Urteil vom Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 K 127/05

Tenor

Abweichend von den geänderten Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheiden für 2000 vom ... September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Februar 2005 ist bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Gewinn aufgrund einer Ansparabschreibung gemäß § 7 g Abs. 3 EStG i. H. v. 300.000,00 DM zu vermindern,

abweichend von den geänderten Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheiden für 2001 vom ... September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Februar 2005 ist bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Gewinn in Höhe der aufgelösten Ansparabschreibung von 120.325,00 DM und der außerbilanziellen Hinzurechnung gemäß § 7 g Abs. 5 EStG um 4.200,15 DM zu erhöhen sowie um Sonderabschreibungen nach § 7 g Abs. 1, 2 EStG i. H. v. 19.104,00 DM zu mindern,

abweichend von den geänderten Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheiden für 2002 vom ... September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Februar 2005 ist bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Gewinn in Höhe der aufgelösten Ansparabschreibung von 91.866,37 € und der außerbilanziellen Hinzurechnung gemäß § 7 g Abs. 5 EStG um 3.487,00 € zu erhöhen sowie um Sonderabschreibungen nach § 7 g Abs. 1, 2 EStG i. H. v. 21.125,00 € zu vermindern.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträg 142.424,00 €.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Zulässigkeit der Bildung einer Ansparabschreibung (§ 7 g Abs. 3 EStG in der im Jahr 2000 geltenden Fassung) im Jahr 2000 und die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen (§ 7 g Abs. 2 EStG in der in den Jahren 2000 bis 2002 geltenden Fassung) streitig.

2

Der im Jahr 1937 geborene Kläger ist von Beruf Konditormeister. Die im Jahr 1944 geborene Klägerin übte in den Streitjahren den Beruf der Buchhalterin aus. Der Kläger betrieb in S. als Einzelunternehmer eine Bäckerei und Konditorei. Die Kläger erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung.

3

Der Kläger gab am ... Februar 2002 seine Gewerbesteuererklärung und die Kläger gaben am selben Tag ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 beim Beklagten ab. In der Anlage GSE erklärten sie aus dem Betrieb der Konditorei einen Gewinn i. H. v. 812.008,00 DM, den der Kläger nach §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 EStG ermittelt hatte. Im zugleich eingereichten Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000 wird in der Bilanz bei den Passiva ein Sonderposten mit Rücklageanteil i. H. v. 300.000,00 DM ausgewiesen. Im Anhang und Kontennachweis findet sich dazu die Erläuterung, dass in der angegebenen Höhe für künftige Investitionen ins bewegliche Anlagevermögen ein Sonderposten nach § 7 g (3) EStG gebildet worden sei.

4

Bei den Veranlagungsarbeiten wurde vom Beklagten auf dem Mantelbogen handschriftlich "Anspar-AfA wegen So-AfA Höhe Eink." notiert. Nach erklärungsgemäßer Veranlagung erging am ... Juli 2002 der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheid für 2000 vom ... Juli 2002. Der Bescheid wurde aufgrund eines Einspruches und eines Änderungsantrages aus anderen, hier nicht streitigen Gründen, am ... August 2002 und ... Oktober 2002 geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. In dem geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2000 vom ... August 2002 wurde ein Gewerbesteuermessbetrag von 37.900,00 DM (= 19.377,96 €) festgesetzt.

5

Am ... Februar 2003 gaben die Kläger die Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für 2001 beim Beklagten ab. In der Bilanz zum 31. Dezember 2001 ist der Sonderposten mit Rücklageanteil mit 179.675,00 DM ausgewiesen. Die Veränderung wurde mit einer Auflösung i. H. v. 120.325,00 DM im Zusammenhang mit durchgeführten und nicht mehr zu realisierenden Investitionen begründet. Eine Neubildung sei nicht vorgenommen worden. Aufgrund der erklärungsgemäßen Veranlagung erging am ... Mai 2003 der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheid für 2001 und der Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2001 (Gewerbesteuermessbetrag: 25.585,05 €).

6

Am ... Januar 2004 reichten die Kläger ihre Steuererklärungen für das Jahr 2002 ein. Im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2002 befindet sich auf Seite 52 eine tabellarische Aufstellung der Entwicklung und Auflösung der Ansparrücklage nach § 7 g EStG. In der Bilanz ist ein Sonderposten mit Rücklageanteil i. H. v. 64.823,00 € ausgewiesen. Dazu wird im Hauptbericht ausgeführt, dass eine Auflösung i. H. v. 91.866,00 € im Zusammenhang mit durchgeführten bzw. nicht realisierten Investitionen und eine Neubildung i. H. v. 64.823,00 € erfolgt sei. Die Einkommensteuer- und die Gewerbesteuererklärung wurden erklärungsgemäß veranlagt und es erfolgten mit den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden vom ... Februar 2004 die entsprechenden Festsetzungen.

7

Aufgrund der Prüfungsanordnung vom ... März 2004 führte der Beklagte vom ... April bis ... Mai 2004 für den Prüfungszeitraum 1999 - 2002 u. a. für die Einkommen- und Gewerbesteuer bei den Klägern eine Außenprüfung durch.

8

Mit seinem Schreiben vom ... März 2004 forderte der Prüfer zum Prüfungsbeginn u. a. Folgendes an:

9

"9) In den Bilanzen der Jahre 1999, 2000 und 2001 wurden Rücklagen nach § 7 g EStG ausgewiesen. Gegenüber dem Finanzamt wurde die Zusammensetzung erstmals mit dem Jahresabschluss 2002 dargestellt. Legen Sie bitte Buchführungsunterlagen der Jahre 2000 und 2001 vor, aus denen sich die Rücklagenbildung für die beabsichtigten Investitionen ergibt (Art, Zeitpunkt, Kosten)."

10

Zum Prüfungsbeginn wurde dem Prüfer ein Investitionsplan 2001 und 2002 für die Bäckerei ... über eine Gesamtsumme von 600.000,00 DM und verteilt auf 25 Einzelpositionen vorgelegt, der handschriftlich vom Kläger unter dem Datum "12.12.00" unterschrieben ist.

11

In der Prüfungsanmerkung 2.01 zum Prüfungsbericht vom ... Juni 2004 stellte der Prüfer fest, dass zum 31. Dezember 2000 und 31. Dezember 2001 nicht die Voraussetzungen für die Bildung einer Ansparabschreibung gemäß § 7 g (3) EStG vorgelegen hätten. Die Rücklagen seien in einer Summe eingebucht worden. Bei der Einbuchung sei keine Zuordnung zu einem entsprechenden Buchungsbeleg (z. B. mittels Belegnummer) vorgenommen worden, so dass zum Buchungszeitpunkt keine vorliegende Dokumentation zweifelsfrei der Rücklagenbuchung zuzuordnen gewesen wäre. Mangels geeigneter Erkennungsmerkmale könne der in Kopie vorgelegte Investitionsplan der Buchung nicht eindeutig zugeordnet werden.

12

Er sei somit nicht Bestandteil der Buchführung. Als Folge werde der Gewinn im Jahr 2000 um 300.000,00 DM erhöht und in den Jahren 2001 um 120.325,00 DM und im Jahr 2002 um 91.866,37 € vermindert. Die außerbilanziellen Hinzurechnungen für nicht durchgeführte Investitionen (§ 7 g Abs. 5 EStG) wurden im Jahr 2001 um 4.200,15 DM und im Jahr 2002 um 3.487,00 € gemindert.

13

In der Prüfungsanmerkung 1.01 versagte der Prüfer Sonderabschreibungen auf Anlagevermögen nach § 7 g (2) EStG in den Jahren 2001 und 2002, da die entsprechenden Rückstellungen in der Steuerbilanz nicht anerkannt worden seien.

14

Demnach wurden im Jahr 2001 19.104,00 DM und im Jahr 2002 21.125,00 € gewinnerhöhend berücksichtigt.

15

Die vorgenannten Prüfungsfeststellungen wurden in den nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerbescheiden vom ... September 2004 berücksichtigt.

16

Dagegen legten die Kläger am ... und ... September 2004 Einsprüche ein. Zur Begründung legten sie eine Primanota zu den Bilanzumbuchungen im Dezember 2000 vor. Daraus geht die Buchung der Ansparrücklage i. H. v. 300.000,00 DM zum 31. Dezember 2000 hervor (Bl. 6 Einspruchsakte). Aus dem daneben vorgelegten, nicht unterschriebenen Investitionsplan 2001 und 2002 gehen die handschriftlich ergänzten Konten 2341/0948 und der Zusatz "geb. per 31.12.00" hervor.

17

Die Einsprüche wies der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom ... Februar 2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf die Prüfungsanmerkung 2.01 und führte aus, dass weder der Steuererklärung noch der Bilanz konkrete Angaben zu der geplanten Investition zu entnehmen seien. Derartige Angaben seien auch im Rahmen der Betriebsprüfung nicht aus der Buchführung zu entnehmen gewesen.

18

Die Kläger haben am Montag, dem ... März 2005 Klage erhoben.

19

Zur Begründung tragen die Kläger vor, dass zu den Buchführungsunterlagen auch der Investitionsplan und der aus dem Investitionsplan abgeleitete Buchungsbeleg gehörten. Der Investitionsplan sei als Beleg zu den Buchungsunterlagen für die Sammelbuchung der Rücklage genommen worden. Die Bezeichnung der Wirtschaftsgüter und das Investitionsjahr seien im Investitionsplan angegeben. Die getrennte Einbuchung jedes einzelnen Wirtschaftsgutes sei nach § 7 g Abs. 3 Nr. 3 EStG nicht erforderlich, wenn der Zweck der Verfolgbarkeit durch den Beleg gewährleistet werde. Der Beleg sei nicht nachträglich im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung erstellt worden. Er sei nach der Erstellung des Jahresabschlusses 2000 in die Buchführung gegeben worden. Das Wiederauffinden des Belegs sei durch die systematische Ablage der Berechnungsunterlagen sichergestellt. Es sei in der Praxis unüblich, Berechnungsunterlagen von Rückstellungen Belegnummern zu geben.

20

Wenn nach der Gesetzesbegründung keine Investitionspläne zum Nachweis der Investitionsabsicht vorgelegt werden müssten, folge daraus im Umkehrschluss, dass ihre Vorlage zum Nachweis der einzelnen Investitionen genügen müsse. Dem Prüfer sei unbewusst der unkontierte Investitionsplan übergeben worden. Erst mit dem Prüfungsbericht hätten sie festgestellt, dass der Prüfer den unkontierten Investitionsplan nicht als Beleg anerkannt habe. Die Urteile des BFH vom 29. November 2007 (IV R 82/05, BStBl II 2008, 471) und vom 11. Oktober 2007 (X R 1/06, BStBl II 2008, 119) bestätigten ihre Rechtsauffassung.

21

Die Kläger beantragen,

22

die Änderungsbescheide zur Einkommensteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2000, 2001 und 2002 vom ... September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Februar 2005 aufzuheben

23

und

24

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

25

Der Beklagte beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Zur Begründung führt der Beklagte im Wesentlichen aus, dass jede Rücklage in der Buchführung von der Bildung bis zur Auflösung verfolgbar sein müsse. Dem nachgereichten Buchungsbeleg komme keine Beweiskraft zu. Die Belege seien willkürlich austauschbar.

28

Es spreche viel dafür, dass der Beleg nachträglich erstellt worden sei, da ihm die Unterschrift des Steuerpflichtigen und das Datum der Zeichnung fehlten. Die Voraussetzungen nach dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 2001 (BStBl II 2002, 385) seien nicht erfüllt. Der Kläger habe in den Erläuterungen zum Jahresabschluss nicht seinen Willen kundgetan, Ansparrücklagen für konkrete Wirtschaftsgüter zu bilden. Die investitionsbezogenen Angaben könnten nicht buchmäßig verfolgt werden. Nach den formellen Buchführungsgrundsätzen müsse der einzelne Geschäftsvorfall von der Bilanz bis zum zugehörigen Beleg und umgekehrt nachvollziehbar sein. Die Buchführung müsse von einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen nachvollzogen werden können. Es wäre erforderlich gewesen, für alle anzuschaffenden Wirtschaftsgüter reale Kontenblätter oder ein Sammelkontenblatt mit Einzelangaben zu jedem Wirtschaftsgut zu erstellen. Das BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 (XI R 52/04) befasse sich mit einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und sei nicht auf den Streitfall übertragbar. § 7 g Abs. 3 Nr. 3 EStG sei unmittelbar anwendbar und nicht auslegungsbedürftig. Nach den Ausführungen des BFH im Urteil vom 11. Oktober 2007 sei die vom Kläger gebuchte Sammelrücklage, die nicht gleichartige Wirtschaftsgüter betroffen habe, nicht zulässig.

29

Der Senat hatte mit dem Beschluss vom 07. August 2006 im Hinblick auf die Revisionsverfahren VIII R 41/05 (später: IV R 82/05) und X R 1/06 eine Verfahrensruhe angeordnet. Das Ende der Verfahrensruhe wurde den Beteiligten mit dem gerichtlichen Schreiben vom 05. Januar 2009 mitgeteilt.

30

Dem Gericht lagen je ein Band Sonderakten Rechtsbehelfsvorgänge, Dauerbeleg-Akten, Bilanz-, Gewinn- und Verlustrechnungsakte, Gewerbesteuerakten, Einkommensteuerakten, Betriebsprüfungshandakte und die Verfahrensakte 1 K 544/05 vor.

Entscheidungsgründe

31

Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die Bildung einer Ansparrücklage gemäß § 7 g Abs. 3 EStG i. H. v. 300.000,00 DM für den Veranlagungszeitraum 2000 versagt, den Gewinn in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 in Höhe der Auflösungen von 120.325,00 DM und 91.866,37 € gemindert, die außerbilanziellen Hinzurechnungen gemäß § 7 g Abs. 5 EStG in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 um 4.200,15 DM bzw. 3.487,00 € gemindert und durch Versagung von Sonderabschreibungen nach § 7 g Abs. 2 EStG den Gewinn im Veranlagungszeitraum 2001 um 19.104,00 DM und im Veranlagungszeitraum 2002 um 21.125,00 € erhöht.

32

Die angefochtenen Bescheide verletzen die Kläger in ihren bzw. hinsichtlich der Gewerbesteuermessbeträge den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

33

Gemäß § 7 g Abs. 3 bis 5 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die, wie der Kläger, den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Diese Ansparrücklage darf 50 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsgutes nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres anschaffen oder herstellen wird. Die am Bilanzstichtag insgesamt gebildeten Rücklagen dürfen je Betrieb des Steuerpflichtigen den Betrag von 300.000,00 DM nicht übersteigen (§ 7 g Abs. 3 Satz 5 EStG). Spätestens am Ende des zweiten auf die Bildung folgenden Wirtschaftsjahres ist eine Ansparrücklage gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7 g Abs. 4 EStG). Soweit die Auflösung nicht aufgrund der Vornahme der begünstigten Investition erfolgt, ist im Jahr der Auflösung eine Gewinnerhöhung vorzunehmen (§ 7 g Abs. 5 EStG). Diese beträgt 6 v. H. des aufgelösten Rücklagebetrages für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat.

34

Aus der gesetzlichen Regelung des für den Fall des Unterbleibens der Investition angeordneten Gewinnzuschlages folgt, dass die Investition, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde, nicht durch eine andere Investition ersetzt werden kann (BFH-Urteil vom 29. November 2007 IV R 82/05, BStBl II 2008, 471, 474 m. w. N.). Normzweck und Verzinsungsregel verlangen, dass die voraussichtliche Investition bei Bildung jeder einzelnen Rücklage/Ansparabschreibung so genau bezeichnet wird, dass im vorgesehenen Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde (BFH-Urteil BStBl II 2008, 471, 475). Dazu sind hinreichend präzise Angaben zur Funktion und den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des betreffenden Wirtschaftsgutes erforderlich. Sammelbezeichnungen und Oberbegriffe reichen hierfür grundsätzlich nicht aus (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 X R 1/06, BStBl II 2008, 119, 121 m. w. N.). Aus der gesetzlichen Regelung folgt des Weiteren, dass grundsätzlich für jedes Wirtschaftsgut, das voraussichtlich angeschafft oder hergestellt werden soll, eine gesonderte Rücklage zu bilden ist. Dementsprechend sind bei mehreren künftigen Investitionen die einzelnen Rücklagen in der Buchführung prinzipiell getrennt zu behandeln. Sammelbuchungen für mehrere Wirtschaftsgüter sind daher - wie sich insbesondere auch aus § 7 g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG ergibt oder wie Schmidt/Kulosa schreibt: "Sammelbuchungen für mehrere Wirtschaftsgüter sind damit bei formaler Betrachtung ausgeschlossen." (Schmidt/Kulosa, EStG, 28. Aufl., § 7 g Rdnr. 65) - in aller Regel ausgeschlossen.

35

Der BFH hat für den Fall, dass die Anschaffung mehrerer vollkommen gleichartiger Wirtschaftsgüter geplant ist, entschieden, dass ausnahmsweise eine Sammelbuchung dann für genügend erachtet werden kann, wenn die Summe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht über den für einen einzelnen Bilanzstichtag in § 7 g Abs. 3 Satz 5 EStG statuierten Höchstbetrag der begünstigten Investition hinausgeht (BFH-Urteil BStBl II 2008, 119, 121).

36

§ 7 g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG verlangt lediglich, dass die Bildung ebenso wie die Auflösung einer Ansparrücklage in der Buchführung verfolgt werden kann. Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §§ 5, 4 Abs. 1 EStG ermitteln, reicht es aus, wenn die für die Anerkennung einer Ansparrücklage nach § 7 g EStG erforderlichen Angaben sich in der Buchführung befinden; dass sie im Jahresabschluss gemacht werden, ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 - XI R 52/04, BStBl II 2006, 462).

37

Solange gewährleistet ist, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition mit derjenigen korrespondiert, für deren Finanzierung die Ansparrücklage gebildet worden ist, ist es nicht erforderlich, dass sich im Fall einer Rücklagenbildung für mehrere Investitionsvorhaben aus der beim Finanzamt eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung und etwaigen weiteren Unterlagen unmittelbar ergibt, zu welchen Teilbeträgen sich ein Ausgabensammelposten "Ansparrücklage" auf die einzelnen benannten Investitionsgüter verteilt. Hierzu genügt es, wenn die notwendigen Angaben zur Funktion des Wirtschaftsgutes und zu den voraussichtlich Anschaffungs- oder Herstellungskosten - und im Fall eines Gesamtpostens die entsprechenden Aufschlüsselungen - in einer zeitnah erstellten Aufzeichnung festgehalten werden, die in den steuerlichen Unterlagen des Steuerpflichtigen aufbewahrt wird und die der Steuerbehörde auf Verlangen jeder Zeit zur Verfügung gestellt werden kann (BFH-Urteil BStBl II 2006, 462).

38

Die Finanzverwaltung - ohne Differenzierung zwischen den Gewinnermittlungsarten - hat mit dem BMF-Schreiben vom 30. Oktober 2007 (BStBl I 2007, 790) das BMF-Schreiben vom 25. Februar 2004 (BStBl I 2004, 337) um folgende Randnummer 15 a ergänzt:

39

"Es ist nicht zu beanstanden, wenn anstelle einer getrennten Buchung der Einzelrücklagen eine zusammenfassende Sammelbuchung erfolgt. In diesem Fall sind die notwendigen Angaben zu den in Anspruch genommenen Ansparabschreibungen in zeitnah erstellten Aufzeichnungen zu dokumentieren und in den steuerlichen Unterlagen aufzubewahren, so dass sie auf Verlangen des Finanzamtes jederzeit zur Verfügung gestellt werden können.".

40

Diese Änderung des BMF-Schreibens vom 25. Februar 2004 gilt in allen noch offenen Fällen (Tz. 5.).

41

Ausgehend von diesen Grundsätzen genügen die vom Kläger auf Anforderung des Prüfers vorgelegten Aufzeichnungen der gesetzlichen Regelung in § 7 g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG. Die Aufzeichnungen enthalten die notwendigen Angaben zu den anzuschaffenden Wirtschaftsgütern (Pkw Mercedes, Gefrierkombination, Stehleuchte, 2 Besucherstühle, 2 Kaffeeautomaten, Laptop, Faxgerät, 10 Sessel, Reonanlage (Teiganlage), Pkw, 4 Transporter, Rustika Backanlage, 3 Backwagen zu je 2.500,00 DM, Glasspülautomat, 2 Sonnenschirme je 3.500,00 DM, Saftpresse, Kühltisch, Entsteiner, Bestuhlung), die dafür vorgesehenen jeweiligen Anschaffungskosten, das vorgesehene Investitionsjahr, das Jahr der Rücklagenbildung, die Höhe der einzelnen Rücklagen und die Gesamtrücklage. Die vorgelegte Aufzeichnung befand sich in den steuerlichen Unterlagen des Klägers. Anhand dieser Aufzeichnung lässt sich die Bildung der Rücklage in der Buchführung des Klägers verfolgen. Für eine Nachvollziehbarkeit der Rücklagenbildung aus der Buchführung reicht es aus, wenn die Rücklage im Rahmen der Erstellung der jeweiligen Hauptabschlussübersicht eingestellt wird. Hierzu wird auf die im Einspruchsverfahren vorgelegte Primanota vom ... September 2004 verwiesen. Der als Buchungsbeleg dienende Investitionsplan wurde, wie die Kläger im Schreiben vom ... Juni 2005 glaubhaft dargelegt haben, zu den steuerlichen Unterlagen des Klägers genommen. Die erforderlichen Angaben waren bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2000 zur Überzeugung des Senats vorhanden.

42

Anhaltspunkte dafür, dass der Investitionsplan - wie es der Beklagte im Schreiben vom ... April 2005 behauptet hat - nachträglich erstellt worden ist, liegen nicht vor. Die handschriftlichen Ergänzungen berühren nicht den Inhalt des Investitionsplans und sind gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung werden durch den vom Kläger als Eigenbeleg vorgelegten Investitionsplan nicht deshalb verletzt, weil der zunächst dem Prüfer vorgelegte Beleg keinen Buchungssatz enthielt.

43

Eine ordnungsgemäße Buchführung muss so beschaffen sein, dass der Betriebsprüfer innerhalb angemessener Zeit einen Überblick erlangen kann (§ 145 Abs. 1 AO; BFH-Beschluss vom 09. März 1994 - X B 68/93, BFH/NV 1994, 760). Das war hier offensichtlich der Fall, da der Investitionsplan zum Prüfungsbeginn vorgelegt worden ist. Formelle Mängel führen nur dann zum Verlust der Beweiskraft, wenn die Nachprüfung innerhalb angemessener Zeit nicht gewährleistet ist. Das sachliche Ergebnis hat Vorrang vor der Form (vgl. Falterbaum/ Beckmann/Bolk, Buchführung und Bilanz, 17. Aufl., Seite 56 unter 1.4.6). Es stand dem Beklagten frei, im Rahmen der Veranlagung den Kläger zum Nachweis der vorgesehenen Investitionen aufzufordern, zumal aufgrund des handschriftlichen Vermerks auf dem Mantelboden des Veranlagungszeitraums 2000 die Problematik "Anspar-AfA" dem/der Veranlagungssachbearbeiter/-in aufgefallen war.

44

Durch den in den steuerlichen Unterlagen befindlichen Investitionsplan ist der Kläger dem Erfordernis der Verfolgbarkeit der Rücklage i. S. v. § 7 g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG in ausreichendem Maße nachgekommen. Für die Verfolgbarkeit in der Buchführung reicht es aus, wenn für die anzuschaffenden Wirtschaftsgüter eine Sammelbuchung erfolgt und sich die für die Anerkennung der Ansparrücklage erforderlichen Angaben in der Buchführung befinden. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts (Urteil vom 30. November 2006 5 K 208/06, EFG 2007, 1588) und des Finanzgerichts Bremen (Urteil vom 18. Mai 2006 - 1 K 174/05, EFG 2006, 1241) an.

45

Die für die Bildung einer Rücklage unter § 7 g Abs. 3 Satz 3 Nr. 1, 2 und 4 EStG genannten Voraussetzungen sind - unstreitig - erfüllt.

46

Da die Ansparrücklage nach § 7 g EStG im Jahr 2000 zu Recht gebildet worden ist, sind die Gewinnminderungen, die der Beklagte in den Jahren 2001 und 2002 i. H. v. 120.325,00 DM und 91.866,37 € vorgenommen hat ebenso wie die Minderungen der außerbilanziellen Hinzurechnung (§ 7 g Abs. 5 EStG) von 4.200,15 DM (2001) und 3.487,00 € (2002) rückgängig zu machen. Die in der Prüfungsanmerkung 1.01 nicht anerkannten Sonderabschreibungen sind, da zu Recht eine Rücklage nach § 7 g Abs. 3 bis 7 EStG gebildet worden ist (§ 7 g Abs. 2 Nr. 3 EStG), anzuerkennen, d. h. im Jahr 2001 19.104,00 DM und im Jahr 2002 21.125,00 €.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

48

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i. V. m. der entsprechenden Anwendung von §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

49

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Entscheidung weicht möglicherweise von dem Rechtssatz des BFH im Urteil vom 11. Oktober 2007 (X R 1/06, BStBl II 2008, 119) ab, dass "Sammelbuchungen für mehrere Wirtschaftsgüter ... in aller Regel ausgeschlossen" sind. Andererseits ergeht die Entscheidung in Übereinstimmung mit dem BMF-Schreiben vom 30. Oktober 2007 zum Tz. 15 a (BStBl I 2007, 790).

50

Den Streitwert hat der Senat nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) bestimmt.

51

Wegen der Schwierigkeit der in dem Verfahren zu entscheidenden Tat- und Rechtsfragen hat das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig erklärt (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

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