Beschluss vom Finanzgericht Hamburg (1. Senat) - 1 V 14/21

Tatbestand

I.

1

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vollstreckung von Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 977,50, deren Erlass er im Hauptsacheverfahren (1 K 255/20) begehrt.

2

Der Antragsteller bezog für seine drei Kinder, A, B und C, im Zeitraum von Juni 2015 bis März 2018 Kindergeld. Mit Schreiben vom 5. Juli 2018 teilte die Bundesagentur für Arbeit, Familienkasse ... ("Familienkasse ..."), dem Antragsteller mit, dass sie beabsichtigte, die jeweiligen Festsetzungen von Kindergeld für seine drei Kinder im Zeitraum von Juni 2015 bis März 2018 aufzuheben und das ausgezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt EUR 19.650,00 zurückzufordern. Zur Begründung führte sie aus, dass die drei Kinder seit dem 26. Mai 2015 bei der Kindsmutter, Frau D, lebten, sodass diese als vorrangig Berechtigte zu betrachten sei. Eine etwaige Weiterleitung des Kindergeldes an die Kindsmutter sei nicht nachgewiesen worden.

3

Nachdem der Antragsteller sich zum Schreiben vom 5. Juli 2018 nicht verhielt, hob die Familienkasse ... jeweils mit Bescheid vom 29. Januar 2019 die Kindergeldfestsetzungen auf und forderte vom Antragsteller für die Kinder A und B jeweils Kindergeld in Höhe von EUR 6.482,00 und für das Kind C Kindergeld in Höhe von EUR 6.686,00 zurück.

4

Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 legte Frau E, die vom Amtsgericht Hamburg am 6. März 2018 zur Betreuerin in Vermögensangelegenheiten des Antragstellers bestellt worden war, für diesen Einspruch gegen die Bescheide vom 29. Januar 2019 ein. Sie gab an, dass die Kinder zwar im Haushalt der Kindsmutter lebten, der Antragsteller allerdings selbst nie Kindergeld erhalten habe. Vielmehr habe er bereits im Rahmen der Antragstellung die Kontonummer der Kindsmutter angegeben. Gleichsam fügte die Betreuerin eine handschriftliche Bestätigung der Kindsmutter bei, in der diese in Bezug auf die drei Kinder angab, das Kindergeld immer auf ihr Konto bekommen zu haben.

5

Mit Einspruchsentscheidungen vom 19. Februar 2019 wies die Familienkasse ... die Einsprüche jeweils als unbegründet zurück. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Kinder im Streitzeitraum in den Haushalt der Kindsmutter aufgenommen worden seien.

6

Nachdem die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service ("Agentur für Arbeit Recklinghausen-Inkasso-Service") die Zahlung des Rückforderungsbetrags am 4. März 2019 und am 24. Juni 2019 jeweils erfolgslos angemahnt hatte, drohte sie mit Schreiben vom 8. Juli 2019 die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen an. Auch wies sie darauf hin, dass im Zeitraum vom 25. Februar 2019 bis zum 7. Juli 2019 Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt EUR 977,50 entstanden seien, sodass sich die Gesamtforderung nunmehr auf EUR 20.627,50 belaufe.

7

Am 11. Juli 2019 reichte die Kindsmutter das unterschriebene Formular KG 14 "Bestätigung der Weiterleitung von Kindergeld zur Vorlage bei der Familienkasse" bei der Familienkasse ... ein und bestätigte die vom Antragsteller geschilderte Weiterleitung im Streitzeitraum.

8

Mit Bescheid vom 19. Juli 2019 betreffend das C und Bescheiden vom jeweils 22. Juli 2019 betreffend die Kinder A und B, wurden dem Antragsteller die Rückforderungsansprüche von der Familienkasse ... in Höhe von insgesamt EUR 19.650,00 erlassen. Sie begründete die jeweilige Erlassentscheidung mit der nunmehr nachgewiesenen Weiterleitung des Kindergelds an die Kindsmutter.

9

In der Folge informierte die Familienkasse ... die Agentur für Arbeit Recklinghausen-Inkasso-Service, dass die gegenständlichen Rückforderungsansprüche storniert worden seien. Sie bat die Agentur für Arbeit Recklinghausen-Inkasso-Service ferner darum zu klären, wie mit den Säumniszuschlägen umzugehen sei, da eine Erlassentscheidung in ihren Zuständigkeitsbereich falle. Auf Nachfrage teilte die Familienkasse ... ferner mit, dass der Erlass des Rückforderungsanspruchs gegen den Antragsteller nicht auf einen Fehler der Familienkasse zurückzuführen sei, sondern dadurch bedingt sei, dass der Antragsteller erst nachträglich die Weiterleitung des an ihn ausgezahlten Kindergelds an die vorrangig berechtigte Kindsmutter habe nachweisen können.

10

Mit Schreiben vom 9. März 2020 forderte die Agentur für Arbeit Recklinghausen-Inkasso-Service den Antragsteller auf, das als Erlassantrag behandelte Vorbingen vom 11. Juli 2019 anhand weiterer Unterlagen zu begründen. Mit Bescheid vom 24. April 2020 lehnte die Agentur für Arbeit Recklinghausen-Inkasso-Service sodann den Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge in Höhe von EUR 977,50 ab und gab an, dass eine Unbilligkeit nicht habe festgestellt werden können. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Antragstellers vom 3. Mai 2020 wurde von der Antragsgegnerin mit Einspruchsentscheidung vom 10. September 2020 als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin führte aus, dass ein Erlass der Säumniszuschläge bereits deswegen ausscheide, weil die Überzahlung des Kindergeldes auf das Verhalten des Antragstellers zurückzuführen sei. Er habe der Familienkasse ... nicht mitgeteilt, dass seine Kinder den Haushalt verlassen haben und somit seine Mitwirkungspflichten verletzt. Es liege daher keine sachliche Unbilligkeit vor.

11

Am 7. Oktober 2020 stellte der Antragsteller beim Finanzgericht Hamburg einen isolierten Prozesskostenhilfeantrag (1 K 225/20). Der beigefügte Klageentwurf ist auf den Erlass der Säumniszuschläge in Höhe von EUR 977,50 gerichtet. Am 10. Dezember 2020 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers zudem für diesen bei der Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung wegen der Erlassablehnung vom 24. April 2020.

12

Am 11. Januar 2021 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers zudem für diesen um gerichtlichen Eilrechtsschutz ersucht.

13

Mit Bescheid vom 26. Januar 2021 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

14

Der Antragsteller trägt vor, ihm drohe durch die Vollstreckung die Pfändung seines geringfügigen Guthabens auf dem Konto. Dies habe zur Folge, dass er seine Wohn- und sonstigen Lebenshaltungskosten nicht mehr bezahlen könne. Auch drohe die Gefahr, dass er den Ratenkredit für ein KFZ nicht mehr bedienen könne und der entsprechende Kreditvertrag gekündigt werde. Er beziehe zwar lediglich Übergangsgeld in Höhe von EUR 1.027,50, verfüge jedoch über kein Pfändungsschutzkonto. Auch befinde sich der Antragsteller aufgrund einer Alkoholsucht in therapeutischer Behandlung, welche durch eine Vollstreckung ernstlich gefährdet werde. Angesichts des geringen Betrags von EUR 977,50 sei schließlich nicht ersichtlich, warum die Antragsgegnerin die Vollstreckung nicht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zurückstellen könne. Der Zeitpunkt der Vollstreckung sei willkürlich und boshaft.

15

Der Antragsteller trägt ferner vor, die Weiterleitung des Kindergelds an die Kindsmutter sei für die Familienkasse ... offensichtlich gewesen, jedenfalls habe er rechtzeitig alle notwendigen Belege beigebracht, aus denen sich ergeben habe, dass die Kindergeldzahlung von Beginn an an die vorrangig berechtigte Kindsmutter gezahlt worden sei. Dies habe die Kindsmutter schließlich auch gegenüber der Familienkasse ... bestätigt.

16

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers trägt ferner für diesen vor, dass vorliegend nicht eine Regelung nach § 114 Abs. 1 FGO begehrt werde, sondern das Begehren sich auf einen Aussetzungsantrag nach § 69 Abs. 3, Abs. 4 FGO beziehe. Hilfsweise habe das Gericht jedoch eine einstweilige Anordnung gemäß § 114 Abs. 1 FGO dahingehend zu treffen, dass dem Antragsteller die ungestörte Durchführung eines Verfahrens nach § 69 Abs. 3, 4 FGO ermöglicht werde. Hierbei habe das Gericht auch zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin durch die Vollstreckung lediglich eine formale Rechtsposition sittenwidrig ausnutze.

17

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Aussetzung der Vollziehung der Rückforderungsbescheide vom 29. Januar 2019 in Gestalt der jeweiligen Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2019 im Umfang der Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt EUR 977,50.

18

Hilfsweise beantragt der Antragsteller sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Vollstreckung der Säumniszuschläge in Höhe von EUR 977,50 einstweilen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vor dem Finanzgericht Hamburg (1 K 225/20) einzustellen.

19

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

20

Sie ist der Auffassung, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben sei. Ein Anordnungsgrund fehle bereits deswegen, da eine Existenzvernichtung in Anbetracht der Höhe des Forderungsbetrages nicht ersichtlich sei. Der Antragsteller habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein Anordnungsgrund ergeben könne. Der Antrag sei daher bereits unzulässig.

...

Entscheidungsgründe

II.

21

Der Antrag ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

1.

22

Soweit der Antragsteller, seinen Antrag - trotz gerichtlichen Hinweises vom 17. Februar 2021 - ausdrücklich auf § 69 Abs. 3, Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt und klarstellt, dass die von der Antragsgegnerin betriebene Zwangsvollstreckung der Säumniszuschläge Gegenstand einer Aussetzung der Vollziehung sein soll, ist der Antrag bereits unzulässig.

23

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können Säumniszuschläge nicht Gegenstand einer Aussetzung der Vollziehung sein. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist insoweit nicht statthaft. Es fehlt bereits am Vorliegen einer Anfechtungssituation, da die Säumniszuschläge gemäß § 240 Abgabenordnung (AO) kraft Gesetzes entstehen. (vgl. BFH, Beschluss vom 30. September 2015 - I B 86/15 -, zitiert nach juris, Rn. 6; Stapperfend in: Gräber/FGO, 9. Auflage 2019, § 69 FGO, Rn. 105 m.w.N.).

24

Ohnehin kann nur in Anfechtungssachen die Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO ausgesetzt werden. Wäre hingegen in der Hauptsache - wie vorliegend aufgrund des begehrten Erlasses gemäß § 227 AO - eine Verpflichtungsklage statthaft, kommt grundsätzlich allein eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO als zulässiger und statthafter Rechtsbehelf im Eilverfahren in Betracht (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Oktober 2016, § 114 FGO, Rn. 7 f. m.w.N.).

2.

25

Soweit der Antragsteller jedenfalls hilfsweise begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Vollstreckung der Säumniszuschläge in Höhe von EUR 977,50 einstweilen einzustellen, ist der Antrag zwar zulässig, jedoch unbegründet.

a.

26

Das Gericht ist gemäß § 38 Abs. 2a Satz 1 FGO örtlich zuständig. In Angelegenheiten des Familienleistungsausgleichs nach Maßgabe der §§ 62 bis 78 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist das Finanzgericht zuständig, in dessen Bezirk der Kläger seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zu den Angelegenheiten des Familienleistungsausgleichs gehört auch das Vollstreckungsverfahren nach den §§ 249 ff. AO. Die Vorschrift des § 38 Abs. 2a Satz 1 FGO gilt entsprechend für ein Verfahren nach § 114 FGO. Vorliegend hat der Antragsteller seinen Wohnsitz in Hamburg, sodass das Finanzgericht Hamburg für dieses Verfahren örtlich zuständig ist.

b.

27

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (vgl. BFH, Beschluss vom 22. Dezember 2006, VII B 121/06, BStBl II 2009, 839).

aa.

28

Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO, an dessen Vorliegen strenge Voraussetzungen geknüpft werden.

29

Die Rechtsprechung fordert für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds eine wirtschaftliche oder persönliche Existenzbedrohung. Dabei ist ein Anordnungsgrund nicht bereits dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige zur Bezahlung der Säumniszuschläge Kredite aufnehmen, Vermögensgegenstände veräußern oder seinen gewohnten Lebensstandard einschränken muss. Es reicht ebenfalls nicht aus, wenn es sich lediglich um Nachteile handelt, die typischerweise mit der Pflicht zur Steuerzahlung und ggf. auch der Vollstreckung verbunden sind (vgl. BFH, Beschluss vom 22. April 1991, III B 537/90, BFH/NV 1992, 118; BFH, Beschluss vom 24. April 2012, III B 180/11, BFH/NV 2012, 1303; Stapperfend in: Gräber/FGO, 9. Auflage 2019, § 114 FGO, Rn. 56 ff. m.w.N.).

30

Nach diesen Maßstäben wurde ein diesen Anforderungen genügender Anordnungsgrund vom Antragsteller nicht vorgetragen, jedenfalls aber nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers aufgrund der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen nicht gefährdet ist, da das ihm zur Verfügung stehende monatliche Einkommen in Höhe von EUR 1.027,50 vollständig unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt und damit nicht der Vollstreckung unterliegt (vgl. § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zudem erscheint die Annahme einer Existenzgefährdung bereits vor dem Hintergrund der vergleichsweise niedrigen Forderung von EUR 977,50 eher fernliegend. An dieser Würdigung ändert auch das Nichtvorhandensein eines Pfändungsschutzkontos nichts. Der Antragsteller könnte sich jederzeit ein solches einrichten und damit eine Vollstreckung unterhalb der Pfändungsfreigrenze verhindern.

31

Die vorgetragene gesundheitliche Gefährdung, welche bei Vollstreckung droht, ist schließlich nicht anhand präsenter Beweismittel hinreichend glaubhaft gemacht. Grundsätzlich können außergewöhnliche Umstände, welche die Annahme eines Anordnungsgrunds rechtfertigen, auch aus einer konkreten und unmittelbaren Gesundheitsgefährdung des Steuerpflichtigen resultieren (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Oktober 2016, § 114 FGO, Rn. 29). Der Antragsteller hat eine Gesundheitsgefährdung in Gestalt eines Rückfalls in die Alkoholsucht aufgrund der drohenden Vollstreckung zwar behauptet, nicht jedoch anhand präsenter Beweismittel glaubhaft gemacht. Vielmehr hat er im Schriftsatz vom 8. Februar 2021 lediglich das Zeugnis von Frau Dr. med. F angeboten. Eine entsprechende eidesstattliche Versicherung - oder vergleichbare präsente Beweismittel - der als Zeugin angebotenen Frau Dr. med. F war der Antragschrift hingegen nicht beigefügt. Es kann daher letztlich dahinstehen, ob die vom Antragsteller behauptete Gesundheitsgefährdung die Annahme eines Anordnungsgrundes rechtfertigen würde, da es bereits an einer entsprechenden Glaubhaftmachung fehlt.

bb.

32

Ein auf Bestandsschutz gerichteter Sicherungsanspruch kann sich insbesondere aus der in § 258 AO normierten einstweiligen Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung ergeben. Das gilt jedenfalls dann, wenn noch keine Vollstreckung stattgefunden hat und der Antragsteller diesen Zustand sichern will (Stapperfend in: Gräber/FGO, 9. Auflage 2019, § 114 FGO, Rn. 36).

33

Allerdings führt - wie bereits dargestellt - bereits das Fehlen eines Anordnungsgrundes unabhängig vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zur Unbegründetheit des Antrags (vgl. BFH, Beschluss vom 22. Dezember 2006, VII B 121/06, BStBl II 2009, 839; Stapperfend in: Gräber/FGO, 9. Auflage 2019, § 114 FGO, Rn. 42).

34

Es konnte daher vorliegend dahinstehen, ob aus dem Umstand, dass die Agentur für Arbeit Recklinghausen-Inkasso-Service gegebenenfalls den Erlassantrag vom 24. April 2020 als sachlich unzuständige Behörde ablehnte (vgl. FG München, Urteil vom 7. Juli 2020, 5 K 2557/19; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Juni 2020,7 K 14045/18; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. September 2019,12 K 234/19; Finanzgericht Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 14. Mai 2019,10 K 1317/18 AO, Revision anhängig unter AZ. III R 36/19; Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 3. März 2018, 8 K 1527/17 (KG), Revision anhängig unter dem AZ. III. R 21/18) und die Antragsgegnerin die Einspruchsentscheidung vom 10. September 2020 gegebenenfalls als sachlich unzuständige Behörde erlassen hat (vgl. FG München, Urteil vom 7. Juli 2020, 5 K 2557/19, zitiert nach Juris, Rn. 26 m.w.N.), ein Anordnungsanspruch folgt (vgl. Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 30. August 2019 - 12 V 591/19 -, EFG 2020, 218, zitiert nach juris, Rn. 18; a. A. Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2020 15 V 127/20, Beschwerde eingelegt (Az. des BFH: VII B 10/21), zitiert nach juris, Rn. 47-49).

3.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4.

36

Die Beschwerde war nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

37

Die vorliegende Entscheidung weicht vom Beschluss des Hessischen Finanzgerichts (Beschluss vom 30. August 2019 - 12 V 591/19 -, EFG 2020, 218, 218) insoweit ab, als nach Auffassung des Senats die ungeklärte Frage der Zuständigkeit der Agentur für Arbeit Recklinghausen-Inkasso-Service für das Erhebungsverfahren betreffend den Familienleistungsausgleich nicht ohne Weiteres einen Anordnungsantrag nach § 114 FGO, insbesondere das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, begründet (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2020 - 15 V 127/20 -, zitiert nach juris, Rn. 76).

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