Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 191/16

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Antidumping- und Drittlandszoll auf Verbindungselemente.

2

Die Klägerin bezog im Dezember 2010 und von Juni bis September 2011 Verbindungselemente von dem in Indonesien ansässigen Unternehmen B (im Folgenden: B). B ist ein Tochterunternehmen der C Co., Ltd (im Folgenden: C), eines großen chinesischen Herstellers von Verbindungselementen.

Im April 2009 - kurz nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 91/2009, mit der Antidumpingzölle auf Verbindungselemente aus der Volksrepublik (VR) China erhoben wurden - wurde die Klägerin über eine neue Bezugsquelle für Verbindungselemente in Indonesien informiert. Sie erhielt Fotos der sich im Aufbau befindlichen Betriebsstätte von B in Batam. Die Lieferung der folgenden Betriebsmittel an B ist in der Akte belegt:

        

Nach den chinesischen Ausfuhranmeldungen aus März 2009 führte C die folgenden Waren aus:

* 5 Gewindewalzmaschinen, ... $

* 1 Härteofen, ... $

* 3 Galvanisierlinien, ... $

        

Gemäß Rechnung vom 20. April 2009 lieferte C an B neben Büroausstattung (Computer, Kopierer, Drucker, Fax) die folgenden Maschinen:

* Kessel (boiler), ... $

* Härteprüfgerät (sclerometer), ... $

* 1 Schneidemaschine, ... $

* 1 Verpackungsmaschine (enlace machine), ... $

* Auto gate, ... $

* Drehmaschine (lathe), ... $

* Bohrmaschine, ... $

* Kompressor, ... $

* Hydraulikausrüstung

* 2 Schleifmaschinen, ... $

        

Gemäß Rechnung vom 20. April 2009 lieferte C an B darüber hinaus:

* 5 Kaltverformungsmaschinen (cold header), ... $

* 1 Kühlmaschine (refrigeration machine), ... $

* 70 Fässer Abschrecköl (quenching oil), ... $

* Stanzvorlagen, ... $

* Chemikalien und anderes Verbrauchsmaterial

3

Die Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA) teilte dem Zollfahndungsamt (ZFA) Hamburg im Rahmen der gegen die Klägerin geführten strafrechtlichen Ermittlungen mit, dass B am ... 2008 von den Gesellschaftern der C gegründet worden sei. B habe 67 Mitarbeiter mit 13 Schmieden und sechs weiteren Maschinen. Es seien ... $ investiert worden. Die jährliche Produktion betrage 60.000 t [richtigerweise wohl 6.000 t].

4

Am 3. Dezember 2009 besuchten Mitarbeiter der Klägerin, darunter der Zeuge D, die Produktionsstätte von B. Danach legte die Klägerin B als Lieferanten in ihrem SAP-System an. Die erste Bestellung über Verbindungselemente (M4-M6) erfolgte am 6. August 2010. Weitere folgten am 2. und 28. Februar 2011 für den Abmessungsbereich bis M 24 sowie einige Schrauben mit Zoll-Gewinde. Die Oberflächen waren entweder verzinkt oder blank (black).

5

Die Klägerin meldete mit insgesamt 29 Zollanmeldungen im Dezember 2010 (1 Zollanmeldung), Juni 2011 (3 Zollanmeldungen), Juli 2011 (2 Zollanmeldungen), August 2011 (18 Zollanmeldungen) und September 2011 (5 Zollanmeldungen) Verbindungselemente zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an. Als Versender und Verkäuferin gab sie B an und beantragte unter Vorlage von Ursprungszeugnissen nach Formblatt A die Gewährung des indonesischen Präferenzzollsatzes von 0 %, der ihr gewährt wurde. Die Ursprungszeugnisse wurden mit Schreiben des indonesischen Handelsministeriums vom 2. September 2013 widerrufen.

6

Bereits im November 2009 leitete das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Office Européen De Lutte Antifraude - OLAF) den allgemeinen Koordinierungsfall OF/2009/xxx ein, da es Hinweise zur Umgehung der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 erhalten hatte.

7

Mit Schreiben vom 23. April 2010 bestätigte die Batam Indonesia Freezone Authority (BIFZA) auf Anfrage der britischen Zollbehörden, dass B aus chinesischen Rohstoffen und Zwischenerzeugnissen in Indonesien Verbindungselemente herstelle bzw. weiterverarbeite. Der Bestätigung waren ein Flussdiagramm über den Produktionsablauf, Fotos der Produktionsstätte sowie Rechnungen aus April, Mai und Juli 2009 über Walzdraht und Einrichtungsgegenstände beigefügt. Zwischen Juli 2010 und März 2012 stellte BIFZA weitere gleichlautende Bestätigungen gegenüber anderen Zollbehörden aus:

        

* Bestätigungen vom 30. Juli 2010 und 30. Dezember 2010 gegenüber portugiesischen bzw. italienischen Behörden mit denselben Anlagen wie die Bestätigung vom 23. April 2010;

* Bestätigungen vom 19. Januar 2012 gegenüber schwedischen, deutschen und spanischen Behörden nur mit Flussdiagramm des Produktionsablaufs als Anlage;

* Bestätigung vom 13. März 2012 gegenüber italienischen Behörden. Als Anlagen waren Fotos der Produktionsstätte, ein Flussdiagramm über den Produktionsablauf sowie Rechnungen über 400 l Treibstoff (April 2011), Papier (Februar bis April 2011) und 300 kg Wasserstoffperoxid (Okt. 2011) beigefügt.

8

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 (...) bescheinigte das indonesische Handelsministerium, dass es am 26. September 2011 die Produktionsstätte von B aufgesucht habe. B sei in Batam tätig und die Produktion erfülle die Ursprungskriterien des Allgemeinen Präferenzsystems.

Zur Vorbereitung einer OLAF-Untersuchung besichtigte das indonesische Handelsministerium am 17. September 2012 erneut die Betriebsstätte von B. Nach dem hierüber erstellten Bericht (...) sei festgestellt worden, dass bei B

        

* 5 Pressen (heading machines) zur Herstellung von Schraubenköpfen,

* 5 Gewindewalzmaschinen (threading machines),

* 2 Härteöfen und

* 3 Galvanisierungsmaschinen (plating machines)

vorhanden seien.

9

Es seien 44 Personen beschäftigt, die in einer Schicht (08:00 bis 16:00 Uhr) arbeiteten. Nach den Beobachtungen vor Ort seien neue Maschinen seit Ankündigung des Besuchs in Betrieb genommen worden. Der Walzdraht sei sehr staubig gewesen und es seien nur wenige Schrauben hergestellt worden. Von den fünf Pressen seien nur zwei in Betrieb gewesen. Alle fünf Maschinen seien dreckig und schlecht gewartet. In Anbetracht dessen sei es sehr unwahrscheinlich, dass B die dargestellte Menge selbst hergestellt haben könne. Es bestehe der Verdacht, dass B die Verbindungselemente aus der VR China erhalte und dann in die EU ausführe.

10

Im Zuge der OLAF-Ermittlungen übergaben die indonesischen Behörden OLAF Auszüge aus einer Import-/Export-Datenbank, die die Importe von Baus der VR China nach Indonesien und ihre Exporte aus Indonesien in die EU in den Jahren 2010-2012 zeigten. Danach habe B mit 184 Einfuhren (1.516 Container) insgesamt 30.952,744 t Stahlerzeugnisse eingeführt. Nur acht Importe (74 Container) mit 414,920 t seien unter der Bezeichnung Walzdraht (steel wire rod, steel wire product, iron and steel wire) erfolgt. Die übrigen 176 Importe seien mit den Warennummern 7207 19 [semi-finished products of iron or non-alloy steel] oder 7318 19 [Screws, bolts, nuts,... and similar articles] und den Bezeichnungen fastener, fastener product (bolts) oder steel product (fastener) angemeldet worden. Im selben Zeitraum habe B 513 Exporte mit 30.958,613 t (1.489 Containern) in 15 verschiedene EU-Mitgliedstaaten durchgeführt.

11

Im Februar 2013 führte OLAF eine Untersuchungsmission in Indonesien durch. Hierbei besuchte es am 18./19. Februar 2013 B. Dem Besuchsbericht zufolge sei der Betrieb bereits an einen neuen Eigentümer übergeben worden. Dieser habe ausgesagt, dass B von 2009-2012 Verbindungselemente aus Rohmaterialien/Halbfertigerzeugnissen hergestellt habe, die aus der VR China importiert worden seien. Der neue Manager, der den Betrieb im Dezember 2012 übernommen habe, habe die frühere Produktion der Verbindungselemente nie gesehen. Es habe sich bei Übernahme keine Ware mehr am Lager befunden und Teile des Maschinenparks seien entfernt worden, insbesondere die Laderampe. Das Unternehmen habe 50 Kunden, die ihre Ware direkt im Vertriebsbüro des Unternehmens in der VR China bestellt hätten. Die Zahlungen seien nach Indonesien geflossen. Nach Aussage der bereits vor dem Verkauf bei B beschäftigten Ms. E hätten zirka 44 Arbeiter in zwei Teams sechs bis acht 20-Fuß-Container pro Woche produziert.

12

Es hätten sich noch 30 Einfuhrerklärungen für die Zeit von Mai bis Dezember 2009 aus der VR China in den Geschäftsräumen befunden, die alle fertige Produkte ausgewiesen hätten. Rechnungen über Strom- und Wasserverbrauch oder den Verbrauch anderer Materialien, die für die Herstellung von Schrauben nötig seien, seien nicht aufgefunden worden. Es seien noch

        

* 5 Kaltverformungsmaschinen (heading machines),

* 5 Gewindewalzmaschinen (threading machines),

* 1 Härteofen,

* 3 Galvanisierungsmaschinen (plating machines) und

* 3 Waschmaschinen

vorhanden gewesen.

13

Außerdem besuchte OLAF am 19. Februar 2013 die Spedition F (...). Nach dem Besuchsbericht habe dieses Unternehmen für B die Einfuhren aus der VR China nach Indonesien und die Ausfuhr von Verbindungselementen in die EU abwickelt. Nach Auskunft des Verkaufsmanagers habe F ihre Aufträge stets direkt von C in der VR China erhalten. Sie habe wöchentlich sechs 20-Fuß-Container, die als Halbfertigerzeugnisse der Positionen 72 07 HS angemeldet worden seien, importiert und auch den Export von Containern in die EU organisiert. Selbst habe F die Ware nie gesehen. F übergab OLAF Kopien der letzten sechs Einfuhrvorgänge.

14

Der Bericht über die Untersuchungsmission vom Februar 2013 (S. 12) zitiert das gemeinsame Protokoll der Missionsreise vom 22. Februar 2013. Darin heißt es, dass B keine wirkliche Kapazität zur Herstellung von Verbindungselementen gehabt habe, weder aus Rohmaterialien noch aus Halbfertigerzeugnissen. Daher seien die als Halbfertigerzeugnisse bezeichneten Waren, die B eingeführt habe, tatsächlich fertige Erzeugnisse. Hinsichtlich des präferentiellen Ursprungs wurde festgehalten:

        

the company never manufactured steel fasteners in Batam, but exported unduly to the EU finished Chinese products under the cover of authentic certificates of origin GSP Form A. These [...] were issued on the basis of false and misleading information provided by [B].

Daher unterlägen alle Lieferungen von B, die in der "Euromasterlist" aufgeführt seien, dem Drittlandszollsatz.

15

Mit dem Abschlussbericht vom 28. Oktober 2013 schloss OLAF seine Untersuchungen ab (...). Neben einer Zusammenfassung der bisherigen Untersuchungsergebnisse bewertet er die nach Ende der Missionsreise bei OLAF eingegangen Unterlagen. Aus den sechs Zollanmeldungen zur Einfuhr von Verbindungselementen aus der VR China nach Batam, die F vorgelegt habe, ergebe sich, dass B anstatt der in der Einfuhranmeldung genannten Halbfertigerzeugnisse in Wirklichkeit Fertigerzeugnisse eingeführt habe.

16

Eine Datenanalyse habe ergeben, dass bei den Ausfuhranmeldungen aus der VR China nach Indonesien fertig hergestellte Verbindungselemente (7318 15 HS), bei der Einfuhr nach Indonesien dagegen Halbfertigerzeugnisse (7207 19 HS) angegeben worden seien. Es sei auch möglich, das Gewicht der Einfuhren mit den wenige Tage später vorgenommenen Ausfuhren in Übereinstimmung zu bringen. Zusammenfassend könne festgehalten werden:

17

1) Bei den bei der Einfuhr nach Indonesien angemeldeten Halbfertigerzeugnissen handele es sich tatsächlich um Fertigerzeugnisse. Dies ergebe sich aus 111 der insgesamt 112 Frachtbriefe von Ausfuhren aus der VR China nach Singapur, die OLAF habe ermitteln können. Bei 176 der insgesamt 184 Einfuhren nach Indonesien sei als Warenbeschreibung bei der Einfuhranmeldung "fastener", "fastener product (bolts)" oder "steel product (fastener)" genannt worden, auch wenn sich die Tarifnummer auf Halbfertigerzeugnisse bezogen habe. Alle 37 OLAF vorliegenden Rechnungen für Einfuhren aus der VR China nach Indonesien bezögen sich ausdrücklich auf fasteners. Bei der Ausfuhr aus der VR China nach Indonesien sei jeweils die Tarifnummer für fertige Verbindungselemente (7318 15 HS) angegeben worden.

18

2) Auch bei den acht Einfuhranmeldungen zwischen 2010 und 2012, bei denen die Einfuhr von Rohmaterialien angegeben worden sei, habe sich diese Warenbezeichnung - mit Ausnahme von maximal 71 t - in den Frachtbriefen nicht wieder gefunden. Durch die Angaben im Frachtbrief nicht widerlegt seien damit lediglich Einfuhren von insgesamt 71 t Walzdraht vom 1. März, 3. Mai, 31. August und 26. Oktober 2010. In der indonesischen Zolldatenbank seien keine Einfuhren von Verbindungselementen oder Rohstoffen durch B enthalten. Nach Angaben der neuen Unternehmungsleitung habe B auch auf dem indonesischen Markt keine Rohstoffe eingekauft.

19

3) + 4) Die Gründung von B falle zusammen mit dem Inkrafttreten der Antidumpingzollmaßnahmen und der Verkauf mit der Ankündigung des OLAF-Kontrollbesuchs.

20

5) B sei unzureichend ausgerüstet für die Herstellung der in die EU ausgeführten Mengen von Verbindungselementen. Die beim Kontrollbesuch vorhandenen Maschinen schienen die einzigen zu sein, die jemals in der Fabrik installiert gewesen seien. Auch seien niemals geeignete Geräte für eine Qualitätskontrolle oder Verpackung installiert worden. Außerdem sei nicht nachgewiesen, dass überhaupt jemals eine Verarbeitung stattgefunden habe. Die angebliche Einfuhr von 414 t Draht sei durch die Frachtbriefe nicht belegt. Selbst wenn B in der Lage gewesen wäre, Verbindungselemente herzustellen, wären es nur minimale Mengen gewesen oder es wären halbfertige Verbindungselemente chinesischen Ursprungs entstanden. In Anwendung des Urteils C-26/88 (Brother International GmbH) obliege dem Wirtschaftsteilnehmer der Nachweis, dass er Montagevorgänge nicht zur Umgehung von Bestimmungen durchführe.

21

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 16. April 2013 (AT/S/XXX-1) erhob der Beklagte bei der Klägerin gemäß Art. 220 ZK für 14 Einfuhren von Verbindungselementen der Zolltarifposition 7318 1589 980 von Juni bis September 2011 Zoll in Höhe von insgesamt ... € nach. Im Einzelnen wurden ... € Drittlandszoll und ... € Antidumping-Zoll (85 %) festgesetzt. Der nacherhobene Drittlandszoll entspricht der Differenz zwischen dem ursprünglich festgesetzten Präferenzzoll (0 %) und dem Drittlandszoll (3,7 %). Für die Einzelheiten der Nacherhebungsvorgänge wird auf den Einfuhrabgabenbescheid verwiesen.

22

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 12. Juni 2013 (AT/S/XXX-2) erhob der Beklagte bei der Klägerin gemäß Art. 220 ZK für eine Einfuhr im Dezember 2010 sowie 14 Einfuhren im August 2011 von Verbindungselementen Zoll in Höhe von insgesamt ... € nach. Im Einzelnen wurden ... € Drittlandszoll und ... € Antidumping-Zoll festgesetzt. Die Warentarifnummern lauteten 7318 1589 980 (NEE-Vorgang ... und 7318 1569 980 (NEE-Vorgänge ...). Für die Einzelheiten der Nacherhebungsvorgänge wird auf den Einfuhrabgabenbescheid verwiesen.

23

Zur Begründung bezog sich der Beklagte jeweils auf die Feststellungen von OLAF.

24

Gegen beide Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 30. April 2013 bzw. 19. Juni 2013 Einspruch ein, die sie mit Schreiben vom 23. August 2013 begründete. Die Container, die aus der VR China nach Indonesien eingeführt worden seien, seien nicht sogleich wieder in die EU ausgeführt worden. Aus dem Anlagenkonvolut EsF 12 ergebe sich, dass die Container leer in Singapur angekommen und dann auch leer zur Beladung zu B verbracht worden seien.

25

Mit Einspruchsentscheidungen vom 19. Juli 2016 (RL xxx-1/13 und RL xxx-2/13) wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Es sei Antidumpingzoll gemäß Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 91/2009 entstanden. Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 924/2012, die einen niedrigeren Antidumpingzollsatz vorsehe, sei erst am 11. Oktober 2012 - und damit deutlich nach den hier in Rede stehenden Einfuhren - in Kraft getreten.

26

Nach den Schlussfolgerungen von OLAF sei der Ursprung der Verbindungselemente in der VR China belegt. Es bestehe eine personelle Verflechtung zwischen B und C. Außerdem sprächen die gefundenen Unterlagen und die analysierten Daten für eine Herkunft der Waren in der VR China. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seien die Fertigerzeugnisse in Containern von der VR China über Singapur zur Betriebsstätte von B verbracht und dort bei der Einfuhrabfertigung wahrheitswidrig als Halbfertigerzeugnisse angemeldet worden. Danach seien sie zu B befördert und dort zur Verschleierung in andere Container umgeladen worden, um später unverändert über Singapur in die EU exportiert zu werden. Hierzu passe die Feststellung von OLAF, dass der Maschinenpark von B einen schlecht gewarteten Zustand vermittelt habe, Lagervorräte gefehlt hätten, Qualitätskontrollen nicht möglich und auch keine Verpackungsmaschinen oder Verpackungsmaterialien vorhanden gewesen seien.

27

Der gegenteilige Vortrag der Klägerin sei "angesichts der Komplexität der Ermittlungen sowie mit Blick auf die Breite und Tiefe der Ermittlungsergebnisse" widerlegt. Hinzu komme, dass die Produktion der von der Klägerin bestellten Verbindungselemente bei der vorhandenen Ausstattung Monate gedauert hätte, wenn die Verbindungselemente komplett aus Rohmaterial gefertigt worden wären. Bei einer Fertigung aus Rohlingen hätte sie immer noch 2-3 Wochen in Anspruch genommen.

28

Den präferentiellen Warenursprung habe die insoweit beweisbelastete Klägerin nicht nachgewiesen. Anhaltspunkte für Vertrauensschutz gebe es nicht.

29

Mit der am 10. August 2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

30

Bei dem Besuch von B am 3. Dezember 2009 habe die Klägerin festgestellt, dass dort bereits Schrauben und Verbindungselemente produziert würden. Aufgrund der vorgefundenen Produktionsanlagen und des Umstandes, dass sich der Betrieb noch im Aufbau befunden habe, sei die Klägerin von einer jährlichen Produktionskapazität auf 3.600 t in den Größen bis einschließlich M24 ausgegangen. Die Fotos des Zeugen D (...) zeigten eine vollständige Produktionsanlage.

31

Der Geschäftsführer eines Wettbewerbers der Klägerin, der Zeuge H, habe am 5. August 2010 B besucht. Hierbei habe er festgestellt, dass B zum damaligen Zeitpunkt über fünf Pressen und fünf Gewinderollmaschinen verfügt und zirka 60 Mitarbeiter beschäftigt habe. Daraus habe er geschlossen, dass die dortigen Maschinen im Standardbereich M4 bis einschließlich M24 jährlich zirka 5.000 t Verbindungselemente herstellen könnten.

32

Der OLAF-Abschlussbericht erwecke den Anschein, ergebnisorientiert entlastende Tatsachen "unter den Tisch fallen" zu lassen. Widersprüchliche Ermittlungsergebnisse sowie absichtliche Auslassungen machten die Feststellungen von OLAF nicht verwertbar.

33

Zu Unrecht gehe der Abschlussbericht davon aus, dass außer den im Februar 2013 vorgefundenen Maschinen keine weiteren jemals dort installiert gewesen seien. Hierbei habe der Bericht unterschlagen, dass der neue Manager ausgesagt habe, dass die alten Eigentümer vor Veräußerung des Unternehmens Maschinen und Rohmaterial abtransportiert hätten. Der Abschlussbericht lasse auch unerwähnt, dass die vorhandenen Maschinen einen Wert von rund ... $ hätten. Folglich habe er sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, warum B einen derartigen Maschinenpark vorgehalten habe, wenn keine Produktion habe stattfinden sollen. OLAF habe nicht erläutert, in welchem Umfang eine Produktion möglich gewesen wäre. Es fehlten Feststellungen dazu, welche Produktionskapazitäten die noch vorhandenen Maschinen hätten. OLAF hätte sich mit der Schätzung des IZA auseinandersetzen müssen, nach der jährlich 6.000 t hätten produziert werden können.

34

Die Schlussfolgerung von OLAF, dass deswegen keine Produktion stattgefunden haben könne, weil keine Angaben zu Verbrauchsmaterialien (Wasser, Strom etc.) vorgefunden worden und auch kein Verpackungsmaterial oder Rohwaren vorhanden gewesen seien, sei nicht stichhaltig. Die von OLAF vermissten Verlade- und Verpackungseinrichtungen, Verpackungsmaterial oder Qualitätskontrollen hätten sowohl die Klägerin als auch der Zeuge H vor Ort wahrgenommen und sie seien auf den eingereichten Fotos zu sehen. Ohne Verpackungsmaterial hätte auch das von OLAF behauptete Umladen nicht erfolgen können. Damit sei klar, dass in jedem Fall nach dem Verkauf von B Maschinen entfernt worden sein müssten. Damit habe die Klägerin nachgewiesen, dass B über einen Maschinenpark verfügt habe, mit dem jährlich zwischen 3.600 und 6.000 t hätten produziert werden können. Die Menge von 675 t, die die Klägerin über zwei Jahre bestellt habe, hätte daher ohne weiteres bei B hergestellt werden können.

35

Nicht nachvollziehbar sei, warum F die Waren abweichend von den Angaben in den Unterlagen angemeldet haben solle. Naheliegend sei vielmehr, dass die Einfuhrwaren tatsächlich den Waren der Zollanmeldung entsprochen hätten. Verwunderlich sei, dass bei 184 indonesischen Einfuhrzollanmeldungen nicht aufgefallen sei, dass die Warenbeschreibung in den Lieferunterlagen von der Deklaration in der Zollanmeldung abgewichen sei. Die vorgeblich verdächtige Gewichtsidentität zwischen Einfuhren nach Indonesien und Ausfuhren in die EU sei dem Produkt geschuldet. Beim Rollen des Gewindes in halbfertige Schrauben gehe kein Material verloren.

36

Dass die Waren in der Ausfuhranmeldung aus der VR China als Fertigware bezeichnet worden seien, lasse sich damit erklären, dass für Waren der chinesischen Zolltarifnummer 7207 1900 in 2010 und 2011 der Ausfuhrzoll von 25 % gegolten habe.

37

OLAF habe sich nicht mit den früheren Feststellungen der indonesischen Verwaltung auseinandergesetzt. Es werde schlicht behauptet, dass die indonesischen Behörden nicht hätten wissen können, dass die Waren nicht ursprungsbegründend verarbeitet worden seien. Tatsächlich habe insbesondere die BIFZA im September 2011 die Betriebsstätte von B besichtigt und den präferentiellen Ursprung bestätigt.

38

Jedenfalls genieße die Klägerin Vertrauensschutz. Es liege ein aktiver Irrtum der zuständigen Zollbehörden vor. Dies könne auch eine ausländische Zollstelle sein. Aufgrund der Amtshilfemitteilung im Februar 2010 durch OLAF hätten die Zollverwaltungen verschiedener Mitgliedstaaten die Echtheit von Ursprungszeugnissen durch die indonesischen Behörden überprüfen lassen. Letztere hätten daraufhin in mindestens zehn Fällen die Echtheit dieser Ursprungszeugnisse bestätigt. Außerdem hätten sie zweimal die Produktionsabläufe bei B überprüft. Hierbei hätten sie sich über den Ursprung der Ware geirrt. Unerheblich sei, dass kein Bezug zu den konkreten Einfuhren vorläge. Es habe nämlich ein Fall des koordinierten Vorgehens einer Vielzahl mitgliedstaatlicher Zollbehörden vorgelegen. Diese Koordinierung habe stattgefunden, um den Ursprung der vom B gelieferten Verbindungselemente generell aufzuklären. Die indonesischen Zollbehörden seien mithin an der Ermittlung der richtigen Abgabenerhebung in der EU beteiligt worden, so dass deren Kenntnisse maßgeblich seien. Es werde bestritten, dass B falsche Angaben gegenüber dem indonesischen Zoll gemacht habe. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass die indonesischen Behörden selbst die Produktionsmöglichkeiten überprüft hätten.

39

Außerdem habe sich der Beklagte aktiv geirrt, da er aufgrund der vom indonesischen Zoll übermittelten Informationen vom indonesischen Ursprung ausgegangen sei. Der Beklagte habe auch über lange Zeit keine Einwände gegen den angemeldeten Warenursprung vorgebracht, obwohl er Erkenntnisse gehabt habe, die den indonesischen Warenursprung in Zweifel hätten ziehen können. Eine wiederholt fehlerhafte Abwicklung der Zollvorgänge führe nach der EuGH-Rechtsprechung zum aktiven Irrtum der Zollverwaltung.

40

Der Irrtum der Zollbehörde sei für die Klägerin nicht erkennbar gewesen. Aufgrund ihres eigenen Vorortbesuchs sowie der umfassenden Bestätigung der indonesischen Behörden und der mangelnden Hinweise durch die EU habe kein Anlass bestanden, an dem indonesischen Warenursprung zu zweifeln. Als der Klägerin im zweiten Halbjahr 2011 Zweifel an der Lieferfähigkeit von B gekommen seien, habe sie die Geschäftsbeziehungen sofort beendet.

41

Nachdem die Klägerin den Antrag auf Verzinsung der bereits gezahlten Zölle in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, beantragt sie,

        

1. den Einfuhrabgabenbescheid vom 16. April 2013 (AT/S-XXX-1) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2016 (RL xxx-1/13) aufzuheben;

        

2. den Einfuhrabgabenbescheid vom 12. Juni 2013 (AT/S-XXX-2) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2016 (RL xxx-2/13) aufzuheben.

42

Der Beklagte verweist auf seinen bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus: Die OLAF-Mitarbeiter, die Zeugen J und K, könnten erläutern, dass Zweifel am Inhalt des Schlussberichts nicht begründet seien, auch wenn B über einen Maschinenpark verfügt habe. Sie könnten auch Auskunft darüber geben, ob OLAF Einfluss auf das indonesische Handelsministerium genommen habe.

43

Beweis erhoben haben der Berichterstatter durch Vernehmung der Zeugen D und H im Erörterungstermin vom 25. März 2019 und der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2019 durch Vernehmung des Zeugen J. Auf die Vernehmungsprotokolle (...) wird verwiesen.

...

Entscheidungsgründe

A.

44

Soweit die Klage im Hinblick auf die Zinsen zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt (§ 72 Abs. 2 S. 2 FGO).

B.

45

Die weiter verfolgte Anfechtungsklage hat im Hinblick auf den Antidumpingzoll Erfolg, bezüglich des Drittlandszolls ist sie unbegründet. Die Einfuhrabgabenbescheide vom 16. April 2013 und vom 12. Juni 2013, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2016, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit darin Antidumpingzoll festgesetzt wird (dazu I.). Hinsichtlich des Drittlandszolls sind die Bescheide dagegen rechtmäßig (dazu II.).

I.

46

Der Antidumpingzoll in Höhe von insgesamt ... € wurde zu Unrecht festgesetzt.

47

Ermächtigungsgrundlage für die Nacherhebung ist Art. 220 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302/1; Zollkodex - ZK). Diese Norm ist trotz des Inkrafttretens des Unionszollkodexes anwendbar, da die Einfuhren vor dem 1. Mai 2016 erfolgten. Gemäß Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK hat die buchmäßige Erfassung einer Zollschuld zu erfolgen, die nicht buchmäßig erfasst worden ist.

48

Die Voraussetzungen dieser Norm sind nicht erfüllt, da keine bisher nicht buchmäßig erfasste Zollschuld besteht. Bei der Einfuhr der hier in Rede stehenden Verbindungselemente ist nämlich keine Einfuhrzollschuld gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchst. a ZK i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 des Rates vom 26. Januar 2009 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 29, 1 vom 31. Januar 2009) entstanden. Danach wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der VR China.

49

Die Antidumping-Verordnung ist zwar zeitlich anwendbar (dazu 1.). Es wurde jedoch nicht nachgewiesen, dass die eingeführten Verbindungselemente chinesischen Ursprungs sind (dazu 2.). Es liegt auch keine Umgehung vor (dazu 3.).

50

1. Auf die Einfuhr der Waren im Dezember 2010 und von Juni bis September 2011 ist die Verordnung (EG) Nr. 91/2009 zeitlich anwendbar, da sie gemäß ihres Art. 3 am Tag nach der Veröffentlichung - dem 31. Januar 2009 - in Kraft getreten ist. Aufgehoben wurde sie gemäß Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/278 vom 26. Februar 2016 (ABl. L 52, 24 vom 27. Februar 2016) erst mit Wirkung vom 28. Februar 2016 (Art. 3 Durchführungsverordnung (EU) 2016/278) für die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhobenen Antidumpingzölle (siehe hierzu FG Hamburg, Urteil vom 3. April 2019, 4 K 80/16, S. 14 f. UA).

51

2. Der insoweit beweisbelastete Beklagte (BFH, Urteil vom 15. Juli 1986, VII R 145/85, juris, Rn. 15; FG Hamburg, Urteil vom 24. Juli 2017, 4 K 162/15, juris, Rn. 38; Urteil vom 30. August 2005, IV 337/02, juris, Rn. 26; FG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 2014, 4 K 1226/13, juris, Rn. 28) hat nicht nachgewiesen, dass die eingeführten Verbindungselemente ihren Ursprung in der VR China haben.

52

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es muss also grundsätzlich davon überzeugt sein, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt wahr ist (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO, Rn. 64, Stand August 2018). Überzeugt ist das Gericht, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (BFH, Urteil vom 24. März 1987, VII R 155/85, juris, Rn. 32 unter Verweis auf BGHZ 53, 245, 245 - "Anastasia"-Urteil). Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen muss (BFH, Urteil vom 24. März 1987, VII R 155/85, BFH/NV 1987, 560, juris, Rn. 33).

53

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Auswertung der Sachakten, insbesondere der OLAF-Ermittlungen, verbleiben vernünftige Zweifel am chinesischen Ursprung der Verbindungselemente, für die Antidumpingzoll nacherhoben wurde. Zwar ist unstreitig, dass B in Umfuhren von Verbindungselementen chinesischen Ursprung einbezogen war (dazu a). Es spricht unter Zugrundelegung der Ermittlungsergebnisse von OLAF auch einiges dafür, dass die überwiegende Anzahl der von B in die EU ausgeführten Verbindungselemente in der VR China hergestellt und lediglich über Indonesien verschifft wurden (dazu b). Der Senat hält es jedoch ebenfalls für möglich, dass im hier maßgeblichen Zeitraum ab Eingang der ersten Bestellung der Klägerin am 6. August 2010 bis zur Verschiffung der im Februar 2011 bestellten Ware, die zwischen Juni und September 2011 in Deutschland eintraf, Verbindungselemente des hier relevanten Typs bei B selbst hergestellt und derartige Verbindungselemente an die Klägerin ausgeliefert wurden (dazu c, d). Im Einzelnen:

54

a) Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass B unter keinen Umständen in der Lage war, die gesamten zirka 30.000 t Verbindungselemente, die im Untersuchungszeitraum in die EU ausgeführt wurden, selbst herzustellen. Nach der Einschätzung der Klägerin war es B lediglich möglich, jährlich zirka 3.600 t Verbindungselemente zu produzieren. Nach der Auskunft der IZA betrug die jährliche Produktionskapazität zirka 6.000 t. Dies bedeutet, dass in der Zeit von Januar 2010 bis Oktober 2012 nur zwischen 10.200 t und 17.000 t bei B hergestellt worden sein können. Zwischen 13.000 t und 19.800 t müssen daher in der VR China hergestellt und über B in die EU versandt worden sein. Es ist freilich unbekannt, aus welcher Warengruppe die hier in Rede stehenden Verbindungselemente stammen. Zwar hat der anonyme Wettbewerber der Klägerin in einer Stellungnahme angegeben, dass einer seiner Mitarbeiter im Sommer 2011 im Auslieferungslager von C eine für die Klägerin bestimmte versandbereite Palette mit Verbindungselementen mit der Aufschrift "Made in Indonesia" gesehen habe. Da dieser Zeuge für das Gericht nicht erreichbar ist, kann die Glaubhaftigkeit dieser Aussage nicht überprüft werden. Außerdem wäre eine Zuordnung dieser Palette zu einer konkreten Einfuhrlieferung nicht möglich.

55

b) Da OLAF die Produktionsstätte von B erst besichtigt hat, nachdem das Unternehmen verkauft worden war, fußt die Argumentation von OLAF im Kern auf der Behauptung, dass es sich bei den vorgeblichen Ausgangsmaterialien für die Herstellung von Verbindungselementen bei B, die bei der Einfuhr nach Indonesien als Halbfertigerzeugnisse angemeldet wurden, tatsächlich um Fertigerzeugnisse gehandelt habe. Wenn - so die Argumentation von OLAF - nahezu ausschließlich fertige Verbindungselemente aus der VR China nach Indonesien eingeführt worden sein sollten, existierte kein Rohmaterial, um bei B ursprungsbegründend neue Verbindungselemente herzustellen. OLAF trägt hierbei insgesamt fünf Argumente vor (Abschlussbericht, S. 12 ff.):

56

Erstens behauptet OLAF, dass von 2010-2012 nicht die angemeldeten Halbfertigerzeugnisse, sondern fertige Verbindungselemente (Unterposition 7318 15 HS) aus der VR China nach Indonesien eingeführt worden seien. Die Begründung stützt OLAF darauf, dass in 111 der insgesamt 112 Frachtbriefe von Ausfuhren aus der VR China nach Singapur, die OLAF vorgelegen hätten, die Ware als "fastener" bezeichnet worden sei. Außerdem sei bei 176 der insgesamt 184 Einfuhren nach Indonesien in der Einfuhranmeldung die Ware als "fastener" (Verbindungselemente), "fastener product (bolts)" oder "steel product (fastener)" bezeichnet worden. Auch alle 37 OLAF vorliegenden Rechnungen für Einfuhren aus der VR China nach Indonesien bezögen sich ausdrücklich auf fastener. Schließlich sei bei der Ausfuhr aus der VR China nach Indonesien die Ware jeweils mit der Tarifnummer für fertige Verbindungselemente (7318 15 HS) angemeldet worden.

57

Zweitens sei nur die Einfuhr aus der VR China von maximal 71 t Stahldraht bestätigt. Nach der indonesischen Zolldatenbank habe B keine Verbindungselemente oder Rohstoffe aus anderen Ländern eingeführt. Die neue Unternehmungsleitung von B habe angegeben, dass B auch auf dem indonesischen Markt keine Rohstoffe eingekauft habe.

58

Als drittes und viertes Argument beruft sich OLAF darauf, dass die Gründung von B mit dem Inkrafttreten der Antidumpingzölle und der Verkauf des Unternehmens mit der Ankündigung des OLAF-Kontrollbesuchs zusammengefallen seien.

59

Fünftens behauptet OLAF, dass B unzureichend ausgerüstet gewesen sei für die Herstellung der in die EU ausgeführten Mengen von Verbindungselementen.

60

Unter Zugrundelegung dieses von OLAF ermittelten Sachverhalts erscheint es plausibel, dass bei B nahezu keine oder nur eine sehr geringfügige Produktion stattgefunden hat. Außer den mit Rechnung vom 20. April 2009 (...) gelieferten 70 Fässern Abschrecköl finden sich fast keine Belege über die Verwendung von Verbrauchsmaterialien. Den verschiedenen Bestätigungen des BIFZA waren - wenn überhaupt - stets dieselben Rechnungen aus April, Mai und Juli 2009 über Walzdraht und Einrichtungsgegenstände beigefügt. Lediglich die Bestätigung vom 13. März 2012 enthält Rechnungen über 400 l Treibstoff (April 2011), Papier (Februar bis April 2011) und 300kg Wasserstoffperoxid (Okt. 2011), jedoch keine über Walzdraht oder Halbzeug.

61

c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und einer Würdigung des Akteninhalts erscheinen die von OLAF gezogenen Schlüsse jedoch keineswegs zwingend. Teilweise geht der Abschlussbericht auch von Tatsachen aus, die sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme anders darstellen. Im Einzelnen:

62

aa) Der Senat sieht es nicht als erwiesen an, dass - abgesehen von den 71 t Walzdraht - tatsächlich nur fertige Verbindungselemente nach Indonesien eingeführt worden sind. Dagegen spricht zunächst, dass die Waren bei der Einfuhr nach Indonesien als Halbzeug angemeldet und beanstandungslos als solche abgefertigt worden sind. Soweit bei der Einfuhr wenige Waren als fertige Verbindungselemente (Unterposition 7318 19 HS) angemeldet wurden, ist darauf zu verweisen, dass diese Unterpositionen für Schrauben ohne Gewinde gilt. Da ausschließlich Schrauben mit Gewinde aus Indonesien ausgeführt worden sind, müssten auch diese Schrauben noch weiter bearbeitet worden sein.

63

Dass bei 176 der insgesamt 184 Einfuhren nach Indonesien als Warenbeschreibung bei der Einfuhranmeldung "fastener" (Verbindungselemente), "fastener product (bolts)" oder "steel product (fastener)" genannt wurde, lässt nicht den Schluss zu, dass ausschließlich fertige Verbindungselemente eingeführt worden sind. Anders als OLAF meint, weist jedenfalls die Bezeichnung steel product (fastener) nicht zwingend auf fertige Erzeugnisse hin. Nimmt man nämlich den englischen Wortlaut der Unterposition 7207 19 HS ("Semi-finished products of iron or non-alloy steel") in den Blick, kann sich diese Warenbeschreibung ebenso gut auf Halbfertigprodukte aus Stahl beziehen, die durch den Klammerzusatz "fastener" näher umschrieben werden. Für diese Sichtweise spricht, dass B selbst in seinem Unternehmensprofil (...) halbfertige Erzeugnisse (semi material) als "steel product (fastener)" bezeichnet, während fertige Erzeugnisse "bolt and nut" (Bolzen und Mutter) genannt werden.

64

Zwar haben die Nachforschungen von OLAF ergeben, dass auf 111 der insgesamt 112 Frachtbriefe für die Strecke China nach Singapur, die OLAF erhalten hat, die Waren schlicht als fastener - also Verbindungselemente - bezeichnet werden. Hieraus kann der Senat für sich genommen jedoch nicht den Schluss ziehen, dass die bei der Einfuhr nach Indonesien verwendete Zolltarifnummer unzutreffend ist. Zum einen liegen nur für zirka 76 % der Einfuhren die Frachtbriefe für den Transport aus der VR China nach Singapur vor. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die übrigen Frachtbriefe andere Warenbezeichnungen enthalten. Aufgrund der bei B tatsächlich vorhandenen Produktionsmöglichkeit (siehe unten), kann von den vorhandenen drei Vierteln der Frachtbriefe gerade nicht auf den Inhalt des fehlenden Viertels geschlossen werden. Zum anderen decken die von OLAF beschafften Frachtbriefe nicht die gesamte Transportstrecke ab. So existieren Frachtbriefe für den Weitertransport der Ware von Singapur nach Batam. Auf den sechs einzigen derartigen Frachtbriefen, die F an OLAF übergeben hat, wird die Ware als steel product (fastener) bezeichnet. Schließlich ist es durchaus möglich, dass die Bezeichnung fastener eine Kurzform der Bezeichnung steel products (fastener) ist, die - wie dargelegt - gerade nicht auf fertige Waren verweist. Hierauf deuten die Unterlagen der letzten sechs Einfuhrvorgänge, die OLAF vom Logistikdienstleister F erhalten hat, hin. Auf den dortigen Rechnungen wird die Ware, die auf den dazugehörigen Frachtbriefen schlicht als fastener bezeichnet wird, als steel product (fastener) deklariert.

65

Die Feststellung von OLAF, dass sich die 37 vorliegenden Rechnungen für Einfuhren aus der VR China nach Indonesien ausdrücklich auf fastener bezögen, überzeugt den Senat nicht. In Anbetracht der Menge der Einfuhren von über 30.000 t lassen sich diese Erkenntnisse nicht mit der nötigen Gewissheit auf sämtliche Einfuhren erstrecken, zumal bei den letzten sechs Einfuhrvorgängen, die OLAF von F erhalten hat, die Ware wiederum als steel product (fastener) deklariert wurde.

66

Die Behauptung von OLAF, dass bei der Ausfuhr aus der VR China nach Indonesien jeweils die Tarifnummer für fertige Verbindungselemente (7318 15 HS) angegeben worden sei, sieht der Senat nicht als erwiesen an. Die auf S. 10 des deutschsprachigen Abschlussberichts aufgeführte Tabelle nennt nur einzelne Beispiele für Ausfuhren aus der VR China und Einfuhren nach Indonesien, die gewichtsmäßig einander zugeordnet wurden. Sie wird in der Anlage 9 zum Abschlussbericht nur um wenige weitere Beispiele ergänzt. Für den Senat war daher nicht nachvollziehbar, ob tatsächlich alle - oder jedenfalls ein beträchtlicher Teil - der von B aus der VR China eingeführten Waren bei der Ausfuhr als fertige Verbindungselemente bezeichnet worden sind. Der vom Zeugen J erwähnte Datenträger, auf dem die Daten der chinesischen Ausfuhren gespeichert seien, stand dem Senat nicht zur Verfügung. Da die Zuordnung der Ausfuhren aus der VR China zu den Einfuhren nach Indonesien ausschließlich über das Gewicht erfolgt und bei den chinesischen Ausfuhrdaten wichtige Detailangaben, wie das genaue Datum der Ausfuhr, fehlen - genannt wird nur der Monat (z.B. "Jun 2010", "Feb 2012") -, kann der Senat basierend auf dieser dünnen und unsicheren Datengrundlage nicht auf alle anderen Fälle schließen. Auf die Beantwortung der Frage, ob die Waren bei ihrer Ausfuhr aus der VR China nur deshalb als fertige Verbindungselemente deklariert worden sind, um den seinerzeit auf Halbzeug erhobenen Ausfuhrzoll zu umgehen, kommt es damit nicht an.

67

Im Ergebnis ist es für den Senat damit nicht erwiesen, dass alle bei der Einfuhr als Halbzeug angemeldeten Waren tatsächlich fertige Verbindungselemente gewesen sind.

68

bb) Das zweite Hauptargument von OLAF, dass nur die Einfuhr von max. 71 t Draht nachgewiesen sei, mag zutreffen. Es ändert jedoch nichts daran, dass fertige Verbindungselemente ursprungsbegründend auch aus Halbzeug hergestellt werden können (dazu unten d bb).

69

cc) Das dritte und vierte Hauptargument von OLAF - der zeitliche Zusammenhang zwischen der Gründung von B und dem Unternehmensverkauf einerseits und dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 und den angekündigten Untersuchungen andererseits - überzeugen den Senat ebenfalls nicht vom chinesischen Ursprung der im Streitfall eingeführten Waren. Wie der Zeuge D überzeugend ausgesagt hat, war das Motiv für die Gründung von B durch das chinesische Mutterunternehmen ausdrücklich die Einführung der Antidumpingzölle. Eine solche Produktionsverlagerung stellt für sich genommen eine rechtlich zulässige und wirtschaftlich sinnvolle Reaktion auf die Veränderung der Voraussetzungen des Marktzugangs in der EU dar, sofern es tatsächlich zur ursprungsbegründenden Produktion im Zielland kommt. In Anbetracht der von B getätigten Investitionen und der nachgewiesenen Möglichkeit der Herstellung von Verbindungselementen bei B (siehe unten dd), besagen die dargestellten zeitlichen Zusammenhänge nichts über die Herkunft der Waren. Dasselbe gilt für den Verkauf des Unternehmens. Es ist gut möglich, dass dieser von der Sorge der Eigentümer von B verursacht wurde, dass die - unstreitig stattgefundenen - Umfuhrvorgänge ans Licht kommen würden. Erkenntnisse für die Beantwortung der hier inmitten stehende Frage, ob es neben den - unstreitig erfolgten - Umfuhren auch eine ursprungsbegründende Produktion gab, lassen sich aus diesem Verhalten nicht gewinnen.

70

dd) Das fünfte Argument des Abschlussberichts ist widerlegt. Es steht für den Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass es bei B tatsächlich möglich war, aus Stahldraht oder Halbzeug verkaufsfertige Verbindungselemente herzustellen.

71

Hierfür spricht zunächst die Ausstattung der Betriebsstätte von B mit Produktionsmitteln. Nach den in der Akte befindlichen Rechnungen wurden insbesondere fünf Kaltverformungsmaschinen, fünf Gewindewalzmaschinen, ein Härteofen und drei Galvanisierlinien geliefert. Ausweislich der Rechnungen vom 20. April 2009 und den chinesischen Ausfuhranmeldungen aus März 2009 hat B Betriebsausrüstung im Wert von ... $ nach Indonesien gebracht. Die Zeugen D und H haben nachvollziehbar bekundet, dass sich diese Maschinen bei ihren Besuchen am 3. Dezember 2009 bzw. am 5. August 2010 bei B befanden. Darüber hinaus hat der Zeuge D ausdrücklich auf die von ihm auch fotografisch festgehaltenen Testapparate hingewiesen. Die gegenteilige Behauptung von OLAF, dass es keine Testmöglichkeiten gegeben habe, ist damit widerlegt. Hinzu kommen die Anmietung des Unternehmensgebäudes und die Einstellung von Mitarbeitern. Die Gesamtinvestitionssumme soll sich nach der Auskunft der IZA auf ... $ belaufen haben.

72

Ferner sieht der Senat es als erwiesen an, dass an den Tagen, an denen die Zeugen D und HB besucht haben, also am 3. Dezember 2009 und am 5. August 2010, dort Verbindungselemente aus Draht produziert wurden. Unter Vorlage von Fotos, die sämtliche Produktionsschritte der Herstellung von Verbindungselementen von der Kaltverformung über das Gewinderollen und die Vergütung bis zum Verzinken zeigen, haben sie lebensnah beschrieben, wie sie die Herstellung von Verbindungselementen besichtigt haben. Da sie die Produktionsstätte einschließlich der Qualitätskontrolle detailliert und lebensnah geschildert haben, schenkt der Senat ihnen auf der Grundlage des Protokolls der Beweisaufnahme Glauben, obwohl es sich nicht um unabhängige Zeugen handelt.

73

Darüber hinaus haben weitere unabhängige Zeugen die Existenz einer Schraubenproduktion bei B bekundet. Hierzu gehört zunächst der Mitarbeiter des anonymen Wettbewerbers der Klägerin, der die Klägerin beim ZFA angezeigt hat. Dessen schriftliche Stellungnahme belegt, dass in den Jahren 2009 und 2010 bei B produziert worden ist.

74

Für das Folgejahr stellt die Bestätigung des indonesischen Zolls vom 5. Oktober 2011 ein wichtiges Indiz dafür dar, dass weiter produziert wurde. Hiermit bestätigt er nämlich, dass er am 26. September 2011 die Produktionsstätte besucht habe und hierbei die Produktion von Fertigwaren festgestellt worden sei. Auch bei seinem Besuch am 17. September 2012 fand das indonesische Handelsministerium eine laufende Produktion bei B vor. Zwar gab es Hinweise darauf, dass möglicherweise die Produktion eigens im Hinblick auf den behördlichen Besuch gestartet worden sein könnte. Zwingend ist dieser Schluss jedoch nicht. Insbesondere kann der Stahldraht bereits staubig angeliefert worden sein.

75

Im Ergebnis sind damit sämtliche Argumente des Beklagten, auf die sich seine Einordnung der Verbindungselemente als chinesische Ursprungsware stützt, erschüttert.

76

d) Der Senat hält es stattdessen für möglich, dass die eingeführten Verbindungselemente teilweise aus Stahldraht und/oder aus Halbzeug ursprungsbegründend in Indonesien hergestellt worden sind.

77

aa) Es ist möglich, dass Teile der hier in Rede stehenden Verbindungselemente aus Draht hergestellt wurden. Nach den Feststellungen von OLAF wurden mindestens 71 t Stahldraht importiert. Da bei B - wie dargelegt - eine vollständig ausgestattete Fertigungsstätte für Verbindungselemente installiert war, die sich auch in Betrieb befunden hat, hält der Senat es für möglich, dass aus diesem Walzdraht bei B fertige Schrauben hergestellt worden sind. Da die von OLAF verifizierten Einfuhren von Walzdraht am 1. März, 3. Mai, 31. August und 26. Oktober 2010 stattfanden, könnten zeitlich gesehen alle hier in Rede stehenden Verbindungselemente teilweise aus diesem Draht hergestellt worden sein. In Betracht kommt insbesondere die erste Lieferung im Dezember 2010.

78

Der Umstand, dass keine Nachweise über Strom- und Wasserverbrauch vorhanden sind, spricht nicht zwingend gegen eine Produktion. Wie der Zeuge D eingeräumt hat, hat OLAF keine weiteren Anstrengungen unternommen, um den Strom- und Wasserverbrauch im hier relevanten Zeitraum zu ermitteln.

79

bb) Darüber hinaus ist es nach Auffassung des Senats möglich, dass die hier in Rede stehenden Verbindungselemente - soweit sie nicht aus Draht produziert worden sein sollten - aus Halbzeug ursprungsbegründend in Indonesien hergestellt wurden. Nach dem oben Dargestellten ist es ernsthaft möglich, dass tatsächlich eine nicht näher quantifizierbare Menge Halbzeug von B importiert wurde. Da der Senat auch davon überzeugt ist, dass bei B die technischen Voraussetzungen gegeben waren, Halbzeug zu fertigen Verbindungselementen zu verarbeiten, ist es möglich, dass die eingeführten Verbindungselemente bei B hergestellt worden sind.

80

Diese Feststellung deckt sich mit der Einschätzung des ZFA Hamburg (siehe Vermerk vom 13. Dezember 2012, ...). Danach reiche der Maschinenpark von B aus, um aus einem Schraubenrohling durch Gewindeschneiden, Härten und Oberflächenbehandlung ein fertiges Verbindungselement herzustellen.

81

Die Herstellung von Verbindungselementen aus Rohlingen würde den nichtpräferentiellen indonesischen Ursprung der fertigen Ware begründen. Die Begründung des nichtpräferentiellen Ursprungs richtet sich - mangels spezieller Regeln für die hier in Rede stehenden Waren in Anhang 11 Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253, 1; ZKDVO) - nach Art. 24 ZK. Danach erwirbt die Ware den Ursprung des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Schon das Schneiden der Gewinde stellt eine qualitative Veränderung dar. Es wird mittels eines erheblichen Maschineneinsatzes eine neue Ware hergestellt, weil ein Schraubenrohling ohne Gewinde nicht verwendet werden kann. Hinzu kommt die Vergütung, ohne die eine Schraube nicht die nötige Zugfestigkeit aufweist. Bestätigt wird diese Ansicht dadurch, dass es durch die weiteren Bearbeitungsschritte der Rohlinge zu einem Wechsel der Zolltarifposition von der Unterposition 7207 19 HS zur Unterposition 7318 15 HS kommt.

82

e) Im Ergebnis verbleiben beim Senat damit begründete Zweifel am Ursprung der mit einem Antidumpingzoll belegten Verbindungselemente in der VR China. In diese Bewertung ist eingeflossen, dass - anders als in anderen Fällen (z.B. FG Hamburg, Urteil vom 7. April 2017, 4 K 63/15; Urteil vom 24. Juli 2017, 4 K 162/15; Urteil vom 3. April 2019, 4 K 80/16) - der Beklagte nicht in der Lage war, die Einfuhren in die EU sendungsbezogen zu ihrem Ursprung in der VR China zurückzuverfolgen. Die Behauptung des chinesischen Ursprungs fußt vielmehr auf der Annahme, dass bei B keine eigene Produktion stattgefunden habe. Diese Prämisse ist - wie dargestellt - jedoch nicht haltbar.

83

Außerdem wurden - anders als in anderen Fällen (siehe oben) - die in Rede stehenden Waren oder mutmaßlichen Rohstoffe tatsächlich zu der potentiellen Betriebsstätte geliefert. In anderen Fällen war es dagegen so, dass OLAF ermitteln konnte, dass die Ware über einen Lagerbetrieb geschleust wurde. Die Frage, ob die in die EU eingeführten Waren auch in der Betriebsstätte des Exporteurs hätten hergestellt werden können, stellte sich daher von vornherein nicht.

84

3. Die Erhebung der Antidumpingzölle gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 erfolgt auch nicht über Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 343, 51 - Antidumping-Grundverordnung), der sich mit Umgehungsmaßnahmen befasst. Die hierfür gemäß Art. 13 Abs. 3 der Verordnung erforderliche separate Verordnung, mit der eine Umgehung festgestellt wird, liegt nämlich nicht vor.

85

4. Da damit weder die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 91/2009 noch von Art. 13 Antidumping-Grundverordnung erfüllt sind, ist keine Zollschuld entstanden, die bisher buchmäßig noch nicht erfasst wurde.

II.

86

Der Drittlandszoll in Höhe von insgesamt ... € wurde zu Recht erhoben.

87

Ermächtigungsgrundlage für die Nacherhebung ist Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK. Danach hat die buchmäßige Erfassung einer Zollschuld zu erfolgen, die nicht buchmäßig erfasst worden ist. Bisher nicht buchmäßig erfasst wurde der Drittlandszoll (dazu 1.), ohne dass sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen kann (dazu 2.).

88

1. Bei der Einfuhr der hier in Rede stehenden Verbindungselemente ist eine Einfuhrzollschuld gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchst. a ZK mit einem Zollsatz von 3,7 % entstanden, die bisher nicht festgesetzt worden ist.

89

Dieser Zollsatz ist der Drittlandszollsatz für Waren der Position 7318 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif vom 23. Juli 1987 (ABl. L 256, 1; Kombinierte Nomenklatur - KN) in den in den Einfuhrjahren 2010 und 2011 geltenden Fassungen der Verordnung (EG) Nr. 948/2009 vom 30. September 2009 (ABl. L 287, 1) und der Verordnung (EU) Nr. 861/2010 vom 5. Oktober 2010 (ABl. 284, 1) zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif.

90

Der ursprünglich festgesetzte Präferenzzollsatz nach dem Schema allgemeiner Zollpräferenzen für die aus Indonesien eingeführten Waren von 0 % gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. a, Art. 2 Buchst. c i.V.m. Anhang I (Indonesien), Art. 6 Abs. 1, Anhang II (Kapitel 73) der Verordnung (EG) Nr. 732/2008 vom 22. Juli 2008 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen für den Zeitraum ab 1. Januar 2009 (ABl. L 211, 1) in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 512/2011 vom 11. Mai 2011 (ABl. L 145, 28) ist nicht anzuwenden.

91

Die genannte Zollpräferenz gilt nur für indonesische Ursprungswaren. Der Ursprung bemisst sich gemäß Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 732/2008 nach den allgemeinen Ursprungsregeln der Art. 66 ff. ZKDVO in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1063/2010 vom 18. November 2010 (ABl. L 307, 1). Danach müssten die hier eingeführten Verbindungselemente entweder vollständig in Indonesien hergestellt oder ausreichend be- oder verarbeitet worden sein (Art. 72 ZKDVO). Die Darlegungslast für den präferentiellen Ursprung trägt der Einführer (FG Düsseldorf, Urteil vom 23. Dezember 2015, 4 K 514/14 Z, juris, Rn. 15).

92

Wie oben (I.2.) dargelegt, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die eingeführten Verbindungselemente ihren Ursprung in der VR China haben. Gleichzeitig kann jedoch auch die Klägerin nicht beweisen, dass die eingeführten Verbindungselemente tatsächlich bei B in Indonesien hergestellt wurden. Wie ausgeführt ist es nämlich völlig offen, in welchem Umfang bei B produziert wurde. Auf die indonesischen Ursprungszeugnisse kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil sie mit Schreiben des indonesischen Handelsministeriums vom 2. September 2013 widerrufen wurden.

93

2. Die Klägerin kann keinen Vertrauensschutz beanspruchen.

94

Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen über die Zollerklärung eingehalten hat. Aktiver Irrtum bedeutet, dass die Zollbehörde den Irrtum aktiv begehen muss und ihm nicht lediglich unterliegen darf, etwa weil sie ungeprüft die Angaben in der Zollanmeldung übernommen hat. Vielmehr muss der Irrtum auf ein Handeln der Zollbehörde zurückzuführen sein (BFH, Beschluss vom 28. November 2005, VII B 116/05, juris, Rn. 7).

95

Dieser Vertrauensschutztatbestand wird hinsichtlich des präferentiellen Ursprungs ergänzt um die Unterabs. 2-5 von Art. 220 Abs. 2 ZK. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 ZK gilt bei der Ermittlung des Präferenzstatus einer Ware im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung einer Behörde eines Drittlands die Ausstellung einer Präferenzbescheinigung durch diese Behörde, falls sich die Bescheinigung später als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 3 ZK stellt die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung jedoch grundsätzlich keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht. Auch wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Ausführer nachlässig gehandelt hat, trägt der Einführer die Beweislast dafür, dass die Ausstellung des Ursprungszeugnisses auf einer richtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht, sofern die Präferenzbehandlung - wie auch hier im Wege des Allgemeinen Präferenzsystems - durch einen einseitigen Akt der EU eingeführt worden ist (EuGH, Urteil vom 8. November, Lagura Vermögensverwaltung, C-438/11, Rn. 38; s. a. Urteil vom 9. März 2006, Beemsterboer, C-293/04, Rn. 42; FG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 2014, 4 K 1226/13 Z, juris, Rn. 98; Urteil vom 23. Dezember 2015, 4 K 514/14 Z, juris, Rn. 18; FG Hamburg, Urteil vom 24. Juli 2017, 4 K 162/15, juris, Rn. 58). Eine Rückausnahme gilt nur dann, wenn offensichtlich ist, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten. Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Rückausnahme muss die Klägerin beweisen (EuGH, Urteil vom 9. März 2006, Beemsterboer, C-293/04, Rn. 45; FG Hamburg, Urteil vom 24. Juli 2017, 4 K 162/15, juris, Rn. 58; FG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 2014, juris, Rn. 98 m.w.N.).

96

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass ein aktiver Irrtum einer Zollbehörde vorliegt.

97

Ein aktiver Irrtum des Beklagten liegt nicht vor. Er hat die Zollanmeldungen bei der Einfuhr der hier in Rede stehenden Waren nämlich ohne inhaltliche Prüfung angenommen. Die Bestätigungen des BIFZA gegenüber verschiedenen europäischen Zollverwaltungen bezogen sich nicht auf die hier in Rede stehenden Sendungen. Das an die deutsche Zollverwaltung gerichtete Bestätigungsschreiben des BIFZA vom 19. Januar 2012 erfolgte erst nach den hier in Rede stehenden Einfuhren. Es gab auch keine dauerhafte Verwaltungspraxis, auf die Klägerin hätte vertrauen können. Die Zollanmeldungen wurden schlicht beanstandungslos entgegengenommen.

98

Auch ein Irrtum der indonesischen Behörden im Sinne von Art. 220 Abs. 2 ZK liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Ausstellung der Präferenznachweise auf einer richtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruhte. Es ist nicht ausreichend, dass die Klägerin lediglich bestreitet, dass B falsche Angaben gegenüber dem indonesischen Zoll gemacht habe. Die Umstände, die zur Ausstellung der - mittlerweile widerrufenen - Präferenznachweise führten, lassen sich letztlich nicht ermitteln.

C.

99

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 136 Abs. 1 S. 1, 136 Abs. 2 FGO.

100

Soweit die Klägerin die Klage hinsichtlich der Zinsen zurück genommen hat, trägt sie die Kosten. Bis zur mündlichen Verhandlung sind Zinsen in Höhe von ... € entstanden. Dies entspricht 26 % des gesamten Streitwerts in Höhe von ... € (... € Einfuhrabgaben und ... € Zinsen).

101

Die Anfechtung der Einfuhrabgaben ist lediglich hinsichtlich des Drittlandszolls in Höhe von ... € (... € und ... €) erfolglos. Dies macht 3 % des gesamten Streitwerts aus. Zusammen mit dem zurückgenommenen Zinsanspruch ergibt dies eine Gesamtunterliegensquote der Klägerin von 29 %. Nur insoweit hat sie die Kosten zu tragen.

102

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151 Abs. 3, 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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