Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 57/14

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen eine Sicherstellungsanordnung.

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Mit Schreiben vom 6.8.2012 zeigte die Klägerin den Erwerb eines Destilliergeräts an. Sie erläuterte, das Gerät zur Herstellung ätherischer Öle nutzen zu wollen. Sie befinde sich in der Ausbildung zur Aromatherapeutin und wolle die hergestellten Öle für die Arbeit nutzen. Ausweislich der Sachakte handelt es sich um ein Brenngerät mit einem Rauminhalt von 7 l (Foto in der Sachakte Bl. 6).

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Daraufhin fand bei der Klägerin eine Steueraufsichtsmaßnahme statt. Dabei wurde festgestellt, dass das Destilliergerät in der Küche aufgestellt gewesen sei und die Klägerin es bisher einmal zur Herstellung von Lavendelaroma benutzt habe. Das Aroma habe sie durch das Erhitzen von Wasser im Brenngerät und die Aufnahme ätherischer Öle durch den Wasserdampf gewonnen. Das hergestellte Lavendelaroma habe sich in einer Flasche befunden (500 ml). Die Destillation von Alkohol sei nicht festgestellt worden.

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Mit Bescheid vom 20.11.2012 stellte der Beklagte, Dienstort ..., das Destilliergerät sicher.

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Am 14.12.2012 legte die Klägerin Einspruch gegen die Sicherstellung ein. Sie wolle keinen Alkohol, sondern lediglich ätherische Öle für den privaten Gebrauch bzw. ihre Ausbildung zur Aromatherapeutin herstellen. Den Vorschlag des Beklagten, das Gerät mittels eines Zollverschlusses gegen missbräuchliche Benutzung zu sichern, lehnte sie aus organisatorischen und finanziellen Gründen ab. Sie meinte, der Beklagte habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Tatsächlich liege eine Gefährdung nicht vor. Mit dem Destilliergerät habe sie lediglich Lavendelaroma hergestellt. Sie schlug vor, dass der Beklagte auf einen Zollverschluss verzichte, sie im Gegenzug genaue Aufzeichnungen über die Nutzung des Geräts mache und die Zollbehörden zu unangemeldeten Kontrollen des Geräts und der Aufzeichnungen berechtigt seien.

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Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 9.12.2013 zurück. Die Klägerin unterliege gemäß § 43 Nr. 2 BranntwMonG der amtlichen Aufsicht. Die Sicherstellung ergebe sich aus § 51b Abs. 1 Nr. 6 BranntwMonG i.V.m. § 215 AO. Das zuständige Hauptzollamt habe vom Vorbesitzer entgegen § 46 Abs. 1 BranntwMonG keine Kenntnis von der Veräußerung des Destilliergeräts erhalten. Daher sei das Brenngeräts sicherzustellen gewesen. Von dieser Regelung ausgenommen seien lediglich Geräte mit einem Fassungsvermögen von nicht mehr als 0,5 l zum privaten Gebrauch in erster Linie zu Demonstrations- bzw. Dekorationszwecken. Im Streitfall sei abzuwägen, da die Klägerin steuerlich unbedenklich pflanzliche Aromen herstelle, eine missbräuchliche Verwendung des Geräts aber im Raum stehe. Dem Vorschlag der Klägerin, entsprechende Kontrollmaßnahmen durchzuführen, könne nicht gefolgt werden. Die personelle Situation des zuständigen Prüfungsdienstes lasse eine adäquate Steueraufsicht nicht zu. Das Anbringen eines Zollverschlusses habe die Klägerin abgelehnt. Die anfallenden Kosten beliefen sich auf max. 88 € pro Brennvorgang.

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Mit ihrer am 10.3.2014 zunächst beim Finanzgericht ... erhobenen Klage, die an das Finanzgericht Hamburg verwiesen wurde, verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält die Sicherstellung für ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe keinen konkreten Gefährdungsgrad festgestellt und nicht im konkreten Einzelfall abgewogen. Sie - die Klägerin - habe das Gerät angemeldet, um es im Rahmen ihrer Ausbildung legal zur Herstellung von Aromen und Ölen nutzen zu können. Dies zeige, dass sie nicht die Absicht habe, das Gerät illegal zu nutzen. Dies sei auch bei der Sicherstellung des Geräts festgestellt worden.

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Die Klägerin beantragt,
den Sicherstellungsbescheid vom 20.11.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.3.2013 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

I.

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Die Sicherstellung des Destilliergeräts vom 20.11.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.3.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sicherstellung liegen vor. Ermächtigungsgrundlage ist § 51b Abs. 1 Nr. 6 BranntwMonG. Danach können die Zollbehörden in entsprechender Anwendung des § 215 AO bewegliche Sachen sicherstellen, hinsichtlich derer gegen § 45 Abs. 2 BranntwMonG oder gegen § 46 BranntwMonG verstoßen worden ist.

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Im Streitfall hat die Klägerin ein Destilliergerät erworben, das unstreitig zur Herstellung von Branntwein geeignet ist. Es unterliegt, da es einen Raumgehalt von mehr als 0,5 l hat und sich außerhalb einer Brennerei befindet, auch gemäß § 226 Brennereiordnung der amtlichen Überwachung. § 45 Abs. 2 BranntwMonG bestimmt, dass derjenige, der Brenn- oder Wiengeräte oder sonstige zur Herstellung oder Reinigung von Branntwein geeignete Geräte an einen anderen abgibt, dies schriftlich der Finanzbehörde anzuzeigen hat. § 46 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG bestimmt, dass es verboten ist, Vorrichtungen, die zur nichtgewerblichen Herstellung oder Reinigung kleiner Branntweinmengen geeignet sind, zu verkaufen, wobei Ausnahmen nach § 46 Abs. 2 BranntwMonG vom Bundesminister der Finanzen zugelassen werden können. Mithin war der Verkauf des Destilliergeräts nicht zulässig, zudem hat eine Anzeige des Verkaufs gemäß § 45 Abs. 2 BranntwMonG seitens des Verkäufers nicht stattgefunden. Gegenteiliges behauptet auch die Klägerin nicht. Dann liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Sicherstellung vor. § 51b Abs. 1 Nr. 6 BranntwMonG verlangt nicht, dass die Klägerin selbst gegen Vorschriften des BranntwMonG verstoßen oder sonst schuldhaft gehandelt hat. Vielmehr reicht ein Verstoß seitens des Verkäufers des Brenngeräts gegen in § 51b Abs. 1 Nr. 6 BranntwMonG genannte Bestimmungen tatbestandlich für eine Sicherstellung aus. Durch derartige Verstöße wird das Brenngerät gleichsam inkriminiert.

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Die Sicherstellung liegt indes im Ermessen des Beklagten. Die Ermessensausübung ist im Rahmen des § 102 FGO gerichtlich überprüfbar. Die Sicherstellung erweist sich als ermessensfehlerhaft. Der Beklagte hat zwar jedenfalls in der Einspruchsentscheidung gesehen, dass behördliches Ermessen eröffnet ist, indes hat er dieses Ermessen in zu beanstandender Weise ausgeübt, weil er wesentliche Aspekte nicht in seine Erwägungen eingestellt und zudem sachfremde Erwägungen angestellt hat.

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Der Beklagte durfte die Sicherstellung auf der Rechtsfolgenseite zunächst nicht maßgeblich damit begründen, dass der Verkauf des Destilliergeräts verboten war. Der unzulässige Verkauf - und damit der Verstoß gegen § 46 Abs. 1 BranntweinMonG - ist bereits Tatbestandsvoraussetzung und kann nicht darüber hinaus zur Begründung der Ermessensausübung herangezogen werden. Wenn die Ermessensbetätigung bereits mit dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen begründet werden könnte, würde § 51b Abs. 1 Nr. 6 BranntwMonG entgegen dem Wortlaut als gebundenen Entscheidung angewandt werden.

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Abgesehen davon hat der Beklagte nicht berücksichtigt, dass sich weder aus dem BranntweinMonG noch aus der BrennereiO ein ausdrückliches Verbot ergibt, Brenngeräte mit einem Raumgehalt von mehr als 0,5 l zu besitzen. Aus dem BranntweinMonG ergibt sich lediglich, dass die Herstellung von Branntwein ein Brennrecht voraussetzt und dass Besitzer von Brenngeräten nach § 43 Nr. 2 BranntweinMonG der amtlichen Aufsicht unterliegen. Ein Verbot, Brenngeräte zu besitzen, findet sich hier jedoch nicht. Aus § 226 BrennereiO ergibt sich lediglich, dass derartige Geräte der amtlichen Überwachung unterliegen, wenn sie sich außerhalb der Brennerei befinden. Insofern kann das Ermessen auch nicht mit der Begründung ausgeübt werden, die Klägerin hätte das Gerät nicht besitzen dürfen.

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Es ist auch ermessensfehlerhaft, die Gefahr der Branntweinherstellung allein mit der Größe des Rauminhalts zu begründen. Läge es im Sinne des Gesetzgebers, dass alle Destilliergeräte in Privatbesitz sicherzustellen sind, die einen Raumgehalt von mehr als 0,5 l aufweisen, hätte er die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51b Abs. 1 Nr. 6 BranntwMonG entsprechend formuliert. Da lediglich der Verkauf des Destilliergeräts mit einem Raumgehalt von mehr als 0,5 l, nicht aber dessen Besitz verboten ist, sondern der Besitzer vielmehr (nur) der amtlichen Überwachung unterliegt, hätte der Beklagte eine vertieftere Begründung der Ermessensbetätigung vornehmen müssen. Hinzu kommt, dass es im Streitfall auch nach Darstellung des Beklagten keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Klägerin tatsächlich Branntwein herstellt. Bei der Steueraufsichtsmaßnahme wurde lediglich festgestellt, dass die Klägerin ein Lavendelöl hergestellt hat, eine Destillation von Alkohol wurde nicht festgestellt (Vermerk vom 10.12.2012, Sachakte Bl. 4). Die Klägerin hat auch nachvollziehbar dargelegt, lediglich ätherische Öle herstellen zu wollen, was angesichts ihrer Ausbildung zur Aromatherapeutin auch glaubhaft ist.

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Der Beklagte hätte bei ihrer Ermessensausübung zudem die Veröffentlichungen des Bundesministeriums der Finanzen auf der Homepage www.zoll.de berücksichtigen müssen. Bei diesen Veröffentlichungen handelt es sich zwar lediglich um allgemein gehaltene Informationen und nicht um verbindliche Rechtsakte mit Außenwirkung, gleichwohl sind diese Informationen insbesondere an Bürgerinnen und Bürger wie die Klägerin gerichtet und geeignet, Vertrauen in deren Richtigkeit zu begründen. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist der Beklagte jedenfalls gehalten, diese Veröffentlichungen, auf deren Richtigkeit die Klägerin vertrauen durfte, bei seiner Ermessensbetätigung zu berücksichtigen und sich nicht einfach über sie hinwegzusetzen. Auf der Homepage des Zolls findet sich unter der Überschrift "Branntweinherstellung in Kleindestilliergeräten/Herstellung ätherischer Öle" der Hinweis, dass der bloße Besitz eines Destilliergeräts nicht verboten ist. Weiter heißt es auf der Homepage, dass Brenngeräte mit einem Raumgehalt von mehr als 0,5 l, die sich außerhalb einer Brennerei befinden, der amtlichen Überwachung unterliegen, wobei man unter amtlicher Überwachung die Prüfungsmaßnahmen der Zollbehörden versteht, um sicherzustellen, dass die Geräte nicht zur Branntweinherstellung benutzt werden. Ausdrücklich heißt es weiter, dass das Hauptzollamt für Destilliergeräte Ausnahmen von der Anmelde- und Anzeigepflicht zulassen kann, wenn eine missbräuchliche Verwendung nicht zu befürchten ist (z.B. zur Herstellung ätherischer Öle). Der Beklagte hat nicht ernsthaft erwogen, ob der Besitz des Brenngeräts durch die Klägerin zulässig ist und insoweit unvollständige Ermessenserwägungen angestellt. Der pauschale Hinweis, Aufsichtsmaßnahmen seien aus personellen Gründen nicht möglich, ist sachwidrig, da der Beklagte genau zu diesen Aufsichtsmaßnahmen verpflichtet ist, wie sich - wie gesagt - aus § 43 Nr. 2 BranntweinMonG und § 226 BrennereiO ausdrücklich ergibt.

II.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

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