Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 40/15

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen einen Einfuhrabgabenbescheid für eine Sattelzugmaschine.

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Die Klägerin ist eine internationale Spedition mit Sitz in der Türkei. Im Oktober 2014 transportierte sie für die XXX bestimmte Waren aus der Türkei nach A in Deutschland. Sie lud die Waren in der Türkei in einen dort zugelassenen Sattelauflieger und verschiffte diesen ohne Zugmaschine zunächst von Istanbul mittels Fähre nach Triest. Von dort wurde der Auflieger mittels Eisenbahn nach Luxemburg verbracht und sodann auf eine in der Türkei zugelassene Zugmaschine aufgesattelt, die nach A fuhr.

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Der Fahrer der Zugmaschine war am 17.10.2014 per Flugzeug nach Slowenien eingereist und hatte die Zugmaschine im Gebiet der EU zu einem unbekannten Zeitpunkt übernommen. Von Italien hatte er einen ersten Auflieger nach Frankreich verbracht und von dort einen weiteren nach Luxemburg. In Luxemburg hatte er schließlich den streitgegenständlichen Auflieger aufgeladen.

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Am 31.10.2014 verließ er Luxemburg und fuhr mit der Zugmaschine und dem Auflieger über den Grenzübergang B in das Bundesgebiet, um die Ladung nach A zu bringen. Dabei war er im Besitz einer güterkraftverkehrsrechtlichen Genehmigung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung. Die Genehmigung berechtigte zum internationalen Güterverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei sowie im Durchgangsverkehr durch die Bundesrepublik Deutschland mit einem Kraftfahrzeug einschließlich Anhänger und im Ro-Ro-Verkehr gemäß Nr. 7 der besonderen Bedingungen der Genehmigung. In diesen Bedingungen heißt es unter Nr. 3, dass die Genehmigung nur für eine Hin- und Rückfahrt im Wechsel- und/oder Transitverkehr gelte. Nach Nr. 6 gelte die Genehmigung auch für die Durchführung eines Transports im Dreiländerverkehr, sofern der Zulassungsstaat des Kraftfahrzeuges auf verkehrsüblichem Weg durchfahren werde. Nach Nr. 7 berechtige sie auch zur Beförderung von Gütern in Anhängern/Sattelaufliegern im Ro-Ro-Verkehr von/nach oder durch Deutschland, wenn die Anhänger/Sattelauflieger in der Türkei oder in Deutschland zugelassen seien. Daneben besaß der Fahrer weitere güterkraftverkehrsrechtliche nationale Genehmigungen der Länder Italien, Belgien und Luxemburg.

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Nahe A kontrollierten Beamte des Beklagten das Gespann. Sie vermerkten, dass mit der vorgelegten Einzelfahrtgenehmigung keine Nachlaufbeförderung auf der Straße erfolgen dürfe, wenn zuvor ein "unbegleiteter Ro-Ro-Verkehr auf der Schiene" erfolgt sei. Die Einzelfahrtgenehmigung gelte nur, wenn die türkische Zugmaschine den Auflieger in Triest abhole und eine direkte Nachlaufbeförderung zur Fährverbindung begleitet durchgeführt werde. Die Beamten schätzten den Wert der Zugmaschine durch einen Vergleich mit Verkaufsanzeigen im Internet auf 50.000 €, berechneten daraus einen Zollwert von 36.221,39 € und setzten mit Bescheid vom 17.11.2014 Zoll und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 5.795,42 € bzw. 7.983,19 €, insgesamt 13.788,61 €, fest. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben seien für die Zugmaschine bei der Einfuhr in die Bundesrepublik nicht mehr erfüllt gewesen. Die nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) notwendige Genehmigung habe gefehlt. Die vorgelegte bilaterale Genehmigung habe nicht zur Durchführung eines Transports zwischen Luxemburg und der Bundesrepublik berechtigt, weil der Zulassungsstaat der Zugmaschine (Türkei) nicht auf verkehrsüblichem Weg durchfahren worden sei. Insoweit sei gegen Nr. 6 der besonderen Bedingungen der Genehmigung verstoßen worden. Die Genehmigung berechtige auch nicht zu einer Straßenbeförderung im Nachlauf zu Fährverbindungen (begleiteter oder unbegleiteter Ro-Ro-Verkehr) mit anschließender unbegleiteter Kombiverkehrsfahrt Schiene-Straße.

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Am 15.12.2014 legte die Klägerin Einspruch gegen den Bescheid vom 17.11.2014 ein. Der einheitliche Warentransport von der Türkei nach Deutschland sei auch hinsichtlich der im Ro-Ro-Verkehr durchgeführten Teilstrecke durch die bilaterale Genehmigung erlaubt gewesen. Bei dem streitgegenständlichen Transport per Fähre nach Triest und anschließend auf der Schiene nach Luxemburg und von dort auf der Straße nach Deutschland handele es sich um einen typischen Transportweg, für den in der Vergangenheit immer die bilaterale Genehmigung als ausreichend angesehen worden sei. CEMT-Genehmigungen gem. § 6 S. 2 Nr. 2 GüKG seien für diesen Transportweg deshalb nicht eingesetzt worden. Im Übrigen sei der Transport, wie von der Genehmigung vorgesehen, von der Türkei nach Deutschland gegangen und nicht als Dreiländerverkehr von Luxemburg nach Deutschland. Dass ein Teil der Strecke als Ro-Ro-Verkehr durchgeführt worden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Gemäß Nr. 7 der besonderen Bedingungen der Genehmigung berechtige diese auch zur Beförderung von Gütern in Anhängern/Sattelaufliegern im Ro-Ro-Verkehr von, nach oder durch Deutschland. Im Übrigen sei allein die Warenbeförderung relevant, nicht die LKW-Beförderung. Die Waren seien in der Türkei auf den Auflieger geladen worden, sodass mit der Zugmaschine keine im Zollgebiet der Gemeinschaft auf- und wieder abgeladenen Waren befördert worden seien. Das bloße Aufsatteln des Aufliegers in Luxemburg stelle güterverkehrsrechtlich keine Beladung dar und unterbreche den einheitlichen Warentransport, der in der Türkei begonnen und in Deutschland geendet habe, nicht. Der Tausch der Zugmaschinen sei ein üblicher Vorgang, der im Rahmen eines Transportes häufig vorkommen könne. Deshalb liege kein Dreiländerverkehr zwischen Luxemburg und Deutschland vor, bei dem der Zulassungsstaat nicht durchfahren worden sei. Diese Sichtweise des Beklagten stelle unkorrekt auf den Weg der Zugmaschine anstatt auf den Weg der Beförderung der Ware ab. Im Ausgangsbescheid sei zudem verkannt worden, dass die Zugmaschine über die Grenze nach Deutschland und damit aus dem Gemeinschaftsgebiet und nicht aus einem Drittland nach Deutschland gelangt sei. Die Erhebung von Einfuhrabgaben verstoße damit auch gegen das Verbot der Erhebung von Ein- und Ausfuhrzöllen und Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft. Außerdem sei die Höhe des angesetzten Zollwertes unrichtig. Eine Recherche habe ergeben, dass vergleichbare Sattelzugmaschinen des Typs YYY für zwischen 15.000 € und 26.800 € aktuell im Internet angeboten würden. Das Mittel belaufe sich auf 22.607,69 €. Darauf abstellend wären maximal Einfuhrabgaben in Höhe von 8.599,96 € gerechtfertigt.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 05.02.2015 wies der Beklagte den Einspruch zurück: Die Klägerin sei gemäß Art. 204 ZK, § 21 Abs. 2 UStG Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuldnerin geworden, da sie die Pflichten, die sich aus der Inanspruchnahme des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung hinsichtlich der Sattelzugmaschine ergeben hätten, nicht erfüllt habe. Der Warentransport mit der Sattelzugmaschine habe nicht außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft in der Türkei, sondern erst in Luxemburg begonnen. Durch die Benutzung der Zugmaschine zum Zwecke des Warentransports von Luxemburg nach A sei die Voraussetzung des Art. 558 Abs. 1 lit. c) ZKDVO, dass das Beförderungsmittel ausschließlich für Beförderungen verwendet werden dürfe, die außerhalb der EG begonnen hätten, nicht eingehalten worden. Sattelzugmaschinen würden aufgrund ihrer speziellen Bauart auch dadurch beladen werden, dass der beladene Sattelauflieger aufgenommen werde. Der durchgeführte Transport sei auch nicht nach Nr. 7 der besonderen Bedingungen der Genehmigung als zulässige Beförderung von Gütern in Anhängern/Sattelaufliegern im Ro-Ro-Verkehr von/nach oder durch Deutschland erlaubt gewesen. Eine solche Ausnahme nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) der Verordnung über den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr und den Kabotageverkehr (GüKGrKabotageV) sei nur möglich, wenn im kombinierten Verkehr der nächstgelegene geeignete Bahnhof nach § 14 GüKGrKabotageV genutzt werde. Vorliegend sei der Bahnhof Luxemburg genutzt worden, der als nächstgelegener geeigneter Bahnhof auszuschließen sei. Damit liege ein nicht genehmigter Binnenverkehr gemäß Art. 555 Abs. 1 lit. c) ZKDVO vor. Der Verstoß habe sich auch nach Art. 204 Abs. 1 ZK, Art. 859 Nr. 4 ZKDVO auf die ordnungsgemäße Durchführung des Zollverfahrens ausgewirkt. Der Klägerin wäre ein entsprechender Antrag beim Bundesamt für Güterverkehr für einen Binnentransport nicht genehmigt worden. Solche Genehmigungen würden grundsätzlich nur an in der Gemeinschaft ansässige Unternehmen erteilt werden und eine Zollstelle hätte demzufolge einen Antrag auf vorübergehende Verwendung des Transportmittels für den Binnentransport ablehnen müssen. Die Zollschuld sei vorliegend im Zeitpunkt der Pflichtverletzung gemäß Art. 204 Abs. 2 ZK mit dem Grenzübertritt von Luxemburg nach Deutschland entstanden, da für Luxemburg noch eine gesonderte Genehmigung für den kombinierten Drittland-Straßengüterverkehr bestanden habe, nicht aber für den Transport in Deutschland. Dass der Grenzübertritt von Luxemburg nach Deutschland erfolgt sei, habe nicht zur Folge, dass mit der Erhebung von Einfuhrabgaben gegen EU-Recht verstoßen worden sei, da Grundlage die sich in der vorübergehenden Verwendung befindende, aus der Türkei stammende Zugmaschine gewesen sei. Vorliegend habe der Zollwert der Zugmaschine mit der Schlussmethode gemäß Art. 31 ZK ermittelt werden müssen. Dieser sei in Abhängigkeit von Alter, Baujahr, Laufleistung und des maßgebenden Zeitpunktes zutreffend ermittelt worden. Die Sattelzugmaschine aus dem Jahr 2012 habe zum damaligen Zeitpunkt eine Laufleistung von 230.000 km besessen. Die Vergleichsangebote der Klägerin könnten keine Beachtung finden, da sie Fahrzeuge mit einer Erstzulassung aus dem Jahr 2010 und älter aufwiesen mit einer Laufleistung von durchschnittlich 600.000 km.

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Die Klägerin hat am 05.03.2015 Klage erhoben. Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und hält daran fest, dass die Erhebung von Einfuhrabgaben auf den LKW rechtswidrig sei. Die Zugmaschine sei mit der Einfahrt in das Gebiet der Europäischen Union in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung übergeführt worden und es sei nicht gegen Pflichten dieses Verfahrens verstoßen worden. Insbesondere seien die Voraussetzungen des Art. 558 Abs. 1 lit. c) ZKDVO eingehalten worden. Danach könnten Beförderungsmittel im Binnenverkehr eingesetzt werden, sofern die im Bereich des Verkehrs geltenden Vorschriften dies vorsähen. Aus zollrechtlicher Sicht sei ein solcher Binnenverkehr mit dem Aufsatteln des Aufliegers in Luxemburg und dem Absatteln in Deutschland gegeben. Dieser Binnenverkehr sei durch die entsprechenden Verkehrsvorschriften gedeckt. Sie - die Klägerin - habe eine Drittstaatengenehmigung gemäß § 6 S. 2 Nr. 5 GüKG besessen, die u. a. zum Wechselverkehr zwischen der Türkei und Deutschland berechtigt habe. Dass der Auflieger, der unbegleitet mit der Ro-Ro-Fähre aus Istanbul in Triest angekommen sei, nicht bereits im Hafen von Triest durch einen LKW aufgesattelt und nach Deutschland gefahren, sondern zunächst mit der Eisenbahn weiter nach Luxemburg verbracht worden sei, stehe dem nicht entgegen. Der Wechselverkehr sei gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße vom 10.10.1977 dadurch gekennzeichnet, dass die Beförderung "der Ware" direkt zwischen den Vertragsparteien (hier zwischen der Türkei und Deutschland) stattfinde, mithin ein einheitlicher und durchgängiger Transportvorgang zwischen den beiden Ländern gegeben sei. Dieser durchgängige Transportweg werde durch das Aufsatteln des Aufliegers in Luxemburg auf den LKW nicht unterbrochen. Dass ein durchgängiger Transport zwischen der Türkei und Deutschland stattfinde, bei dem ein Umladen der Auflieger auf verschiedene Beförderungsmittel nicht schade, zeige bereits die sog. "Ro-Ro-Klausel" gemäß Nr. 7 der besonderen Bedingungen der Genehmigung. Diese Klausel impliziere, dass Auflieger und Zugmaschine teilweise getrennt voneinander reisen dürften und der Auflieger dann nach einem Ro-Ro-Verkehr aufgesattelt werden dürfe. Die gemischte Kommission nach Art. 15 des Abkommens sei wohl zur Auffassung gelangt, dass das Abkommen dahin gehend auszulegen sei, dass auch der Ro-Ro-Verkehr mit in der Türkei zugelassenen Sattelaufliegern einen Wechselverkehr im Sinne des Art. 8 Abs. 1 lit. a) des Abkommens darstelle. Dies belege, dass das Aufsatteln des Aufliegers nach der Ro-Ro-Beförderung auch nach dem Willen des deutschen Verkehrsministeriums nicht zur Verneinung eines einheitlichen Wechselverkehrs führen solle. Ein solches Verständnis füge sich in das Gesamtsystem des intermodalen Verkehrs ein. Dieser sei dadurch gekennzeichnet, dass Ladeeinheiten wie Auflieger durch mehrere Verkehrsträger befördert werden würden, um die Vorteile aller Beförderungsmittel möglichst optimal zu nutzen. Eine von verschiedenen Verkehrsträgern durchgeführte Beförderung dieser Art werde als einheitlicher Transportvorgang angesehen. Es werde auch der Sinn und Zweck der zollrechtlichen Vorschriften nicht tangiert, wenn zwar güterverkehrsrechtlich ein durchgängiger Wechselverkehr zwischen der Türkei und Deutschland trotz Aufsatteln des Aufliegers in Luxemburg angenommen, zollrechtlich darin aber zugleich ein Binnenverkehr, der durch Umladen der Ware im Zollgebiet der Gemeinschaft gekennzeichnet sei, gesehen werde. Grund hierfür seien die unterschiedlichen Regelungsgegenstände und die damit einhergehenden unterschiedlichen Begrifflichkeiten. Regelungsgegenstand des Zollrechts sei u. a. das Verbringen von Waren in das Zollgebiet der Europäischen Union und die damit grundsätzlich verbundene Erhebung von Einfuhrabgaben. In diesem Sinne stelle das Zollrecht auf den Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern ab. Das Güterverkehrsrecht habe als Wirtschaftsverwaltungsrecht dagegen vor allem die Durchführung der Güterbeförderung zum Gegenstand und stelle nicht auf die Einfuhr von Waren in das Zollgebiet ab. Es komme vielmehr darauf an, welche Arten der Güterbeförderung zulässig sein sollen und wie deren Voraussetzungen ausgestaltet seien. Die grundsätzliche gesetzgeberische Intention des Art. 558 Abs. 1 lit. c) ZKDVO, das Verhindern von Kabotage, werde dadurch nicht in Frage gestellt, zumal sie - die Klägerin - den LKW nur auf einer Teilstrecke des gesamten Transportweges Türkei-Deutschland, nämlich zwischen Luxemburg und Deutschland, eingesetzt habe. Deshalb komme es auch nicht auf die Vorschriften der §§ 13 ff. GüKGrKabotageV an. Es liege schon kein grenzüberschreitender kombinierter Verkehr im Sinne von § 13 GüKGrKabotageV vor, da die Beförderung vorliegend nicht nur auf der Straße im Inland stattgefunden habe. Auch der in § 16 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) GüKGrKabotageV genannte "begleitete kombinierte Verkehr" sei vorliegend nicht gegeben. Die Beförderung von Aufliegern im Ro-Ro-Verkehr sei bereits nach der Einzelfahrtgenehmigung erlaubt.

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Sofern man vorliegend einen Wechselverkehr verneine, und wie der Beklagte aufgrund des Aufsattelns in Luxemburg lediglich einen Dreiländerverkehr in Betracht ziehe, müssten jedenfalls dessen Voraussetzungen bejaht werden. Zwar habe die Zugmaschine die Türkei vorliegend tatsächlich nicht durchfahren. Dies sei aber unschädlich, da Art. 8 Abs. 1 lit. c) des Abkommens teleologisch zu reduzieren sei. Vor dem Hintergrund der englischen Sprachfassung müsse auf die Reise"route" des beladenen Aufliegers abgestellt werden. Dieser sei in der Türkei zugelassen und von Luxemburg als Drittstaat nach Deutschland transportiert worden. Die erforderliche Anknüpfung an den Zulassungsstaat sei dadurch gegeben, dass der Ausgangspunkt der Beförderung des Aufliegers in der Türkei gewesen sei. Schließlich sei das Vorgehen des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung problematisch, da eine Drittstaatengenehmigung für den streitgegenständlichen Transportweg bisher als ausreichend angesehen worden sei.

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Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 17.11.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.02.2015 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass nicht die Warenbeförderung relevant sei, sondern die Verwendung der ohne Auflieger in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Zugmaschine. Ferner habe der Bundesfinanzhof entschieden, dass Sattelzugmaschinen aufgrund ihrer speziellen Bauart auch dadurch beladen würden, dass beladene Sattelauflieger aufgenommen würden. Die Verwendung der Zugmaschine für den Transport von Waren innerhalb der Gemeinschaft sei ein nicht genehmigter Binnentransport und somit nicht konform mit der erteilten Bewilligung zur vorübergehenden Verwendung der Zugmaschine gewesen. Die erteilte Einzelfahrtgenehmigung für die Zugmaschine habe nicht für den Transport zwischen Luxemburg und Deutschland gegolten. Die Zugmaschine hätte den Auflieger in Triest übernehmen müssen, damit der Transport durch die Genehmigung abgedeckt gewesen wäre. Die Klägerin sei für die Sattelzugmaschine weder im Besitz einer erforderlichen CEMT-Genehmigung oder einer "Dreiländerverkehrsgenehmigung ohne Durchfahren des Heimatlandes" gewesen. Nach Auskunft des Bundesverkehrsministeriums werde diese Art der Genehmigung türkischen Transportunternehmen auch nicht erteilt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 17.11.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 05.02.2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

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Die Einfuhrzollschuld ist nach Art. 204 Abs. 1 lit. a) Alt. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (ZK) entstanden. Entsprechendes gilt für die Einfuhrumsatzsteuer nach § 21 Abs. 2 Hs. 1 UStG.

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Nach Art. 204 Abs. 1 lit. a) ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als den in Art. 203 genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.

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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Zugmaschine befand sich als einfuhrabgabenpflichtige Nichtgemeinschaftsware im Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung (1.). Die sich hieraus ergebenden Pflichten hat die Klägerin nicht erfüllt (2.), und diese Verfehlung hat sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Zollverfahrens ausgewirkt (3.). Bei der Klägerin handelt es sich um die richtige Zollschuldnerin (4.). Schließlich war der Beklagte für die Abgabenerhebung zuständig (5.), und auch die Abgabenhöhe ist nicht zu beanstanden (6.).

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1. Vorliegend wurde die in der Türkei zugelassene Zugmaschine zu einem unbekannten Zeitpunkt durch das Passieren einer Zollstelle an der Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft mittels konkludenter Zollanmeldung gemäß Art. 232 Abs. 1 lit. b), 233 Abs. 1 lit. a) Beistrich 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZKDVO) in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung (Art. 4 Nr. 16 lit. f), Art. 84 Abs. 1 lit. a) Beistrich 5, lit. b) Beistrich 4 ZK) übergeführt. Dabei galt die Willensäußerung des Fahrers nach Art. 233 Abs. 1 lit. a) Beistrich 2 ZKDVO beim Passieren der Zollstelle an der Grenze als Bewilligungsantrag und das Nichttätigwerden der Zollstelle gemäß der Abfertigungsfiktion des Art. 234 Abs. 1 ZKDVO als Bewilligung des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung (vgl. hierzu BFH, Urt. v. 14.06.2005, VII R 44/02, Juris).

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2. Die sich aus diesem Verfahren ergebenden Pflichten hat die Klägerin nicht erfüllt.

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Die Regelungen des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung finden sich in Art. 137 ff. ZK. Art. 137 ZK bestimmt, dass Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, im Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden dürfen. Gemäß Art. 141 ZK wird im Ausschussverfahren festgelegt, in welchen Fällen und unter welchen besonderen Voraussetzungen das Verfahren der vorübergehenden Verwendung in Anspruch genommen werden kann. Da es sich bei der Zugmaschine um ein gewerblich verwendetes (vgl. Art. 555 Abs. 1 lit. a) ZKDVO) Beförderungsmittel handelt, sind die Voraussetzungen für die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben im Verfahren der vorübergehenden Verwendung den Art. 555 ff. ZKDVO zu entnehmen. Voraussetzung für die Bewilligung des Verfahrens der vorübergehenden (gewerblichen) Verwendung ist nach Art. 558 Abs. 1 lit. c) ZKDVO, dass das Beförderungsmittel mit Ausnahme von Schienenbeförderungsmitteln nur für Beförderungen verwendet wird, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden; sie können jedoch im Binnenverkehr eingesetzt werden, sofern die im Bereich des Verkehrs geltenden Vorschriften, insbesondere diejenigen betreffend die Voraussetzung für den Marktzugang und die Durchführung von Beförderungen, es vorsehen.

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Vorliegend ist keine Beförderung gegeben, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft begonnen oder geendet hat, sondern ein Binnenverkehr (a.), der von den im Bereich des Verkehrs geltenden Vorschriften nicht vorgesehen ist (b.).

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a. Es lag ein von der Bewilligung der vorübergehenden Verwendung nicht gedeckter Binnenverkehr vor.

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Binnenverkehr ist gemäß Art. 555 Abs. 1 lit. c) ZKDVO die Beförderung von Personen oder Waren, die im Zollgebiet der Gemeinschaft einsteigen oder geladen werden, um in diesem Gebiet wieder auszusteigen oder ausgeladen zu werden. In der Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass eine Beförderung nur dann außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnt oder endet, wenn die beförderten Waren die Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft gemeinsam mit dem hierzu eingesetzten Beförderungsmittel überschreiten (BFH, Urt. v. 14.06.2005, VII R 44/02, Juris; EuGH, Urt. v. 15.12.2004, C-272/03; FG Hamburg, Urt. v. 12.09.2007, 4 K 136/06, Juris). Die entgegengesetzte Auslegung, wonach das entscheidende Kriterium über die Frage, ob eine Beförderung mit einem zur vorübergehenden Verwendung zugelassenen Fahrzeug eine Beförderung darstellt, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnt oder endet, nur darin besteht, dass die zu einer bestimmten Zeit mit dem fraglichen Fahrzeug beförderte Ware unabhängig von diesem Fahrzeug tatsächlich die Grenze des genannten Gebiets überschritten hat, und nicht darin, dass das Fahrzeug und die beförderte Ware diese Grenze gleichzeitig überschreiten, würde nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes den entsprechenden Bestimmungen der ZKDVO ihre praktische Wirksamkeit nehmen. Nichts würde nämlich einen Beförderungsunternehmer daran hindern, eine Sattelzugmaschine im Verfahren der vorübergehenden Verwendung einzuführen und ausschließlich zur Durchführung von Beförderungen innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft zu verwenden, sobald gewährleistet ist, dass entweder der Herkunfts- oder der Bestimmungsort der beförderten Auflieger und ihrer Ladung außerhalb der Gemeinschaft liegt (EuGH, Urt. v. 15.12.2004, C-272/03, Juris).

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Die Voraussetzung des gemeinsamen Grenzübertritts ist vorliegend nicht erfüllt. Die Ware und die streitgegenständliche Zugmaschine haben die Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft nicht gemeinsam, sondern getrennt voneinander zu unterschiedlichen Zeitpunkten überschritten.

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b. Die im Bereich des Verkehrs geltenden Vorschriften sehen einen solchen, vom Kabotageverbot des Art. 558 Abs. 1 lit. c) ZKDVO abweichenden Binnenverkehr nicht vor. Der Transport war nach den maßgeblichen Vorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes erlaubnispflichtig (aa.) und nicht von der Einzelfahrtgenehmigung der Klägerin gedeckt (bb.).

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aa. Der von der Klägerin durchgeführte Transport war erlaubnispflichtig.

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Nach § 3 Abs. 1 GüKG ist der gewerbliche Güterkraftverkehr, also die geschäftsmäßige oder entgeltliche Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen, die einschließlich Anhänger ein höheres zulässiges Gesamtgewicht als 3,5 Tonnen haben (§ 1 Abs. 1 GüKG), erlaubnispflichtig, soweit sich nicht aus dem unmittelbar geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht etwas anderes ergibt. Das Unionsrecht führt vorliegend nicht zu einer Befreiung von der Erlaubnispflicht, ebenso wenig wie die vorliegend allein in Betracht kommende Ausnahmevorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr und den Kabotageverkehr (GüKGrKabotageV) für An- oder Abfuhren im kombinierten Verkehr. Danach ist ein Unternehmer, dessen Unternehmen seinen Sitz weder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union noch in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, bei An- oder Abfuhren im kombinierten Verkehr im Sinne des § 13 GüKGrKabotageV im Inland von der Erlaubnis- und Genehmigungspflicht befreit, wenn das Kraftfahrzeug im unbegleiteten kombinierten Verkehr bei der An- oder Abfuhr die deutsche Grenze überschreitet (lit. a)) oder das Kraftfahrzeug im begleiteten kombinierten Verkehr während der Mitbeförderung auf der Eisenbahn oder dem Binnen- oder Seeschiff die deutsche Grenze überschreitet und nur eine An- oder Abfuhr durchgeführt wird, die beim begleiteten kombinierten Verkehr Schiene/Straße (Rollende Landstraße) nur zwischen Be- oder Entladestelle und einem innerhalb eines Umkreises von 150 km Luftlinie gelegenen geeigneten Bahnhof erfolgen darf (lit. b)).

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Einen dieser Privilegierungstatbestände erfüllt der streitgegenständliche Transport unabhängig von den weiteren Voraussetzungen der Norm nicht. Die Zugmaschine hat die deutsche Grenze weder im unbegleiteten kombinierten Verkehr (lit. a)), noch im begleiteten kombinierten Verkehr während der Mitbeförderung auf der Eisenbahn oder dem Binnen- oder Seeschiff überschritten (lit. b)).

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bb. Der Erlaubnispflicht nach § 3 Abs. 1 GüKG wird nicht durch die der Klägerin erteilte Genehmigung für den internationalen Güterkraftverkehr genüge getan.

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Nach § 6 S. 1 GüKG ist ein Unternehmer, dessen Unternehmen seinen Sitz nicht im Inland hat, für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr von der Erlaubnispflicht nach § 3 GüKG befreit, soweit er Inhaber der jeweils erforderlichen Berechtigung ist. Berechtigungen sind nach § 6 S. 2 GüKG die Gemeinschaftslizenz (Nr. 1), die CEMT-Genehmigung (Nr. 2), die CEMT-Umzugsgenehmigung (Nr. 3), die schweizerische Lizenz für den gewerblichen Güterkraftverkehr (Nr. 4) und die Drittstaatengenehmigung (Nr. 5). Nach § 9 GüKGrKabotageV muss ein Unternehmer, dessen Unternehmen seinen Sitz nicht im Inland hat, Inhaber einer Drittstaatengenehmigung sein, wenn er im grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr von oder nach einem oder durch einen Staat, der weder Mitglied der Europäischen Union noch anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, auf dem inländischen Streckenteil keine dafür erforderliche Berechtigung nach § 6 S. 2 Nr. 1 bis 3a GüKG verwendet.

31

Vorliegend hat die Klägerin keine der genannten Berechtigungen (die Nr. 3a ist nunmehr die Nr. 4 in § 6 S. 2 GüKG) verwendet bzw. verwenden können, sondern eine Drittstaatengenehmigung nach § 6 S. 2 Nr. 5 GüKG, §§ 9 ff. GüKGrKabotageV. Die erteilte Genehmigung berechtigt jedoch nicht zu Warentransporten von der Türkei nach Deutschland, bei denen der Auflieger im unbegleiteten kombinierten Verkehr zunächst per Fähre nach Triest, dann per Zug nach Luxemburg und von dort mittels Zugmaschine nach Deutschland verbracht wird.

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Bei der erteilten Genehmigung handelt es sich um einen güterkraftverkehrsrechtlichen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG, dessen Regelungsgegenstand nach den allgemein geltenden Auslegungsgrundsätzen zu bestimmen ist. Maßgeblich ist dabei der objektive Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts. Die Auslegungsregeln insbesondere der §§ 133, 157 BGB finden dabei entsprechende Anwendung. Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, auch die Begründung des Verwaltungsakts (BeckOK, VwVfG/von Alemann/Scheffczyk, VwVfG § 35, Rn. 46, beck-online m. w. N.).

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Nach diesem Maßstab erlaubt die erteilte Genehmigung keine Nachlaufbeförderung auf der Straße in Deutschland, der ein unbegleiteter kombinierter Verkehr mittels Fähre und Zug vorangegangen ist. Vielmehr verhält sich die Genehmigung zu einem solchen Transportweg nicht, weshalb er als nicht erlaubt anzusehen ist.

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Nach dem Wortlaut der Genehmigung erlaubt diese eine Hin- und Rückfahrt im internationalen Güterkraftverkehr bzw. Wechsel- und/oder Transitverkehr zwischen Deutschland und der Türkei. Wechselverkehr ist nach Art. 8 des der Drittstaatengenehmigung zu Grunde liegenden Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Türkei über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Straße vom 10.10.1977 (BGBl. II 1977, S. 1172) die Güterbeförderung im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen dem Staat, in dem das Kraftfahrzeug zugelassen ist, und dem anderen Staat. Damit erlaubt die Genehmigung Transporte von der Türkei nach Deutschland auf dem Landweg hinsichtlich des Streckenteils, der auf deutschem Hoheitsgebiet liegt. Nach Nr. 7 der besonderen Bedingungen der Genehmigung berechtigt diese nicht nur zum reinen Transport im Güterkraftverkehr, sondern auch zur Beförderung von Gütern in Anhängern/Sattelaufliegern im Ro-Ro-Verkehr von/nach oder durch Deutschland, wenn die Anhänger/Sattelauflieger in der Türkei oder in Deutschland zugelassen sind.

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"Ro-Ro-Verkehr" ist aus der Sicht des Adressaten einer solchen Genehmigung, bei dem es sich um einen Verkehrsunternehmer handeln muss, allerdings lediglich der Ro-Ro-Schiffs- oder Fährverkehr. Eine Beförderung des Aufliegers mittels Zug ist hiervon nicht umfasst.

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"Ro-Ro-Verkehr", also "Roll-on/Roll-off"-Verkehr meint, dass ein Straßenfahrzeug rollend auf ein Seeschiff oder ein Binnenschiff verladen wird. Dabei erfolgt keine Umladung der Güter, vielmehr muss das gesamte Straßenfahrzeug mit dem Schiff befördert werden. Deshalb kommen Spezialschiffe zum Einsatz, auf die LKW und Züge über Rampen am Heck oder an der Seite selbstständig auf- und abfahren können. In der Praxis wird allerdings häufig nur der Auflieger und nicht die Zugmaschine verschifft; die Auflieger werden dann mit Motorfahrzeugen der Hafenverwaltung oder des Reeders an Bord befördert. Ro-Ro-Fähren sind insbesondere auf kurzen und mittleren Strecken im Mittelmeer verbreitet. Der kombinierte Verkehr mittels Zügen wird hingegen nicht Ro-Ro-Verkehr genannt, sondern als sog. "kombinierter Bahn-Straßen-Verkehr" oder auch als "RoLa" (Rollende Landstraße) bezeichnet (Herber, Die CMR und der Roll-on/Roll-off-Verkehr, VersR 1988, S. 645; Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Auflage 2015, Kapitel 8: Beförderungsverträge; Rn. 6.2096; auch die Brockhaus-Enzyklopädie, 20. Auflage 1998 kennt lediglich "Ro-Ro-Schiffe"; ebenso wikipedia.de unter dem Stichwort "kombinierter Verkehr", das "Ro-Ro" auch nur auf Schiffstransporte bezieht: "Begleiteter kombinierter Verkehr (auch: Huckepack-Verkehr) steht für den Teilbereich, in dem Glieder- und Sattelzüge mithilfe von Schiffen (RoRo-Verfahren) oder Zügen (Rollende Landstraße) transportiert werden"; auch das Unionsrecht differenziert im Bereich des kombinierten Verkehrs zwischen dem der Schiene/Straße und dem "Ro-Ro"-Verkehr, vgl. Anhang I lit. G. Nr. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.10.2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates, worin es heißt: "Der Bewerber muss insbesondere im Hinblick auf den Güter- und Personenkraftverkehr die Verfahren des kombinierten Verkehrs Schiene/Straße und des "Ro-Ro"-Verkehrs kennen").

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Angesichts dieses hinreichend deutlichen Wortlauts der Genehmigung, der i. Ü. auf den unbegleiteten Ro-Ro-Verkehr beschränkt ist, kann eine Nachlaufbeförderung auf der Straße im Anschluss an einen von der Genehmigung erlaubten Ro-Ro-Verkehr und einer von der Genehmigung nicht umfassten Beförderung mittels Zug nicht mehr als von der Genehmigung erfasst angesehen werden. Deren Wortlaut verdeutlicht, dass in erster Linie an eine reine Beförderung auf dem Landwege gedacht wurde. Durch Nr. 7 der besonderen Bedingungen wurde ausdrücklich klargestellt, dass lediglich eine teilweise Beförderung im Ro-Ro-Verkehr unschädlich sein sollte. Ein entsprechender Passus über die Zulässigkeit eines kombinierten Schiene-Straßen-Verkehrs findet sich in der Genehmigung nicht. Aus dieser Tatsache muss ein Verkehrsunternehmer bei verständiger Würdigung den Schluss ziehen, dass eine Beförderung in dieser Form des kombinierten Verkehrs nicht zulässig ist. Einem Verkehrsunternehmer ist dabei bekannt, dass eine Vielzahl güterbeförderungsrechtlicher Genehmigungen existiert, die sich von ihrem Regelungsinhalt her unterscheiden, und dass dem Wortlaut solcher Genehmigungen daher ausschlaggebende Bedeutung zukommt.

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Schließlich war der streitgegenständliche Transport auch nicht durch Nr. 6 der besonderen Bedingungen der Genehmigung erlaubt. Danach gilt die Genehmigung auch für die Durchführung eines Transports im Dreiländerverkehr, sofern der Zulassungsstaat des Kraftfahrzeuges auf verkehrsüblichem Weg durchfahren wird. Unter Verweis auf die obigen Ausführungen liegt vorliegend kein Dreiländerverkehr, sondern ein Wechselverkehr von der Türkei nach Deutschland vor. Nach Art. 8 Abs. 1 lit. c) des Abkommens ist Dreiländerverkehr die Güterbeförderung im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen dem anderen Staat und einem dritten Staat, sofern dabei der Staat, in dem das Kraftfahrzeug zugelassen ist, auf dem verkehrsüblichen Weg durchfahren wird. Vorliegend wurden Güter von der Türkei nach Deutschland und nicht (nur) von Luxemburg nach Deutschland befördert. Insoweit ist güterkraftverkehrsrechtlich auf den Ausgangs- und Bestimmungsort der Waren, mithin auf den Ort der ursprünglichen Güterbeladung und den Ort der endgültigen Güterentladung, abzustellen. Ein Wechselverkehr zwischen der Türkei und Deutschland mittels Kraftfahrzeug ist eben nur möglich, wenn vor der Ankunft in Deutschland auch dritte Staaten durchfahren werden. Die einheitliche Güterbeförderung von der Türkei nach Deutschland kann nicht auf den zeitlich letzten Grenzübertritt reduziert und damit eine Güterbeförderung von diesem dritten Staat nach Deutschland im Wege des Dreiländerverkehrs angenommen werden. Hieran ändert auch ein etwaiges Aufsatteln eines Aufliegers an die Zugmaschine im dritten Staat nichts. Nr. 7 der besonderen Bedingungen der Genehmigung verdeutlicht, dass der rein tatsächliche Vorgang des Aufsattelns eines Aufliegers an die Zugmaschine nach einer Beförderung im kombinierten Verkehr die einheitliche Güterbeförderung nicht unterbricht.

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3. Die Pflichtverletzung hat sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung gemäß Art. 204 Abs. 1 ZK ausgewirkt.

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Art. 859 ZKDVO enthält eine abschließende Regelung der Verfehlungen i. S. des Art. 204 Abs. 1 lit. a) ZK, die sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben (EuGH, Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Juris). Die Klägerin kann sich nicht auf den einzig in Betracht kommenden Art. 859 Nr. 4 ZKDVO berufen. Nach dieser Vorschrift hat sich die Verwendung einer in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung übergeführten Ware unter anderen als den in der Bewilligung vorgesehenen Voraussetzungen dann nicht ausgewirkt, wenn diese Verwendung im gleichen Verfahren bewilligt worden wäre, sofern ein entsprechender Antrag gestellt worden wäre. Die Zollbehörden hätten im Rahmen des hier eröffneten Verfahrens der vorübergehenden Verwendung auch auf einen entsprechenden Antrag der Klägerin keine Möglichkeit gehabt, einen Binnenverkehr zu bewilligen, da die Klägerin nicht über die dafür erforderliche güterverkehrsrechtliche Berechtigung verfügt hat (vgl. BFH, Urt. v. 14.06.2005, VII R 44/02, Juris).

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4. Die Klägerin ist gemäß Art. 204 Abs. 3 ZK Zollschuldnerin bzw. nach § 21 Abs. 2 Hs. 1 UStG i. V. m. Art. 204 Abs. 3 ZK Einfuhrumsatzsteuerschuldnerin geworden. Danach ist Zollschuldner die Person, welche die Pflichten zu erfüllen hat, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben, oder welche die Voraussetzungen für die Überführung der Ware in dieses Zollverfahren zu erfüllen hat. Die Klägerin hatte als Inhaberin der Bewilligung des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung die Pflicht zu erfüllen, die Zugmaschine nicht für die Durchführung eines unzulässigen Binnenverkehrs einzusetzen.

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5. Der Beklagte war auch berechtigt, die Einfuhrabgaben zu erheben. Nach Art. 204 Abs. 2 ZK entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die Pflicht, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht mehr erfüllt wird, oder dem Zeitpunkt, in dem die Ware in das betreffende Zollverfahren übergeführt worden ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine der Voraussetzungen für die Überführung dieser Ware in das Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit auf Grund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht wirklich erfüllt war. Die Verwaltungskompetenz für die Erhebung der Abgaben liegt demnach ab dem Zeitpunkt des jeweiligen Grenzübertritts bei dem Mitgliedstaat, in dem das Fahrzeug unter Verletzung der im Bereich des Verkehrs geltenden nationalen Bestimmungen fährt (EuGH, Urt. v. 16.06.2011, C-351/10, Juris). Mit dem Überfahren der luxemburgisch-deutschen Grenze, ohne die erforderliche Genehmigung bei sich zu führen, hat die Klägerin deutsches Güterkraftverkehrsrecht verletzt. Vorher war sie im Besitz einer gültigen luxemburgischen Jahresgenehmigung "für den kombinierten Drittland-Straßengüterverkehr mit Abfahrt oder Ziel eines Umschlagterminals im Großherzogtum Luxemburg mit einem einzelnen Kraftfahrzeug oder einer Fahrzeugkombination". Nach den "allgemeinen Vorschriften" der Genehmigung war diese gültig für den Teil der Strecke, der sich auf dem Hoheitsgebiet des Großherzogtums Luxemburg befand.

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6. Der vom Beklagten als Bemessungsgrundlage der Abgabenberechnung zugrunde gelegte Zollwert der Zugmaschine ist nicht zu beanstanden. Da der Zollwert im Streitfall nicht nach den Art. 29 und 30 ZK ermittelt werden konnte, durfte der Beklagte die sog. Schlussmethode nach Art. 31 ZK heranziehen und ihn durch zweckmäßige Methoden bestimmen. Dabei darf sich das Hauptzollamt im Rahmen der Schätzung am Marktwert vergleichbarer, gebrauchter Fahrzeuge orientieren (Thüringer Finanzgericht, Urt. v. 28.05.1998, II 377/96, Juris).

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Einen solchen Vergleich hat der Beklagte durch einen Abgleich von Verkaufsangeboten im Internet gezogen. Bei der Zugmaschine handelt es sich um das Modell "YYY" des Herstellers C, Baujahr 2012, mit der Erstzulassung am ... 2012. Das damit zum 01.11.2014 knapp über zwei Jahre alte Fahrzeug hatte eine Laufleistung von ca. 230.000 km. Ausgehend von einem Wert des LKW von 50.000 € abzüglich der darin enthaltenen Einfuhrumsatzsteuer von 19 % und dem Zoll von 16 % hat der Beklagte den Zollwert von 36.221,39 € fehlerfrei berechnet.

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Die von der Klägerin vorgelegten Verkaufsangebote können die Schätzung nicht in Zweifel ziehen, da sie keine vergleichbaren Fahrzeuge betreffen. Manche Fahrzeuge sind doppelt so alt wie das streitgegenständliche Fahrzeug, andere Fahrzeuge weisen fast die dreifache Laufleistung auf. Überdies werden auf der vom Beklagten herangezogenen Homepage nach wie vor vergleichbare Sattelzugmaschinen zum Verkauf angeboten, deren Preis deutlich über 50.000 € liegt.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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