Beschluss vom Finanzgericht Köln - 10 Ko 2084/15
Tenor
Die Erinnerung wird abgewiesen.
Der Erinnerungsführer trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei dem Ausgangsverfahren 14 K 2910/14 um ein solches in „Kindergeldangelegenheiten“ i.S.d. § 52 Abs. 4 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) handelt und es daher von der Anwendung des gesetzlichen Mindeststreitwerts ausgenommen ist.
4Der Erinnerungsführer hatte im Verfahren 14 K 2910/14 Klage gegen die Erinnerungsgegnerin wegen Festsetzung von Hinterziehungszinsen erhoben und beantragt, den Bescheid der Erinnerungsgegnerin vom 21.03.2014, mit welchem diese Hinterziehungszinsen gemäß § 235 der Abgabenordnung (AO) i.H.v. 99 € gegen den Erinnerungsführer festgesetzt hatte, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2014 aufzuheben. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Erinnerungsführer hatte für seinen am ....07.1987 geborenen Sohn während der Dauer seines Erststudiums Kindergeld bezogen. Am 05.06.2011 hatte er gegenüber der Erinnerungsgegnerin unter Vorlage einer entsprechenden Immatrikulationsbescheinigung zunächst mitgeteilt, dass die Hochschulausbildung seines Sohnes voraussichtlich noch bis zum 31.07.2012 andauern werde. Mit Schreiben vom 15.07.2012 setzte der Erinnerungsführer die Erinnerungsgegnerin sodann darüber in Kenntnis, dass die Hochschulausbildung seines Sohnes bereits am 29.02.2012 abgebrochen und am 01.01.2012 eine sog. Trainee-Ausbildung aufgenommen worden sei. Mit Bescheid vom 08.11.2013 hob die Erinnerungsgegnerin die Kindergeldfestsetzung daraufhin ab Januar 2012 auf und verlangte die Rückzahlung des für den Zeitraum Januar 2012 bis Juli 2012 überzahlten Kindergeldes i.H.v. 1.330 € gemäß § 37 Abs. 2 AO. Der Bescheid wurde rechtskräftig und der angeforderte Erstattungsbetrag durch den Erinnerungsführer unverzüglich gezahlt. Mit Bescheid vom 21.03.2014 hatte die Erinnerungsgegnerin sodann unter Hinweis auf den Abschluss eines gegen den Erinnerungsführer eingeleiteten Strafverfahrens Hinterziehungszinsen i.H.v. 99 € wegen des an ihn zu Unrecht ausgezahlten Kindergeldes i.H.v. 1.330 € gegen den Erinnerungsführer festgesetzt. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Erinnerungsführers war ohne Erfolg geblieben.
5Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Erinnerungsführer sodann geltend, dass im Rahmen des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle der Erinnerungsgegnerin keinerlei Feststellungen zu einem etwaigen Vorsatz seinerseits angestellt worden seien. Nachdem die zuständige Berichterstatterin mit Schreiben vom 29.12.2014 gegenüber der Erinnerungsgegnerin darauf hingewiesen hatte, dass sich der Kindergeldakte in der Tat keinerlei Feststellungen zum Vorsatz entnehmen ließen und die Erinnerungsgegnerin für das Vorliegen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung die Feststellungslast trage, hob die Erinnerungsgegnerin den streitgegenständlichen Bescheid vom 21.03.2014 mit Bescheid vom 13.04.2015 auf und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Erinnerungsführer schloss sich der Erledigungserklärung der Erinnerungsgegnerin mit Schriftsatz vom 18.04.2015 an. Mit Beschluss der Berichterstatterin vom 20.04.2015 wurden die Kosten des Verfahrens sodann nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO der Erinnerungsgegnerin auferlegt.
6Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 20.04.2015 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers, die dem Erinnerungsführer aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 20.04.2015 zu erstattenden Kosten – ausgehend von einem Verfahrensstreitwert i.H.v. 1.500 € – wie folgt festzusetzen:
7- 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 des |
|
Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwalts- |
|
Vergütungsgesetz (VV RVG) |
184,00 € |
- 1,3-Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG |
149,50 € |
- abzgl. anzurechnende 0,65 Geschäftsgebühr |
./. 74,75 € |
- Post-/Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
298,75 € |
Umsatzsteuer 19 % Nr. 7008 VV RVG |
56,76 € |
Zwischensumme |
355,51 € |
Auslagen (Gerichtsgebühren) |
284,00 € |
Summe |
639,51 € |
Mit Beschluss vom 08.05.2015 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsführer nach dem rechtskräftigen Beschluss vom 20.04.2015 durch die Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten – ausgehend von dem dem Kostenfestsetzungsantrag zugrunde gelegten Streitwert von 1.500 € – zunächst auf 355,51 € fest und lehnte den darüber hinausgehenden Antrag ab, da die Gerichtskosten von der Gerichtskasse zurückerstattet würden.
9Mit Schreiben vom 11.05.2015 legte die Erinnerungsgegnerin hiergegen Erinnerung ein und machte geltend, der Streitwert des Verfahrens betrage ihrer Auffassung nach nur 99 €. Nach weiterer Erörterung hob der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 08.05.2015 sodann mit geändertem Beschluss vom 10.07.2015 auf und setzte die dem Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten – ausgehend von einem Streitwert von 99 € – auf 168,09 € fest. Zur Begründung führte er aus: In dem angegriffenen Beschluss vom 08.05.2015 sei gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 4 GKG der Mindeststreitwert i.H.v. 1.500 € zugrunde gelegt worden. Für das vorliegende Verfahren gelte jedoch das GKG in der Fassung vom 01.08.2013. Danach sei der Mindeststreitwert in Kindergeldangelegenheiten nicht mehr anzuwenden (§ 52 Abs. 4 Satz 1). Es sei widersprüchlich, wenn diese für Kindergeldangelegenheiten geltende gesetzliche Regelung in Verfahren, die unmittelbar mit einer Kindergeldangelegenheit zusammenhingen, nicht angewendet würde. Dies gelte umso mehr, als der Gesetzgeber mit der Neuregelung sozialpolitische Zwecke verfolgt habe, nämlich der Gruppe der Kindergeldbezieher den Zugang zum finanzgerichtlichen Verfahren zu erleichtern. Dementsprechend sei auch im vorliegenden Verfahren nicht der Mindeststreitwert, sondern der tatsächliche Streitwert anzusetzen.
10Gegen diesen Beschluss vom 10.07.2015 wendete sich der Erinnerungsführer mit seinem Erinnerungsschriftsatz vom 22.07.2015, mit welchem er geltend machte, entgegen der Ansicht des Kostenbeamten handele es sich bei der im Verfahren 14 K 2910/14 streitigen Angelegenheit nicht um eine „Kindergeldangelegenheit“ i.S.d. § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG, sondern um eine steuerrechtliche Angelegenheit, für welche der Mindeststreitwert von 1.500 € zugrunde zu legen sei. Hieran vermögen auch die in dem Kostenfestsetzungsbeschluss angestellten teleologischen Erwägungen nichts zu ändern. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG sei es, Kindergeldempfänger nicht durch vermeintlich hohe Gebühren davon abzuhalten, die Rechtmäßigkeit von Kindergeldentscheidungen überprüfen zu lassen, da andernfalls die geringe Kindergeldleistung noch zusätzlich durch Kosten geschmälert werden könnte. So liege der Fall hier jedoch ersichtlich nicht, da die Entscheidungen der Erinnerungsgegnerin betreffend das Kindergeld zum Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers bereits vollumfänglich bestandkräftig und im Übrigen auch nicht Gegenstand der Beauftragung gewesen seien. Es sei im vorliegenden Fall allein um den Vorwurf einer vermeintlich strafbaren Handlung gegangen, so dass insbesondere die im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vertretene Auffassung, dass die angefochtene Festsetzung von Hinterziehungszinsen „unmittelbar mit einer Kindergeldangelegenheit“ zusammenhänge, ersichtlich unzutreffend sei. Weshalb die im Beschluss angesprochenen sozialpolitischen Erwägungen des Gesetzgebers auch für einen Fall wie den vorliegenden herangezogen werden sollten, erschließe sich nicht.
11Der Erinnerungsführer beantragt,
12den angegriffenen Beschluss vom 10.07.2015 aufzuheben.
13Die Erinnerungsgegnerin hat keinen eigenen Antrag gestellt und sich zu dem Vortrag des Erinnerungsführers nicht geäußert.
14Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
15II.
16Die zulässige Erinnerung ist unbegründet. Der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Erinnerungsführer daher nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO analog).
171. Zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Kostenfestsetzung im Verfahren 14 K 2910/14 den tatsächlichen, am Klageinteresse des Erinnerungsführers bemessenen Streitwert i.H.v. 99 € und nicht den in finanzgerichtlichen Klageverfahren grundsätzlich anzusetzenden Mindeststreitwert i.H.v. 1.500 € zugrunde gelegt.
18a) Gemäß §§ 2 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 RVG werden die Gebühren des Bevollmächtigten nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren bestimmt sich gemäß § 23 Abs. 1 RVG nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften.
19In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist der danach zugrunde zu legende Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Zwecks Sicherung der Kostendeckungsquote wird in den Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit bei niedrigen Streitwerten allerdings ein sog. Mindeststreitwert zu Grunde gelegt, der bei Verfahrenseingängen bis zum 31.07.2013 1.000 € betrug (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG a.F.). Durch das 2. Kostenrechts-modernisierungsgesetz (2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl. I 2013, 2586) wurde der Mindeststreitwert bei Verfahrenseingängen ab dem 01.08.2013 auf 1.500 € angehoben. Ausgenommen von der Mindeststreitwertregelung sind nunmehr allerdings – anders als nach altem Recht – u.a. „Verfahren in Kindergeldangelegenheiten“ (vgl. § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG n.F.). Für diese Verfahren bleibt es bei den o.g. allgemeinen Grundsätzen.
20b) Ausweislich der Gesetzesmaterialien erfolgte die kostenmäßige Privilegierung von Kindergeldangelegenheiten aus sozialpolitischen Gründen (vgl. BT-Drucks. 17/11471, 246). Nach der Intention des Gesetzgebers sollen Kläger, die regelmäßig auf Kindergeldzahlungen angewiesen sind, dann nicht mit unangemessen hohen Gerichtskosten belegt werden, wenn sie lediglich einen Zahlungsanspruch für einen begrenzten Zeitraum geltend machen, der unterhalb des Mindeststreitwerts liegt. Dies gilt erst recht für Kläger, die auf Rückzahlung von Kindergeld in Höhe eines Betrags, der den Mindeststreitwert unterschreitet, in Anspruch genommen worden sind, und gerichtlich gegen den seitens der Familienkasse geltend gemachten Rückerstattungsanspruch vorgehen (vgl. Schneider/Thiel, AnwBl Online 2013, 298, 301).
212. Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze handelt es sich auch bei dem Verfahren 14 K 2910/14 um ein solches in „Kindergeldangelegenheiten“ i.S.d. § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG.
22a) Dem Wortlaut der Norm, welcher lediglich bestimmt, dass der gesetzliche Mindeststreitwert in Verfahren „in Kindergeldangelegenheiten“ nicht gelte, lässt sich zwar kein Hinweis auf Inhalt und Reichweite des Begriffs der „Kindergeldangelegenheiten“ entnehmen. Auch entsprechende gesetzessystematische Erwägungen, wie sie das FG Münster in der – soweit ersichtlich – bislang einzigen Entscheidung zur Bestimmung des Begriffs der „Verfahren in Kindergeldangelegenheiten“ hinsichtlich des Streitwerts in Kostenerstattungsverfahren nach § 77 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angestellt hat (vgl. FG Münster, Beschluss vom 23.12.2013 – 4 Ko 4071/13 GK, EFG 2014, 586), lassen sich vorliegend nicht fruchtbar machen, da die im Ausgangsverfahren streitige Festsetzung von Hinterziehungszinsen in § 235 AO geregelt ist und daher – anders als § 77 EStG – systematisch nicht Teil der Kindergeldregelungen nach den §§ 62 ff. EStG ist.
23b) Allerdings ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO wegen zu Unrecht vereinnahmten Kindergeldes gleichwohl systematisch nur als Annex zu einem auf § 37 Abs. 2 AO gestützten Anspruch auf Rückerstattung des überzahlten Kindergelds, für welchen unzweifelhaft der Mindeststreitwert nicht zur Anwendung gelangen würde, und einer durch den unrechtmäßigen Kindergeldbezug verwirklichten vollendeten Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 1 AO anzusehen.
24aa) Nach § 235 Abs. 1 Satz 1 AO sind „hinterzogene Steuern“ zu verzinsen. Die nach dem Wortlaut zwingende Zinspflicht gemäß dieser Vorschrift knüpft folglich tatbestandlich an das Bestehen eines entsprechenden Steueranspruchs und das Vorliegen einer insoweit verwirklichten Steuerhinterziehung an. Steuer i.S.d. § 235 Abs. 1 Satz 1 AO ist dabei auch eine Steuervergütung. Nach § 31 Satz 3 EStG wird das Kindergeld im laufenden Kalenderjahr als Steuervergütung monatlich gezahlt. Damit erfasst die Verzinsungsvorschrift für hinterzogene Steuern des § 235 Abs. 1 Satz 1 AO auch das Kindergeld (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 25.06.2014 – 3 K 153/13, juris (rkr.) m.w.N.).
25bb) Ohne die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils durch die unberechtigte Vereinnahmung von Kindergeld und die hierdurch bedingte Verwirklichung sowohl des objektiven als auch des subjektiven Tatbestands einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO kann es folglich nicht zu einer rechtmäßigen Festsetzung von Hinterziehungszinsen wegen überzahlten Kindergeldes kommen. Die Verzinsung nach § 235 AO steht in dieser Konstellation somit in einem untrennbarem Zusammenhang mit einer zu Unrecht erfolgten Auszahlung von Kindergeld und damit mit einer „Kindergeldangelegenheit“ i.S.d. § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG. Systematisch erscheint es daher geboten, auch ein Verfahren wegen Festsetzung von Hinterziehungszinsen aufgrund der ungerechtfertigten Auszahlung von Kindergeld als ein Verfahren „in Kindergeldangelegenheiten“ anzusehen, und zwar unabhängig davon, dass die Rechtmäßigkeit der Kindergeldzahlung als solche zwischen den Beteiligten möglicherweise gar nicht streitig ist und Hinterziehungszinsen üblicherweise erst einige Zeit nach Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des zu viel gezahlten Kindergeldes festgesetzt werden. Dass die Entscheidungen betreffend das Kindergeld im vorliegenden Fall bereits vollumfänglich bestandskräftig und auch nicht Gegenstand der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers waren, ist daher aus Sicht des beschließenden Senats für die Frage des anzusetzenden Streitwertes ohne Bedeutung.
26c) Zudem sprechen neben den vorgenannten Gründen auch teleologische Erwägungen für die Einbeziehung eines die Festsetzung von Hinterziehungszinsen wegen Überzahlung von Kindergeld betreffenden Verfahrens in den von der Anwendung des Mindeststreitwerts ausgenommenen Bereich der Verfahren „in Kindergeldangelegenheiten“. Durch die in § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG gewählte weite gesetzliche Formulierung „mit Ausnahme der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten“ bezweckte der Gesetzgeber, den Mindeststreitwert generell und ohne jede Beschränkung auf bestimmte Streitfragen in Kindergeldangelegenheiten nicht zur Anwendung kommen zu lassen. Diese gesetzgeberische Intention gebietet grundsätzlich eine weite Auslegung des Begriffs der „Kindergeldangelegenheiten“, um dem sozialpolitischen Zweck des Gesetzes gerecht zu werden. Das gesetzgeberische Motiv, Klageverfahren in Kindergeldangelegenheiten bei niedrigen Streitwerten kostenmäßig zu privilegieren, würde aber konterkariert, wenn in Verfahren wegen Festsetzung von Hinterziehungszinsen aufgrund der Überzahlung von Kindergeld der gesetzliche Mindeststreitwert zu Anwendung käme, während in Verfahren wegen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für einen vergangenen Zeitraum und Rückerstattung der bereits empfangenen Leistungen unstreitig der Mindeststreitwert außer Ansatz bleibt.
27Wird eine Kindergeldfestsetzung durch die zuständige Familienkasse aufgehoben und das zu viel ausgezahlte Kindergeld zurückgefordert und werden dann auch noch Hinterziehungszinsen nach § 235 AO wegen einer durch den unberechtigten Kindergeldbezug verwirklichten Steuerhinterziehung gegen den Kindergeldempfänger festgesetzt, so schmälert all dies im Ergebnis den „kindergeldrechtlichen Erfolg“. Sieht sich der Kindergeldempfänger in einem solchen Fall veranlasst, die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Hinterziehungszinsen in einem Klageverfahren vor dem Finanzgericht überprüfen zu lassen, weil er zwar nicht die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung an sich beanstandet, aber das Vorliegen einer vollendeten Steuerhinterziehung hinsichtlich der unberechtigten Vereinnahmung des Kindergeldes bestreitet, greift auch insoweit die sozialpolitisch motivierte Kostenprivilegierung für Kindergeldangelegenheiten nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG, sofern – wie vorliegend – der streitige Zinsbetrag unterhalb des Mindeststreitwerts von 1.500 € liegt. Andernfalls könnten sich Steuerpflichtige, die wegen Überzahlung von Kindergeld auf Rückerstattung der zu Unrecht empfangenen Leistungen in Anspruch genommen werden und gegen die darüber hinaus Hinterziehungszinsen wegen überzahlten Kindergelds festgesetzt werden, durch ein zu hohes Kostenrisiko veranlasst sehen, keinen gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Zinsfestsetzung zu suchen. Dies würde zu dem unsinnigen und vom Gesetzgeber sicherlich nicht gewünschten Ergebnis führen, dass der Betroffene einen Rechtsstreit gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung aufgrund der kostenrechtlichen Privilegierung von Kindergeldangelegenheiten nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG unter Kostengesichtspunkten zwar möglicherweise nicht scheuen würde, insoweit jedoch wegen fehlender Überzeugung von der Rechtswidrigkeit der Aufhebung keine rechtlichen Schritte ergreifen will, sich an einer Klage gegen die ihm eigentlich unrechtmäßig erscheinende Zinsfestsetzung wegen des zu Unrecht erhaltenen Kindergelds jedoch ggf. gehindert sieht, weil die Kosten des Rechtsstreits aufgrund des Ansatz des Mindeststreitwertes außer Verhältnis zu dem festgesetzten Zinsbetrag stehen.
283. Nach alledem bemisst sich der Streitwert im Ausgangsverfahren 14 K 2910/14 daher nicht nach dem gesetzlichen Mindeststreitwert, sondern gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG nach dem (niedrigeren) Betrag der mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.03.2014 festgesetzten Hinterziehungszinsen. Dieser entspricht dem in dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.07.2015 zutreffend angesetzten Wert von 99 €. Auch im Übrigen ergeben die in dem angegriffenen Beschluss getroffenen Festsetzungen keinen Anlass zu rechtlichen Beanstandungen.
294. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, da das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum GKG) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich daher auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.
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