Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 83/14

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einkünfte der Klägerin im Streitjahr 2011 als gewerbliche Einkünfte i. S. des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG zu qualifizieren sind.

2

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2011 zum ... 2011 von den beiden Gesellschaftern A und B gegründet. § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags lautet: "Gegenstand der Gesellschaft ist der Zweck der gemeinsamen Konzeption von Markenkommunikation über (Online, Print, TV, Mobile) und diesbezüglich Beratung, Strategieentwicklung und Umsetzung unter Einschluss aller damit zusammenhängenden Rechtshandlungen". Die Klägerin wurde zum ... 2013 aufgelöst, und die Gesellschafter vereinbarten die Auseinandersetzung nach Auflösung der Klägerin durch Realteilung.

3

Beide Gesellschafter der Klägerin hatten am ... jeweils den Bachelor of Arts im Studiengang Medienmanagement ... der Hochschule C erworben (Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakten Bl. 37 bis 40).

4

Die Gesellschaft war im Streitjahr in der Beratung von Unternehmen im Bereich Marketing und Kommunikation tätig. Im diesem Rahmen wurden für die Kunden der Unternehmen Konzepte für digitale und analoge Medien erstellt und anschließend durchgeführt, um das jeweilige Unternehmen als Markt zu platzieren. Auf Grundlage dieser Konzepte über den medialen Auftritt der Kunden wurden Entwürfe von Logos oder anderer Kommunikationsmittel (bspw. Corporate Designs, digitale Inhalte), entweder in gemeinsamer Arbeit mit Dritten oder selbständig entwickelt. Hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin wird im Übrigen auf die Tätigkeitsberichte von A und B vom 22.11.2012 und 14.05.2014 (Rechtsbehelfsakte Bl. 7 und 71 f.), und vom 15.12.2014 (Finanzgerichtsakten Bl. 41 ff.) Bezug genommen. Des Weiteren wird auf von der Klägerin vorgelegte Rechnungen Bezug genommen (Rechtsbehelfsakte Bl. 23 ff., Anlagenband 23 ff.). Schließlich wird auf zwei Mappen Bezug genommen, die als Beispiele für Arbeitsergebnisse der Klägerin für ihre Kunden "D" und "E" für die Erstellung von Corporate Designs dienen. Verträge mit den Vertragspartnern der Klägerin wurden nicht schriftlich abgeschlossen.

5

In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung vom 14.08.2012 erklärte die Klägerin für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.04.2011 bis zum 31.12.2011 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von ... €. Die Art ihrer Tätigkeit erläuterte sie mit "Konzeption von Markenkommunikation".

6

Den Aufforderungen des Beklagten vom 29.08.2012 und vom 31.10.2012 (Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakten Bl. 5 und 6), eine detaillierte Darstellung ihrer Tätigkeit sowie Auftragslisten mit ausführlichen Auftragsbescheinigungen für das Jahr 2011 zu übermitteln, kam die Klägerin zunächst nicht nach.

7

Der Beklagte erließ am 13.12.2012 die Bescheide für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, über den Gewerbesteuermessbetrag und über die Gewerbesteuer, in denen der Beklagte insoweit von der Erklärung der Klägerin abwich, als dass er die Einkünfte in der erklärten Höhe nicht als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifizierte.

8

Mit dem Einspruch vom 08.01.2013 (Rechtsbehelfsakte Bl. 8 f.), eingegangen bei dem Beklagten am gleichen Tag, wendet sich die Klägerin gegen die Bescheide für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über die Gewerbesteuer vom 13.12.2012 und die darin vorgenommene Einstufung der Klägerin als Gewerbebetrieb. Die Tätigkeit der Klägerin, deren beiden Gesellschafter ein betriebswirtschaftliches Studium mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen hätten, sei vergleichbar mit der eines beratenen Betriebswirts in der Marketingberatung.

9

Der Beklagte wies mit Einspruchsentscheidungen vom 11.04.2014 den Einspruch der Klägerin vom 08.01.2013 gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2011 sowie gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2011, jeweils vom 13.12.2012, als unbegründet zurück. Der Beklagte begründete dies damit, dass die Klägerin nicht hinreichend nachgewiesen habe, dass ihre Tätigkeit der eines beratenden Betriebswirts entspreche. Hierfür trage die Klägerin die objektive Beweislast. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH komme als beratender Betriebswirt nur in Betracht, wer nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium und praktischer Erfahrung mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten vertraut sei, und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen könne und tatsächlich einsetzen würde. Die erforderliche Breite in diesem Sinne umfasse Fragen der Führung, der Fertigung, der Materialwirtschaft, der Finanzierung, des Vertriebs, des Verwaltungs- und Rechnungswesens sowie des Personalwesens. Es sei dabei für die notwendige Breite der Betätigung ausreichend, wenn sie sich auf wenigstens einen dieser betrieblichen Hauptbereiche erstrecke. Wenn, wie vorliegend, die Tätigkeit im Rahmen einer Personengesellschaft ausgeübt werde, müsse jeder Gesellschafter in seiner Tätigkeit für die Gesellschaft die Hauptmerkmale des freien Berufs in eigener Person erfüllen. Zwar hätten die Gesellschafter nachgewiesen, dass sie jeweils ein Studium mit der Erlangung des Bachelor of Arts abgeschlossen hätten, in dem die Betriebswirtschaftslehre Gegenstand des Studium gewesen sei. Jedoch sei nicht ausreichend nachgewiesen worden, dass sich die Tätigkeit der Klägerin wenigstens auf einen Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre - hier etwa des Vertriebs - erstrecke. Der Vertrieb umfasse dabei alle Maßnahmen zur unmittelbaren Gewinnung von Aufträgen und zur Warenbereitstellung, wie die geeignete Gestaltung des Vertriebssystems, die Gewinnung, Pflege und Sicherung der Kunden und die Vertriebslogistik. Die Klägerin sei nach den eingereichten Nachweisen lediglich in Teilbereichen des Vertriebs tätig.

10

Des Weiteren sei die Klägerin auch nicht künstlerisch im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig, da die Klägerin nach Aktenlage lediglich Leistungen wie z. B. Schriften, Graphiken und Layouts von Dritten für ihre Kunden einkaufe und nicht nachgewiesen sei, ob die Klägerin selbst künstlerisch tätig gewesen sei.

11

Mit der Klage vom 14.05.2014, eingegangen beim Gericht am selben Tag, richtet sich die Klägerin gegen die Qualifizierung der Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb. Der Beklagte habe die Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin, die beide ein betriebswirtschaftliches Studium abgeschlossen hätten, nicht zutreffend beurteilt. Durch die spezialisierte Beratungstätigkeit der Gesellschafter der Klägerin sei die Tätigkeit eines beratenden Betriebswirtes tatsächlich ausgeübt worden. Das Tätigkeitsfeld der Klägerin habe sich zunehmend auch auf die strategische Marketingberatung der Kunden erstreckt. Folglich seien die Einkünfte der Klägerin in solche aus selbständiger Arbeit umzuqualifizieren.

12

Die Beratungsleistung der Klägerin habe dazu dienen sollen, für die Kunden den Markt zu erforschen, eine Produkt- und Sortimentgestaltung durchzuführen und durch neue Verkaufsformen neue Märkte zu erschließen und damit neue Absatzmöglichkeiten zu fördern und zu schaffen. A und B hätten nach Erhalt eines Auftrags für die Klägerin in der Regel mit einem Interview mit dem Kunden begonnen, um seine Wünsche abzufragen. Sodann hätten sie im Internet eine Recherche über die Möglichkeiten des Kunden unter Berücksichtigung von Konkurrenten über seine mögliche Marktposition durchgeführt und ein Konzept für die entsprechende Homepage entworfen. Darüber hinaus sei in der Regel ein Logo sowie entsprechende andere Kommunikationsmittel (Firmenschilder oder Ähnliches) entworfen worden. Die Durchführung dessen sei allerdings von A und B nicht selbst vorgenommen worden; diese Leistungen seien von entsprechenden Firmen eingekauft worden. Auf Wunsch des Kunden seien sie auch bereit gewesen, über Empfehlungen hinauszugehen und sich beratend einzubringen. Ihre Hauptaufgabe habe darin bestanden, für die medialen Auftritte der Kunden ein entsprechendes Konzept zu entwerfen. Sie seien auch in der Lage gewesen, Empfehlungen für kleine Werbegeschenke etc. zu entwickeln und diese zu entwerfen. Auch hätten sie Empfehlungen hinsichtlich des Preissegments, indem sich der Kunde bewegen würde, abgeben können; sie seien jedoch nicht darüber hinausgegangen. A und B hätten selbst keine Businesspläne entworfen, sondern seien lediglich Teil eines entsprechenden Businessplans, nämlich des Kommunikationsplans, gewesen. Auch hinsichtlich des Vertriebs seien sie nur bereit gewesen, Empfehlungen abzugeben.

13

Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 13.12.2012 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.04.2014 dahingehend zu ändern, dass die im Bescheid genannten Einkünfte als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit festgestellt werden und
2. den Bescheid für 2011 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 13.12.2012 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.04.2014 aufzuheben.

14

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Er hält die Klage für unbegründet und verweist hierzu auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 11.04.2014.

16

Am 07.11.2014 hat ein Erörterungstermin mit der Berichterstatterin stattgefunden. Hinsichtlich des Inhalts dieses Termins wird auf das Protokoll vom 07.11.2014 (Bl. 36 f.) verwiesen. Auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2016 wird Bezug genommen (Bl. 62 ff.).

17

Dem Gericht haben die Rechtsbehelfsakten, die Gewinnfeststellungsakten und Gewerbesteuerakten sowie ein Band "Allgemeines" zur Steuernummer .../.../... vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

18

Die Klage ist zulässig.

19

1. Die Klägerin ist hinsichtlich des Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011 nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) klagebefugt. Zwar entfällt die Beteiligtenfähigkeit und damit die Klagebefugnis der Personengesellschaft mit ihrer Vollbeendigung (vgl. BFH Urteile vom 25.04.2006 VIII R 52/04, BFHE 214, 40, BStBl II 2006, 847; vom 01.07.2010 IV R 34/07, BFH/NV 2010, 2246). Die Klägerin ist jedoch steuerrechtlich nicht als voll beendet anzusehen, weil über ihre Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2011 (siehe unter 3.) noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Eine Personengesellschaft gilt für die Dauer eines Rechtsstreits über den Gewerbesteuermessbescheid als nicht voll beendet. Bis zum Abschluss eines solchen Verfahrens steht ihr auch das Klagerecht nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO zu (BFH Urteile vom 16.10.2008 IV R 74/06, BFH/NV 2009, 725; vom 01.07.2010 IV R 34/07, a. a. O.).

20

2. Daneben ist die Klägerin auch durch den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.04.2014 beschwert, denn die Feststellung der unzutreffenden Einkunftsart stellt eine Rechtsverletzung im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO dar (vgl. BFH Urteil vom 15.04.2004 IV R 54/02, BFHE 206,90; BStBl II 2004, 868). Die Feststellung der Einkunftsart bildet dabei einen eigenständigen anfechtbaren Teil des Feststellungsbescheids gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung - AO - (vgl. FG München, Urteil vom 13.09.2006 10 K 2650/03, EFG 2007, 181 ff.).

21

3. Der ursprüngliche Klagantrag, mit dem die Klägerin den Bescheid vom 13.12.2012 über Gewerbesteuer für 2011 angreift, ist - wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung richtig gestellt - dahingehend auszulegen, dass sich die Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2011 vom 13.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.04.2014 richten soll.

22

Prozessuale Rechtsbehelfe sind in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auszulegen, wenn es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten fehlt (vgl. BFH-Urteile vom 01.09.1998 VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596; vom 19.06.1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6; vom 30.08.1994 IX R 42/91, BFH/NV 1995, 481). Dies gilt grundsätzlich auch für Erklärungen rechtskundiger Personen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 19.06.1997 IV R 51/96, a. a. O.). Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf hat einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft (vgl. BFH Urteil vom 31.10.2000 - VIII R 47/98 -, BFH/NV 2001, 589).

23

Im Streitfall ist der Verfahrensgegenstand der Auslegung zugänglich. Bei der Prüfung, ob die Bezeichnung eines Verwaltungsakts als Gegenstand eines Rechtsbehelfs eindeutig ist oder nicht, kann nicht allein auf die äußere Bezeichnung des Einspruchsgegenstands abgestellt werden. Der Klageschrift ist vorliegend zu entnehmen, dass sich die Klägerin gegen die Qualifikation ihrer Tätigkeit als Gewerbebetrieb wenden wollte. Dieses Ziel konnte die Klägerin nicht durch eine Anfechtung des Gewerbesteuerbescheides, sondern nur durch Anfechtung des Gewerbesteuermessbescheides für 2011 erreichen. Denn die Klage gegen den Bescheid über die Gewerbesteuer als Folgebescheid des Gewerbesteuermessbescheides (Grundlagenbescheid) wäre nicht zulässig, da die Klägerin lediglich Mängel des Grundlagenbescheids geltend macht. Nach § 42 FGO in Verbindung mit § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen, die bereits im Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO enthalten und für den Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bindend sind, nur durch Anfechtung des Grundlagenbescheids angegriffen werden. Über die Frage der Gewerbesteuerpflicht wird gemäß § 184 Abs. 1 Satz 2 AO bereits im Gewerbesteuermessbescheid als Grundlagenbescheid entschieden, sodass die Klage gegen den Gewerbesteuerbescheid als Folgebescheid hinsichtlich der Frage der Gewerbesteuerpflicht unzulässig wäre (vgl. BFH Urteil vom 25.08.1999 VIII R 76/95, BFH/NV 2000, 300 f.).

II.

24

Die Klage ist jedoch unbegründet.

25

Die Bescheide des Beklagten für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom 13.12.2012 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 11.04.2014, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im Streitjahr keine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübte, sondern gewerbliche Einkünfte i. S. des § 15 EStG erzielte. Insoweit ist auch zutreffend ein Gewerbesteuermessbescheid ergangen. Die Tätigkeit der Klägerin ist insbesondere nicht mit der eines beratenden Betriebswirts vergleichbar (1.). Auch eine künstlerische Tätigkeit der Klägerin liegt nicht vor (2.).

26

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt jeder im Inland betriebene, stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer. Unter Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG jedes gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Tätigkeit anzusehen ist. Freier Beruf in diesem Sinne ist u. a. gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG die selbständige Berufstätigkeit eines beratenden Betriebswirts oder die Ausübung eines ähnlichen Berufes.

27

Da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 18 EStG nur von natürlichen Personen und nicht etwa auch von Personengesellschaften erfüllt werden können, ist für die Qualifizierung der Tätigkeit einer Personengesellschaft als freiberuflich erforderlich, dass sämtliche Gesellschafter der Personengesellschaft die Merkmale eines freien Berufs in eigener Person erfüllen. Das Handeln der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit das Handeln der Gesellschaft darf kein Element einer nicht freiberuflichen Tätigkeit enthalten (vgl. BFH Urteile vom 11.06.1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; vom 28.10.2008 VIII R 69/06, BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642).

28

Dabei trägt der Steuerpflichtige die sog. objektive Beweislast für alle Tatsachen, die die Qualifikation der Tätigkeit als eine im Sinne des § 18 EStG rechtfertigen können (vgl. BFH Urteil vom 12.12.1991 IV R 65-67/89, BFH/NV 1993, 238).

29

1. Die Tätigkeit der Klägerin ist nicht als selbständige Berufstätigkeit eines beratenden Betriebswirts anzusehen und ist auch nicht dem Berufsbild des beratenden Betriebswirts ähnlich.

30

a) Die Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts setzt voraus, dass der Steuerpflichtige nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt (BFH Urteile vom 14.03.1991 IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769, und vom 11.06.1985 VIII R 254/80, BFHE 144,62, BStBl II 1985, 584).

31

Die erforderliche fachliche Breite in diesem Sinne umfasst Fragen der Unternehmensführung, - der Leistungserstellung - Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen -, der Materialwirtschaft, der Finanzierung, des Vertriebs, des Verwaltungs- und Rechnungswesens sowie des Personalwesens (BFH Urteile vom 14.03.1991 IV R 135/90, und vom 11.06.1985 VIII R 254/80; vom 28.08.2003 IV R 1/03, BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112).

32

Eine gewisse Spezialisierung steht der Freiberuflichkeit nicht entgegen, sodass es noch ausreichend ist, wenn sich die Tätigkeit des Steuerpflichtigen wenigstens auf einen dieser betrieblichen Hauptbereiche erstreckt (BFH Urteil vom 27.05.1975 VIII R 199/73, BFHE 116, 30, BStBl II 1975, 665; vom 28.08.2003 IV R 1/03, BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112; vom 10.06.2008 VIII R 101/04, BFH/NV 2008, 1824).

33

Dem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts entsprechend liegt ein "ähnlicher Beruf" nur dann vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruht und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt (BFH Urteil vom 02.09.1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24).

34

b) Die beiden Gesellschafter der Klägerin haben jeweils den Abschluss Bachelor of Arts der ... Hochschule C erworben. Aus den Semesterübersichten der jeweiligen Zeugnisse (Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakten Bl. 37 und 39) lässt sich nicht unmittelbar entnehmen, ob in den jeweiligen Modulen, wie etwa Medienwirtschaft (Grundkurs, Aufbaukurse I und II), auch die fachliche Breite eines betriebswirtschaftlichen Studiums in den oben genannten Hauptbereichen der Betriebswirtschaft vermittelt wurde.

35

Auch ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass die Gesellschafter der Klägerin darüber hinaus im Selbststudium als Autodidakten die notwendige fachliche Breite in diesem Sinne erlangt haben.

36

Im Ergebnis kann das erkennende Gericht diese Fragen jedoch offen lassen, da jedenfalls die Tätigkeit der Klägerin nicht der eines beratenden Betriebswirts entspricht.

37

c) Die Tätigkeit der Klägerin umfasst nicht vollständig wenigstens einen der betrieblichen Hauptbereiche der Betriebswirtschaft. Zwar ist eine Beratung in allen Fragen des Marketing als Beratung in einem Hauptbereich der Betriebswirtschaft anzusehen (BFH Urteil vom 19.09.2002 IV R 74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27). Die Leistungen der Klägerin erfolgten indes nicht in diesem allenfalls in Betracht kommenden betrieblichen Hauptbereich des Marketing mit der Unterfunktion des Vertriebs.

38

aa) Marketing als Unternehmensfunktion umfasst die Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externer Unternehmensaktivitäten, die durch eine Ausrichtung der Unternehmensleistungen am Kundennutzen im Sinne einer konsequenten Kundenorientierung darauf abzielen, absatzmarktorientierte Unternehmensziele zu erreichen (vgl. Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 18. Aufl. 2012, S. 303). Merkmale des Marketing sind in Übereinstimmung mit der Definition der American Marketing Association (AMA) - "Marketing is an organizational function and a set of processes for creating, communicating and delivering value to customers and for managing customer relationships in ways that benefit the organization and its stakeholders" -
* eine marktorientierte Unternehmensführung (duales Führungskonzept),
* eine Informations- und Aktionsorientierung, die die Konzeption, Durchführung und Kontrolle aller auf die Nachfrage ausgerichteten Marketingaktivitäten (z. B. Marktforschung, Gestaltung des Produktangebots, Preisfestlegung, Vertrieb und Kommunikation) beinhaltet,
* eine Kundennutzenorientierung (Erfassung der Kundenbedürfnisse als zentralen Referenzpunkt für das Marketing),
* eine Beziehungsorientierung zur Gestaltung längerfristiger Beziehungen zwischen Nachfrager und Anbieter (sog. Relationship-Marketing) und
* eine Werteorientierung, d.h. die Orientierung an den Kundenbedürfnissen und die Schaffung eines Netto-Nutzen-Vorteils zur Erreichung finanzieller Unternehmensziele
(vgl. Meffert, Burmann, Kirchgeorg, Marketing, 11. Aufl. 2012, S. 12 ff.).

39

bb) Durch die Tätigkeit der Klägerin, Konzepte für digitale und analoge Medien zu erstellen und anschließend durchzuführen, um das jeweilige Unternehmen am Markt zu platzieren und die Kunden der Unternehmen bei der anschließenden Zusammenarbeit der Klägerin mit externen Dienstleistern, wie etwa Werbeagenturen, zu unterstützen und zu beraten, wird die Klägerin allenfalls in der Gewinnung, Sicherung und Pflege von Kundenkontakten und -beziehungen tätig. Dies schlägt sich auch in der Bezeichnung der ausgeführten Tätigkeiten in den jeweiligen Rechnungen nieder, die die Klägerin für ihre Auftraggeber erstellt hat. So hat die Klägerin in den Rechnungen des Streitjahres an die D GmbH & Co. KG u. a. folgende Tätigkeiten abgerechnet:
* Überarbeitung der Erweiterung der Konzeption, Briefing des Filmschnitts und Begleitung der Dreharbeiten sowie Erstellung des Briefings für die Motions mit Kürzung und Einbau in die Präsentation für das Projekt "Unternehmenspräsentation" (Rechnung vom 20.04.2011),
* Adaption des Menüboards für entsprechende Vermaßung mit Anpassung der Grafiken, Texte und Bilder sowie Druckvorbereitung für das Projekt "..." (Rechnung vom 27.04.2011),
* Facebookbetreuung im Mai mit Content-Erstellung, Kommunikation und Koordination der Aktionen und Facebook Adds sowie Facebook Lifetime Budget für den Monat Mai für das Projekt "..." (Rechnung vom 31.05.2011),
* Konzeption des neuen Corporate Design mit Farben, Mustern und Visuals, Wahl der neuen Schriften und Grafiken + typografischen Regelungen des Schriftbildes und Regelungen für Logo und Grafikeinsatz für das Projekt "...",
* Locationscouting in ... zum Shooting der D, Fotograf, Fotoassistent, Styling, Stylingkosten, Make-up Artist + Assistents, Models, Licht und Kamera, und andere für das Projekt "..." (Rechnungen vom 17.10.2011).
Diese Leistungen der Klägerin in Form der Gestaltung des Produktangebots der Rechnungsempfängerin stellen jedoch nur einen Teilbereich des Marketing dar. Die Klägerin war im Streitjahr mit ihrer Tätigkeit nicht einmal vollständig an dem Teilbereich der Informations- und Aktionsorientierung beteiligt; dieser beinhaltet die Konzeption, Durchführung und Kontrolle aller auf die Nachfrage ausgerichteten Marketingaktivitäten, zu denen neben der Gestaltung des Produktangebots u. a. die Preisfestlegung, der Vertrieb und die Kommunikation zu zählen sind. Die Tätigkeit der Klägerin, die auf die Gewinnung und Sicherung von Kunden ausgerichtet war, hatte allenfalls indirekten Einfluss auf den betrieblichen Hauptbereich des Marketing. Ihre Tätigkeit lässt sich daher vielmehr mit der eines Werbe- oder Marketingberaters vergleichen, bei der die Klägerin nach Erstellung des jeweiligen Konzepts als Vermittler zwischen ihren Kunden und den externen Dienstleistern, bei denen sie Leistungen wie Graphiken und Layouts einkaufte, auftrat. Auf der Grundlage der spezialisierten Ausbildung der Gesellschafter der Klägerin waren diese ganz überwiegend mit der Konzeptionierung und Gestaltung der Produktplazierung befasst, ohne aber eine umfassende betriebswirtschaftliche Beratung durchzuführen, sodass ihre Tätigkeit insgesamt als gewerblich einzustufen ist. Unabhängig davon, ob die Vorbildung der Gesellschafter der Klägerin mit der breiten fachlichen Vorbildung des beratenden Betriebswirts vergleichbar ist, erstreckt sich die Tätigkeit der Klägerin deshalb nicht auf einen vergleichbar breiten betriebswirtschaftlichen Bereich.

40

2. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit und damit zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch die selbstständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit. Die Klägerin war jedoch nicht künstlerisch tätig.

41

Eine künstlerische Tätigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige durch die freie schöpferische Gestaltung seine individuelle Anschauungsweise und Darstellungskraft zum Ausdruck bringt und diese über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH Urteil vom 15.10.1998 IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465). Auch hier trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (vgl. BFH Urteil vom 12.12.1991 IV R 65-67/89, BFH/NV 1993, 238).

42

Zwar trägt die Klägerin im Tätigkeitsbericht vom 14.05.2014 (Anlageband Bl. 8 f.) vor, Layouts und Grafiken seien unter anderem auch selbständig erstellt worden und die gestalterische Linie sei eigens visualisiert bzw. skizziert worden. Dies ist jedoch nicht hinreichend, um die oben ausgeführten Voraussetzungen, die bei einer künstlerischen Tätigkeit gegeben sein müssen, zu erfüllen. Denn im Streitfall standen auch insoweit die Verkaufsstrategie, die Eigenschaften der Produkte sowie deren Präsentation im Vordergrund.

III.

43

Die Klägerin trägt gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

44

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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