Urteil vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 K 77/16

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über einen teilweisen Erlass von Einkommensteuer.

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Der Kläger zu 1) ist Pastor im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und wurde mit Wirkung zum ... 2006 in den Ruhestand versetzt. In der Urkunde vom ... 2006 heißt es: "Mit dem Beginn des Ruhestandes ist ... A ... unter Aufrechterhaltung seines Dienstverhältnisses auf Lebenszeit ... der Pflicht zur Dienstleistung enthoben. Auftrag und Recht zur öffentlichen Wortverkündigung und zur Sakramentsverwaltung werden durch die Zurruhesetzung nicht berührt." Im Streitjahr 2008 bezog der Kläger zu 1) als Pastor im Ruhestand Versorgungsbezüge.

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Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger zu 1) machte in der Einkommensteuererklärung 2008 im Rahmen der erklärten Versorgungsbezüge Werbungskosten in Höhe von 4.871 € geltend. Darin enthalten waren Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 2.099 €, Reisekosten in Höhe von 836 € und übrigen Kosten für Bücher, Büromaterial und Geschenke. Mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 30. März 2010 berücksichtigte der Beklagte neben einem Versorgungsfreibetrag in Höhe von 3.744 € den Werbungskostenpauschbetrag für Versorgungsbezüge in Höhe von 102 €. Die weitergehenden Aufwendungen wurden mit der Begründung nicht anerkannt, dass ein Werbungskostenabzug für einen pensionierten Pastor nicht in Betracht komme. Das dagegen von den Klägern angestrengte Rechtsbehelfsverfahren blieb erfolglos. Das Gericht wies die Klage gegen den zwischenzeitlich aus anderen Gründen geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 vom 27. April 2012 mit rechtskräftigem Urteil vom 13. Februar 2013 (5 K 50/11) als unbegründet ab. Es fehle an dem erforderlichen Veranlassungszusammenhang der geltend gemachten Aufwendungen mit der Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen.

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Die Kläger stellten daraufhin beim Beklagten einen Antrag auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer 2008 aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO), der mit Bescheid vom 18. Juli 2013 abgelehnt wurde. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde vom Beklagten mit Entscheidung vom 26. März 2014 als unbegründet zurückgewiesen. Die Kläger erhoben dagegen Klage (2 K 123/14), die sie nach einem gerichtlichen Hinweis zurücknahmen. Das Verfahren 2 K 123/14 wurde daraufhin mit Beschluss vom 19. Januar 2015 eingestellt.

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Am 17. Januar 2015 stellten die Kläger beim Beklagten den Antrag, die Einkommensteuer 2008 gemäß § 227 AO zum Teil zu erlassen. Materiell-rechtlich werde insoweit auf die Begründung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 AO verwiesen. Die Erhebung der Steuern sei insofern unbillig, als die Tätigkeiten eines evangelischen Pastors im Ruhestand aufgrund der kirchenrechtlichen Verpflichtungen eine andere Qualität als ein freiwilliges Engagement besäßen. Der Kläger zu 1) reichte dem Beklagten dazu eine Liste der von ihm im Jahr 2008 als Pastor im Ruhestand wahrgenommenen Termine nebst Fahrtenbüchern und einem Kalender ein. Ferner legte er eine Bescheinigung des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland vom 29. Juni 2015 vor. Darin wird dem Kläger zu 1) bestätigt, dass die Tätigkeiten, die er z. B. 2008 im Zusammenhang mit der von ihm geleiteten Gemeindereise nach B ausgeübt habe, dienstlichen Charakter hätten. Pastorinnen und Pastoren seien auch im Ruhestand berechtigt, pastorale Dienste auszuüben. Die Durchführung einer Gemeindereise mit vornehmlich ... Menschen sei ein solcher Dienst, der praktisch in Folge des früheren aktiven Dienstverhältnisses ausgeübt werde. Der Kläger erläuterte die Aufstellung seiner Tätigkeiten im Jahr 2008 ferner dahingehend, dass alle pastoralen Tätigkeiten gewollt seien. Er werde entweder direkt von Gemeindemitgliedern gefragt oder von Kolleginnen und Kollegen. In der staatlichen Kindertagesstätte C sei ihm lange vor Beginn seines Ruhestandes signalisiert worden, dort auch nach seinem Ruhestand eine offene Tür zu haben.

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Der Beklagte lehnte den Erlassantrag mit Bescheid vom 16. Juli 2015 ab.

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Die Kläger legten dagegen am 17. August 2015 Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, dass der Bundesfinanzhof (BFH) auf die Möglichkeit einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen für den Fall hingewiesen habe, dass im Zusammenhang mit fortgesetzter Lehrtätigkeit eines Hochschullehrers Aufwendungen anfielen, die nicht als Werbungskosten abgezogen werden könnten. Es komme deshalb nicht darauf an, ob der Kläger zu 1) als Pastor im Ruhestand seine Versorgungsbezüge auch ohne die ausgeübten Tätigkeiten erhalten habe. Die derart begründete Versagung des Werbungskostenabzugs sei unbillig im Sinne von § 227 AO, weil die Aufwendungen unmittelbar mit der fortgesetzten Tätigkeit als Pastor im Zusammenhang stünden und ihre Höhe auch nicht in einem evidenten Missverhältnis zu dem Umfang der Tätigkeit stehe. Dies gelte selbst dann, wenn man maßgeblich allein auf solche Tätigkeiten abstelle, die ausschließlich einem Ordinierten vorbehalten seien. Aus der übermittelten Aufstellung ergebe sich, dass insgesamt etwa 16 Tätigkeiten allein auf solche Bereiche entfielen (Gottesdienste, Trauungen, Taufen, Trauerfeiern).

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Mit Entscheidung vom 26. Februar 2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

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Die Kläger haben am 29. März 2016 Klage erhoben. Die bisher als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen aus der Tätigkeit des Klägers zu 1) als Pastor im Ruhestand seien im Wege einer Billigkeitsentscheidung gemäß § 227 AO wie Werbungskosten zu berücksichtigen. Der Beklagte habe ermessensfehlerhaft einen Teilerlass der Einkommensteuer 2008 abgelehnt. Die Erhebung dieser Steuer erscheine vorliegend schon insofern als unbillig, als die Tätigkeit eines Pastors im Ruhestand aufgrund der kirchenrechtlichen Verpflichtungen eine andere Qualität als ein freiwilliges Engagement habe. Die vor dem Ruhestand gezahlte Vergütung sei insofern auch als in der Erwartung geleistet anzusehen, dass der Pastor im Ruhestand seine kirchenrechtlichen Verpflichtungen weiter erfülle. Es komme deshalb gerade nicht darauf an, dass der Kläger zu 1) in dem Sinne freiwillig tätig geworden sei, dass er seine Versorgungsbezüge auch ohne die streitgegenständlichen Tätigkeiten erhalten habe. Der BFH habe mit Urteil vom 5. November 1993 (VI R 24/93, BStBl. II 1994, 238) auf die Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung in einer vergleichbaren Konstellation hingewiesen. Dieser Entscheidung sei nicht zu entnehmen, dass der Kläger zu 1) hierfür nachweislich jeweils auf konkretes Ersuchen seines Dienstherrn tätig geworden sein müsse. Aus der vorgelegten Bescheinigung des Dienstherrn ergebe sich zudem, dass sein Wirken nicht in jedem Einzelfall durch ein entsprechendes Ersuchen konkretisiert werden müsse. Hinzu komme, dass wesentliche Teile der in der Zeit des Ruhestandes fortgesetzten Tätigkeit gerade in den noch während der aktiven Dienstzeit gewachsenen Bindungen, insbesondere zu der Gemeinde des Klägers zu 1), gründeten.

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Die Hinweise des Beklagten auf die Grundsätze der so genannten Liebhaberei und auf den Versorgungsfreibetrag verfingen deshalb nicht. Der Versorgungsfreibetrag sei zudem eingeführt worden, um die unterschiedliche Besteuerung der Alterseinkünfte (Rente und Versorgungsbezüge) abzumildern. Die wie Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen des Klägers zu 1) stünden mit seiner seelsorgerischen Tätigkeit als Pastor unmittelbar im Zusammenhang und ihre Höhe stehe auch nicht in einem evidenten Missverhältnis zum Umfang seiner Tätigkeit. Dies gelte selbst dann, wenn man allein auf solche Tätigkeiten abstelle, die als "spezifische Amtshandlung" anzusehen seien. Zumindest die ursprünglich im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2008 als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 2.099 € seien für solche Handlungen in voller Höhe anzusetzen. Die Reisekosten und die übrigen geltend gemachten Aufwendungen seien jedenfalls anteilig entsprechend zu berücksichtigen.

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Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 16. Juli 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2016 zu verpflichten, die Einkommensteuer 2008 in Höhe von 1.316 € zu erlassen.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2016.

14

Der Rechtsstreit ist mit Beschluss des Senats vom 8. März 2017 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, der Verhandlungsniederschrift vom 6. April 2017, der beigezogenen Akten zu den Verfahren 5 K 50/11, 2 K 123/14 und der beigezogenen Rechtsbehelfsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

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I.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Voraussetzungen der Unbilligkeit in § 163 AO und in § 227 AO identisch sind und der Antrag der Kläger auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen vom Beklagten mit Bescheid vom 18. Juli 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. März 2014 abgelehnt wurde. Die Kläger haben die dagegen erhobene Klage (2 K 123/14) zurückgenommen, so dass das Gerichtsverfahren mit Beschluss vom 19. Januar 2015 eingestellt wurde und es zu keiner Sachentscheidung kam. Der Ablehnungsbescheid wurde bestandskräftig. Es wird zwar vertreten, dass der Steuerpflichtige bei identischem Sachverhalt nach bestandskräftiger Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO nicht nochmals einen Antrag nach § 227 AO stellen könne (vgl. FG Hamburg Urteil vom 31. Oktober 1994 III 193/90, EFG 1995, 408; FG München Urteil vom 17. Januar 2006 6 K 2292/04, juris; Oellerich in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 163 AO Rn. 30; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 163 AO Rn. 21). Zu einem Prozesshindernis und damit zur Unzulässigkeit einer Klage kann es aber nur dann kommen, wenn ein rechtskräftiges klagabweisendes Urteil über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO vorliegt (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 163 AO Rn. 21; a. A. FG Hamburg Urteil vom 31. Oktober 1994 III 193/90, EFG 1995, 408). Die (materielle) Rechtskraftwirkung des Urteils führt zu einer Bindung der Beteiligten soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). In derselben Angelegenheit kann dann nicht erneut Klage erhoben werden ("ne bis in idem"; vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 110 FGO Rn. 2). Eine solche prozesshindernde Wirkung kommt bestandskräftigen Ablehnungsbescheiden der Finanzbehörden nicht zu. Sie können allerdings gegebenenfalls zur Unbegründetheit einer Klage führen.

18

II.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

19

1.
Die Finanzbehörden können nach § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

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Unbillig kann die Einziehung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis aus persönlichen oder sachlichen Gründen sein (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 227 AO Rz. 40 ff., 86 ff. m. w. N.). Im Streitfall sind persönliche Billigkeitsgründe, die insbesondere eine Erlassbedürftigkeit des Steuerpflichtigen voraussetzen, weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

21

Sachlich unbillig ist die Einziehung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte - im Sinne der begehrten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (vgl. BFH-Urteile vom 20. September 2012 IV R 29/10, BStBl II 2013, 505; vom 17. Dezember 2013 VII R 8/12, BFH/NV 2014, 748 m. w. N.). Bei der Billigkeitsprüfung müssen solche Umstände außer Betracht bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 1993 X R 104/91, BFH/NV 1994, 597; vom 17. Dezember 2013 VII R 8/12, BFH/NV 2014, 748). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt in der Regel keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. BFH-Urteile vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 4. Februar 2010 II R 25/08, BStBl II 2010, 663, jeweils m. w. N.). Die Billigkeitsprüfung darf sich je nach Fallgestaltung nicht nur auf allgemeine Rechtsgrundsätze und verfassungsmäßige Wertungen beschränken; sie verlangt vielmehr eine Gesamtbeurteilung aller Normen, die für die Verwirklichung des in Frage stehenden Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich sind (vgl. BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297; vom 17. Dezember 2013 VII R 8/12, BFH/NV 2014, 748 m. w. N.).

22

Die Erlassentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO), die gemäß § 102 FGO grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt. Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessenfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen beschränkt. Nur wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt, d. h. im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null, ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen und eine Verpflichtung zum Erlass bzw. zur Erstattung auszusprechen (vgl. BFH-Urteile vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269; vom 17. Dezember 2013 VII R 8/12, BFH/NV 2014, 748).

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2.
a)
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte den beantragten Teilerlass der Einkommensteuer 2008 bereits deshalb zu Recht abgelehnt hat, weil der Antrag den gleichen Lebenssachverhalt und damit den gleichen Streitgegenstand betrifft, wie der bestandskräftige Ablehnungsbescheid zum Antrag der Kläger auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) und dadurch für die Beteiligten auch eine Bindungswirkung in Bezug auf den Antrag gemäß § 227 AO eingetreten ist (vgl. oben I.).

24

b)
Die Ermessensentscheidung des Beklagten ist jedenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

25

Der Beklagte geht in der Einspruchsentscheidung zutreffend davon aus, dass die Versagung des Werbungskostenabzugs den Wertungen des Gesetzgebers im vorliegenden Einzelfall nicht zuwiderläuft. Der Gesetzgeber hat mit dem in § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geforderten Veranlassungszusammenhang zwischen der Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen und den geltend gemachten Aufwendungen deutlich gemacht, dass Werbungskosten nur bei Vorliegen eines solchen Zusammenhangs anzuerkennen sind. Ein solcher Zusammenhang liegt in Bezug auf die streitgegenständlichen Aufwendungen ausweislich des rechtskräftigen Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2013 (5 K 50/11) nicht vor (vgl. auch Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Juli 2012 8 K 2495/07, juris). Der Kläger übt seine Tätigkeiten als Pastor im Ruhestand vielmehr in dem Sinne freiwillig aus, dass er seine Versorgungsbezüge auch ohne diese Tätigkeit erhält. Nach § 109 des Pfarrergesetzes (PfG) der Vereinigten-Lutherischen Kirche Deutschlands vom 19. Oktober 1995 in der im Streitjahr geltenden Fassung vom 15. November 2007 (Abl. VELDK 1995 Bd. VI, S. 274; 2007 Bd. VII, S. 376) erhält der Pfarrer im Ruhestand Versorgungsbezüge und besteht eine Dienstleistungspflicht nach dem Eintritt in den Ruhestand nicht mehr.

26

Die geltend gemachten Aufwendungen können auch nicht wie Werbungskosten im Wege einer Billigkeitsentscheidung anerkannt werden. Auch wenn die Tätigkeiten des Klägers zu 1) auf den vor dem Ruhestand aufgebauten Bindungen zu Gemeindemitgliedern, ehemaligen Kolleginnen und Kollegen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und zur staatlichen Kindertagesstätte C beruhen und der Kläger zu 1) auf Grund seiner lebenslangen Stellung als ordinierter Pastor zu Wortverkündung und Sakramentsverwaltung befugt ist (§ 4 Abs. 1 und 2 PfG), kann er nicht im Billigkeitswege aktiven Pastorinnen und Pastoren gleichgestellt werden, die zur Dienstleistung verpflichtet und deshalb Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) haben können, etwa in Form der Aufwendungen die der Kläger zu 1) geltend macht (für ein häusliches Arbeitszimmer, Fahrtkosten, Arbeitsmittel, Geschenke, Fortbildung). Dies würde der gesetzgeberischen Zielsetzung, Werbungskosten nur bei dem erforderlichen Veranlassungszusammenhang anzuerkennen, zuwiderlaufen, zumal der Gesetzgeber für Empfänger von Versorgungsbezügen pauschal Werbungskosten in Höhe von 102 € jährlich anerkennt (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG) und dabei davon ausgeht, dass im Ruhestand im Regelfall keine Werbungskosten anfallen (vgl. BT-Drucks. 15/2150, S. 33). Der mit der Neuordnung der Besteuerung der Altersbezüge ab 2005 eingeführte Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag (§ 19 Abs. 2 EStG) soll zwar die Verringerung des Werbungskosten-Pauschbetrags von jährlich 1.044 € auf 102 € ausgleichen, aber - wie der Freibetrag - in einer Übergangsphase die Neuordnung der steuerlichen Behandlung der Altersbezüge abmildern (vgl. BT-Drucks. 15/2150, S. 33).

27

Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber Sonderregelungen für Werbungskosten von Pastoren im Ruhestand im Sinne des klägerischen Begehrens getroffen hätte, zumal damit die im Einkommensteuergesetz angelegte Trennung zwischen Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben und Werbungskosten; § 4 Abs. 4, § 9 EStG) und privat veranlassten Aufwendungen (§ 12 EStG) für einen Teilbereich aufgeweicht werden würde. Dies gilt auch angesichts des Umstandes, dass die vor dem Ruhestand ausgezahlten Bezüge des Klägers zu 1) möglicherweise auch als in der Erwartung geleistet angesehen werden können, dass der Pastor im Ruhestand seine kirchenrechtlichen Verpflichtungen weiter erfüllt (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Juli 2012 8 K 2495/07, juris). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass schon seit vielen Jahren Finanzrechtsprechung existiert, die in vergleichbaren Konstellationen einen Werbungskostenabzug für pensionierte Pfarrer oder Pastoren abgelehnt hat und die dem Gesetzgeber Anlass hätte geben können, gesetzgeberisch tätig zu werden (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 8. Juni 1993 III 211/91, EFG 1994, 141; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. September 2006 2 K 1375/05, DStRE 2007, 1147; Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Juli 2012 8 K 2495/07, juris; FG Hamburg, Urteil vom 13. Februar 2013 5 K 50/11, juris).

28

Es kann offen bleiben, ob im Einzelfall eine sachliche Unbilligkeit vorliegen kann, wenn einem Pastor im Ruhestand Aufwendungen entstehen, die auf einem konkreten Ersuchen des Dienstherrn - vergleichbar einer arbeitsrechtlichen Weisung - beruhen, wodurch zwar keine rechtliche aber eine besonders intensive moralische Verpflichtung ausgelöst werden kann, die entsprechende pastorale Tätigkeit auszuüben; in Betracht kommt etwa ein Ersuchen des Dienstherrn zur vorübergehenden Übernahme einer "verwaisten" Pastorenstelle bis zu deren Wiederbesetzung (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Juli 2012 8 K 2495/07, juris: für Pfarrer der Römisch-Katholischen Kirche; BFH-Urteil vom 5. November 1993 VI R 24/93, BStBl II 1994, 238: für entpflichtete Professoren).

29

Im vorliegenden Fall liegen jedenfalls keine entsprechenden Ersuchen des Dienstherrn des Klägers zu 1) vor. Der Kläger hat weder solche konkrete Ersuchen im Einzelfall vorgetragen, noch ergeben sie sich aus den eingereichten Bescheinigungen des Landeskirchenamtes in Kiel vom 20. Februar 2014 und vom 29. Juni 2015. Darin wird jeweils im Kern nur bestätigt, dass die Tätigkeiten des Klägers dienstlichen Charakter haben, im Auftrag und im Sinne der Kirche und "praktisch in Folge des früheren aktiven Dienstverhältnisses" (Bescheinigung vom 29 Juni 2015) ausgeübt werden. In der Bescheinigung vom 20. Februar 2014 ist ausdrücklich davon die Rede, dass ein Wirken des Klägers zu 1) nicht in jedem Einzelfall durch ein entsprechendes Ersuchen konkretisiert werden müsse, sondern die Grundlage in den weiter bestehenden lebenslangen kirchenrechtlichen Verpflichtungen haben. Letzteres reicht nach dem oben Dargelegten allerdings nicht aus, um - im Ausnahmefall - gegebenenfalls eine sachliche Unbilligkeit annehmen zu können.

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Der Beklagte hat seine Ermessenserwägungen ausweislich der Einspruchsentscheidung - selbständig tragend - im Kern auf die oben dargelegten Argumente gestützt. Es kann deshalb offen bleiben, ob die von ihm angestellten Überlegungen zur Liebhaberei und zum Versorgungsfreibetrag in das vorliegend zu berücksichtigte rechtliche Umfeld passen oder nicht und deshalb ermessensfehlerhaft sind. Diese Ermessensgesichtspunkte haben sich jedenfalls im Ergebnis nicht ausgewirkt.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

32

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).

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