Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 36/17

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Frage, ob dem Kläger das Kindergeld für seine Tochter ab September 2013 bis Juli 2016 zusteht.

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Die Tochter des Klägers, A, wurde am ... 1994 in Hamburg geboren. Sowohl die Tochter als auch der Kläger und die Kindesmutter haben die deutsche Staatsbürgerschaft.

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Seit 2012 wohnt die Tochter mit ihrer Mutter in Großbritannien und geht dort auch zur Schule. Im Juli 2013 hat die Tochter in Großbritannien ihr Abitur gemacht. Der Beigeladenen wurde das Kindergeld für die Tochter bis Juli 2013 gezahlt. Noch während ihrer Schulausbildung erkrankte die Tochter und war seitdem in ärztlicher Behandlung. Es liegen mehrere ärztliche Atteste aus England vor, durch welche eine Arbeitsunfähigkeit für folgende Zeiträume bescheinigt wurde: 07.02.2014 bis 10.03.2014, 01.08.2013 bis 02.02.2014 und vom 10.03.2014 bis 05.06.2014. Vom 04.11.2013 bis 24.01.2014 und vom 18.03.2014 bis 27.05.2014 wurde die Tochter in Deutschland teilstationär bzw. stationär im Krankenhaus behandelt.

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Vom 06.06.2014 bis 07.09.2014 war die Tochter in England als arbeitssuchend gemeldet.

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Im Juli 2014 teilte die Tochter mit, dass sie sich nach der Besserung ihres gesundheitlichen Zustandes um einen Studienplatz bemühen wollte. Außerdem besuchte sie in diesem Monat einen vorbereitenden Kurs für ihr späteres Studium. Im September 2014 begann die Tochter ihr Studium.

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Der von der Beigeladenen gestellte Kindergeldantrag wurde abgelehnt. Am 23.01.2015 erging die entsprechende Einspruchsentscheidung mit der Begründung, die Beigeladene habe in Deutschland keinen Wohnsitz.

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Am 31.03.2015 beantragte der Kläger für seine Tochter das Kindergeld mit der Begründung, dass er der alleinige Unterhaltszahler sei und ihr monatlich 670 € zahle.

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Durch den Bescheid vom 09.05.2016 lehnte die Beklagte die Kindergeldfestsetzung zu Gunsten des Klägers ab und begründete diese Entscheidung damit, dass die Tochter mit ihrer Mutter zusammen in einem Haushalt lebe und deshalb die Mutter vorrangig anspruchsberechtigt sei.

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Am 26.05.2016 legte der Kläger Einspruch ein mit der Begründung, dass nur er und nicht die Kindesmutter, den Unterhalt zahle.

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Die Tochter des Klägers beendete ihre Ausbildung im Juli 2016.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 08.02.2017 lehnte die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.

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Hiergegen hat der Kläger am 07.03.2017 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass seine Tochter nach ihrem Abitur krank gewesen sei und deshalb nicht sofort mit dem geplanten Studium habe beginnen können. Sie habe die Aufnahme des Studiums geplant, sobald ihr Gesundheitszustand dies zulasse.

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Durch den Schriftsatz vom 14.08.2017 hat der Kläger Mails vorgelegt, die seine Tochter im Zeitraum von April 2014 bis August 2014 geschrieben hat und mit denen sie sich um eine Ausbildung/Studium/Praktikum beim Theater beworben hat.

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Er, der Kläger, habe als einziger seiner Tochter Unterhalt gezahlt. Die Beigeladene habe in dem streitigen Zeitraum keine Unterhaltszahlungen geleistet. Seine Tochter habe zwar mit der Beigeladenen in B zusammengelebt, sie habe aber dort keinen gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter geführt. Die Tochter habe ein eigenes Mietverhältnis mit der Vermieterin gehabt. Die Beurteilung, ob eine Haushaltsaufnahme vorliege, müsse bei einem volljährigen Kind in anderer Weise erfolgen als bei Minderjährigen. Entscheidend sei, dass die Tochter die Miete selbst gezahlt und auch Lebensmittel selbst angeschafft habe. Bei ihm, dem Kläger, sei bei der Einkommensteuer auch angenommen worden, dass ihm bzw. der Beigeladenen das Kindergeld zustehe, so dass er, der Kläger, steuerrechtlich keine Unterhaltsaufwendungen habe geltend machen können. Auch immateriell habe er, der Kläger, und nicht die Beigeladene seine Tochter versorgt. Er habe seine Tochter regelmäßig bei ihren Krankenhausaufenthalten in Deutschland besucht. Nach ihrer Rückkehr nach B hätten sie regelmäßig geskypt.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Ablehnungsbescheid vom 09.05.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Kindergeld für A von September 2013 bis Juli 2016 festzusetzen.

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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte trägt zur Begründung vor, dass die vorgelegten Atteste über die Arbeitsunfähigkeiten nicht ausreichten, da in den Attesten nicht bescheinigt werde, dass das Kind aufgrund der Erkrankung derzeit nicht in der Lage sei, eine Ausbildung zu beginnen und wann mit einer Aufnahme der Ausbildung gerechnet werden könne. Die entsprechende Erklärung der Tochter sei erst im Juli 2014 erfolgt. Die Meldung als arbeitssuchend sei im Streitfall nicht einschlägig, da sich die Tochter nur in England, nicht aber in Deutschland habe registrieren lassen. Die Tochter könne daher frühestens ab Juli 2014 berücksichtigt werden. Die mit Schriftsatz vom 14.08.2017 vorgelegten Mails lassen Ausbildungsbemühungen ab April bis August 2014 erkennen.

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Das Kindergeld stehe aber nicht dem Kläger, sondern der Beigeladenen zu, da die Tochter bei ihrer Mutter, der Beigeladenen, im Haushalt aufgenommen sei, nicht aber beim Kläger. Die Tochter habe nach ihrer Rückkehr nach B in ihrem alten Zimmer gewohnt. Es sei nicht überzeugend, dass sie dort von der Beigeladenen nicht mehr immateriell versorgt worden sein soll. Die Unterhaltszahlungen des Klägers seien deshalb nicht entscheidend.

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Durch Erklärung vom 04.08.2017 hat A erklärt, dass die Beigeladene von September 2013 bis Juli 2016 keinen Unterhalt gezahlt habe und sie sich von den Unterhaltszahlungen ihres Vaters selbst versorgt habe. Sie trete einen etwaigen Anspruch auf Kindergeld an ihren Vater, den Kläger ab.

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Durch den Beschluss vom 02.10.2017 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin übertragen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

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Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Zeugenvernehmung der Tochter des Klägers, A. Auf das Sitzungsprotokoll des Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin vom 17.07.2017 wird verwiesen. Dem Gericht haben die Kindergeldakten des Klägers und der Beigeladenen vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Entscheidung ergeht gem. § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

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I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 09.05.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Beklagte ist nicht verpflichtet, Kindergeld für die Tochter des Klägers festzusetzen.

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1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Tochter des Klägers im gesamten Streitraum (September 2013 bis Juli 2016) die Voraussetzungen gem. § 32 Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt hat, denn gem. § 64 Abs. 2 EStG steht dem Kläger das Kindergeld nicht zu, da die Tochter in den Haushalt der Beigeladenen aufgenommen worden war und nicht im Haushalt des Klägers.

25

Eine Haushaltsaufnahme im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt vor, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen die Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Die Betreuung des Kindes im Haushalt eines Berechtigten muss einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und die Aufenthalte des Kindes dürfen nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter haben (vgl. BFH-Beschluss vom 14.12.2004 -VIII R 106/03, juris, Rdn. 21). Bei der Auslegung des Begriffs der Haushaltsaufnahme i. S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Merkmal der Haushaltsaufnahme dazu dienen soll, nur einem von mehreren Kindergeldberechtigten gegenüber den anderen eine Vorrangstellung einzuräumen. Denn gemäß § 64 Abs. 1 EStG ist das Kindergeld an nur einen Berechtigten zu zahlen (vgl. BFH-Beschluss vom 14.12.2004 VIII R 106/03, juris, Rdn. 24). Es kommt grundsätzlich auf die tatsächlichen Verhältnisse an.

26

In Anwendung dieser Grundsätze ist das Gericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme, der Überzeugung (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass die Tochter des Klägers im Haushalt ihrer Mutter in B aufgenommen worden ist.

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a) Unstreitig hat der Kläger seine Tochter nicht in seinem Haushalt aufgenommen, denn die Tochter hat nicht bei dem Kläger gelebt.

28

b) Die Tochter des Klägers und die Beigeladenen hatten während des streitigen Zeitraums ihren Wohnsitz in B. Beide hatten weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Dieses ist jedoch nicht erheblich.

29

Nach Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist bei der Anwendung von Art. 67 und 68 der VO Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als ob alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fielen und dort wohnten. Nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnten. Danach schafft Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 eine gesetzliche Fiktion dahin, dass bei Anwendung der Koordinierungsregelungen der Grundverordnung die Situation der gesamten Familie in einer Weise berücksichtigt wird, als ob alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des für die Gewährung der Familienleistungen zuständigen Mitgliedstaats fielen und dort wohnten (vgl. z. B. Senatsurteile vom 4. Februar 2016 III R 17/13, BFHE 253, 134, BStBl II 2016, 612, Rz 18, m. w. N.; vom 10. März 2016 III R 8/13, BFH/NV 2016, 1164, Rz 22; III R 25/12, BFH/NV 2016, 1161, Rz 21, und vom 28. April 2016 III R 68/13, BFHE 254, 20, BStBl II 2016, 776, Rz 20).

30

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Trapkowski vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720, Rz 41) ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind.

31

Die Fiktionswirkung kommt somit nicht ausschließlich in Bezug auf den im Inland lebenden Elternteil zum Tragen, sondern gilt vielmehr grundsätzlich für sämtliche "beteiligte Personen" i. S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009. Zu den "beteiligten Personen" i. S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 gehören die "Familienangehörigen" i. S. des Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i der VO Nr. 883/2004. Da das Kindergeldrecht nach dem EStG den Begriff des Familienangehörigen weder verwendet noch definiert, sind hierunter neben den Elternteilen und dem Kind auch alle Personen zu verstehen, die nach nationalem Recht berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben. Daher wird hiervon nach § 62 Abs. 1 i. V. m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch der andere Elternteil erfasst, wobei unerheblich ist, ob die Elternteile miteinander verheiratet oder -wie im Streitfall- voneinander geschieden sind (vgl. BFH, Urteil vom 27. Juli 2017 - III R 17/16 -, juris m. w. N.).

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c) Die Beigeladene hatte ihre Tochter im streitigen Zeitraum in ihren Haushalt aufgenommen, so dass der Beigeladenen und nicht dem Kläger das Kindergeld gem. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG zusteht. Zusätzlich zu dem örtlichen Zusammenleben sind auch die Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) im Streitfall für die Haushaltsaufnahme bei der Beigeladenen erfüllt.

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aa) Die Haushaltsaufnahme bei der Beigeladenen für die Zeit vor dem Aufenthalt in Deutschland bis Anfang November 2013 ist unstreitig, so dass sich für die Monate September bis November 2013 bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers kein Kindergeldanspruch für ihn ergeben kann.

34

bb) Der gemeinsame Haushalt von Beigeladener und ihrer Tochter wurde auch nicht durch die Krankenhausbehandlungen in Deutschland beendet, da dieser Aufenthalt von Anfang an nur als vorrübergehend geplant war. Die Tochter des Klägers hat bei ihrer Zeugenaussage am 17.07.2017 selbst erklärt, dass sie nach ihrer Rückkehr nach B wieder bei ihrer Mutter gelebt habe und sie mit ihrer Mutter zusammengelebt habe. Zwar sagte die Zeugin auch aus, dass sie und ihre Mutter selbständigen Leben geführt haben, da sie nach ihrer Rückkehr schon erwachsener gewesen sei. Entscheidend ist jedoch, dass sie ihr altes Zimmer wieder bezogen hat.

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aaa) immaterielle Versorgung

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Bei einer 19jährigen, die nach einem Klinikaufenthalt in den elterlichen Haushalt zurückkehrt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren wollte. Auch wird ein junger Erwachsener mit 18 Jahren nicht schlagartig erwachsen und benötigt anschließend keine Betreuung mehr. Grundsätzlich ist zwar bei einem "volljährigen Kind" weniger Erziehung notwendig, aber dies führt nicht dazu, dass keinerlei Betreuungsleistungen mehr erforderlich wären. Dies gilt insbesondere, wenn man die persönliche Situation der Tochter einbezieht. Es ist anzunehmen, dass die Tochter auf Grund ihrer psychischen Situation und ihrer ungewissen beruflichen Perspektive einer besonderen Betreuung bedurfte. Auch geht das Gericht davon aus, dass diese Betreuung insbesondere durch die Beigeladene erfolgte.

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Der Vortrag des Klägers, er habe regelmäßig Kontakt mit seiner Tochter gepflegt und sie auch bei ihren psychischen Problemen unterstützt, kann kein anderes Ergebnis begründen. Denn hieraus folgt nicht, dass nicht auch die Beigeladene ihre Tochter in psychischer Hinsicht unterstützt und betreut hat. Die Beigeladene hat sich nicht zum Sachverhalt geäußert, auch die Tochter hat nicht ausgesagt, dass ihre Mutter sich nicht um sie gekümmert hätte. Hiergegen spricht auch, dass die Tochter selbst ausgesagt hat, dass sie nach Hause zu ihrer Mutter zurückgekehrt sei. Hieraus kann kein schlechtes Verhältnis zur Mutter abgeleitet werden. Die Behauptung des Klägers, die Beigeladene habe ihre Tochter nicht betreut, hat er nicht bewiesen.

38

Es gehört mehr dazu, bei einem 19- bzw. 20-jährigen jungen Erwachsenen, welcher in seinem früheren Kinderzimmer weiter wohnt, eine Haushaltsaufnahme bei dem Elternteil abzulehnen, mit dem das Kind zusammenlebt. Indizien gegen eine Haushaltsaufnahme könnten z. B. sein, dass der Elternteil selbst nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen insbesondere auf Grund von Krankheit oder wenn außer dem Kind und dem Elternteil noch der Lebensgefährte des Kindes auch im selben Haushalt leben würde, denn dann würde der Haushalt mehr als Wohngemeinschaft bestehen und nicht mehr als Haushalt des Elternteils.

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bbb) materieller Unterhalt

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Zwar hat die Beigeladene nach der Aussage der Zeugin keinen Unterhalt geleistet. Allerdings hat sie dies nach eigener Stellungnahme und Aussage der Zeugin nur explizit für den Barunterhalt ausgesagt. Die Beigeladene kann auch durch Naturalunterhalt ihrer Unterhaltsverpflichtung nachgekommen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Zeugin auch selbst eingekauft hat.

41

Zwar hat der Kläger Zahlungsnachweise eingereicht, auf denen "Unterhaltzahl: A" und "inkl. Miete inkl. 190 Euro Kindergeld" steht. Trotz ausdrücklicher gerichtlicher Nachfrage wurde aber kein Mietvertrag für A vorgelegt. Auch kann das Gericht nicht erkennen, in welchem Verhältnis diese Zahlungen zu der "Hauptmiete" stehen, denn das Gericht hat keinerlei Erkenntnisse über die Höhe dieser Miete. Die Behauptung des Klägers, seine Tochter A habe ausschließlich von seinem gezahlten Unterhalt von bis zu 676 € alle angefallenen Aufwendungen bestritten, wurde durch die eingereichten Unterlagen nicht bewiesen. Nach Ansicht des Gerichts kann auch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass diese Beträge ausreichend gewesen sind, um alle notwendigen Kosten der Tochter zu begleichen. Dies gilt insbesondere, weil B eine extrem teure Stadt ist. Auch aus der Erklärung der Zeugin vom 04.08.2017 kann kein anderes Ergebnis hergeleitet werden, denn die Behauptung der Zeugin, sie habe sich selbst versorgt, ist zu pauschal. Insbesondere wurden keine Nachweise dafür vorgelegt, dass die Zeugin regelmäßig auf ihre Kosten Lebensmittel angeschafft hat.

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Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass seine Tochter ein eigenständiges Wohnrecht hat. Insbesondere wurde nicht der vom Gericht angeforderte Mietvertrag der Tochter vorgelegt.

43

Auch die Beigeladene scheint von einer Haushaltsaufnahme bei sich ausgegangen zu sein, da es sich anderenfalls nicht erklären würde, weshalb auch sie einen Kindergeldantrag gestellt hat. Dass dieser mit einer "falschen" Begründung von der Familienkasse abgelehnt wurde, ändert nichts an der Tatsache der Antragstellung.

44

ccc) Im Streitfall handelt es sich um einen Auslandssachverhalt, so dass § 90 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zur Anwendung gelangt. Das Gericht ist beschränkt in seinen Amtsermittlungspflichten und -möglichkeiten, denn das Gericht kann keine Beweiserhebungen im Ausland durchführen. Es liegt daher beim Kläger, den erforderlichen Sachverhalt vorzutragen. Dies gilt insbesondere für den nicht vorgelegten Mietvertrag der Tochter und den monatlichen Ausgaben der Tochter z. B. für ihre Verpflegung.

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2. Auch aus § 64 Abs. 2 Satz 4 EStG ergibt sich kein Anspruch des Klägers. Sollte er auch für die Beigeladene einen Kindergeldantrag gestellt haben, wäre diesbezüglich noch nicht das erforderliche Vorverfahren durchgeführt worden.

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3. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 74 EStG. Zwar hat die Zeugin einen etwaigen Anspruch auf Kindergeld an den Kläger abgetreten. Die Voraussetzungen für § 74 Abs. 1 EStG liegen jedoch nicht vor, da das Gericht davon ausgeht, dass beide Elternteile ihrer Unterhaltsverpflichtung entsprochen haben.

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II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 und § 139 Abs. 4 FGO.

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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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