Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 1257/14 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Kläger machten in der Einkommensteuererklärung 2011 Unterhaltsaufwendungen für die Söhne A, geb. 24. 11. 1983, iHv von 11.400 € und B iHv 17.400 € geltend, wovon 13.338 € als abzugsfähiger Aufwand beantragt wurden. Die eigenen Einkünfte und Bezüge lagen für A bei 3.216 € und bei B bei 2.516 €.
3Im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 24. 8. 2012, in dem Unterstützungsleistungen von 12.512 € berücksichtigt wurden, übersandten die Kläger Bescheinigungen über die Zinserträge des Sohnes A in 2011. Sie teilten mit, das Vermögen von A betrage 25.410 €, wovon 17.023,52 € Schulden abzuziehen seien. Insoweit bezogen sie sich auf ein Schreiben der Kläger aus Oktober 2008 an A mit folgendem Inhalt, das von den Klägern unterzeichnet war und den Zusatz „Zur Kenntnis genommen“ mit Unterschrift des Sohnes trug:
4„Lieber A,
5nach langer Wartezeit hast du endlich den erwünschten Studienplatz in Medizin bekommen. Dazu gratulieren wir Dir herzlich. Wir haben uns entschlossen, Dich im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten mit einer Summe von 700,00 Euro monatlich zu unterstützen. Solltest Du finanzielle Mittel benötigen, die über die genannte Summe hinausgehen, werden wir diese in Form eines Darlehens zur Verfügung stellen. Nach Abschluss Deines Studiums ist die in Anspruch genommene Darlehenssumme an uns zurückzuzahlen.“
6Im August 2009 erfolgte ein weiteres Schreiben, ebenfalls mit Sichtvermerk des Sohnes, wonach der Betrag von 700 € auf 950 € ab September 2009 erhöht wurde. Die im Oktober 2008 getroffene Absprache sollte unverändert bestehen bleiben.
7Zum 27. 12. 2012 erfolgte eine Aufstellung der zusätzlich durch die Kläger verausgabten Beträge für den Zeitraum Oktober 2008 bis Dezember 2011, wonach sich zum 31. 12. 2011 17.023,52 € ergaben.
8Die Kläger vertraten die Ansicht, es handle sich um ein Ausbildungsdarlehen. Auch das Bafög-Amt vergebe unverzinsliche Darlehen, die während der Bildungsphase nicht getilgt werden müssten. Eine Besicherung finde nicht statt, auch eine Laufzeit werde nicht vereinbart. Zudem seien die ertragsteuerlichen Fremdvergleichsregeln substanzsteuerlich nicht anzuwenden.
9Der Beklagte teilte mit, es handle sich nicht um einen steuerlich anzuerkennenden Darlehensvertrag unter nahen Angehörigen. Er kündigte an, den Einkommensteuerbescheid 2011 nach § 164 Abs. 2 AO zu ändern und die bisher angesetzten Unterhaltsaufwendungen zu streichen. Er bat um Mitteilung, ob insoweit der Einspruch zurückgenommen würde.
10Mit der Einspruchsentscheidung vom 18. 3. 2014 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2011 auf 72.760 € herauf. Er führte aus, unstreitig habe A über Guthaben aus Geldanlagen iHv 25.410 € verfügt. Hiervon seien die geltend gemachten Schulden nicht abzugsfähig, da das Darlehen steuerlich nicht anzuerkennen sei. Die Vereinbarung entspreche nicht dem zwischen Fremden Üblichen. Der Darlehensvertrag sei unverzinslich, enthalte keine Vereinbarung über die Laufzeit, über Art und Zeit der Rückzahlung und über eine Absicherung. Studiendarlehen von Fremdanbietern enthielten Regelungen über die monatliche Auszahlungssumme mit Minimum und Maximum, die Auszahlungsdauer sei begrenzt, es gebe eine Regelung über tilgungsfreie Zeiten, die Rückzahlung mit Mindestrate und Mindesteinkommen, eine Begrenzung des Rückzahlungszeitraums, die Bereitstellung von Bürgen, den Zinssatz in Auszahlungs- und Rückzahlungsphase. Hierüber sei in der Vereinbarung zwischen den Klägern und dem Sohn nichts enthalten.
11Hiergegen richtet sich die Klage.
12Die Kläger tragen vor:
13Für den Sohn B seien zu Unrecht nur Unterhaltsaufwendungen von 6.199 € angesetzt worden. Richtig seien 6.231 €. Für A seien 6.319 € anzuerkennen. Von dem eigenen Vermögen des Sohnes seien 17.023,52 € Schulden abzuziehen. Inzwischen habe der Sohn 16.844,27 € zurückgezahlt. Die Auffassung des Beklagten sei unzutreffend, da es sich um ein Studiendarlehen und kein gewöhnliches Bankdarlehen handle. Bei Studiendarlehen sei es üblich, dass sie unverzinslich, ohne feste Laufzeit, ohne feste Art und Zeit der Rückzahlung und ohne Absicherung vereinbart würden. Eine Schenkung könne nicht vorliegen, da eine schuldrechtliche Vereinbarung vorliege.
14Die Kläger beantragen,
15den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 28. 7. 2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18. 3. 2014 dahingehend zu ändern, dass
16weitere Unterhaltsaufwendungen iHv 6.319 € berücksichtigt werden.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Der Beklagte trägt vor:
20Für B seien 6.231 € anzusetzen. Der Darlehensvertrag sei nicht anzuerkennen. Der Beklagte verweist insoweit auf das Urteil des BFH Az. X R 26/11.
21Der Beklagte hat am 28. 7. 2014 einen geänderten Bescheid für 2011 erlassen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
23Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.
24Zu Recht hat der Beklagte Unterhaltsaufwendungen für den Sohn A nicht nach § 33 a Abs. 1 EStG zum Abzug zugelassen.
25Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den typischen Unterhaltsbedarf einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG bis zu 8.004 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Auf das Bestehen einer konkreten zivilrechtlichen Unterhaltsberechtigung und die Höhe des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs kommt es nicht an (BFH Urteil vom 18. 5. 2006 III R 26/05, BFHE 214, 129, BStBl II 2007,108). Der Abzug der Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung setzt aber voraus, dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (§ 33a Abs. 1 Satz 4 EStG). Der Gesetzgeber geht insoweit typisierend davon aus, dass die unterhaltene Person bei eigenem, nicht nur geringfügigem Vermögen nicht unterhaltsbedürftig ist und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen (Senatsurteil in BFHE 214, 129, BStBl II 2007, 108). Unter Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG ist das Nettovermögen zu verstehen, d.h. der Wert der aktiven Vermögensgegenstände, vermindert um die Schulden des Unterhaltenen (BFH Urteil vom 12. 2. 2002 III R 41/01 BFHE 201, 192, BStBl II 2003, 655). Als gering ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur ein Vermögen von bis zu 15.500 € anzusehen (Urteil vom 11. 2. 2010 VI R 65/08, BFHE 228, 421, BFH/NV 2010, 1026; Beschluss vom 28. 4. 2010 VI B 142/09 BFH/NV 2010,1441 m.w.N.).
26Das Vermögen des Sohnes belief sich vorliegend auf 25.410 € und übersteigt damit die Grenze von 15.500 €. Von dem Aktivvermögen sind keine Schulden gegenüber den Klägern aufgrund der Finanzierung des Studiums des Sohnes abzuziehen. Denn zwischen den Klägern und ihrem Sohn A ist kein steuerlich anzuerkennender Darlehensvertrag geschlossen worden, aus dem sich der von den Klägern errechnete Schuldposten von 17.023 € ergäbe.
27Das Schreiben der Kläger von Oktober 2008 mit dem Kenntnisvermerk des Sohnes kann bereits nicht als Darlehens“vertrag“ gewertet werden. Vielmehr handelt es sich um ein einseitiges Versprechen der Eltern, die Unterhaltskosten des Sohnes für die Dauer des Studiums in unbegrenzter Höhe zu übernehmen. Diese Zusage hat der Sohn laut dem Sichtvermerk zur Kenntnis genommen ebenso wie die seitens der Kläger geäußerte Erwartung, „nach Abschluss des Studiums sei der 750 € bzw. ab 2009 900 € monatlich übersteigende Betrag an sie zurückzuzahlen“. Eine Vereinbarung im Sinne eines gegenseitigen Vertrages über ein Gelddarlehen gem. § 488 BGB ist dem Wortlaut des Schreibens nicht zu entnehmen.
28Selbst wenn man aber auf Grund einer Parallelwertung in der Laiensphäre das Schreiben als „Vertrag“ beurteilen würde, wäre dieser steuerrechtlich nicht anzuerkennen.
29Vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen können in der Regel steuerrechtlich nur dann berücksichtigt werden, wenn die Vereinbarung klar und eindeutig ist, der gesetzlich vorgeschriebenen Form genügt und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Nur diese, auf äußerlich erkennbare Beweisanzeichen gestützte Beurteilung kann sicherstellen, dass die Vertragsbeziehungen nicht in Wirklichkeit im privaten, steuerlich unbeachtlichen Bereich (§ 12 Nr. 1 und 2 EStG) wurzeln (BFH Urteil vom 25. 1. 2000 VIII R 50/97 BStBl II 2000,393). Diese Grundsätze, die von der Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage entwickelt wurden, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkunftserzielung veranlasst oder aber durch private Zuwendungs- oder Unterhaltsüberlegungen motiviert sind, sind nach ihrem Sinn und Zweck auch in einem Fall wie dem Vorliegenden anzuwenden. Zwar ist hier nicht die im Bereich des objektiven Nettoprinzips verankerte Frage streitig, ob Aufwendungen aufgrund von Angehörigenverträgen einkünftemindernd zu berücksichtigen sind. Gerade bei den hier zu beurteilenden Unterstützungsleistungen nach § 33 a Abs. 1 EStG, die typischerweise auf der privaten Ebene angesiedelt sind, bedarf es jedoch eines strengen Maßstabes bei der Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit des unterstützten Angehörigen, um zu verhindern, dass entgegen dem gesetzgeberischen Zweck Aufwendungen zu Lasten der Allgemeinheit steuerlich geltend gemacht werden können. Aufgrund der in der Regel gleichgelagerten wirtschaftlichen Interessen unter nahen Angehörigen soll durch den Fremdvergleich eine Verlagerung privater Zuwendungen in den steuerlich relevanten Bereich verhindert werden. Von daher kommen die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch nur eingeschränkt zum Tragen, wenn zwischen Eltern und erwachsenen, eigenständig wirtschaftenden Kindern klar getrennte Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestehen. Anders liegt es aber gerade im Streitfall. Der Sohn der Kläger war während seines Studiums mangels eigener Einkünfte auf den Unterhalt der Eltern angewiesen. Steuerlich spielt es für ihn keine Rolle, ob die Zuwendungen der Kläger als Schenkung, Unterhalt oder Darlehen zu beurteilen sind. Für die Kläger hängt dagegen die steuerliche Abzugsfähigkeit nach § 33 a EStG angesichts des Vermögens des Sohnes davon ab, dass dieses durch vermeintliche Schuldposten reduziert wird.
30Maßgebend für die steuerrechtliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Die vertraglichen Hauptpflichten müssen klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Allerdings schließt nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind einzelne Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen (BFH Urteil vom 22. 10. 2013 X R 26/11 BStBl II 2014,374). In Anwendung dieser Grundsätze differenziert die höchstrichterliche Rechtsprechung bei der Prüfung, ob zwischen nahen Angehörigen abgeschlossene Darlehensverträge der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen sind, nach dem Anlass der Darlehensgewährung (vgl. BFH vom 22. 10. 2013 aaO.). So ist bei Darlehen, die der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern dienen, für die steuerliche Anerkennung weniger der Fremdvergleich als die einzelnen Klauseln des Darlehensvertrages maßgeblich (BFH aaO.).
31Selbst wenn man vorliegend davon ausgeht, dass die Zuwendungen der Kläger überwiegend Anschaffungen des Sohnes für seinen Lebensbedarf abdecken sollten, kommt eine steuerliche Anerkennung eines Darlehensvertrages nicht in Betracht. Das Schreiben der Eltern enthält keinerlei Regelungen über die Höhe des Darlehens, die genaue Laufzeit, eine etwaige Verzinsung und die Rückzahlungsmodalitäten. Damit entfällt auch jede Vergleichbarkeit mit den von den Klägern angeführten Ausbildungsdarlehen des BAFöG-Amtes oder von Kreditinstituten. Weder die monatliche noch die jährliche Maximalhöhe ist festgelegt, so dass die Kläger unbegrenzt „Darlehens“-Auszahlungen zu leisten hatten. Auch eine maximale Auszahlungsdauer ist nicht geregelt. Zinsen sind weder für die Zeit der Inanspruchnahme des Darlehens noch für die Rückzahlungsphase vereinbart. Eine Vereinbarung über die Modalitäten der Rückzahlung und eine etwaige Abhängigkeit von einem Mindesteinkommen des Sohneswird nicht getroffen. Dies wäre bei Studiendarlehen von Fremdanbietern nicht denkbar. So differenziert z.B. der KfW-Studienkredit zwischen einer Auszahlungs-, Karenz- und Tilgungsphase. Die Dauer der Auszahlung kann für die Zeit von 6-14 Semestern vereinbart werden. Die Rückzahlung nach einer tilgungsfreien Karenzphase muss innerhalb von maximal 25 Jahren erfolgen. Die monatliche Auszahlung kann zwischen 100 € und 650 € festgelegt werden. Zinsen werden für Auszahlungs- und Tilgungszeitraum geregelt. Auch der Bildungskredit der Sparkassen regelt Laufzeit, Rückzahlungsdauer und Verzinsung. Auch aus dem Studienkredit-Test des Centrums für Hochschulentwicklung (www.che.de) ergeben sich keine Anbieter, die den Studierenden Darlehen ohne jegliche weitere Absprachen zur Verfügung stellen.
32Ein steuerlich anzuerkennender, das Vermögen mindernder Schuldposten des Sohnes gegenüber den Klägern war daher zu verneinen. Unerheblich ist insoweit, dass der Sohn nach dem Vorbringen der Kläger mittlerweile einen Großteil der Beträge an die Kläger zurückgezahlt hat. Dass die Kläger sich verpflichtet fühlten, ihren Sohn bei seinem Studium finanziell zu unterstützen, und dieser sich seinerseits nach Abschluss der Ausbildung verpflichtet fühlte, Rückzahlungen zu leisten, führt nicht zur steuerrechtlichen Relevanz der gezahlten Beträge.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
34Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.
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Referenzen
- BGB § 488 Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag 1x
- EStG § 33a Außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen 6x
- § 164 Abs. 2 AO 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 100 1x
- EStG § 12 1x
- FGO § 135 1x
- FGO § 115 1x
- X R 26/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2006 III R 26/05 1x (nicht zugeordnet)
- 2002 III R 41/01 1x (nicht zugeordnet)
- 2010 VI R 65/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2010 VI B 142/09 1x (nicht zugeordnet)
- 2000 VIII R 50/97 1x (nicht zugeordnet)
- 2013 X R 26/11 1x (nicht zugeordnet)