lediglich Abdeckrechnungen vorlägen. Die angeblichen Lieferanten -H U, TR und D G- hätten keine Lieferungen getätigt. Der Geschäftsführer der C-GmbH, G F, sei seit der Durchsuchung am 15. September 2010 flüchtig (Bericht der Steufa des Beklagten vom 11. November 2013, S. 25 ff., Tz. 5.3.5, Ordner Fahndungsberichte, Lasche Kl). |
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| Aus den Gutschriften an D-GmbH mache der Kläger Vorsteuerbeträge i.H. von 120.130,35 Euro unzutreffend geltend. |
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| Die Gutschriften gäben eine „D-GmbH“ mit der Anschrift „... straße x, ... stadt“ als Leistende an. Nach den Feststellungen des FA F (vgl. Aktenvermerk vom 13. April 2010, Ordner Fahndungsberichte, Lasche D-GmbH) hätte sich unter dieser Anschrift allein der Wohnsitz der Gesellschafterin, G E, befunden. Dort hätten aber keine geschäftlichen Aktivitäten der D-GmbH stattgefunden. |
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| Zudem seien keine (Vor-)Lieferungen an die D-GmbH erfolgt. Die angeblichen Wareneinkäufe seien auch diesbezüglich über Abdeckrechnungen -vornehmlich einer U-GmbH (nachfolgend: U-GmbH)- getarnt worden. Die Rechnungen der U-GmbH habe der Geschäftsführer der D-GmbH, der inzwischen verstorbene D H, selbst erstellt. Gegenstand des Unternehmens der D-GmbH sei der Betrieb eines Mietwagen-, Kranken- und Rollstuhlfahrdienstes gewesen. D-GmbH sei wohl lediglich gegründet worden, um die gelegentlichen Nebentätigkeiten des Geschäftsführers, der Sozialleistungen empfangen habe, zu verschleiern. Die D-GmbH sei auf Betreiben eines M S, der einen Autohandel betrieben habe, in den Groß- und Einzelhandel mit Altgold eingestiegen. Dieser habe nach Zeugenaussagen sowohl die Kontakte zu Lieferanten als auch Abnehmern von Altgold gehabt (Bericht der Steufa des Beklagten vom 11. November 2013, S. 27 ff., Tz. 5.3.6, Ordner Fahndungsberichte, Lasche Kl). |
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| Aus den Gutschriften zugunsten von E-GmbH mache der Kläger Vorsteuerbeträge i.H. von 13.866,20 Euro geltend, die ebenfalls nicht anzuerkennen seien. |
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| Die E-GmbH habe ihre Geschäfte Ende Juli 2010 begonnen. Bis Mitte September 2010 habe sie -neben den Lieferungen an den Kläger- an B-GmbH Altgold mit einem Nettowert von ca. 5.600.000 Euro geliefert. Es stelle sich die Frage, weshalb E-GmbH in diesem Umfang B-GmbH beliefert habe, welche das Altgold an den Kläger weitergeliefert habe, und nicht selbst gegenüber den Großaufkäufern aufgetreten sei. In einer Gesamtschau sei zu schlussfolgern, dass ein System zur Hinterziehung von Umsatzsteuer aufgebaut wurde (Bericht der Steufa des Beklagten vom 11. November 2013, S. 30 ff., Tz. 5.3.7, Ordner Fahndungsberichte, Lasche Kl unter Verweis auf den Bericht der Steufa L, Ordner Fahndungsberichte, Lasche E-GmbH). |
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| 5. Der Beklagte folgte den Feststellungen der Steufa und ging im Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 3. Kalendervierteljahr 2010 vom 30. April 2013 zunächst von Umsätzen zu 19 % i.H. von 8.742 Euro und unberechtigt ausgewiesenen Steuerbeträgen nach § 14c UStG i.H. von 1.150.808,82 Euro aus. Er erkannte lediglich Vorsteuerbeträge i.H. von 19.736,69 Euro an, so dass eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung i.H. von 1.132.733,11 Euro festgesetzt wurde (Rb-Akte, Bl. 54 f.). |
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| 6. Hiergegen legte der Kläger am 16. Mai 2013 Einspruch ein (Rb-Akte, Bl. 1 ff.). |
|
| Zur Begründung führte er aus, dass er nicht in einem Kettenbetrugsgeschäft beteiligt gewesen sei. Die notwendigen subjektiven Voraussetzungen in seiner Person würden nicht vorliegen. So ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen, dass er sich redlich bemüht habe, Informationen über die Bonität seiner Lieferanten zu erhalten. Von den „steuerlichen Problemen“ seiner Lieferanten habe er keine Kenntnis gehabt. Diese Erkenntnisse hätten sich erst später bei den durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndungen anderer Bundesländer ergeben. Eine entsprechende Tatbeteiligung scheitere im Übrigen schon daran, dass „im weiteren Geschehen“ keine Person „als Kettenbetrüger“ qualifiziert werden könne. Weder die S-AG noch die Bank I könnten als Beteiligte eines „Umsatzsteuerkettenbetrugs“ angesehen werden. Zudem habe er als Unternehmer gehandelt. Scheingeschäfte lägen nicht vor, da er das Altgold tatsächlich geliefert habe. Dass er sein Geschäft mit einer geringen Gewinnspanne betrieben habe, liege daran, dass er in einem schwierigen Markt habe „Fuß fassen“ müssen (Schreiben des Bevollmächtigten vom 16. Mai 2013, S. 2 f., Rb-Akte, Bl. 2 f.). |
|
| 7. Dem Einspruch wurde insoweit abgeholfen, als der Beklagte die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 3. Kalendervierteljahr 2010 mit Bescheid vom 27. Juni 2014 änderte und nunmehr Vorsteuerbeträge i.H. von 41.239,82 Euro anerkannte, so dass die Umsatzsteuer-Vorauszahlung i.H. von 1.111.229,98 Euro festgesetzt wurde (Rb-Akte, Bl. 54 f.). Auf eine Kürzung der Vorsteuern aus den Gutschriften an L 1, L 3, L 4 sowie L 2 und den Rechnungen über die Scheidekosten wurde vom Beklagten aufgrund des betragsmäßig geringen Umfangs verzichtet (Rb-Akte, Bl. 45). |
|
| Im Übrigen wurde der Einspruch durch Einspruchsentscheidung ebenfalls vom 27. Juni 2014 zurückgewiesen (Rb-Akte, Bl. 38 ff.). |
|
| Der Beklagte führte ergänzend aus, der Kläger habe am 13. August 2010 eine Auskunft bei der Creditreform J über B-GmbH eingeholt. Nach deren Krediturteil seien Kredite abgelehnt und von einer Geschäftsverbindung abgeraten worden. Trotzdem habe der Kläger weitere Geschäfte mit B-GmbH getätigt. Am selben Tag habe der Kläger zudem eine Auskunft bei der Creditreform über C-GmbH eingeholt. Daraus habe der Kläger erkennen können, dass C-GmbH mehrfach umfirmiert worden sei (xxx GmbH, xxx Sanierungs-GmbH) und dass deren Geschäftsführer bereits Geschäftsführer einer GmbH gewesen sei, die im Jahr 2009 in Insolvenz gegangen sei. Zudem ergebe sich daraus, dass C-GmbH ausschließlich in die Länder Irak, Jordanien und Syrien exportiere (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 204 bis 213). |
|
| Der Kläger habe zudem kein einziges Goldgeschäft selbst finanziert. Er habe seine Lieferanten jeweils erst bezahlen können, nachdem seine Leistungsempfänger das geschuldete Entgelt entrichteten. Außerdem hätten seine Lieferanten durch dessen Einbindung in die Lieferkette einen geringeren Erlös erzielt, als wenn sie selbst an die Goldankäufer (Bank I und M) geliefert hätten. Dies mache wirtschaftlich keinen Sinn (Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2014, S. 6 ff., Rb-Akte, Bl. 43 ff.). |
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| 8. Hiergegen erhob der Kläger am 25. Juli 2014 Klage, die bei dem erkennenden Senat zunächst unter dem Aktenzeichen 1 K 2497/14 anhängig war. Mit seiner Klage trug der Kläger ergänzend vor, er sei nicht verpflichtet gewesen, bei seinen Lieferanten Informationen darüber einzuholen, von wem diese die Altedelmetalle bezogen hätten. Hätte er dies nämlich getan, so wären wohl keine Geschäfte zustande gekommen, weil diese dann hätten befürchten müssen, dass er seinerseits mit deren (Vor-)Lieferanten direkte Geschäftsbeziehungen aufnehme. Das Altgold sei über ihn an die Endabnehmer geliefert worden, weil er seit längerer Zeit eine Geschäftsbeziehung zur S-AG unterhalten habe, die ihm regelmäßig eine hohe Ausbeute bei der Scheidung der Edelmetalle habe zukommen lassen und auch nur geringere Scheidekosten abgerechnet habe. |
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| Im Übrigen trage der Beklagte die objektive Feststellungslast für die Versagung des Vorsteuerabzugs (Schriftsatz vom 16. Juni 2015 i.V.m. Schreiben an die Staatsanwaltschaft -StA- F vom 17. November 2014, S. 1 ff., Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 42 ff.). Der Beklagte könne nicht nachweisen, dass er hinsichtlich seiner Lieferanten nicht in gutem Glauben gewesen sei (Schriftsatz vom 28. August 2015, S. 3, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 116). |
|
| Zudem habe B-GmbH beim zuständigen FA J im Juli 2010 Umsätze zu 19 % i.H. von 2.245.411 Euro und im August 2010 i.H. von 3.792.827 Euro angemeldet (Schriftsatz vom 3. August 2015, S. 3 mit Anlagen, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 101 ff.). |
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| 9. Unter Bezugnahme auf den Bericht der Betriebsprüfung (Bp) vom 31. Juli 2014 entgegnete der Beklagte, der Kläger habe Steuerbeträge i.H. von 1.174.242,61 Euro unberechtigt ausgewiesen, da insofern Scheingeschäfte vorlägen. Gleichzeitig seien Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen i.H. von 333.629 Euro getätigt worden. Die Vorsteuerbeträge seien -aus den bereits von der Steufa ausgeführten Gründen- um 1.115.044,59 Euro zu kürzen (S. 10 f., Tz. 27 bis 30, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 153 f.). |
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| 10. Mit Bescheid vom 25. August 2014 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung, in dem er den Feststellungen der Bp folgte und die Umsatzsteuer für das Streitjahr i.H. von 1.115.931,68 Euro festsetzte. Dabei ging er von Umsätzen zu 19 % i.H. von 333.629 Euro und unberechtigt ausgewiesenen Steuerbeträgen nach § 14c UStG -als Steuerbeträge nach § 17 Abs. 1 Satz 6 UStG bezeichnet- i.H. von 1.174.242,61 Euro aus. Gleichzeitig erkannte er Vorsteuerbeträge i.H. von 121.700,44 Euro an (USt-Akte, Bl. 19 f.). |
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| 11. Im weiteren Verfahren teilte der Beklagte mit, dass B-GmbH -hinsichtlich der in dem vorliegenden Verfahren streitigen Vorsteuerbeträge- mit der Umsatzsteuer für die Zeiträume Juli 2010 von 227.172,23 Euro und August 2010 von 705.676,90 Euro im Rückstand sei; deren gesamter Steuerrückstand betrage 3.668.823,60 Euro. Die C-GmbH schulde für das Streitjahr noch Umsatzsteuer i.H. von rund 2,4 Millionen Euro. Der ehemalige Geschäftsführer der C-GmbH, G F, sei nach wie vor flüchtig. |
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| Sein Sohn, ein M F, sei von der Jugendkammer des Amtsgerichts (AG) K am 13. März 2014 270 Ls - 600 Js 38585/11 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei besonders schweren Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden (Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 41 ff.). |
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| Bei E-GmbH sei noch Umsatzsteuer für das Streitjahr i.H. von 1.053.910,80 Euro offen. Der Geschäftsführer der E-GmbH sei wegen Umsatzsteuersteuerhinterziehung mit Urteil des AG L vom 11. April 2013 6 xx / xxx verbunden mit yyy / xxx zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 216 ff.). D-GmbH habe keine Umsatzsteuer entrichtet. In 2013 sei die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden. |
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| 12. Die StA F stellte das Strafverfahren gegen den Kläger mit Verfügung vom 6. Oktober 2015 ein (Schreiben der StA F, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 122). Die Verfahrensakten wurden beigezogen. |
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| Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten am 18. März 2016 erörtert (vgl. Niederschrift vom 18. März 2016, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 130 f.). |
|
| Wegen zweier Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs (BFH) an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, Aktenzeichen C-374/16 und C-375/16) zu der Frage, welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung hinsichtlich der Angabe einer vollständigen Anschrift i.S.v. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG zu stellen sind, hat der Berichterstatter mit Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 26. Juli 2016, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 175 ff.). Nachdem der EuGH mit Urteil Geissel und Butin vom 15. November 2017 C-374/16 und C-375/16 (ABl EU 2018, Nr. C 22, 12) sowie der BFH mit Urteilen vom 13. Juni 2018 XI R 20/14 (BFH/NV 2018, 1208) und vom 21. Juni 2018 V R 25/15 (BFH/NV 2018, 1053) sowie V R 28/16 (BFH/NV 2018, 1055) hierzu entschieden hatten, nahm der Berichterstatter das Verfahren -unter dem Aktenzeichen 1 K 2037/18- am 3. August 2018 wieder auf. |
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| 13. Am 6. Dezember 2018 erging ein die Klage überwiegend abweisender Gerichtsbescheid (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 226 ff.), gegen den der Kläger mit Schriftsatz vom 15. Januar 2019 mündliche Verhandlung beantragte. Mit Urteil vom 31. Dezember 2019 wies der erkennende Senat die Klage überwiegend ab (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 267). Auf die beim BFH am 21. Februar 2019 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg zurückverwiesen (BFH-Beschluss vom 3. Juli 2019 XI B 17/19, BFH/NV 2019, 1351, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 311 ff.). |
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| 14. Im zweiten Rechtsgang beantragt der Kläger, den Bescheid über die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2010 vom 25. August 2014 zu ändern und einen Vorsteuerabzug für Lieferungen der B-GmbH i.H. von 669.961,15 Euro, der C-GmbH GmbH i.H. von 311.086,89 Euro, der D-GmbH i.H. von 120.130,35 Euro und E-GmbH i.H. von 13.866,20 Euro zuzulassen und die gemäß § 14c Abs. 2 UStG i.H. von 1.174.242,61 Euro festgesetzte Umsatzsteuer zu streichen, hilfsweise die die steuerlichen Verhältnisse der vorstehend bezeichneten Lieferanten betreffenden Akten beizuziehen. |
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| 15. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. |
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| 16. Mit Schriftsatz vom 1. April 2020 stellte der Kläger einen gerichtlichen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung (AdV) des Umsatzsteuerbescheides für das Streitjahr, der bei dem erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 1 V 906/20 anhängig ist. Der Beklagte hatte zuvor mit Verfügung vom 30. Januar 2020 die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides gegen Sicherheitsleistung aufgehoben. |
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| 17. E-GmbH nahm ihre Klage, die sie ebenfalls wegen der Umsatzsteuer für das Streitjahr erhoben hatte und beim FG Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 9 K 2525/11 anhängig war, am 23. Januar 2015 wieder zurück. Streitgegenständlich war in dem Verfahren 9 K 2525/11 zuletzt eine Umsatzsteuerfestsetzung i.H. von 1.078.661,22 Euro. Die Akten sind zum Verfahren beigezogen. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Behördenakten (USt- und Rechtsbehelfsakte sowie Beweismittelordner --BMO--) sowie auf die Gerichtsakte in dem vorliegenden Verfahren und zu dem Verfahren 1 K 2037/18 Bezug genommen. |
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| Die Klage ist überwiegend unbegründet. |
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| 1. Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 25. August 2014 ist -soweit eine Umsatzsteuer i.H. von 1.112.738,40 Euro festgesetzt wird- rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Im Übrigen ist der Bescheid rechtswidrig und wird geändert (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). |
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| Dabei kann es der Senat offenlassen, ob der Kläger Umsätze aus der vermeintlichen (Weiter-)Lieferung von Edelmetallen an die Bank I und M i.H. von 6.180.224,26 Euro nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG tatsächlich tätigte (vgl. Buchungen auf den Erlöskonten des Klägers Nr. xxxx und xxxy, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 156 f.) oder -wie der Beklagte vorträgt-- Steuerbeträge i.H. von 1.174.242,61 Euro unberechtigt in Rechnungen ausgewiesen hat (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG), denn jedenfalls schuldet er die daraus entstandene Umsatzsteuer. Der Kläger war Unternehmer und hat den von seinen Abnehmern erteilten Gutschriften unstreitig nicht widersprochen. |
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| Dass der Kläger im Übrigen Lieferungen und sonstige Leistungen i.H. von 296.487,03 Euro (einschließlich einer unentgeltliche Wertabgabe i.H. von 360 Euro) als Unternehmer ausführte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Versehentlich wurden allerdings Umsätze des Klägers an eine Firma Y i.H. von 20.335,25 Euro nicht erfasst (Bp-Bericht vom 31. Juli 2014, Tz. 13 und Tz. 28, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 153). Diese sind noch zu berücksichtigen. Dagegen ist der Betrag von 16.806,72 Euro, den der Beklagte als Einnahmen aus einer Botentätigkeit (50 x 400 Euro abzüglich der Umsatzsteuer) bei den Umsätzen des Klägers im Wege der Schätzung hinzugeschlagen hat, abzuziehen. Die Höhe des Schätzungsergebnisses ist insoweit nicht nachvollziehbar. Danach sind die Einnahmen des Klägers aus seinen Umsätzen mit insgesamt 316.822,28 Euro anzusetzen. |
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| Auf dieser Grundlage geht der Senat von einer Umsatzsteuer i.H. von 1.234.438,84 Euro (= 19 % aus 6.497.046,54 Euro) aus. |
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| 2. Der Kläger kann hiervon Vorsteuerbeträge nur i.H. von 121.700,44 Euro abziehen; er hat keinen Anspruch auf die weiteren begehrten, vorliegend streitigen Vorsteuerbeträge i.H. von 1.115.044,59 Euro. |
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| a) Ein Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an B-GmbH, C-GmbH, E-GmbH scheidet deshalb aus, weil sich der Senat nicht mit der notwendigen Gewissheit davon überzeugen kann, dass B-GmbH, C-GmbH, E-GmbH tatsächlich die Lieferungen getätigt haben, die den streitigen Vorsteuerabzug begründen sollen. |
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| Der Abzug der in einer Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen Umsatzsteuer ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nur zulässig, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind (BFH-Urteile vom 14. Februar 2019 V R 47/16, BFH/NV 2019, 783 Rn. 20 mit Anmerkung Heuermann, Deutsches Steuerrecht --DStR- 2019, 1089, 1090 und Wäger, Entscheidungen des BFH für die Praxis der Steuerberatung --BFH/PR- 2019, 188, 189; vom 10. September 2015 V R 17/14, BFH/NV 2016, 80 Rn. 27; vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744 Rn. 32; vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628 Rn. 16; BFH-Beschluss vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133 Rn. 15). |
|
| Unionsrechtliche Grundlage des Vorsteuerabzugs sind Art. 167 und Art. 178 Buchst. a der seit dem 1. Januar 2007 geltenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Nach Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL u.a. eine ausgestellte Rechnung besitzen. Diese muss für Mehrwertsteuerzwecke gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL u.a. den vollständigen Namen des Steuerpflichtigen enthalten. |
|
| Aus der gebotenen teleologischen Auslegung von Art. 226 MwStSystRL folgt, dass die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, es den Steuerverwaltungen ermöglichen sollen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren (EuGH-Urteile Geissel und Butin vom 15. November 2017 C-374/16 und C-375/16, ABl EU 2018, Nr. C 22, 12 Rn. 41 und Barlis 06 vom 15. September 2016 C-516/14, ABl EU 2016, Nr. C 419, 6 Rn. 27). Demnach setzt der Vorsteuerabzug die Identität zwischen leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller voraus, denn die Angaben zur Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers sollen es ermöglichen, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und einem konkreten Wirtschaftsteilnehmer, dem Rechnungsaussteller, herzustellen (BFH-Urteil vom 14. Februar 2019 V R 47/16, BFH/NV 2019, 783 Rn. 25). |
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| Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der den Rechtsanspruch auf Vorsteuerabzug begründenden Tatsachen trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer. Er trägt mithin den Nachteil daraus, wenn er diese Voraussetzung nicht beweisen kann (BFH-Beschlüsse vom 23. April 1998 V B 114/97, BFH/NV 1998, 1532 Rn. 11 und vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133 Rn. 18; BFH-Urteile vom 24. April 1986 V R 110/76, BFH/NV 1987, 745 Rn. 10 und vom 19. Oktober 1978 V R 39/75, BStBl II 1979, 345 Rn. 10). |
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| aa) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist dem Kläger der Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH nicht zu gewähren. |
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| Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den zugrundeliegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 14. Februar 2019 V R 47/16, BFH/NV 2019, 783 Rn. 27; vom 10. September 2015 V R 17/14, BFH/NV 2016, 80 Rn. 32; vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628 Rn. 16; vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259 Rn. 31 und vom 12. Mai 2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541 Rn. 16). |
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| Eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne besteht in der Verschaffung der Verfügungsmacht zugunsten des Leistungsempfängers (§ 3 Abs. 1 UStG). Das bedeutet, dass ihm Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen werden. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden. Der Lieferer kann dem Abnehmer die Verfügungsmacht an dem Gegenstand auch dadurch verschaffen, dass er einen Dritten, der die Verfügungsmacht bislang innehat, mit dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragt (BFH-Urteile vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BStBl II 1999, 628 Rn. 16 und vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259 Rn. 31). Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Vertretung und Eigengeschäft ist nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-), wie der Käufer des Verhalten der handelnden Personen verstehen durfte (Empfängerhorizont; vgl. Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 370 Rn. 370d; Heidner in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 15 Rn. 37 f.). |
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| Der Beklagte führt mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020 (Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 29 ff.) aus, B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH hätten keine Lieferungen von Altedelmetallen von ihren jeweiligen Rechnungsausstellern bezogen. Nach den vorliegenden Ermittlungsberichten sei daher davon auszugehen, dass diese selbst keine Verfügungsmacht über das Altgold besessen hätten, welches sie nach den Rechnungen an den Kläger geliefert haben wollen. Insofern lägen lediglich Abdeckrechnungen vor, was der Kläger bestreitet (Schriftsatz vom 1. April 2020, S. 4, Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 54). |
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| Angesichts der verschiedenen behaupteten Geschehensabläufe hat der Senat erhebliche Zweifel, dass B-GmbH überhaupt in ausreichendem Umfang Altedelmetalle bezog, um es an den Kläger zu liefern: |
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| Einerseits hat der Rechtsanwalt des X. X., dem Geschäftsführer der B-GmbH, ausgeführt, dass sich aus eigener Kenntnis der B-GmbH und des X. X. nicht erschließen würde, inwieweit Y. N. bzw. die N GmbH in Einzelgeschäfte verwickelt gewesen seien (BMO II, Fach 23, S. 22). Weiter hat Y. N. in seinem Strafverfahren vor dem LG Z bei seinen Angaben zu den Schwarzverkäufen an einzelne Abnehmer auch den X. X. genannt und hierzu ausgeführt, dass er im Zeitraum von etwa April/Mai 2009 bis September 2010 Gold im Wert von „etwa 8 Mio. Euro“ an X. X. geliefert habe (BMO II, Fach 23, S. 22). |
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Der Beklagte hingegen verweist insoweit auf den Bericht der Steufa des FA Y über die Fahndungsprüfung bei B-GmbH vom 27. August 2012 (BMO II, Fach 23, S. 4 f.). Demnach sei der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen über Edelmetallankäufe der B-GmbH nicht möglich, die erstellt worden seien von: |
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- W GmbH, [ ___ ] |
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- V Handel GmbH, [ ___ ], |
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- C-GmbH und |
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- E-GmbH. |
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| Von diesen Firmen seien keine Lieferungen an die B-GmbH durchgeführt worden. Bei den jeweils ausgestellten Rechnungen handele es sich um Abdeckrechnungen für vermutlich von der N GmbH oder Y. N. stammende Ware. Damit die N GmbH diese Erlöse nicht der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen habe, seien Abdeckrechnungen ausgestellt worden, welche die tatsächliche Herkunft des Edelmetalls verschleiern sollten. Auch habe die B-GmbH keine Lieferungen an den Kläger ausgeführt. |
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| X. X., der Geschäftsführer der B-GmbH, habe sich zwar dahingehend eingelassen, dass die Lieferungen tatsächlich von der W GmbH, der V GmbH, E-GmbH sowie C-GmbH an ihn ausgeführt worden seien (Bericht in der Steuerstrafsache X. X. vom 27. August 2012, BMO II, Fach 23, S. 11 ff.). |
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| Dem widerspreche aber die Aussage einer Angestellten der M, J Y, vom 3. Februar 2011. Danach seien die Geschäftsführer der W GmbH, eine Frau Ü-B, und der V GmbH, ein Herr B, bei einem ersten Kontakt gemeinsam mit X. X. bei der M erscheinen. X. X. habe die erschienenen „Eheleute“ als Kunden empfohlen. Das Gold sei stets in den gleichen durchsichtigen Plastiktüten verpackt gewesen, unabhängig davon, ob es für die W GmbH oder V GmbH abgegeben worden sei. Ihr sei aufgefallen, dass noch andere Kunden Altgold in den gleichen „auffälligen“ Tüten verpackt hätten. Hieraus habe sie geschlossen, dass das Gold aus der gleichen Quelle komme. X. X. habe die gleichen Tüten verwendet. Sie vermute, dass die Tüten von Y. N. stammten, den sie als Goldhändler kenne. Sie sei zweimal im Juli und August 2010 in den Geschäftsräumen bei der N GmbH in A gewesen, um „ihn“ als Kunden zu akquirieren. Es sei aber zu keinem Geschäftsabschluss zwischen Y. N. und der M gekommen. Bei dem ersten Treffen mit Y. N. in A sei plötzlich X. X. aufgetaucht, aber gleich wieder gegangen, als er sie gesehen habe. Da alle die gleichen Tüten verwendet hätten, vermute sie, dass auch das Gold für die W GmbH und V GmbH von Y. N. stamme (BMO II, Fach 23, S. 12 f.). |
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| Die angeblichen Vorlieferanten der C-GmbH, ein H U, TR und DG hätten ebenfalls keine Edelmetalle geliefert. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass die C-GmbH Altgold tatsächlich von anderen Personen oder Firmen bezogen habe, welches sie an die B-GmbH hätte liefern können. Auf dem Konto der C-GmbH seien im Jahr 2010 nur drei Überweisungen von B-GmbH eingegangen. Die Überweisungsbeträge hätten nicht den einzelnen Rechnungen zugeordnet werden können. Auch sei aufgrund von Durchsuchungsmaßnahmen aufgefallen, dass alle Rechnungen der C-GmbH an B-GmbH um 8 bis 58 Tage rückdatiert worden seien. In einer Gesamtschau ergebe sich, dass die C-GmbH tatsächlich kein Altgold an B-GmbH geliefert habe. Unterstellt, es hätten tatsächlich Lieferungen an B-GmbH stattgefunden, hätte C-GmbH ein Interesse daran haben müssen, ihre Forderungen gegenüber B-GmbH schnellstmöglich geltend zu machen. Die Rechnungstellung mit bis zu zweimonatiger Verzögerung sei nicht nachvollziehbar. Auch insofern könne es sich um Abdeckrechnungen für die von Y. N. bzw. der N GmbH stammende Ware handeln (BMO II, Fach 23, S. 16 bis 18). |
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| Gleiches hätten die Ermittlungen im Hinblick auf die vorgeblichen Lieferungen der E-GmbH an B-GmbH ergeben. Hierzu hätten zudem die Erkenntnisse der Steufa des FA L ergeben, dass die angeblich gelieferten Goldmengen nicht vom Aussteller der Rechnungen, einem J O, stammen könnten (BMO II, Fach 23, S. 18 bis 21). |
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| Angesichts der verschiedenen behaupteten Geschehensabläufe hat der Senat mithin erhebliche Zweifel, dass B-GmbH überhaupt in ausreichendem Umfang Altgold bezogen hatte, um es an den Kläger zu liefern (lt. den Gutschriften des Klägers immerhin ca. 118 kg im Juli und August 2010). Die vermeintlichen Lieferanten W GmbH, V GmbH, C-GmbH sowie E-GmbH waren -davon ist der Senat überzeugt- jedenfalls dazu nicht in der Lage. Ebenso bleibt unklar, ob B-GmbH -falls die Edelmetalle tatsächlich von Y. N. bzw. der N GmbH oder einem Dritten stammten- gegenüber dem Kläger im eigenen Namen oder als Vertreter des Y. N. bzw. der N GmbH oder einem Dritten aufgetreten sein soll. Jedenfalls kann sich der Senat unter Würdigung aller Gesamtumstände nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass B-GmbH als Empfänger der Gutschriften auch tatsächlich die Edelmetalllieferungen an den Kläger bewirkte. |
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| Im Bericht der Steufa des FA Q vom 26. April 2012 -auf den der Beklagte in diesem Zusammenhang verweist- heißt es, dass bei der C-GmbH keine Geschäfte mit dem An- und Verkauf von Altedelmetallen erkennbar seien, an denen Personen oder Firmen beteiligt seien. Der Geschäftsführer der C-GmbH, G F, scheine solche Geschäftsbeziehungen auch nicht angestrebt zu haben. Es sei nicht erkennbar, dass für die Geschäfte der C-GmbH geworben oder sonstige Kundenakquise betrieben worden wäre, wie dies sonst bei Handelsfirmen üblich sei. Es sei nur bei einem Lieferanten Altgold bezogen und auch nur an einen Abnehmer geliefert worden (M; BMO II, Fach 24, S. 42 ff.). Bezüglich der vermeintlichen Lieferungen von Altgold an B-GmbH und an den Kläger sei festzustellen, dass diese tatsächlich nicht stattgefunden hätten (BMO II, Fach 24, S. 34). |
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| So habe der Rechnungsaussteller (H U) kein Altgold an die C-GmbH geliefert. Es seien bei Durchsuchungsmaßnahmen in den Geschäftsräumen der C-GmbH am 15. September 2010 eine Reihe von zerrissenen Rechnungen bzw. Rechnungsmustern, ein Blanko-Briefvordruck und Empfangsbestätigungen des HU sichergestellt worden. GF habe diesbezüglich ausgesagt, dass HU seine Rechnungen in den Geschäftsräumen der C-GmbH geschrieben und ausgedruckt habe. Dies sei aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht glaubhaft. Auch seien Rechnungen mit divergierenden Belegnummern sichergestellt worden, was darauf hindeute, dass im Zusammenhang mit der Erstellung dieser Belege „experimentiert“ worden sei (BMO II, Fach 24, S. 43). Auch auf den Computern des GF und dessen Sohn (M F) seien Blanko-Rechnungsvordrucke des HU gefunden worden (BMO II, Fach 24, S. 44). |
|
| Entsprechendes gelte für den vermeintlichen Lieferanten des TR und DG (BMO II, Fach 24, S. 97 f. und 98 f.). |
|
| Y. N. -als ein möglicher tatsächlicher Lieferant von Altgold- habe zudem angegeben, jedenfalls nicht mit der C-GmbH in einer Geschäftsverbindung gestanden zu haben. Die Altgoldverkäufe sollen demnach direkt an GF erfolgt sein (BMO II, S. 46). |
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| Aufgrund dessen zweifelt der Senat auch im Hinblick auf die C-GmbH als vorgebliche Lieferantin des Klägers an deren tatsächlicher Leistungserbringung und damit an deren Stellung als Leistender. Es ist unklar, von wem die C-GmbH rd. 55 kg Altgold bezogen haben soll, das dann -nach dem Vortrag des Klägers- an ihn geliefert worden sein soll. Von HU, TR und DG stammten die (Vor-)Lieferungen jedenfalls nicht. |
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| Nach dem Bericht der Steufa des FA C vom 17. Januar 2011 hatte die vorgebliche Lieferantin der D-GmbH, die U-GmbH, den Bezug von Altgold nur vorgetäuscht (BMO II, Fach 25, S. 5). Auch hatte die alleinige Gesellschafterin der D-GmbH, GE, zu der Frage, woher die D-GmbH überhaupt Edelmetalle bezogen habe, nur angeben können: „Weiß ich nicht.“ (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage vom 10. März 2011, S. 2). |
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| Der Geschäftsführer der D-GmbH (DH) sagte zwar aus, dass er aufgrund der Empfehlung des MS tätig geworden sei, das Altgold von der U-GmbH bezogen und an den Kläger, die P-KG und eine T-KG verkaufte habe. Er habe aber nach einem anfänglichen Kontakt nichts mehr mit der U-GmbH zu tun gehabt. Bei den Lieferungen habe er nur die erste und die letzte Lieferung gesehen. Alles Weitere habe MS für ihn erledigt, welcher das Altgold jeweils von U-GmbH bekommen und dann „nach X“ verbracht habe. Preisverhandlungen habe er selbst nicht geführt. Auch sei er bei der Anlieferung des Altgoldes nicht mit dabei gewesen (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage vom 10. März 2011, S. 2 f.). Dies bestätigte er auch in einer weiteren Vernehmung am 25. März 2011 und ergänzte, dass die „beiden Herrschaften“ -der Geschäftsführer der U-GmbH, ein AE, und M S- die Goldgeschäfte selbst abgewickelt hätten. Er habe nicht gewusst, woher M S das Altgold erhalten habe (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage, S. 2). Danach gefragt, warum er Rechnungsvorlagen der U-GmbH auf seinem Computer habe, führte DH aus, er könne das so nicht beantworten. Er habe jedenfalls keine „eigenen“ Rechnungen daraus erstellt. Vielleicht habe er das „mal so spielerisch übernommen“. Auf die weitere Frage, ob er diese Vorlage schon seit Juni 2010 auf seinem Computer gehabt habe, sagte er, dass das schon sein könne. Er wolle das aber nicht weiter vertiefen (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage, S. 4). |
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| Aus dem Bericht der Steufa das FA H vom 27. Januar 2010 ergibt sich, dass MS am 29. April 2009 alle Geschäftsanteile an einer O- GmbH (nachfolgend: O-GmbH; AG H, HRB xxx) erworben hatte und als deren Geschäftsführer bestellt worden war. Die O-GmbH habe Geschäftsbeziehungen zu den in X ansässigen Scheideanstalten P-KG und M unterhalten (BMO II, Fach 25, S. 3). |
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| Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass die U-GmbH Edelmetalle nicht an die D-GmbH, sondern unmittelbar an MS bzw. dessen O-GmbH lieferte. MS hatte jedenfalls ein erhebliches Eigeninteresse daran, die Altgoldlieferungen tatsächlich über seine O-GmbH auszuführen und die D-GmbH, mit einem im Wesentlichen inaktiven Geschäftsführer und einer uninformierten Gesellschafterin lediglich als Rechnungsausstellerin und Zahlstelle fungieren zu lassen. So führte DH aus, dass die Geldbeträge jeweils auf ein Konto bei der Bank II überwiesen worden seien. Er habe dann das Geld jeweils im Beisein von AE, der nach den Erkenntnissen der Steufa des FA F im Inland nicht greifbar ist, und MS abgehoben und übergeben (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage vom 10. März 2011, S. 3). Bei seiner Überzeugungsbildung berücksichtigt der Senat auch, dass die Steufa des FA H bereits seit August 2009 wegen der Besteuerungszeiträume Juni bis Oktober 2009 gegen MS ermittelte und dieser angab, seinen Handel mit Altgold ab Mitte November 2009 eingestellt zu haben (Bericht vom 27. Januar 2010, BMO II, Fach 25, S. 2 und 10). Diesen Angaben ist zu entnehmen, dass MS jedenfalls mit Altgold gehandelt hatte. |
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| In Anbetracht der geschilderten Gesamtumstände kann sich der Senat auch hinsichtlich des Vorsteuerabzugs des Klägers aus den Gutschriften der D-GmbH nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugen, dass leistender Unternehmer und der Empfänger der Gutschriften identisch sind. |
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| Der Fahnder der Steufa des FA L führt in seinem Ermittlungsbericht vom 5. September 2011 aus, die Lieferbeziehung zwischen JO und der E-GmbH sei nur vorgetäuscht worden. Wahrscheinlich sei dagegen, dass das Altedelmetall von Y.N. stamme. Die E-GmbH habe dazu gedient, die tatsächlichen Geschäftspartner zu verschleiern (BMO II, Fach 26, S. 23). Weiter führte das AG L in den Gründen zu seinem Strafurteil gegen den Geschäftsführer der E-GmbH, RM, vom 11. April 2013 6 xx / xxx verbunden mit yyy / xxx aus, dass JO nicht der leistende Unternehmer gewesen sei. Nach den Einlassungen des RM sei dieser zwar der einzige Lieferant gewesen. Dieser habe jedoch über keinen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt. In den Geschäftsräumen des RM seien Blanko-Unterlagen des JO aufgefunden worden. Eine vermeintliche Goldübergabe durch den angeblichen JO am 6. September 2010 habe anhand einer sichergestellten Videoaufnahme nicht nachvollzogen werden können (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 219). |
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| In einem weiteren Bericht der Steufa des FA L vom 15. August 2011 wurde zudem festgestellt, dass JO Altgold an KF verkauft habe, welcher den Rechnungsbetrag bar übergeben habe. Der Bericht führt hierzu u.a. aus, dass der zu dieser Rechnung gehörende Lieferschein von JO allerdings nicht an KF adressiert gewesen sei, sondern an die E-GmbH. Der Lieferschein an die E-GmbH und die Rechnung an KF datierten jeweils vom 1. September 2010 (BMO II, Fach 26, S. 8 f.). |
|
| Aufgrund dieser Gesamtumstände kann der Senat -ebenso wie hinsichtlich der anderen vorgeblichen Lieferanten des Klägers B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH- nicht zu der notwendigen Überzeugung gelangen, dass die E-GmbH tatsächlich über die ausreichende Menge an Edelmetall verfügte, die nach den durch den Kläger erteilten Gutschriften von ihr geliefert worden sein soll. Von dem vermeintlichen Vorlieferanten JO stammt sie jedenfalls nicht. Dass die vermeintlichen Vorlieferanten des Klägers für einen Dritten (Y. N. bzw. die N GmbH) im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung auftraten, steht ebenfalls nicht fest. |
|
| b) Ein Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an D-GmbH scheidet außerdem deshalb aus, weil diese keine vollständige Anschrift des (vermeintlich) leistenden Unternehmers i.S.v. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG enthalten. |
|
| Eine Rechnung muss den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen, insbesondere Angaben über den leistenden Unternehmer nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG enthalten (BFH-Urteil vom 16. Januar 2014 V R 28/13, BStBl II 2014, 867 Rn. 10). Bei der Ausführung von Umsätzen an einen Unternehmer kann eine Rechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG auch vom Leistungsempfänger ausgestellt werden, sofern dies zuvor vereinbart wurde (Gutschrift). |
|
| Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung setzt zwar -anders als der Beklagte meint- nicht voraus, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden muss, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Es reicht vielmehr jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift. Allerdings muss der Unternehmer unter dieser Anschrift zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung erreichbar sein (BFH-Urteile vom 21. Juni 2018 V R 25/15, BFH/NV 2018, 1053 und V R 28/16, BFH/NV 2018, 1055 im Anschluss an EuGH-Urteil Geissel und Butin vom 15. November 2017 C-374/16 und C-375/16, ABl EU 2018, Nr. C 22, 12). Die Feststellungslast für die postalische Erreichbarkeit zu diesem Zeitpunkt trifft den den Vorsteuerabzug begehrenden Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 5. Dezember 2018 XI R 22/14, BFH/NV 2019, 365 Rn. 21). |
|
| An der Erreichbarkeit der D-GmbH bestehen erhebliche Zweifel, denn die alleinige Gesellschafterin der D-GmbH (G E) sagte aus, sie wisse nichts von Gutschriften, die der Kläger erteilt haben solle (Zeugeneinvernahme, S. 4, BMO II, Fach 25), obwohl in diesen Gutschriften jeweils die Privatanschrift der GE als Empfangsadresse angegeben war. Überdies sagte GE am 10. März 2011 aus, sie sei von DH bereits seit eineinhalb Jahren getrennt (Zeugeneinvernahme, S. 2, BMO II, Fach 25), so dass dieser im Zeitraum der Gutschrifterteilung vom 7. August bis 6. September 2010 nicht mehr unter der Privatanschrift der GE gewohnt haben kann. |
|
| Damit ist nach Auffassung des Senats die Richtigkeit der Rechnungsangaben insofern erschüttert, so dass der Kläger den Nachteil aus der Nichterweislichkeit dieser Voraussetzung des Vorsteuerabzugs zu tragen hat (vgl. Korn in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 14 Rn. 63). |
|
| c) Ein Vorsteuerabzug aus den in den Gutschriften an B-GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen ist zudem zu versagen, weil nicht der vollständige Name des Leistenden angegeben wurde. |
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| Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG muss eine Rechnung den vollständigen Namen des leistenden Unternehmers angegeben. Dabei muss der Leistende eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Rechnung ersichtlich sein. Die Rechnung muss grundsätzlich den richtigen Namen (Firma) und die richtige Anschrift angegeben (Korn und Heidner in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 14 Rn. 63 und § 15 Rn. 135). |
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| In den Gutschriften ist als Leistende eine „B, Inh. X. X.“ angegeben. Nach den Ausführungen des Klägers stand er dagegen in einer Geschäftsbeziehung mit einer „B-GmbH …-Vertriebs GmbH“. Beide Namen unterscheiden sich erheblich sowohl im Hinblick auf die Firmenbezeichnung und die Rechtsform. Ob es das Einzelunternehmen „B, Inh. X. X.“ überhaupt gab und ob dieses bejahendenfalls ebenfalls unter der Geschäftsadresse [ ___ ] im Zeitpunkt der vermeintlichen Leistungen seinen Sitz hatte, erschließt sich dem Senat weder aus dem Vortrag der Beteiligten noch aus dem Akteninhalt. Jedenfalls ist der in den Gutschriften angegebenen Name mehrdeutig und daher geeignet, Verwechselungen zu begünstigen. Eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit des vermeintlich Leistenden ist aufgrund der Gutschriften daher nicht gegeben. |
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| Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt. Folglich darf die Steuerverwaltung, wenn sie über die Angaben verfügt, die für die Feststellung des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen erforderlich sind, hinsichtlich des Rechts des Steuerpflichtigen auf Abzug dieser Steuer keine zusätzlichen Voraussetzungen aufstellen, die die Ausübung dieses Rechts vereiteln können. Dabei darf sich die Steuerverwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken. Sie hat auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen (EuGH-Urteil Barlis 06 vom 15. September 2016 C-516/14, ABl EU 2016, Nr. C 419, 6 Rn. 42 bis 44; Korn und Heidner in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 14 Rn. 64 bis 66 und § 15 Rn. 135). |
|
| Allerdings hat der Kläger keine weiteren Informationen (z.B. Vertragsunterlagen) vorgelegt, noch ergeben sich diese aus dem Inhalt der Akten, so das dem Senat eine ergänzende Auslegung nicht möglich ist. Eine Rechnungsberichtigung erfolgte nicht (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 54/14, BFH/NV 2017, 488). |
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| d) Selbst wenn aber B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH tatsächlich an den Kläger geliefert haben sollten -was der Senat im Folgenden nur hilfsweise unterstellt-, steht dem Kläger das Recht auf Vorsteuerabzug auch deshalb nicht zu, da er hätte wissen müssen, dass die betreffenden Umsätze in die jeweilige durch die Verantwortlichen von B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen waren. |
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| aa) Grundsätzlich steht einem Abzug der Vorsteuer beim Leistungsempfänger nicht entgegen, wenn der Lieferant die für diese Verkaufsumsätze geschuldete Mehrwertsteuer nicht an den Fiskus entrichtet. Sind die vorgesehenen formellen und materiellen Voraussetzungen für die Entstehung und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt, ist es mit der Vorsteuerabzugsregelung der MwStSystRL nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung dieses Rechts zu sanktionieren (EuGH-Urteil PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14, ABl EU 2015 Nr. C 414, 7 Rn. 45 und 49). |
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| Allerdings ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel der MwStSystRL, das anerkannt und gefördert wird. Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (EuGH-Urteile Mahagebén und Dávid vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5; Maks Pen vom 13. Februar 2014 C-18/13, ABl EU 2014, Nr. C 93, 16; Bonik vom 6. Dezember 2012 C-285/11, ABl EU 2013, Nr. C 26, 10; Kittel und Recolta Recycling vom 6. Juli 2006 C-439/04 und C-440/04, ABl EU 2006, Nr. C 212, 4-5; PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14, ABl EU 2015 Nr. C 414, 7 sowie Paper Consult vom 19. Oktober 2017 C-101/16, ABl EU 2017, Nr. C 424, 3-4). |
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| Dies ist nicht nur der Fall, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht, sondern auch, wenn ein Steuerpflichtiger wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (im BFH-Beschluss vom 3. Juli 2019 XI B 17/19, BFH/NV 2019, 1351 Rn. 15 wird der Begriff komplementär mit dem Terminus Mehrwertsteuerbetrug verwendet). Unter solchen Umständen ist der betreffende Steuerpflichtige für die Zwecke der MwStSystRL als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt (EuGH-Urteil PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14, ABl EU 2015 Nr. C 414, 7 Rn. 48). |
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| Es ist Sache der Steuerverwaltung, die Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten seitens des Ausstellers der Rechnung festgestellt hat, aufgrund objektiver Anhaltspunkte und ohne vom Rechnungsempfänger ihm nicht obliegende Überprüfungen zu fordern, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug geltend gemachte Umsatz in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Dabei kann die Steuerverwaltung zwar von einem Steuerpflichtigen nicht generell verlangen, zum einen zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, verfügte, sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder zum anderen entsprechende Unterlagen vorzulegen. Der Steuerpflichtige kann aber beim Vorliegen von Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung dazu verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Welche Maßnahmen allerdings im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (EuGH-Urteil PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14, ABl EU 2015 Nr. C 414, 7 Rn. 50 bis 52; für Voranmeldungs- und Besteuerungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2019 enden -also nicht vorliegend-, ist die Versagung des Vorsteuerabzugs nunmehr gesetzlich in § 25f Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 30 UStG normiert). |
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| Dabei geht der Senat davon aus, dass ein Wissen oder Wissenmüssen der Einbeziehung in eine Mehrwertsteuerhinterziehung (zumindest) Fahrlässigkeit voraussetzt (§ 122 Abs. 2 BGB). Dabei genügt jeder Grad von Fahrlässigkeit, es muss nicht grobe Fahrlässigkeit vorliegen. Ein Steuerpflichtiger handelt danach fahrlässig, wenn er bei gehöriger Aufmerksamkeit und sorgfältigem Handeln die Einbeziehung in eine Mehrwertsteuerhinterziehung hätte erkennen können (BFH-Urteil vom 19. Mai 2010 XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132 Rn. 29; Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 24. November 2010 7 K 2356/06, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 918 Rn. 37 ff.; a.A. Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 12. September 2019 7 V 7096/19, juris Rn. 34; vgl. Treiber, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 626, 635, Fn. 103, der die Frage offen lässt, und Wäger, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2015, 81, 87, der zwar bedingten Vorsatz für möglich hält, gleichzeitig aber ausführt, dass wohl auch eine fahrlässige Beteiligung vom EuGH als ausreichend angesehen wird). |
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| Der Vorsteuerabzug ist nur dann zu versagen, wenn die (vorgeblichen) Lieferanten bzw. deren gesetzlichen Vertreter vorsätzlich i.S. des § 370 der Abgabenordnung (AO) oder leichtfertig i.S. des § 378 AO unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen hätten (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Eine missbräuchliche oder betrügerische Nichtentrichtung der Steuer (§ 26b und § 26c UStG) genügt demgegenüber nicht, denn die Nichtabführung von Mehrwertsteuer stellt unabhängig davon, ob sie vorsätzlich erfolgt oder nicht, keinen Mehrwertsteuerbetrug i.S. von Art. 325 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dar (BFH-Beschluss vom 3. Juli 2019 XI B 17/19, BFH/NV 2019, 1351 Rn. 17 bis 20 m.w.N.; Beschluss des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 15. Mai 1997 5 StR 45/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 1997, 941). |
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| Die im Steuerrecht verwendeten Begriffe des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts sind dabei materiell-rechtlich wie im Strafrecht zu beurteilen. Dagegen ist die Frage, ob diese Tatbestandsmerkmale tatsächlich erfüllt sind, nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, sondern nach den Verfahrensvorschriften der AO und der FGO zu prüfen, da es sich lediglich um eine strafrechtliche Vorfrage im Rahmen einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids handelt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 2013 VIII R 27/10, BStBl II 2014, 295 Rn. 16). |
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| Eine Umsatzsteuerhinterziehung i.S.v. § 370 Abs. 1 AO kann durch die Nichterklärung oder nicht vollständige Erklärung von Umsätzen, aber auch durch die sog. Vorsteuererschleichung begangen werden. Die Vorsteuererschleichung geschieht durch die Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs, obwohl die Voraussetzung des § 15 UStG nicht vorliegen. Einer Steuerhinterziehung durch zu Unrecht abgezogene Vorsteuer steht damit der Steuerhinterziehung durch Nichterklärung der Ausgangsumsätze gleich. Für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug sind die Verhältnisse bei Bezug der Leistung maßgebend. Deshalb schließt eine spätere Kenntnis von der zunächst unerkannten Einbindung den Vorsteuerabzug nicht aus (BGH-Beschluss vom 5. Februar 2014 1 StR 422/13, MwStR 2014, 278 Rn. 14; Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 370 Rn. 370 f. m.w.N.). |
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| Eine vorsätzliche Tatbegehung setzt Kenntnis und Wollen der Verwirklichung des Merkmales des objektiven Tatbestandes voraus. Der Täter muss die nach Gegenstand, Zeit und Ort bestimmte Handlung zumindest in allen wesentlichen Beziehungen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten der Ausführung, in seine Vorstellungen und in seinen Willen aufgenommen haben. Es genügt ein bedingter Vorsatz, wonach ausreichend ist, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz). Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 370 Rn. 175 m.w.N.). |
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| Leichtfertig i.S.v. § 378 Abs. 1 Satz 1 AO handelt derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 378 Rn. 20 m.w.N.). |
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| bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger von den Mehrwertsteuerhinterziehungen von B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH bei Bezug der unterstellten Lieferungen und seiner jeweiligen Einbeziehung zumindest hätte wissen müssen, so dass ihm der Vorsteuerabzug i.H. von 1.115.044,59 Euro zu versagen ist. |
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| Der Geschäftsführer der B-GmbH, X. X., beging eine Steuerhinterziehung, in dem er Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der E-GmbH i.H. von 900.643,28 Euro und der C-GmbH i.H. von 180.024,07 Euro in seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Juli und August 2010 geltend machte, obwohl diese keine Altgoldlieferungen an B-GmbH getätigt haben. |
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| Der Senat stützt seine Überzeugung auf den Bericht der Steufa des FA Y vom 27. August 2012 (BMO II, Fach 23, S. 16 f., 20 f. und 32 f.), deren Erkenntnisse bereits oben unter Ziffer 2 a) bb) der Entscheidungsgründe dargelegt wurden. |
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| Mangels tatsächlicher Lieferungen von Altgold liegen sog. Abdeckrechnungen vor, die nicht zu einem Vorsteuerabzug berechtigen (Heidner in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 15 Rn. 158 m.w.N.). Dass B-GmbH die vorgeblichen Umsätze mit dem Kläger i.H. von 246.602 Euro im Juli und i.H. von 3.298.892 Euro im August 2010 angab, ändert an der vollendeten Steuerhinterziehung nichts. |
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| Für das Jahr 2010 gab X. X. für die B-GmbH zudem keine Umsatzsteuererklärung ab. Darin hätte er zumindest die vermeintlichen Umsätze an den Kläger i.H. von 3.298.892,44 Euro oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge von 626.789,56 Euro angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug stand der B-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zu. |
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| Am 13. August 2010 wurde ein Steuerstrafverfahren gegen ihn eingeleitet. Da er sich seit dieser Zeit nicht mehr in Deutschland aufhielt, konnte das Verfahren gegen ihn nicht abgeschlossen werden. |
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| X. X. nahm es zumindest billigend in Kauf, dass aufgrund seiner unrichtigen Angaben eine Verkürzung von Umsatzsteuer eintrat. Seine Flucht diente allein dazu, sich den steuerlichen Konsequenzen vorsätzlich zu entziehen. |
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| Der Geschäftsführer der C-GmbH, G F, beging eine Steuerhinterziehung, indem er zu den gesetzlichen Anmeldeterminen am 10. Juli 2010 und am 10. Oktober 2010 keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgab (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UStG). |
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| Zudem hat GF keine Umsatzsteuererklärung für 2010 abgegeben. Darin hätte er zumindest die vermeintlichen Umsätze an den Kläger i.H. von 1.646.389,24 Euro oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge von 312.813,95 Euro angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug stand der C-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zu. |
|
| Das AG K stellte in seinem Urteil vom 13. März 2014 270 xyx xxx in der Strafsache gegen MF -dem Sohn des Geschäftsführers der C-GmbH (G F)-- fest, dass GF die rechtzeitige Abgabe der erforderlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen unterließ, obgleich die C-GmbH im 2. und im 3. Kalendervierteljahr 2010 Umsätze von 4.080.824,99 Euro und 8.965.806,88 Euro erzielte. Unter Berücksichtigung von geringfügigen Vorsteuerbeträgen habe GF im gemeinsamen Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Y. N. Umsatzsteuer i.H. von insgesamt 2.473.926,93 Euro hinterzogen. Diese Summe setze sich aus den Steuern für das 2. Kalendervierteljahr 2010 i.H. von 771.559,73 Euro sowie für das 3. Kalendervierteljahr 2010 i.H. von 1.702.367,20 Euro zusammen (Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 43 f.) |
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| Diesen Feststellungen schließt sich der Senat an. Sie decken sich im Übrigen mit den Erkenntnissen des Berichts der Steufa des FA Q vom 26. April 2012 (BMO II, Fach 24), die bereits oben unter Ziffer 2 a) cc) der Entscheidungsgründe in Bezug genommen wurden. |
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| GF nahm dabei billigend in Kauf, dass Umsatzsteuer verkürzt wurde, indem er die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis ließ. Seine Flucht diente allein dazu, sich den steuerlichen Konsequenzen zu entziehen und ist ein weiteres Indiz für seine vorsätzliche Tatbegehung. |
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| Der Geschäftsführer der D-GmbH, DH, beging nach Auffassung des Senats eine Steuerhinterziehung, indem er die Umsatzsteuererklärung für 2010 nicht abgab (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG). Darin hätte er zumindest die vermeintlichen Umsätze an den Kläger i.H. von 617.868,29 Euro oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge von 117.394,98 Euro angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug stand der D-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zu. |
|
| In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen des Jahres 2010 (1. bis 4. Kalendervierteljahr 2010) erklärte er zudem unzutreffend Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der U-GmbH i.H. von insgesamt 124.141,08 Euro und akzeptierte zudem die Gutschriften des Klägers, die Steuerbeträge i.H. von 117.394,98 Euro ausweisen, ohne diese zu erklären (BMO II, Fach 19). |
|
| Da die U-GmbH tatsächlich kein Altgold an die D-GmbH lieferte, bestand insoweit keine Berechtigung zur Geltendmachung von Vorsteuern durch die D-GmbH. Auf die Ausführungen der Entscheidungsgründe unter Ziffer 2 a) dd) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. |
|
| Ausweislich seiner Zeugeneinvernahme waren D H die Tatumstände bekannt. Er nahm den Taterfolg zumindest billigend in Kauf. Er wusste, dass er von A E, dem Geschäftsführer der U-GmbH, und M S, nur dazu benutzt wurde, um die tatsächlichen Lieferungen von Edelmetall zu verschleiern. |
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| Der Geschäftsführer der E-GmbH, R M, beging eine Steuerhinterziehung, in dem er für das Jahr 2010 keine Umsatzsteuererklärung abgab. Dadurch unterließ er es, einen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag nach § 14c Abs. 2 UStG i.H. von 1.079.486,96 Euro zu erklären. Zumindest hätte er die vermeintlichen Umsätze an den Kläger i.H. von 77.424,20 Euro oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge i.H. von 14.710,60 Euro angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug stand der E-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zu. Auf die Ausführungen der Entscheidungsgründe unter Ziffer 2 a) ee) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. |
|
| Zudem unterließ er es vorsätzlich, eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2010 einzureichen. Dadurch wurde wie von ihm geplant und beabsichtigt Umsatzsteuer i.H. von 239.683,14 Euro verkürzt. Aufgrund dessen wurde er vom AG L wegen Steuerhinterziehung mit Urteil vom 11. April 2013 6 xx / xxx verbunden mit yyy / xxx verurteilt (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 216). Für August 2010 hat er ebenfalls keine Umsatzsteuer-Voranmeldung eingereicht. Aufgrund dessen wurde ein Umsatzsteuerbetrag i.H. von 675.670,74 Euro nicht erklärt (vgl. BMO II, Fach 26, S. 23). |
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| R M nahm es dabei billigend in Kauf, dass aufgrund der von ihm erkannten Tatumstände Umsatzsteuer verkürzt wurde. Insofern schließt sich der Senat auch den nachvollziehbaren und schlüssigen Feststellungen des AG L an. |
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| Hinsichtlich B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH hat der Senat aufgrund des Geschehensablaufs zudem keine Zweifel, dass die Taten rechtswidrig und schuldhaft begangen wurden. |
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| cc) Der Senat ist ferner der Überzeugung, dass der Kläger nach den tatsächlichen Verhältnissen beim (unterstellten) Bezug der Lieferungen im Juli bis September des Streitjahres zumindest hätte wissen müssen, dass er mit diesen Eingangsumsätzen in die Mehrwertsteuerhinterziehungen der Verantwortlichen von B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH einbezogen wurde. Er handelte aufgrund der Gesamtumstände jedenfalls grob fahrlässig, da er die gebotene Sorgfalt eines Unternehmers in grobem Ausmaß außer Acht ließ. |
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| (a) So hätten einem Unternehmer, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelte, angesichts von sehr hohen Umsatzsteigerungen insbesondere im Vergleich vom 1. Kalendervierteljahr (14.852 Euro) und 2. Kalendervierteljahr (106.156 Euro) zum 3. Kalendervierteljahr (6.065.631 Euro) des Streitjahres Zweifel an seinen (vermeintlichen) Lieferanten aufgekommen müssen. Immerhin stiegen die Umsätze vom 1. Kalendervierteljahr auf das 2. Kalendervierteljahr um das 7-fache und vom 2. Kalendervierteljahr auf das 3. Kalendervierteljahr um das 57-fache. Einem Unternehmer, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelte, wäre im Streitfall weiter aufgefallen, dass die Betriebstätten seiner (vorgeblichen) Lieferanten weit entfernt von seiner Geschäftsadresse in X lagen (B-GmbH in J, C-GmbH in K, D-GmbH in W und E-GmbH in L). Deshalb hätte sich ein solcher Unternehmer nicht nur gefragt, weshalb die Lieferanten nun in solcher exponentiellen Art und Weise auf ihn zukamen, ihn förmlich mit Altgoldlieferungen überrannten und dabei auch weite Anfahrten in Kauf nahmen, statt Scheideanstalten in räumlicher Nähe aufzusuchen. Deshalb hätte er den Hintergrund dieser Angebote durchschaut. Jedenfalls hätte er „den Kopf nicht in den Sand gesteckt“. Vielmehr hätte ihn seine -schon aufgrund allgemein bekannter Erfahrungen- durchaus begründete Sorge, in -ggf. mit einer Mehrwertsteuerhinterziehung verbundene- Geldwäschegeschäfte verwickelt zu werden oder Hehlerei zu begehen, im Ergebnis von vornherein davon abgehalten, sich in solche Geschäfte einbinden zu lassen. |
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| Seine Einbindung versucht der Kläger zwar dadurch zu erklären, dass er aus der Goldbranche komme und bei seinen Abnehmern Vertrauen genieße. Gleichzeitig behauptet der Kläger, er sei in den Handel mit Altgold erst „Anfang Juli 2010“ eingestiegen. Worauf sich vor diesem Hintergrund das angebliche Vertrauen seiner Abnehmer gerichtet haben soll, bleibt im Unklaren. Auch kann der Senat nicht nachvollziehen, weshalb die S-AG gerade ihm eine „höhere Ausbeute“ bei der Scheidung der Edelmetalle angeblich habe zukommen lassen und auch nur geringere Scheidekosten als bei sonstigen Kunden abgerechnet haben soll. |
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| (b) Im Streitfall hatte sich der Kläger zudem mittels Auskünften der Creditreform vom 13. August 2018 über die Lieferanten B-GmbH, C-GmbH und D-GmbH informiert. Er hätte aufgrund dessen bei seinen (vorgeblichen) Lieferanten weitere Nachfragen zu der Herkunft der Edelmetalle und den weiteren Umständen der Lieferungen stellen müssen. |
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| Der Senat teilt insofern die Auffassung des BFH in seinem Beschluss vom 3. Juli 2019 (XI B 17/19, BFH/NV 2019, 1351 Rn. 23), dass das Ergebnis einer Auskunft der Creditreform „für sich“ nicht geeignet ist, Anhaltspunkte für eine Mehrwertsteuerhinterziehung der (angeblichen) Vorlieferanten des Klägers zu geben. |
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| Dennoch ist der Senat der Überzeugung, dass die in den Auskünften der Creditreform enthaltenen Informationen Anlass für den Kläger gaben, zumindest weitere Erkundigungen gegenüber seinen (angeblichen) Vorlieferanten über die Herkunft der Edelmetalle einholen zu müssen. Denn die Creditreform teilte hinsichtlich B-GmbH mit, dass Kredite abgelehnt und von einer Geschäftsverbindung abgeraten würde. Es sei eine stark rückläufige Geschäftsentwicklung gegeben. Zudem wurde aufgeführt, dass eine Haftanordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 24. April 2008 vorliegen würde (Anlagen zum Schriftsatz des Beklagten vom 19. November 2018, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 204 ff.). Im Hinblick auf D-GmbH teilte die Creditreform zwar mit, dass eine Geschäftsverbindung „als zulässig“ gelten würde. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, dass in Bezug auf deren Geschäftsführer, D H, Informationen zu einem Insolvenzverfahren vorliegen würden. Im Hinblick auf die C-GmbH teilte die Creditreform mit, dass ein Krediturteil noch nicht vergeben werden könne und die Geschäftsentwicklung abzuwarten bleibe. Bezüglich einer an der C-GmbH beteiligten SP GmbH bzw. SP GmbH & Co. Transport KG, K sollten Informationen zu Insolvenzverfahren und schuldnerregisterlichen Eintragungen des Geschäftsführers vorliegen. Dies hätte der Kläger nicht unbeachtet lassen dürfen, zumal die C-GmbH -wie der Auskunft der Creditreform zu entnehmen war- bereits mehrfach jeweils unter Verlegung ihres Sitzes umfirmiert worden war (xxx GmbH, xxx Sanierungs-GmbH). Zudem wurde mitgeteilt, dass die C-GmbH ausschließlich Exporte in die Länder Irak, Jordanien und Syrien durchführen würde. Hinsichtlich der E-GmbH hat der Kläger --trotz der erheblichen Umsatzsteigerungen und deren Geschäftssitz in L- davon abgesehen, sich zumindest rudimentär über deren Tätigkeitsfeld zu erkundigen. |
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| Zudem hätte dem Kläger hinsichtlich der D-GmbH auffallen müssen, dass sie -wie das Firmenkürzel schon nahelegt- einen Mietwagen-, Kranken- und Rollstuhlfahrdienst betrieb (Handelsregister B des Amtsgerichts -AG- F, HRB xxxx). Der Umstand, dass ein Unternehmen mit diesem Gegenstand Altgold in erheblichem Umfang anliefert, hätte dem Kläger allein Anlass nicht nur für weitere Nachfragen bieten, sondern auch den Verzicht auf eine derartig dubiose Geschäftsbeziehung nahelegen müssen. |
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| (c) Des Weiteren hätte der Kläger über seine vermeintlichen Lieferanten allein schon deshalb Erkundigungen einholen müssen, weil diese ihm erhebliche Edelmetallmengen ohne jegliche Sicherheiten anlieferten. Nach seiner Darstellung oblag es ihm allein, nach der Anlieferung jeweils die Scheideanstalt aufzusuchen und die Abrechnung sowie Zahlung über die Bank I zu veranlassen. Dass seine Lieferanten ihm -einen im Wesentlichen mittellosen Unternehmer- einen derartigen Vertrauensvorschuss gewährten, ist unüblich und weicht von den Usancen eines ordentlichen Geschäftsverkehrs deutlich ab. Erschwerend kommt hinzu, dass keine dokumentierten Vertragsbeziehungen vorliegen. Werden Wirtschaftsgüter im Wert von mehreren Millionen Euro gehandelt (im 3. Kalendervierteljahr 2010 im vorgetragenen Umfang von 6.065.631 Euro), entspricht es den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, dass die vertraglichen Grundlagen nicht nur mündlich besprochen, sondern auch schriftlich gefasst werden. |
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| Auch hat der Kläger durch sein Verhalten im Übrigen gezeigt, dass er sich auch nicht durch sich aufdrängende Bedenken von einem An- und Weiterverkauf von Altgold abhalten lässt. Selbst als sich die Bank I ab 20. August 2010 weigerte, von ihm Altgold anzukaufen, eröffnete er sich einen weiteren Vertriebskanal, in dem er nunmehr verstärkt an die M lieferte. Der Kläger hat insoweit seine Augen vor der Realität verschlossen. |
|
| Gegenüber der Bank I hat der Kläger zudem versucht, sein Geschäftsmodell durch unrichtige Angaben noch möglichst lange fortführen zu können. Als der Kläger von der Bank I auf die erheblichen Umsatzsteigerungen seit Juli 2010 angesprochen wurde, behauptete er, er habe „zur Zeit“ Urlaub und deshalb den Umsatz aus dem Schmuckhandel steigern können (Anlage 2 zur Verdachtsanzeige der Bank I vom 19. August 2010, BMO I, Fach 9). Er verschwieg, dass er seine Anstellung bei der A-KG bereits Anfang 2010 gekündigt hatte, um seinen Großhandel in Vollzeit auszuüben (vgl. die Angaben des Klägers in der Niederschrift zum Erörterungstermin vom 18. März 2016, S. 2, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 131). Auch meldete er sein Gewerbe des Großhandels mit Schmuck als Haupterwerb erst zum 1. November 2010 um, als seine erklärten Umsätze schon wieder deutlich rückläufig waren (BMO I, Fach 1). |
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| Den Kläger entlastet auch nicht die Tatsache -worauf die StA F auf Seite 4 ihres Schreibens vom 30. März 2015 abhebt (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 105)-, dass die S-AG Lieferungen abgelehnt hätte, wenn ihr diese unmittelbar von den (vermeintlichen) Lieferanten des Klägers angeboten worden wären. Diese Tatsache spricht eher dafür, dass die angeblichen Lieferanten des Klägers in Fachkreisen und damit auch aus der Sicht eines Unternehmers, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt, „verdächtig“ waren und dass die Vertreter der S-AG deshalb damit rechneten, dass die entsprechenden Umsätze in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen waren. Auch die Bank I sprach in ihrer Verdachtsanzeige vom 19. August 2010 „von den schon auffällig geworden Geschäftspartnern“ des Klägers (BMO I, Fach 9). Diese Umstände konnten dem Kläger nicht verborgen geblieben sein. Zudem führte die StA F weiter aus, dass die Zwischenschaltung des Klägers aus wirtschaftlicher Sicht gänzlich sinnlos erscheine und dies dafür spreche, dass ihm seine Einbindung in ein Umsatzsteuerkarussell deshalb bewusst gewesen sein müsse. |
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| Des Weiteren entwickelte sich der Markt für Edelmetalle nicht nur aufgrund der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern auch aufgrund der sich abzeichnenden umsatzsteuerlichen Änderung durch das Jahressteuergesetz 2010 (BGBl. I 2010, 1768 = BStBl I 2010, 1394) exponentiell. Dass sich vor Inkrafttreten der Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei der Lieferung von Altmetallen noch windige Marktteilnehmer unter Nutzung der betrugsanfälligen Regelungen einen rechtswidrigen steuerlichen Vorteil verschaffen wollten, hätte dem Kläger auch aufgrund des für ihn geltenden Sorgfaltsmaßstabes ebenfalls nicht entgangen sein dürfen. |
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| Der Senat kann im Streitfall allerdings offenlassen, ob der Kläger -was die Gesamtschau aller Umstände nahelegt- vorsätzlich gehandelt hat. Jedenfalls aber hätte der Kläger angesichts dieser Umstände wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an Umsätzen teilnahm, die jeweils in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen waren. |
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| 3. Nicht zu beanstanden ist dagegen der bereits durch den Beklagten gewährte Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an L 1 (9.899,16 Euro), L 2 (3.012,85 Euro), L 3 (2.303,41 Euro) und L 4 (728,51 Euro). Insofern hat der Beklagte weder vorgetragen, dass Umsatzsteuerbeträge hinsichtlich dieser Lieferungen hinterzogen oder verkürzt wurden, noch, dass der Kläger insofern bösgläubig gewesen wäre. Auch gegen die Anerkennung der Vorsteuer aus den Scheidekosten (5.559,20 Euro) und weiterer Vorsteuerbeträge i.H. von 100.197,31 Euro hat der Beklagte im Verfahren nichts vorgebracht. Somit geht der Senat davon aus, dass dem Kläger Vorsteuern i.H. von 121.700,44 Euro -wie im streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid vom 25. August 2014 ausgewiesen (USt-Akte, Bl. 19)- zustehen. |
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| 4. Soweit der Kläger den hilfsweisen Antrag stellt, die die steuerlichen Verhältnisse der Lieferanten (B-GmbH, D-GmbH, C-GmbH und E-GmbH) betreffenden Akten beizuziehen, weist der Senat darauf hin, dass dies bereits erfolgte. So wurde der Bevollmächtigte bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 1. Juni 2015 in Kenntnis gesetzt, dass der Beklagte neben den Umsatzsteuer- und Rechtsbehelfsakten des Klägers auch einen Ordner mit den Fahndungsberichten hinsichtlich der vorgeblichen Lieferanten an das FG Baden-Württemberg übersandt hatte (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 29). Der Bevollmächtigte wurde zudem mit Schreiben vom 19. Juni 2015 darüber informiert, dass es bei dem Beklagten Beweismittelordner mit Vernehmungsprotokollen gebe. Er wurde unter Angabe der Telefonnummer des Sachbearbeiters gebeten, einen Termin zur Akteneinsicht bei dem Beklagten zu vereinbaren (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 85). Im Folgenden entstand lediglich eine Kontroverse, ob der Bevollmächtigte im Zuge der Akteneinsicht auch Akten hinsichtlich der „Abnehmer des Klägers“ einsehen könne, die sich jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht bei dem Beklagten, sondern bei der StA F befanden (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 90 ff.). |
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| Mit gerichtlicher Mitteilung vom 6. Dezember 2018 wurde der Bevollmächtigte außerdem benachrichtigt, dass der Beklagte die Beweismittelordner und andere näher bezeichnete Akten hinsichtlich der steuerlichen Verhältnisse der Lieferanten nunmehr dem Gericht zur Verfügung gestellt hatte (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 225 i.V.m. Bl. 203 ff.). Auch in seinen Schriftsätzen hat der Beklagte stets unter Nennung der konkreten vorhandenen Akteninhalte angegeben, auf welche Akteninhalte er seine Rechtsauffassung in Bezug auf die vermeintlichen Lieferanten des Klägers stützt (zuletzt mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020, Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 34 ff.). Der vorliegende Akteninhalt wurde vom Beklagten im Hinblick auf B-GmbH, E-GmbH und C-GmbH dahingehend ergänzt, dass für das Streitjahr auch im weiteren Besteuerungsverfahren keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben wurden (Vermerk, Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 91). Soweit der Senat zur weiteren Sachaufklärung angeforderte Unterlagen erhalten hat, wurde der Bevollmächtigte hierüber in Kenntnis gesetzt (vgl. Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2015 hinsichtlich B-GmbH, Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 113). |
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| Ob und in welchem Umfang der Bevollmächtigte auf dieser Grundlage von seinem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch macht und sich selbst einen unmittelbaren Einblick in den vorliegenden Inhalt der Akten verschafft bzw. weshalb er vorliegend davon Abstand nahm, oblag allein seiner Entscheidung. Das Urteil des EuGH Glencore vom 16. Oktober 2019 C-189/18 (ABl EU 2019, Nr. C 423, 8-9) -auf welches der Bevollmächtigte in seinem Vortrag hinwies- bringt dies aus Sicht des Senats deutlich zum Ausdruck. Die Einsicht in die Akten des Beklagten und des Gerichts wurde dem Bevollmächtigten zu keinem Zeitpunkt verwehrt. Vielmehr hat der Bevollmächtigte die weitere Sachaufklärung des Berichterstatters im zweiten Rechtsgang ausdrücklich gerügt. Die konkreten Anfragen des Gerichts nach bestimmten Punkten erweckten bei ihm den Eindruck, das Gericht wolle einem der Beteiligten in ungewöhnlicher Weise „aufs Pferd helfen" (Schriftsatz vom 1. April 2020, S. 1 f., Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 51 f.). |
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| 5. Durch die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache durch den BFH wurde das Verfahren erneut beim FG Baden-Württemberg anhängig. Dadurch wird kein neues Verfahren eröffnet, sondern das ursprüngliche Verfahren, das für diese Instanz noch nicht abgeschlossen war, lediglich unter dem neuen Aktenzeichen (1 K 2492/19) fortgeführt. Die frühere Verhandlung bildet mit der neuen eine Einheit. Neue Anträge zum Verfahren und zur Sache sind möglich; neue Tatsachenermittlungen natürlich auch (Lange und Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, Stand Februar 2020, § 116 Rn. 289 und § 126 Rn. 60 m.w.N.; Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 126 Rn. 20). |
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| Vor diesem Hintergrund ist die Rüge des Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 1. April 2020 (Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 51 f.), der Senat verfahre durch sein Nachfragen zum Sachverhalt in der gerichtlichen Aufklärungsverfügung vom 24. Oktober 2019 in einer ungewöhnlichen Weise, nicht nachzuvollziehen. Eine „rechtliche fundierte Praxis der Gerichte“, dass der unterlegene Beteiligte nach einer Zurückverweisung lediglich „unspezifiziert“ aufgefordert werde, unter Berücksichtigung der Ausführungen des Obergerichts erneut zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen, kann es aufgrund der geschilderten verfahrensrechtlichen Wirkungen der Zurückverweisung nicht geben. |
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| Das weitere finanzgerichtliche Verfahren nach einer Zurückverweisung kann demzufolge zu einem veränderten Sachverhalt und damit zu einer anderen rechtlichen Würdigung führen. Es ist sogar zulässig, dass das neue Urteil für den Kläger ungünstiger als das alte ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 2007 II R 36/05, BFH/NV 2007, 1827). Dies ist kein Verstoß gegen das Verböserungsverbot (reformatio in peius), denn danach darf nur die Rechtsmittelinstanz die Entscheidung der Vorinstanz nicht zum Nachteil des (einzigen) Rechtsmittelführers verändern. Nach einer Zurückverweisung befindet sich das Verfahren aber wieder beim FG wie im Stand des ersten Rechtsgangs, lediglich mit der rechtlichen Bindung nach § 126 Abs. 5 FGO, der auch nach einem Zurückverweisungsbeschluss nach § 116 Abs. 6 FGO gilt (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, Stand Februar 2020, § 116 Rn. 289; Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 116 Rn. 67 m.w.N.). Daher besteht das Verböserungsverbot nur noch gegenüber dem ursprünglichen Steuerbescheid (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, Stand Februar 2020, § 126 Rn. 61; Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 126 Rn. 20). |
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| Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO). Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 136 Abs. 1 Satz 3 FGO). Das Maß des Unterliegens bzw. Obsiegens ergibt sich aus dem Unterschied zwischen den Anträgen und dem endgültig Erreichten (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121). |
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| In der Regel ist ein Unterliegen „nur zu einem geringen Teil" gegeben, wenn ein Beteiligter bei einer Kostenteilung nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO weniger als 5 % der Kosten des Verfahrens zu tragen hat. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO kann zwar nicht mehr anwendbar sein, wenn der Streitwert hoch ist (BFH-Urteil vom 21. April 2005 V R 11/03, BStBl II 2007, 63 Rn. 36 m.w.N). Ein hoher Streitwert allein führt aber nicht zu einem Ausschluss von § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, wenn -so wie vorliegend- der Beklagte lediglich i.H. von 3.193,28 Euro unterliegt. |
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| Der Kläger begehrt eine Umsatzsteuerfestsetzung i.H. von - 1.173.355,52 Euro, in dem er weitere Vorsteuerbeträge i.H. von insgesamt 1.115.044,59 Euro und die Nichtberücksichtigung der gemäß § 14c Abs. 2 UStG zugrunde gelegten Umsatzsteuer i.H. von 1.174.242,61 Euro begehrt. Der Beklagte begehrt die Klageabweisung hinsichtlich der im Umsatzsteuerbescheid vom 25. August 2014 festgesetzten Umsatzsteuer i.H. von 1.115.931,68 Euro. Insoweit als die festgesetzte Umsatzsteuer auf 1.112.738,40 Euro gemindert wird, unterliegt der Beklagte nur geringfügig (0,14%). |
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| Nach § 143 Abs. 2 FGO umfasst die Kostenentscheidung auch die Kosten des Revisionsverfahrens. |
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| 7. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. |
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| Die Klage ist überwiegend unbegründet. |
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| 1. Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 25. August 2014 ist -soweit eine Umsatzsteuer i.H. von 1.112.738,40 Euro festgesetzt wird- rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Im Übrigen ist der Bescheid rechtswidrig und wird geändert (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). |
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| Dabei kann es der Senat offenlassen, ob der Kläger Umsätze aus der vermeintlichen (Weiter-)Lieferung von Edelmetallen an die Bank I und M i.H. von 6.180.224,26 Euro nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG tatsächlich tätigte (vgl. Buchungen auf den Erlöskonten des Klägers Nr. xxxx und xxxy, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 156 f.) oder -wie der Beklagte vorträgt-- Steuerbeträge i.H. von 1.174.242,61 Euro unberechtigt in Rechnungen ausgewiesen hat (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG), denn jedenfalls schuldet er die daraus entstandene Umsatzsteuer. Der Kläger war Unternehmer und hat den von seinen Abnehmern erteilten Gutschriften unstreitig nicht widersprochen. |
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| Dass der Kläger im Übrigen Lieferungen und sonstige Leistungen i.H. von 296.487,03 Euro (einschließlich einer unentgeltliche Wertabgabe i.H. von 360 Euro) als Unternehmer ausführte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Versehentlich wurden allerdings Umsätze des Klägers an eine Firma Y i.H. von 20.335,25 Euro nicht erfasst (Bp-Bericht vom 31. Juli 2014, Tz. 13 und Tz. 28, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 153). Diese sind noch zu berücksichtigen. Dagegen ist der Betrag von 16.806,72 Euro, den der Beklagte als Einnahmen aus einer Botentätigkeit (50 x 400 Euro abzüglich der Umsatzsteuer) bei den Umsätzen des Klägers im Wege der Schätzung hinzugeschlagen hat, abzuziehen. Die Höhe des Schätzungsergebnisses ist insoweit nicht nachvollziehbar. Danach sind die Einnahmen des Klägers aus seinen Umsätzen mit insgesamt 316.822,28 Euro anzusetzen. |
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| Auf dieser Grundlage geht der Senat von einer Umsatzsteuer i.H. von 1.234.438,84 Euro (= 19 % aus 6.497.046,54 Euro) aus. |
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| 2. Der Kläger kann hiervon Vorsteuerbeträge nur i.H. von 121.700,44 Euro abziehen; er hat keinen Anspruch auf die weiteren begehrten, vorliegend streitigen Vorsteuerbeträge i.H. von 1.115.044,59 Euro. |
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| a) Ein Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an B-GmbH, C-GmbH, E-GmbH scheidet deshalb aus, weil sich der Senat nicht mit der notwendigen Gewissheit davon überzeugen kann, dass B-GmbH, C-GmbH, E-GmbH tatsächlich die Lieferungen getätigt haben, die den streitigen Vorsteuerabzug begründen sollen. |
|
| Der Abzug der in einer Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen Umsatzsteuer ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nur zulässig, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind (BFH-Urteile vom 14. Februar 2019 V R 47/16, BFH/NV 2019, 783 Rn. 20 mit Anmerkung Heuermann, Deutsches Steuerrecht --DStR- 2019, 1089, 1090 und Wäger, Entscheidungen des BFH für die Praxis der Steuerberatung --BFH/PR- 2019, 188, 189; vom 10. September 2015 V R 17/14, BFH/NV 2016, 80 Rn. 27; vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744 Rn. 32; vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628 Rn. 16; BFH-Beschluss vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133 Rn. 15). |
|
| Unionsrechtliche Grundlage des Vorsteuerabzugs sind Art. 167 und Art. 178 Buchst. a der seit dem 1. Januar 2007 geltenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Nach Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL u.a. eine ausgestellte Rechnung besitzen. Diese muss für Mehrwertsteuerzwecke gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL u.a. den vollständigen Namen des Steuerpflichtigen enthalten. |
|
| Aus der gebotenen teleologischen Auslegung von Art. 226 MwStSystRL folgt, dass die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, es den Steuerverwaltungen ermöglichen sollen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren (EuGH-Urteile Geissel und Butin vom 15. November 2017 C-374/16 und C-375/16, ABl EU 2018, Nr. C 22, 12 Rn. 41 und Barlis 06 vom 15. September 2016 C-516/14, ABl EU 2016, Nr. C 419, 6 Rn. 27). Demnach setzt der Vorsteuerabzug die Identität zwischen leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller voraus, denn die Angaben zur Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers sollen es ermöglichen, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und einem konkreten Wirtschaftsteilnehmer, dem Rechnungsaussteller, herzustellen (BFH-Urteil vom 14. Februar 2019 V R 47/16, BFH/NV 2019, 783 Rn. 25). |
|
| Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der den Rechtsanspruch auf Vorsteuerabzug begründenden Tatsachen trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer. Er trägt mithin den Nachteil daraus, wenn er diese Voraussetzung nicht beweisen kann (BFH-Beschlüsse vom 23. April 1998 V B 114/97, BFH/NV 1998, 1532 Rn. 11 und vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133 Rn. 18; BFH-Urteile vom 24. April 1986 V R 110/76, BFH/NV 1987, 745 Rn. 10 und vom 19. Oktober 1978 V R 39/75, BStBl II 1979, 345 Rn. 10). |
|
| aa) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist dem Kläger der Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH nicht zu gewähren. |
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| Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den zugrundeliegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 14. Februar 2019 V R 47/16, BFH/NV 2019, 783 Rn. 27; vom 10. September 2015 V R 17/14, BFH/NV 2016, 80 Rn. 32; vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628 Rn. 16; vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259 Rn. 31 und vom 12. Mai 2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541 Rn. 16). |
|
| Eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne besteht in der Verschaffung der Verfügungsmacht zugunsten des Leistungsempfängers (§ 3 Abs. 1 UStG). Das bedeutet, dass ihm Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen werden. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden. Der Lieferer kann dem Abnehmer die Verfügungsmacht an dem Gegenstand auch dadurch verschaffen, dass er einen Dritten, der die Verfügungsmacht bislang innehat, mit dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragt (BFH-Urteile vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BStBl II 1999, 628 Rn. 16 und vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259 Rn. 31). Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Vertretung und Eigengeschäft ist nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-), wie der Käufer des Verhalten der handelnden Personen verstehen durfte (Empfängerhorizont; vgl. Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 370 Rn. 370d; Heidner in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 15 Rn. 37 f.). |
|
| Der Beklagte führt mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020 (Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 29 ff.) aus, B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH hätten keine Lieferungen von Altedelmetallen von ihren jeweiligen Rechnungsausstellern bezogen. Nach den vorliegenden Ermittlungsberichten sei daher davon auszugehen, dass diese selbst keine Verfügungsmacht über das Altgold besessen hätten, welches sie nach den Rechnungen an den Kläger geliefert haben wollen. Insofern lägen lediglich Abdeckrechnungen vor, was der Kläger bestreitet (Schriftsatz vom 1. April 2020, S. 4, Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 54). |
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| Angesichts der verschiedenen behaupteten Geschehensabläufe hat der Senat erhebliche Zweifel, dass B-GmbH überhaupt in ausreichendem Umfang Altedelmetalle bezog, um es an den Kläger zu liefern: |
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| Einerseits hat der Rechtsanwalt des X. X., dem Geschäftsführer der B-GmbH, ausgeführt, dass sich aus eigener Kenntnis der B-GmbH und des X. X. nicht erschließen würde, inwieweit Y. N. bzw. die N GmbH in Einzelgeschäfte verwickelt gewesen seien (BMO II, Fach 23, S. 22). Weiter hat Y. N. in seinem Strafverfahren vor dem LG Z bei seinen Angaben zu den Schwarzverkäufen an einzelne Abnehmer auch den X. X. genannt und hierzu ausgeführt, dass er im Zeitraum von etwa April/Mai 2009 bis September 2010 Gold im Wert von „etwa 8 Mio. Euro“ an X. X. geliefert habe (BMO II, Fach 23, S. 22). |
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Der Beklagte hingegen verweist insoweit auf den Bericht der Steufa des FA Y über die Fahndungsprüfung bei B-GmbH vom 27. August 2012 (BMO II, Fach 23, S. 4 f.). Demnach sei der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen über Edelmetallankäufe der B-GmbH nicht möglich, die erstellt worden seien von: |
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- W GmbH, [ ___ ] |
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- V Handel GmbH, [ ___ ], |
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- C-GmbH und |
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- E-GmbH. |
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| Von diesen Firmen seien keine Lieferungen an die B-GmbH durchgeführt worden. Bei den jeweils ausgestellten Rechnungen handele es sich um Abdeckrechnungen für vermutlich von der N GmbH oder Y. N. stammende Ware. Damit die N GmbH diese Erlöse nicht der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen habe, seien Abdeckrechnungen ausgestellt worden, welche die tatsächliche Herkunft des Edelmetalls verschleiern sollten. Auch habe die B-GmbH keine Lieferungen an den Kläger ausgeführt. |
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| X. X., der Geschäftsführer der B-GmbH, habe sich zwar dahingehend eingelassen, dass die Lieferungen tatsächlich von der W GmbH, der V GmbH, E-GmbH sowie C-GmbH an ihn ausgeführt worden seien (Bericht in der Steuerstrafsache X. X. vom 27. August 2012, BMO II, Fach 23, S. 11 ff.). |
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| Dem widerspreche aber die Aussage einer Angestellten der M, J Y, vom 3. Februar 2011. Danach seien die Geschäftsführer der W GmbH, eine Frau Ü-B, und der V GmbH, ein Herr B, bei einem ersten Kontakt gemeinsam mit X. X. bei der M erscheinen. X. X. habe die erschienenen „Eheleute“ als Kunden empfohlen. Das Gold sei stets in den gleichen durchsichtigen Plastiktüten verpackt gewesen, unabhängig davon, ob es für die W GmbH oder V GmbH abgegeben worden sei. Ihr sei aufgefallen, dass noch andere Kunden Altgold in den gleichen „auffälligen“ Tüten verpackt hätten. Hieraus habe sie geschlossen, dass das Gold aus der gleichen Quelle komme. X. X. habe die gleichen Tüten verwendet. Sie vermute, dass die Tüten von Y. N. stammten, den sie als Goldhändler kenne. Sie sei zweimal im Juli und August 2010 in den Geschäftsräumen bei der N GmbH in A gewesen, um „ihn“ als Kunden zu akquirieren. Es sei aber zu keinem Geschäftsabschluss zwischen Y. N. und der M gekommen. Bei dem ersten Treffen mit Y. N. in A sei plötzlich X. X. aufgetaucht, aber gleich wieder gegangen, als er sie gesehen habe. Da alle die gleichen Tüten verwendet hätten, vermute sie, dass auch das Gold für die W GmbH und V GmbH von Y. N. stamme (BMO II, Fach 23, S. 12 f.). |
|
| Die angeblichen Vorlieferanten der C-GmbH, ein H U, TR und DG hätten ebenfalls keine Edelmetalle geliefert. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass die C-GmbH Altgold tatsächlich von anderen Personen oder Firmen bezogen habe, welches sie an die B-GmbH hätte liefern können. Auf dem Konto der C-GmbH seien im Jahr 2010 nur drei Überweisungen von B-GmbH eingegangen. Die Überweisungsbeträge hätten nicht den einzelnen Rechnungen zugeordnet werden können. Auch sei aufgrund von Durchsuchungsmaßnahmen aufgefallen, dass alle Rechnungen der C-GmbH an B-GmbH um 8 bis 58 Tage rückdatiert worden seien. In einer Gesamtschau ergebe sich, dass die C-GmbH tatsächlich kein Altgold an B-GmbH geliefert habe. Unterstellt, es hätten tatsächlich Lieferungen an B-GmbH stattgefunden, hätte C-GmbH ein Interesse daran haben müssen, ihre Forderungen gegenüber B-GmbH schnellstmöglich geltend zu machen. Die Rechnungstellung mit bis zu zweimonatiger Verzögerung sei nicht nachvollziehbar. Auch insofern könne es sich um Abdeckrechnungen für die von Y. N. bzw. der N GmbH stammende Ware handeln (BMO II, Fach 23, S. 16 bis 18). |
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| Gleiches hätten die Ermittlungen im Hinblick auf die vorgeblichen Lieferungen der E-GmbH an B-GmbH ergeben. Hierzu hätten zudem die Erkenntnisse der Steufa des FA L ergeben, dass die angeblich gelieferten Goldmengen nicht vom Aussteller der Rechnungen, einem J O, stammen könnten (BMO II, Fach 23, S. 18 bis 21). |
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| Angesichts der verschiedenen behaupteten Geschehensabläufe hat der Senat mithin erhebliche Zweifel, dass B-GmbH überhaupt in ausreichendem Umfang Altgold bezogen hatte, um es an den Kläger zu liefern (lt. den Gutschriften des Klägers immerhin ca. 118 kg im Juli und August 2010). Die vermeintlichen Lieferanten W GmbH, V GmbH, C-GmbH sowie E-GmbH waren -davon ist der Senat überzeugt- jedenfalls dazu nicht in der Lage. Ebenso bleibt unklar, ob B-GmbH -falls die Edelmetalle tatsächlich von Y. N. bzw. der N GmbH oder einem Dritten stammten- gegenüber dem Kläger im eigenen Namen oder als Vertreter des Y. N. bzw. der N GmbH oder einem Dritten aufgetreten sein soll. Jedenfalls kann sich der Senat unter Würdigung aller Gesamtumstände nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass B-GmbH als Empfänger der Gutschriften auch tatsächlich die Edelmetalllieferungen an den Kläger bewirkte. |
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| Im Bericht der Steufa des FA Q vom 26. April 2012 -auf den der Beklagte in diesem Zusammenhang verweist- heißt es, dass bei der C-GmbH keine Geschäfte mit dem An- und Verkauf von Altedelmetallen erkennbar seien, an denen Personen oder Firmen beteiligt seien. Der Geschäftsführer der C-GmbH, G F, scheine solche Geschäftsbeziehungen auch nicht angestrebt zu haben. Es sei nicht erkennbar, dass für die Geschäfte der C-GmbH geworben oder sonstige Kundenakquise betrieben worden wäre, wie dies sonst bei Handelsfirmen üblich sei. Es sei nur bei einem Lieferanten Altgold bezogen und auch nur an einen Abnehmer geliefert worden (M; BMO II, Fach 24, S. 42 ff.). Bezüglich der vermeintlichen Lieferungen von Altgold an B-GmbH und an den Kläger sei festzustellen, dass diese tatsächlich nicht stattgefunden hätten (BMO II, Fach 24, S. 34). |
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| So habe der Rechnungsaussteller (H U) kein Altgold an die C-GmbH geliefert. Es seien bei Durchsuchungsmaßnahmen in den Geschäftsräumen der C-GmbH am 15. September 2010 eine Reihe von zerrissenen Rechnungen bzw. Rechnungsmustern, ein Blanko-Briefvordruck und Empfangsbestätigungen des HU sichergestellt worden. GF habe diesbezüglich ausgesagt, dass HU seine Rechnungen in den Geschäftsräumen der C-GmbH geschrieben und ausgedruckt habe. Dies sei aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht glaubhaft. Auch seien Rechnungen mit divergierenden Belegnummern sichergestellt worden, was darauf hindeute, dass im Zusammenhang mit der Erstellung dieser Belege „experimentiert“ worden sei (BMO II, Fach 24, S. 43). Auch auf den Computern des GF und dessen Sohn (M F) seien Blanko-Rechnungsvordrucke des HU gefunden worden (BMO II, Fach 24, S. 44). |
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| Entsprechendes gelte für den vermeintlichen Lieferanten des TR und DG (BMO II, Fach 24, S. 97 f. und 98 f.). |
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| Y. N. -als ein möglicher tatsächlicher Lieferant von Altgold- habe zudem angegeben, jedenfalls nicht mit der C-GmbH in einer Geschäftsverbindung gestanden zu haben. Die Altgoldverkäufe sollen demnach direkt an GF erfolgt sein (BMO II, S. 46). |
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| Aufgrund dessen zweifelt der Senat auch im Hinblick auf die C-GmbH als vorgebliche Lieferantin des Klägers an deren tatsächlicher Leistungserbringung und damit an deren Stellung als Leistender. Es ist unklar, von wem die C-GmbH rd. 55 kg Altgold bezogen haben soll, das dann -nach dem Vortrag des Klägers- an ihn geliefert worden sein soll. Von HU, TR und DG stammten die (Vor-)Lieferungen jedenfalls nicht. |
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| Nach dem Bericht der Steufa des FA C vom 17. Januar 2011 hatte die vorgebliche Lieferantin der D-GmbH, die U-GmbH, den Bezug von Altgold nur vorgetäuscht (BMO II, Fach 25, S. 5). Auch hatte die alleinige Gesellschafterin der D-GmbH, GE, zu der Frage, woher die D-GmbH überhaupt Edelmetalle bezogen habe, nur angeben können: „Weiß ich nicht.“ (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage vom 10. März 2011, S. 2). |
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| Der Geschäftsführer der D-GmbH (DH) sagte zwar aus, dass er aufgrund der Empfehlung des MS tätig geworden sei, das Altgold von der U-GmbH bezogen und an den Kläger, die P-KG und eine T-KG verkaufte habe. Er habe aber nach einem anfänglichen Kontakt nichts mehr mit der U-GmbH zu tun gehabt. Bei den Lieferungen habe er nur die erste und die letzte Lieferung gesehen. Alles Weitere habe MS für ihn erledigt, welcher das Altgold jeweils von U-GmbH bekommen und dann „nach X“ verbracht habe. Preisverhandlungen habe er selbst nicht geführt. Auch sei er bei der Anlieferung des Altgoldes nicht mit dabei gewesen (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage vom 10. März 2011, S. 2 f.). Dies bestätigte er auch in einer weiteren Vernehmung am 25. März 2011 und ergänzte, dass die „beiden Herrschaften“ -der Geschäftsführer der U-GmbH, ein AE, und M S- die Goldgeschäfte selbst abgewickelt hätten. Er habe nicht gewusst, woher M S das Altgold erhalten habe (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage, S. 2). Danach gefragt, warum er Rechnungsvorlagen der U-GmbH auf seinem Computer habe, führte DH aus, er könne das so nicht beantworten. Er habe jedenfalls keine „eigenen“ Rechnungen daraus erstellt. Vielleicht habe er das „mal so spielerisch übernommen“. Auf die weitere Frage, ob er diese Vorlage schon seit Juni 2010 auf seinem Computer gehabt habe, sagte er, dass das schon sein könne. Er wolle das aber nicht weiter vertiefen (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage, S. 4). |
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| Aus dem Bericht der Steufa das FA H vom 27. Januar 2010 ergibt sich, dass MS am 29. April 2009 alle Geschäftsanteile an einer O- GmbH (nachfolgend: O-GmbH; AG H, HRB xxx) erworben hatte und als deren Geschäftsführer bestellt worden war. Die O-GmbH habe Geschäftsbeziehungen zu den in X ansässigen Scheideanstalten P-KG und M unterhalten (BMO II, Fach 25, S. 3). |
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| Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass die U-GmbH Edelmetalle nicht an die D-GmbH, sondern unmittelbar an MS bzw. dessen O-GmbH lieferte. MS hatte jedenfalls ein erhebliches Eigeninteresse daran, die Altgoldlieferungen tatsächlich über seine O-GmbH auszuführen und die D-GmbH, mit einem im Wesentlichen inaktiven Geschäftsführer und einer uninformierten Gesellschafterin lediglich als Rechnungsausstellerin und Zahlstelle fungieren zu lassen. So führte DH aus, dass die Geldbeträge jeweils auf ein Konto bei der Bank II überwiesen worden seien. Er habe dann das Geld jeweils im Beisein von AE, der nach den Erkenntnissen der Steufa des FA F im Inland nicht greifbar ist, und MS abgehoben und übergeben (BMO II, Fach 25, Zeugenaussage vom 10. März 2011, S. 3). Bei seiner Überzeugungsbildung berücksichtigt der Senat auch, dass die Steufa des FA H bereits seit August 2009 wegen der Besteuerungszeiträume Juni bis Oktober 2009 gegen MS ermittelte und dieser angab, seinen Handel mit Altgold ab Mitte November 2009 eingestellt zu haben (Bericht vom 27. Januar 2010, BMO II, Fach 25, S. 2 und 10). Diesen Angaben ist zu entnehmen, dass MS jedenfalls mit Altgold gehandelt hatte. |
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| In Anbetracht der geschilderten Gesamtumstände kann sich der Senat auch hinsichtlich des Vorsteuerabzugs des Klägers aus den Gutschriften der D-GmbH nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugen, dass leistender Unternehmer und der Empfänger der Gutschriften identisch sind. |
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| Der Fahnder der Steufa des FA L führt in seinem Ermittlungsbericht vom 5. September 2011 aus, die Lieferbeziehung zwischen JO und der E-GmbH sei nur vorgetäuscht worden. Wahrscheinlich sei dagegen, dass das Altedelmetall von Y.N. stamme. Die E-GmbH habe dazu gedient, die tatsächlichen Geschäftspartner zu verschleiern (BMO II, Fach 26, S. 23). Weiter führte das AG L in den Gründen zu seinem Strafurteil gegen den Geschäftsführer der E-GmbH, RM, vom 11. April 2013 6 xx / xxx verbunden mit yyy / xxx aus, dass JO nicht der leistende Unternehmer gewesen sei. Nach den Einlassungen des RM sei dieser zwar der einzige Lieferant gewesen. Dieser habe jedoch über keinen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt. In den Geschäftsräumen des RM seien Blanko-Unterlagen des JO aufgefunden worden. Eine vermeintliche Goldübergabe durch den angeblichen JO am 6. September 2010 habe anhand einer sichergestellten Videoaufnahme nicht nachvollzogen werden können (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 219). |
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| In einem weiteren Bericht der Steufa des FA L vom 15. August 2011 wurde zudem festgestellt, dass JO Altgold an KF verkauft habe, welcher den Rechnungsbetrag bar übergeben habe. Der Bericht führt hierzu u.a. aus, dass der zu dieser Rechnung gehörende Lieferschein von JO allerdings nicht an KF adressiert gewesen sei, sondern an die E-GmbH. Der Lieferschein an die E-GmbH und die Rechnung an KF datierten jeweils vom 1. September 2010 (BMO II, Fach 26, S. 8 f.). |
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| Aufgrund dieser Gesamtumstände kann der Senat -ebenso wie hinsichtlich der anderen vorgeblichen Lieferanten des Klägers B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH- nicht zu der notwendigen Überzeugung gelangen, dass die E-GmbH tatsächlich über die ausreichende Menge an Edelmetall verfügte, die nach den durch den Kläger erteilten Gutschriften von ihr geliefert worden sein soll. Von dem vermeintlichen Vorlieferanten JO stammt sie jedenfalls nicht. Dass die vermeintlichen Vorlieferanten des Klägers für einen Dritten (Y. N. bzw. die N GmbH) im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung auftraten, steht ebenfalls nicht fest. |
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| b) Ein Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an D-GmbH scheidet außerdem deshalb aus, weil diese keine vollständige Anschrift des (vermeintlich) leistenden Unternehmers i.S.v. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG enthalten. |
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| Eine Rechnung muss den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen, insbesondere Angaben über den leistenden Unternehmer nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG enthalten (BFH-Urteil vom 16. Januar 2014 V R 28/13, BStBl II 2014, 867 Rn. 10). Bei der Ausführung von Umsätzen an einen Unternehmer kann eine Rechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG auch vom Leistungsempfänger ausgestellt werden, sofern dies zuvor vereinbart wurde (Gutschrift). |
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| Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung setzt zwar -anders als der Beklagte meint- nicht voraus, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden muss, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Es reicht vielmehr jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift. Allerdings muss der Unternehmer unter dieser Anschrift zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung erreichbar sein (BFH-Urteile vom 21. Juni 2018 V R 25/15, BFH/NV 2018, 1053 und V R 28/16, BFH/NV 2018, 1055 im Anschluss an EuGH-Urteil Geissel und Butin vom 15. November 2017 C-374/16 und C-375/16, ABl EU 2018, Nr. C 22, 12). Die Feststellungslast für die postalische Erreichbarkeit zu diesem Zeitpunkt trifft den den Vorsteuerabzug begehrenden Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 5. Dezember 2018 XI R 22/14, BFH/NV 2019, 365 Rn. 21). |
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| An der Erreichbarkeit der D-GmbH bestehen erhebliche Zweifel, denn die alleinige Gesellschafterin der D-GmbH (G E) sagte aus, sie wisse nichts von Gutschriften, die der Kläger erteilt haben solle (Zeugeneinvernahme, S. 4, BMO II, Fach 25), obwohl in diesen Gutschriften jeweils die Privatanschrift der GE als Empfangsadresse angegeben war. Überdies sagte GE am 10. März 2011 aus, sie sei von DH bereits seit eineinhalb Jahren getrennt (Zeugeneinvernahme, S. 2, BMO II, Fach 25), so dass dieser im Zeitraum der Gutschrifterteilung vom 7. August bis 6. September 2010 nicht mehr unter der Privatanschrift der GE gewohnt haben kann. |
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| Damit ist nach Auffassung des Senats die Richtigkeit der Rechnungsangaben insofern erschüttert, so dass der Kläger den Nachteil aus der Nichterweislichkeit dieser Voraussetzung des Vorsteuerabzugs zu tragen hat (vgl. Korn in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 14 Rn. 63). |
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| c) Ein Vorsteuerabzug aus den in den Gutschriften an B-GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen ist zudem zu versagen, weil nicht der vollständige Name des Leistenden angegeben wurde. |
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| Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG muss eine Rechnung den vollständigen Namen des leistenden Unternehmers angegeben. Dabei muss der Leistende eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Rechnung ersichtlich sein. Die Rechnung muss grundsätzlich den richtigen Namen (Firma) und die richtige Anschrift angegeben (Korn und Heidner in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 14 Rn. 63 und § 15 Rn. 135). |
|
| In den Gutschriften ist als Leistende eine „B, Inh. X. X.“ angegeben. Nach den Ausführungen des Klägers stand er dagegen in einer Geschäftsbeziehung mit einer „B-GmbH …-Vertriebs GmbH“. Beide Namen unterscheiden sich erheblich sowohl im Hinblick auf die Firmenbezeichnung und die Rechtsform. Ob es das Einzelunternehmen „B, Inh. X. X.“ überhaupt gab und ob dieses bejahendenfalls ebenfalls unter der Geschäftsadresse [ ___ ] im Zeitpunkt der vermeintlichen Leistungen seinen Sitz hatte, erschließt sich dem Senat weder aus dem Vortrag der Beteiligten noch aus dem Akteninhalt. Jedenfalls ist der in den Gutschriften angegebenen Name mehrdeutig und daher geeignet, Verwechselungen zu begünstigen. Eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit des vermeintlich Leistenden ist aufgrund der Gutschriften daher nicht gegeben. |
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| Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt. Folglich darf die Steuerverwaltung, wenn sie über die Angaben verfügt, die für die Feststellung des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen erforderlich sind, hinsichtlich des Rechts des Steuerpflichtigen auf Abzug dieser Steuer keine zusätzlichen Voraussetzungen aufstellen, die die Ausübung dieses Rechts vereiteln können. Dabei darf sich die Steuerverwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken. Sie hat auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen (EuGH-Urteil Barlis 06 vom 15. September 2016 C-516/14, ABl EU 2016, Nr. C 419, 6 Rn. 42 bis 44; Korn und Heidner in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 14 Rn. 64 bis 66 und § 15 Rn. 135). |
|
| Allerdings hat der Kläger keine weiteren Informationen (z.B. Vertragsunterlagen) vorgelegt, noch ergeben sich diese aus dem Inhalt der Akten, so das dem Senat eine ergänzende Auslegung nicht möglich ist. Eine Rechnungsberichtigung erfolgte nicht (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 54/14, BFH/NV 2017, 488). |
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| d) Selbst wenn aber B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH tatsächlich an den Kläger geliefert haben sollten -was der Senat im Folgenden nur hilfsweise unterstellt-, steht dem Kläger das Recht auf Vorsteuerabzug auch deshalb nicht zu, da er hätte wissen müssen, dass die betreffenden Umsätze in die jeweilige durch die Verantwortlichen von B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen waren. |
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| aa) Grundsätzlich steht einem Abzug der Vorsteuer beim Leistungsempfänger nicht entgegen, wenn der Lieferant die für diese Verkaufsumsätze geschuldete Mehrwertsteuer nicht an den Fiskus entrichtet. Sind die vorgesehenen formellen und materiellen Voraussetzungen für die Entstehung und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt, ist es mit der Vorsteuerabzugsregelung der MwStSystRL nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung dieses Rechts zu sanktionieren (EuGH-Urteil PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14, ABl EU 2015 Nr. C 414, 7 Rn. 45 und 49). |
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| Allerdings ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel der MwStSystRL, das anerkannt und gefördert wird. Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (EuGH-Urteile Mahagebén und Dávid vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5; Maks Pen vom 13. Februar 2014 C-18/13, ABl EU 2014, Nr. C 93, 16; Bonik vom 6. Dezember 2012 C-285/11, ABl EU 2013, Nr. C 26, 10; Kittel und Recolta Recycling vom 6. Juli 2006 C-439/04 und C-440/04, ABl EU 2006, Nr. C 212, 4-5; PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14, ABl EU 2015 Nr. C 414, 7 sowie Paper Consult vom 19. Oktober 2017 C-101/16, ABl EU 2017, Nr. C 424, 3-4). |
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| Dies ist nicht nur der Fall, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht, sondern auch, wenn ein Steuerpflichtiger wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (im BFH-Beschluss vom 3. Juli 2019 XI B 17/19, BFH/NV 2019, 1351 Rn. 15 wird der Begriff komplementär mit dem Terminus Mehrwertsteuerbetrug verwendet). Unter solchen Umständen ist der betreffende Steuerpflichtige für die Zwecke der MwStSystRL als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt (EuGH-Urteil PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14, ABl EU 2015 Nr. C 414, 7 Rn. 48). |
|
| Es ist Sache der Steuerverwaltung, die Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten seitens des Ausstellers der Rechnung festgestellt hat, aufgrund objektiver Anhaltspunkte und ohne vom Rechnungsempfänger ihm nicht obliegende Überprüfungen zu fordern, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug geltend gemachte Umsatz in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Dabei kann die Steuerverwaltung zwar von einem Steuerpflichtigen nicht generell verlangen, zum einen zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, verfügte, sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder zum anderen entsprechende Unterlagen vorzulegen. Der Steuerpflichtige kann aber beim Vorliegen von Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung dazu verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Welche Maßnahmen allerdings im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (EuGH-Urteil PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14, ABl EU 2015 Nr. C 414, 7 Rn. 50 bis 52; für Voranmeldungs- und Besteuerungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2019 enden -also nicht vorliegend-, ist die Versagung des Vorsteuerabzugs nunmehr gesetzlich in § 25f Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 30 UStG normiert). |
|
| Dabei geht der Senat davon aus, dass ein Wissen oder Wissenmüssen der Einbeziehung in eine Mehrwertsteuerhinterziehung (zumindest) Fahrlässigkeit voraussetzt (§ 122 Abs. 2 BGB). Dabei genügt jeder Grad von Fahrlässigkeit, es muss nicht grobe Fahrlässigkeit vorliegen. Ein Steuerpflichtiger handelt danach fahrlässig, wenn er bei gehöriger Aufmerksamkeit und sorgfältigem Handeln die Einbeziehung in eine Mehrwertsteuerhinterziehung hätte erkennen können (BFH-Urteil vom 19. Mai 2010 XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132 Rn. 29; Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 24. November 2010 7 K 2356/06, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 918 Rn. 37 ff.; a.A. Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 12. September 2019 7 V 7096/19, juris Rn. 34; vgl. Treiber, Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2015, 626, 635, Fn. 103, der die Frage offen lässt, und Wäger, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2015, 81, 87, der zwar bedingten Vorsatz für möglich hält, gleichzeitig aber ausführt, dass wohl auch eine fahrlässige Beteiligung vom EuGH als ausreichend angesehen wird). |
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| Der Vorsteuerabzug ist nur dann zu versagen, wenn die (vorgeblichen) Lieferanten bzw. deren gesetzlichen Vertreter vorsätzlich i.S. des § 370 der Abgabenordnung (AO) oder leichtfertig i.S. des § 378 AO unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen hätten (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Eine missbräuchliche oder betrügerische Nichtentrichtung der Steuer (§ 26b und § 26c UStG) genügt demgegenüber nicht, denn die Nichtabführung von Mehrwertsteuer stellt unabhängig davon, ob sie vorsätzlich erfolgt oder nicht, keinen Mehrwertsteuerbetrug i.S. von Art. 325 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dar (BFH-Beschluss vom 3. Juli 2019 XI B 17/19, BFH/NV 2019, 1351 Rn. 17 bis 20 m.w.N.; Beschluss des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 15. Mai 1997 5 StR 45/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 1997, 941). |
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| Die im Steuerrecht verwendeten Begriffe des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts sind dabei materiell-rechtlich wie im Strafrecht zu beurteilen. Dagegen ist die Frage, ob diese Tatbestandsmerkmale tatsächlich erfüllt sind, nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, sondern nach den Verfahrensvorschriften der AO und der FGO zu prüfen, da es sich lediglich um eine strafrechtliche Vorfrage im Rahmen einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids handelt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 2013 VIII R 27/10, BStBl II 2014, 295 Rn. 16). |
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| Eine Umsatzsteuerhinterziehung i.S.v. § 370 Abs. 1 AO kann durch die Nichterklärung oder nicht vollständige Erklärung von Umsätzen, aber auch durch die sog. Vorsteuererschleichung begangen werden. Die Vorsteuererschleichung geschieht durch die Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs, obwohl die Voraussetzung des § 15 UStG nicht vorliegen. Einer Steuerhinterziehung durch zu Unrecht abgezogene Vorsteuer steht damit der Steuerhinterziehung durch Nichterklärung der Ausgangsumsätze gleich. Für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug sind die Verhältnisse bei Bezug der Leistung maßgebend. Deshalb schließt eine spätere Kenntnis von der zunächst unerkannten Einbindung den Vorsteuerabzug nicht aus (BGH-Beschluss vom 5. Februar 2014 1 StR 422/13, MwStR 2014, 278 Rn. 14; Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 370 Rn. 370 f. m.w.N.). |
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| Eine vorsätzliche Tatbegehung setzt Kenntnis und Wollen der Verwirklichung des Merkmales des objektiven Tatbestandes voraus. Der Täter muss die nach Gegenstand, Zeit und Ort bestimmte Handlung zumindest in allen wesentlichen Beziehungen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten der Ausführung, in seine Vorstellungen und in seinen Willen aufgenommen haben. Es genügt ein bedingter Vorsatz, wonach ausreichend ist, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz). Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 370 Rn. 175 m.w.N.). |
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| Leichtfertig i.S.v. § 378 Abs. 1 Satz 1 AO handelt derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 378 Rn. 20 m.w.N.). |
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| bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger von den Mehrwertsteuerhinterziehungen von B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH bei Bezug der unterstellten Lieferungen und seiner jeweiligen Einbeziehung zumindest hätte wissen müssen, so dass ihm der Vorsteuerabzug i.H. von 1.115.044,59 Euro zu versagen ist. |
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| Der Geschäftsführer der B-GmbH, X. X., beging eine Steuerhinterziehung, in dem er Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der E-GmbH i.H. von 900.643,28 Euro und der C-GmbH i.H. von 180.024,07 Euro in seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Juli und August 2010 geltend machte, obwohl diese keine Altgoldlieferungen an B-GmbH getätigt haben. |
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| Der Senat stützt seine Überzeugung auf den Bericht der Steufa des FA Y vom 27. August 2012 (BMO II, Fach 23, S. 16 f., 20 f. und 32 f.), deren Erkenntnisse bereits oben unter Ziffer 2 a) bb) der Entscheidungsgründe dargelegt wurden. |
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| Mangels tatsächlicher Lieferungen von Altgold liegen sog. Abdeckrechnungen vor, die nicht zu einem Vorsteuerabzug berechtigen (Heidner in Bunjes, UStG, 18. Aufl., 2019, § 15 Rn. 158 m.w.N.). Dass B-GmbH die vorgeblichen Umsätze mit dem Kläger i.H. von 246.602 Euro im Juli und i.H. von 3.298.892 Euro im August 2010 angab, ändert an der vollendeten Steuerhinterziehung nichts. |
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| Für das Jahr 2010 gab X. X. für die B-GmbH zudem keine Umsatzsteuererklärung ab. Darin hätte er zumindest die vermeintlichen Umsätze an den Kläger i.H. von 3.298.892,44 Euro oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge von 626.789,56 Euro angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug stand der B-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zu. |
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| Am 13. August 2010 wurde ein Steuerstrafverfahren gegen ihn eingeleitet. Da er sich seit dieser Zeit nicht mehr in Deutschland aufhielt, konnte das Verfahren gegen ihn nicht abgeschlossen werden. |
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| X. X. nahm es zumindest billigend in Kauf, dass aufgrund seiner unrichtigen Angaben eine Verkürzung von Umsatzsteuer eintrat. Seine Flucht diente allein dazu, sich den steuerlichen Konsequenzen vorsätzlich zu entziehen. |
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| Der Geschäftsführer der C-GmbH, G F, beging eine Steuerhinterziehung, indem er zu den gesetzlichen Anmeldeterminen am 10. Juli 2010 und am 10. Oktober 2010 keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgab (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UStG). |
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| Zudem hat GF keine Umsatzsteuererklärung für 2010 abgegeben. Darin hätte er zumindest die vermeintlichen Umsätze an den Kläger i.H. von 1.646.389,24 Euro oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge von 312.813,95 Euro angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug stand der C-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zu. |
|
| Das AG K stellte in seinem Urteil vom 13. März 2014 270 xyx xxx in der Strafsache gegen MF -dem Sohn des Geschäftsführers der C-GmbH (G F)-- fest, dass GF die rechtzeitige Abgabe der erforderlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen unterließ, obgleich die C-GmbH im 2. und im 3. Kalendervierteljahr 2010 Umsätze von 4.080.824,99 Euro und 8.965.806,88 Euro erzielte. Unter Berücksichtigung von geringfügigen Vorsteuerbeträgen habe GF im gemeinsamen Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Y. N. Umsatzsteuer i.H. von insgesamt 2.473.926,93 Euro hinterzogen. Diese Summe setze sich aus den Steuern für das 2. Kalendervierteljahr 2010 i.H. von 771.559,73 Euro sowie für das 3. Kalendervierteljahr 2010 i.H. von 1.702.367,20 Euro zusammen (Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 43 f.) |
|
| Diesen Feststellungen schließt sich der Senat an. Sie decken sich im Übrigen mit den Erkenntnissen des Berichts der Steufa des FA Q vom 26. April 2012 (BMO II, Fach 24), die bereits oben unter Ziffer 2 a) cc) der Entscheidungsgründe in Bezug genommen wurden. |
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| GF nahm dabei billigend in Kauf, dass Umsatzsteuer verkürzt wurde, indem er die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis ließ. Seine Flucht diente allein dazu, sich den steuerlichen Konsequenzen zu entziehen und ist ein weiteres Indiz für seine vorsätzliche Tatbegehung. |
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| Der Geschäftsführer der D-GmbH, DH, beging nach Auffassung des Senats eine Steuerhinterziehung, indem er die Umsatzsteuererklärung für 2010 nicht abgab (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG). Darin hätte er zumindest die vermeintlichen Umsätze an den Kläger i.H. von 617.868,29 Euro oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge von 117.394,98 Euro angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug stand der D-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zu. |
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| In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen des Jahres 2010 (1. bis 4. Kalendervierteljahr 2010) erklärte er zudem unzutreffend Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der U-GmbH i.H. von insgesamt 124.141,08 Euro und akzeptierte zudem die Gutschriften des Klägers, die Steuerbeträge i.H. von 117.394,98 Euro ausweisen, ohne diese zu erklären (BMO II, Fach 19). |
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| Da die U-GmbH tatsächlich kein Altgold an die D-GmbH lieferte, bestand insoweit keine Berechtigung zur Geltendmachung von Vorsteuern durch die D-GmbH. Auf die Ausführungen der Entscheidungsgründe unter Ziffer 2 a) dd) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. |
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| Ausweislich seiner Zeugeneinvernahme waren D H die Tatumstände bekannt. Er nahm den Taterfolg zumindest billigend in Kauf. Er wusste, dass er von A E, dem Geschäftsführer der U-GmbH, und M S, nur dazu benutzt wurde, um die tatsächlichen Lieferungen von Edelmetall zu verschleiern. |
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| Der Geschäftsführer der E-GmbH, R M, beging eine Steuerhinterziehung, in dem er für das Jahr 2010 keine Umsatzsteuererklärung abgab. Dadurch unterließ er es, einen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag nach § 14c Abs. 2 UStG i.H. von 1.079.486,96 Euro zu erklären. Zumindest hätte er die vermeintlichen Umsätze an den Kläger i.H. von 77.424,20 Euro oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge i.H. von 14.710,60 Euro angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug stand der E-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zu. Auf die Ausführungen der Entscheidungsgründe unter Ziffer 2 a) ee) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. |
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| Zudem unterließ er es vorsätzlich, eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2010 einzureichen. Dadurch wurde wie von ihm geplant und beabsichtigt Umsatzsteuer i.H. von 239.683,14 Euro verkürzt. Aufgrund dessen wurde er vom AG L wegen Steuerhinterziehung mit Urteil vom 11. April 2013 6 xx / xxx verbunden mit yyy / xxx verurteilt (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 216). Für August 2010 hat er ebenfalls keine Umsatzsteuer-Voranmeldung eingereicht. Aufgrund dessen wurde ein Umsatzsteuerbetrag i.H. von 675.670,74 Euro nicht erklärt (vgl. BMO II, Fach 26, S. 23). |
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| R M nahm es dabei billigend in Kauf, dass aufgrund der von ihm erkannten Tatumstände Umsatzsteuer verkürzt wurde. Insofern schließt sich der Senat auch den nachvollziehbaren und schlüssigen Feststellungen des AG L an. |
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| Hinsichtlich B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH hat der Senat aufgrund des Geschehensablaufs zudem keine Zweifel, dass die Taten rechtswidrig und schuldhaft begangen wurden. |
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| cc) Der Senat ist ferner der Überzeugung, dass der Kläger nach den tatsächlichen Verhältnissen beim (unterstellten) Bezug der Lieferungen im Juli bis September des Streitjahres zumindest hätte wissen müssen, dass er mit diesen Eingangsumsätzen in die Mehrwertsteuerhinterziehungen der Verantwortlichen von B-GmbH, C-GmbH, D-GmbH und E-GmbH einbezogen wurde. Er handelte aufgrund der Gesamtumstände jedenfalls grob fahrlässig, da er die gebotene Sorgfalt eines Unternehmers in grobem Ausmaß außer Acht ließ. |
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| (a) So hätten einem Unternehmer, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelte, angesichts von sehr hohen Umsatzsteigerungen insbesondere im Vergleich vom 1. Kalendervierteljahr (14.852 Euro) und 2. Kalendervierteljahr (106.156 Euro) zum 3. Kalendervierteljahr (6.065.631 Euro) des Streitjahres Zweifel an seinen (vermeintlichen) Lieferanten aufgekommen müssen. Immerhin stiegen die Umsätze vom 1. Kalendervierteljahr auf das 2. Kalendervierteljahr um das 7-fache und vom 2. Kalendervierteljahr auf das 3. Kalendervierteljahr um das 57-fache. Einem Unternehmer, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelte, wäre im Streitfall weiter aufgefallen, dass die Betriebstätten seiner (vorgeblichen) Lieferanten weit entfernt von seiner Geschäftsadresse in X lagen (B-GmbH in J, C-GmbH in K, D-GmbH in W und E-GmbH in L). Deshalb hätte sich ein solcher Unternehmer nicht nur gefragt, weshalb die Lieferanten nun in solcher exponentiellen Art und Weise auf ihn zukamen, ihn förmlich mit Altgoldlieferungen überrannten und dabei auch weite Anfahrten in Kauf nahmen, statt Scheideanstalten in räumlicher Nähe aufzusuchen. Deshalb hätte er den Hintergrund dieser Angebote durchschaut. Jedenfalls hätte er „den Kopf nicht in den Sand gesteckt“. Vielmehr hätte ihn seine -schon aufgrund allgemein bekannter Erfahrungen- durchaus begründete Sorge, in -ggf. mit einer Mehrwertsteuerhinterziehung verbundene- Geldwäschegeschäfte verwickelt zu werden oder Hehlerei zu begehen, im Ergebnis von vornherein davon abgehalten, sich in solche Geschäfte einbinden zu lassen. |
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| Seine Einbindung versucht der Kläger zwar dadurch zu erklären, dass er aus der Goldbranche komme und bei seinen Abnehmern Vertrauen genieße. Gleichzeitig behauptet der Kläger, er sei in den Handel mit Altgold erst „Anfang Juli 2010“ eingestiegen. Worauf sich vor diesem Hintergrund das angebliche Vertrauen seiner Abnehmer gerichtet haben soll, bleibt im Unklaren. Auch kann der Senat nicht nachvollziehen, weshalb die S-AG gerade ihm eine „höhere Ausbeute“ bei der Scheidung der Edelmetalle angeblich habe zukommen lassen und auch nur geringere Scheidekosten als bei sonstigen Kunden abgerechnet haben soll. |
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| (b) Im Streitfall hatte sich der Kläger zudem mittels Auskünften der Creditreform vom 13. August 2018 über die Lieferanten B-GmbH, C-GmbH und D-GmbH informiert. Er hätte aufgrund dessen bei seinen (vorgeblichen) Lieferanten weitere Nachfragen zu der Herkunft der Edelmetalle und den weiteren Umständen der Lieferungen stellen müssen. |
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| Der Senat teilt insofern die Auffassung des BFH in seinem Beschluss vom 3. Juli 2019 (XI B 17/19, BFH/NV 2019, 1351 Rn. 23), dass das Ergebnis einer Auskunft der Creditreform „für sich“ nicht geeignet ist, Anhaltspunkte für eine Mehrwertsteuerhinterziehung der (angeblichen) Vorlieferanten des Klägers zu geben. |
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| Dennoch ist der Senat der Überzeugung, dass die in den Auskünften der Creditreform enthaltenen Informationen Anlass für den Kläger gaben, zumindest weitere Erkundigungen gegenüber seinen (angeblichen) Vorlieferanten über die Herkunft der Edelmetalle einholen zu müssen. Denn die Creditreform teilte hinsichtlich B-GmbH mit, dass Kredite abgelehnt und von einer Geschäftsverbindung abgeraten würde. Es sei eine stark rückläufige Geschäftsentwicklung gegeben. Zudem wurde aufgeführt, dass eine Haftanordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 24. April 2008 vorliegen würde (Anlagen zum Schriftsatz des Beklagten vom 19. November 2018, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 204 ff.). Im Hinblick auf D-GmbH teilte die Creditreform zwar mit, dass eine Geschäftsverbindung „als zulässig“ gelten würde. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, dass in Bezug auf deren Geschäftsführer, D H, Informationen zu einem Insolvenzverfahren vorliegen würden. Im Hinblick auf die C-GmbH teilte die Creditreform mit, dass ein Krediturteil noch nicht vergeben werden könne und die Geschäftsentwicklung abzuwarten bleibe. Bezüglich einer an der C-GmbH beteiligten SP GmbH bzw. SP GmbH & Co. Transport KG, K sollten Informationen zu Insolvenzverfahren und schuldnerregisterlichen Eintragungen des Geschäftsführers vorliegen. Dies hätte der Kläger nicht unbeachtet lassen dürfen, zumal die C-GmbH -wie der Auskunft der Creditreform zu entnehmen war- bereits mehrfach jeweils unter Verlegung ihres Sitzes umfirmiert worden war (xxx GmbH, xxx Sanierungs-GmbH). Zudem wurde mitgeteilt, dass die C-GmbH ausschließlich Exporte in die Länder Irak, Jordanien und Syrien durchführen würde. Hinsichtlich der E-GmbH hat der Kläger --trotz der erheblichen Umsatzsteigerungen und deren Geschäftssitz in L- davon abgesehen, sich zumindest rudimentär über deren Tätigkeitsfeld zu erkundigen. |
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| Zudem hätte dem Kläger hinsichtlich der D-GmbH auffallen müssen, dass sie -wie das Firmenkürzel schon nahelegt- einen Mietwagen-, Kranken- und Rollstuhlfahrdienst betrieb (Handelsregister B des Amtsgerichts -AG- F, HRB xxxx). Der Umstand, dass ein Unternehmen mit diesem Gegenstand Altgold in erheblichem Umfang anliefert, hätte dem Kläger allein Anlass nicht nur für weitere Nachfragen bieten, sondern auch den Verzicht auf eine derartig dubiose Geschäftsbeziehung nahelegen müssen. |
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| (c) Des Weiteren hätte der Kläger über seine vermeintlichen Lieferanten allein schon deshalb Erkundigungen einholen müssen, weil diese ihm erhebliche Edelmetallmengen ohne jegliche Sicherheiten anlieferten. Nach seiner Darstellung oblag es ihm allein, nach der Anlieferung jeweils die Scheideanstalt aufzusuchen und die Abrechnung sowie Zahlung über die Bank I zu veranlassen. Dass seine Lieferanten ihm -einen im Wesentlichen mittellosen Unternehmer- einen derartigen Vertrauensvorschuss gewährten, ist unüblich und weicht von den Usancen eines ordentlichen Geschäftsverkehrs deutlich ab. Erschwerend kommt hinzu, dass keine dokumentierten Vertragsbeziehungen vorliegen. Werden Wirtschaftsgüter im Wert von mehreren Millionen Euro gehandelt (im 3. Kalendervierteljahr 2010 im vorgetragenen Umfang von 6.065.631 Euro), entspricht es den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, dass die vertraglichen Grundlagen nicht nur mündlich besprochen, sondern auch schriftlich gefasst werden. |
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| Auch hat der Kläger durch sein Verhalten im Übrigen gezeigt, dass er sich auch nicht durch sich aufdrängende Bedenken von einem An- und Weiterverkauf von Altgold abhalten lässt. Selbst als sich die Bank I ab 20. August 2010 weigerte, von ihm Altgold anzukaufen, eröffnete er sich einen weiteren Vertriebskanal, in dem er nunmehr verstärkt an die M lieferte. Der Kläger hat insoweit seine Augen vor der Realität verschlossen. |
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| Gegenüber der Bank I hat der Kläger zudem versucht, sein Geschäftsmodell durch unrichtige Angaben noch möglichst lange fortführen zu können. Als der Kläger von der Bank I auf die erheblichen Umsatzsteigerungen seit Juli 2010 angesprochen wurde, behauptete er, er habe „zur Zeit“ Urlaub und deshalb den Umsatz aus dem Schmuckhandel steigern können (Anlage 2 zur Verdachtsanzeige der Bank I vom 19. August 2010, BMO I, Fach 9). Er verschwieg, dass er seine Anstellung bei der A-KG bereits Anfang 2010 gekündigt hatte, um seinen Großhandel in Vollzeit auszuüben (vgl. die Angaben des Klägers in der Niederschrift zum Erörterungstermin vom 18. März 2016, S. 2, Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 131). Auch meldete er sein Gewerbe des Großhandels mit Schmuck als Haupterwerb erst zum 1. November 2010 um, als seine erklärten Umsätze schon wieder deutlich rückläufig waren (BMO I, Fach 1). |
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| Den Kläger entlastet auch nicht die Tatsache -worauf die StA F auf Seite 4 ihres Schreibens vom 30. März 2015 abhebt (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 105)-, dass die S-AG Lieferungen abgelehnt hätte, wenn ihr diese unmittelbar von den (vermeintlichen) Lieferanten des Klägers angeboten worden wären. Diese Tatsache spricht eher dafür, dass die angeblichen Lieferanten des Klägers in Fachkreisen und damit auch aus der Sicht eines Unternehmers, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt, „verdächtig“ waren und dass die Vertreter der S-AG deshalb damit rechneten, dass die entsprechenden Umsätze in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen waren. Auch die Bank I sprach in ihrer Verdachtsanzeige vom 19. August 2010 „von den schon auffällig geworden Geschäftspartnern“ des Klägers (BMO I, Fach 9). Diese Umstände konnten dem Kläger nicht verborgen geblieben sein. Zudem führte die StA F weiter aus, dass die Zwischenschaltung des Klägers aus wirtschaftlicher Sicht gänzlich sinnlos erscheine und dies dafür spreche, dass ihm seine Einbindung in ein Umsatzsteuerkarussell deshalb bewusst gewesen sein müsse. |
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| Des Weiteren entwickelte sich der Markt für Edelmetalle nicht nur aufgrund der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern auch aufgrund der sich abzeichnenden umsatzsteuerlichen Änderung durch das Jahressteuergesetz 2010 (BGBl. I 2010, 1768 = BStBl I 2010, 1394) exponentiell. Dass sich vor Inkrafttreten der Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei der Lieferung von Altmetallen noch windige Marktteilnehmer unter Nutzung der betrugsanfälligen Regelungen einen rechtswidrigen steuerlichen Vorteil verschaffen wollten, hätte dem Kläger auch aufgrund des für ihn geltenden Sorgfaltsmaßstabes ebenfalls nicht entgangen sein dürfen. |
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| Der Senat kann im Streitfall allerdings offenlassen, ob der Kläger -was die Gesamtschau aller Umstände nahelegt- vorsätzlich gehandelt hat. Jedenfalls aber hätte der Kläger angesichts dieser Umstände wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an Umsätzen teilnahm, die jeweils in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen waren. |
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| 3. Nicht zu beanstanden ist dagegen der bereits durch den Beklagten gewährte Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an L 1 (9.899,16 Euro), L 2 (3.012,85 Euro), L 3 (2.303,41 Euro) und L 4 (728,51 Euro). Insofern hat der Beklagte weder vorgetragen, dass Umsatzsteuerbeträge hinsichtlich dieser Lieferungen hinterzogen oder verkürzt wurden, noch, dass der Kläger insofern bösgläubig gewesen wäre. Auch gegen die Anerkennung der Vorsteuer aus den Scheidekosten (5.559,20 Euro) und weiterer Vorsteuerbeträge i.H. von 100.197,31 Euro hat der Beklagte im Verfahren nichts vorgebracht. Somit geht der Senat davon aus, dass dem Kläger Vorsteuern i.H. von 121.700,44 Euro -wie im streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid vom 25. August 2014 ausgewiesen (USt-Akte, Bl. 19)- zustehen. |
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| 4. Soweit der Kläger den hilfsweisen Antrag stellt, die die steuerlichen Verhältnisse der Lieferanten (B-GmbH, D-GmbH, C-GmbH und E-GmbH) betreffenden Akten beizuziehen, weist der Senat darauf hin, dass dies bereits erfolgte. So wurde der Bevollmächtigte bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 1. Juni 2015 in Kenntnis gesetzt, dass der Beklagte neben den Umsatzsteuer- und Rechtsbehelfsakten des Klägers auch einen Ordner mit den Fahndungsberichten hinsichtlich der vorgeblichen Lieferanten an das FG Baden-Württemberg übersandt hatte (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 29). Der Bevollmächtigte wurde zudem mit Schreiben vom 19. Juni 2015 darüber informiert, dass es bei dem Beklagten Beweismittelordner mit Vernehmungsprotokollen gebe. Er wurde unter Angabe der Telefonnummer des Sachbearbeiters gebeten, einen Termin zur Akteneinsicht bei dem Beklagten zu vereinbaren (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 85). Im Folgenden entstand lediglich eine Kontroverse, ob der Bevollmächtigte im Zuge der Akteneinsicht auch Akten hinsichtlich der „Abnehmer des Klägers“ einsehen könne, die sich jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht bei dem Beklagten, sondern bei der StA F befanden (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band I, Bl. 90 ff.). |
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| Mit gerichtlicher Mitteilung vom 6. Dezember 2018 wurde der Bevollmächtigte außerdem benachrichtigt, dass der Beklagte die Beweismittelordner und andere näher bezeichnete Akten hinsichtlich der steuerlichen Verhältnisse der Lieferanten nunmehr dem Gericht zur Verfügung gestellt hatte (Gerichtsakte zu dem Verfahren 1 K 2037/18, Band II, Bl. 225 i.V.m. Bl. 203 ff.). Auch in seinen Schriftsätzen hat der Beklagte stets unter Nennung der konkreten vorhandenen Akteninhalte angegeben, auf welche Akteninhalte er seine Rechtsauffassung in Bezug auf die vermeintlichen Lieferanten des Klägers stützt (zuletzt mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020, Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 34 ff.). Der vorliegende Akteninhalt wurde vom Beklagten im Hinblick auf B-GmbH, E-GmbH und C-GmbH dahingehend ergänzt, dass für das Streitjahr auch im weiteren Besteuerungsverfahren keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben wurden (Vermerk, Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 91). Soweit der Senat zur weiteren Sachaufklärung angeforderte Unterlagen erhalten hat, wurde der Bevollmächtigte hierüber in Kenntnis gesetzt (vgl. Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2015 hinsichtlich B-GmbH, Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 113). |
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| Ob und in welchem Umfang der Bevollmächtigte auf dieser Grundlage von seinem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch macht und sich selbst einen unmittelbaren Einblick in den vorliegenden Inhalt der Akten verschafft bzw. weshalb er vorliegend davon Abstand nahm, oblag allein seiner Entscheidung. Das Urteil des EuGH Glencore vom 16. Oktober 2019 C-189/18 (ABl EU 2019, Nr. C 423, 8-9) -auf welches der Bevollmächtigte in seinem Vortrag hinwies- bringt dies aus Sicht des Senats deutlich zum Ausdruck. Die Einsicht in die Akten des Beklagten und des Gerichts wurde dem Bevollmächtigten zu keinem Zeitpunkt verwehrt. Vielmehr hat der Bevollmächtigte die weitere Sachaufklärung des Berichterstatters im zweiten Rechtsgang ausdrücklich gerügt. Die konkreten Anfragen des Gerichts nach bestimmten Punkten erweckten bei ihm den Eindruck, das Gericht wolle einem der Beteiligten in ungewöhnlicher Weise „aufs Pferd helfen" (Schriftsatz vom 1. April 2020, S. 1 f., Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 51 f.). |
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| 5. Durch die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache durch den BFH wurde das Verfahren erneut beim FG Baden-Württemberg anhängig. Dadurch wird kein neues Verfahren eröffnet, sondern das ursprüngliche Verfahren, das für diese Instanz noch nicht abgeschlossen war, lediglich unter dem neuen Aktenzeichen (1 K 2492/19) fortgeführt. Die frühere Verhandlung bildet mit der neuen eine Einheit. Neue Anträge zum Verfahren und zur Sache sind möglich; neue Tatsachenermittlungen natürlich auch (Lange und Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, Stand Februar 2020, § 116 Rn. 289 und § 126 Rn. 60 m.w.N.; Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 126 Rn. 20). |
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| Vor diesem Hintergrund ist die Rüge des Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 1. April 2020 (Gerichtsakte [elektronisch], Bl. 51 f.), der Senat verfahre durch sein Nachfragen zum Sachverhalt in der gerichtlichen Aufklärungsverfügung vom 24. Oktober 2019 in einer ungewöhnlichen Weise, nicht nachzuvollziehen. Eine „rechtliche fundierte Praxis der Gerichte“, dass der unterlegene Beteiligte nach einer Zurückverweisung lediglich „unspezifiziert“ aufgefordert werde, unter Berücksichtigung der Ausführungen des Obergerichts erneut zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen, kann es aufgrund der geschilderten verfahrensrechtlichen Wirkungen der Zurückverweisung nicht geben. |
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| Das weitere finanzgerichtliche Verfahren nach einer Zurückverweisung kann demzufolge zu einem veränderten Sachverhalt und damit zu einer anderen rechtlichen Würdigung führen. Es ist sogar zulässig, dass das neue Urteil für den Kläger ungünstiger als das alte ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 2007 II R 36/05, BFH/NV 2007, 1827). Dies ist kein Verstoß gegen das Verböserungsverbot (reformatio in peius), denn danach darf nur die Rechtsmittelinstanz die Entscheidung der Vorinstanz nicht zum Nachteil des (einzigen) Rechtsmittelführers verändern. Nach einer Zurückverweisung befindet sich das Verfahren aber wieder beim FG wie im Stand des ersten Rechtsgangs, lediglich mit der rechtlichen Bindung nach § 126 Abs. 5 FGO, der auch nach einem Zurückverweisungsbeschluss nach § 116 Abs. 6 FGO gilt (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, Stand Februar 2020, § 116 Rn. 289; Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 116 Rn. 67 m.w.N.). Daher besteht das Verböserungsverbot nur noch gegenüber dem ursprünglichen Steuerbescheid (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, Stand Februar 2020, § 126 Rn. 61; Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 126 Rn. 20). |
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| Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO). Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 136 Abs. 1 Satz 3 FGO). Das Maß des Unterliegens bzw. Obsiegens ergibt sich aus dem Unterschied zwischen den Anträgen und dem endgültig Erreichten (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121). |
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| In der Regel ist ein Unterliegen „nur zu einem geringen Teil" gegeben, wenn ein Beteiligter bei einer Kostenteilung nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO weniger als 5 % der Kosten des Verfahrens zu tragen hat. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO kann zwar nicht mehr anwendbar sein, wenn der Streitwert hoch ist (BFH-Urteil vom 21. April 2005 V R 11/03, BStBl II 2007, 63 Rn. 36 m.w.N). Ein hoher Streitwert allein führt aber nicht zu einem Ausschluss von § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, wenn -so wie vorliegend- der Beklagte lediglich i.H. von 3.193,28 Euro unterliegt. |
|
| Der Kläger begehrt eine Umsatzsteuerfestsetzung i.H. von - 1.173.355,52 Euro, in dem er weitere Vorsteuerbeträge i.H. von insgesamt 1.115.044,59 Euro und die Nichtberücksichtigung der gemäß § 14c Abs. 2 UStG zugrunde gelegten Umsatzsteuer i.H. von 1.174.242,61 Euro begehrt. Der Beklagte begehrt die Klageabweisung hinsichtlich der im Umsatzsteuerbescheid vom 25. August 2014 festgesetzten Umsatzsteuer i.H. von 1.115.931,68 Euro. Insoweit als die festgesetzte Umsatzsteuer auf 1.112.738,40 Euro gemindert wird, unterliegt der Beklagte nur geringfügig (0,14%). |
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| Nach § 143 Abs. 2 FGO umfasst die Kostenentscheidung auch die Kosten des Revisionsverfahrens. |
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| 7. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. |
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