Urteil vom Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 K 367/07

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert beträgt 1.000,00 €.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Besteuerung eines als Wohnmobil zugelassenen Kraftfahrzeugs streitig.

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Der Kläger ist seit dem 22. Juli 2004 Halter eines Fahrzeugs der Marke VW vom Typ 70 x OB und dem amtlichen Kennzeichen MST-…. Das Fahrzeug war zunächst als „PKW KOMBI GESCHLOSSEN“ zugelassen. Am 02. September 2005 begutachtete der TÜV Hanse die durch den Einbau eines Küchenblocks erfolgte Gattungsänderung zum Wohnmobil. Daraufhin wurde im Fahrzeugbrief die Fahrzeug- und Aufbauart in „SO. KFZ Wohnmobil“ geändert. Das Fahrzeug verfügte über einen Dieselmotor mit 1.896 ccm Hubraum. Die Zahl der Sitzplätze einschließlich Führerplatz und Notsitz ist mit 7 im Fahrzeugbrief eingetragen. Das zulässige Gesamtgewicht ist mit 2.810 kg, die Höchstgeschwindigkeit mit 132 km/h und die Höhe mit 1.900 cm angegeben. Der Kleinbus ist rundum verglast.

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Mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 04. Oktober 2005 besteuerte der Beklagte das Fahrzeug ab 06. September 2005 als sonstiges Fahrzeug i. S. v. § 8 Nr. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) und setzte eine jährliche Steuer i. H. v. 172,00 € fest. Mit dem Bescheid vom 03. April 2007 änderte der Beklagte den Kraftfahrzeugsteuerbescheid. Das streitige Fahrzeug wurde bis zum 31. Dezember 2005 unverändert als sonstiges Fahrzeug und ab dem 01. Januar 2006 als Personenkraftwagen besteuert. Das führte für den Zeitraum vom 06. September 2005 bis 31. Dezember 2005 zu einer Festsetzung von 55,00 €, für die Zeit vom 01. Januar 2006 bis 05. September 2006 zu einer Festsetzung von 353,00 € und ab 06. September 2006 wurden jährlich 519,00 € festgesetzt. Aufgrund der Einstufung in die Emissionsklasse 0414 schadstoffarm E 2 betrug der Steuersatz ab 01. Januar 2006 nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KraftStG 27,35 € je angefangene 100 ccm.

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Dagegen legte der Kläger am 27. April 2007 Einspruch ein. Der Einspruch wurde nicht begründet. Mit der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2007 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

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Der Kläger hat am 27. August 2007 Klage erhoben.

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Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass das Fahrzeug unstreitig an der Kochgelegenheit und der Spüle keine Stehhöhe von mindestens 170 cm aufgewiesen habe. Aufgrund der rückwirkenden Besteuerung auf den 01. Januar 2006 habe er keine Möglichkeit gehabt, sich darauf vorzubereiten, dass sein Fahrzeug für die Zukunft zwar den Anforderungen der Klasse M entspräche, nicht jedoch den Anforderungen des § 2 Abs. 2 b KraftStG. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass sein Fahrzeug rückwirkend aufgrund einer offensichtlich willkürlich festgelegten Stehhöhe als unechtes Wohnmobil eingestuft werde und deshalb als Pkw zu besteuern sei. Es liege eine „echte Rückwirkung“ vor. Das Fahrzeug sei am 17. Oktober 2007 veräußert worden.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer vom 03. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2007 aufzuheben,

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hilfsweise

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das Fahrzeug ab 01. Januar 2006 als Wohnmobil zu besteuern

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und

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die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, dass die steuerrechtlichen Kriterien für die Einstufung als Wohnmobil nicht erfüllt seien. Die Festsetzungsänderung aufgrund der gesetzlichen Neuregelungen sei zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgt. Der Kläger habe aufgrund der Vorbehaltsfestsetzung mit einer Änderung rechnen müssen.

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Der Senat hat mit dem Beschluss vom 16. April 2009 den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

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Dem Gericht liegt ein Band Kfz-Steuerakten vor.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Kraftfahrzeugsteuer zu Recht rückwirkend ab 01. Januar 2006 unter Berücksichtigung von 27,35 € je angefangene 100 ccm nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c (ab 01. Juli 2009: § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a cc) KraftStG festgesetzt. Der Kläger ist durch den geänderten Bescheid vom 03. April 2007 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

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Der Beklagte durfte den ursprünglichen Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 21. Februar 2001 insoweit nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG ändern, als sich in Folge der Änderung der Bemessungsgrundlage eine höhere Steuer ergab, da das streitige Fahrzeug ab dem 01. Januar 2006 als Personenkraftwagen i. S. v. § 8 Nr. 1 KraftStG zu besteuern ist.

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Die Bemessungsgrundlage für das klägerische Fahrzeug hat sich im Jahr 2005 geändert. Zwar war das Fahrzeug als Wohnmobil mit einem Gesamtgewicht von über 2,8 t zunächst zutreffend als „anderes Fahrzeug“ i. S. d. § 8 Nr. 2 KraftStG nach dem verkehrsrechtlich zugelassenen Gesamtgewicht besteuert worden. Dieser Besteuerung lag die Rechtsprechung des BFH zugrunde, wonach Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t nicht als Pkw i. S. d. KraftStG zu beurteilen waren (BFH-Urteil vom 01. Februar 1984 II R 144/81, BFHE 140, 474, BStBl II 1984, 461), sondern als andere Fahrzeuge i. S. d. § 8 Nr. 2 KraftStG. Demgegenüber wurden Wohnmobile, deren zulässiges Gesamtgewicht 2,8 t nicht überschritt und die nach Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt waren, mehrere Personen zu befördern, als Pkw beurteilt, weil die für Pkw typische Eignung zur Personenbeförderung durch die Möglichkeit des vorübergehenden Wohnens nicht verloren geht (BFH-Urteil vom 22. April 1983 II R 64/82, BFHE 138, 493, BStBl II 1983, 747, 749).

21

Mit der Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO durch die 27. Verordnung vom 02. November 2004 (BGBl. I 2004, 2712) ist die bis dahin nur für Kombinationskraftwagen bestehende Sonderregelung ersatzlos entfallen. Deshalb kann die frühere Rechtsprechung des BFH, Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t ohne Rücksicht auf Typ und Erscheinungsbild des Fahrzeugs nicht als Pkw zu besteuern, keine Geltung mehr beanspruchen (vgl. BFH-Urteil vom 09. April 2008 II R 62/07, BStBl II 2008, 691 und BFH-Beschlüsse vom 07. November 2006 VII B 79/06, BFH/NV 2007, 778 und 03. April 2008 II B 22/08, BFH/NV 2008, 1364).

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Der Beklagte hat das klägerische Fahrzeug zu Recht als Pkw i. S. v. § 8 Nr. 1 KraftStG eingestuft.

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Pkw sind solche Kfz, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als 9 Personen (einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt sind (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 Personenbeförderungsgesetz). Diese Definition ist maßgebend für die Einordnung eines Kfz als Pkw (BFH-Urteile vom 01. Oktober 2008 II R 63/07, BStBl II 2009, 20 und vom 09. April 2008 II R 62/07, BStBl II 2008, 691, 692, m. w. N.). Nach Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO gilt auch für Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t der von der Rechtsprechung des BFH entwickelte Grundsatz, dass anhand von Bauart und Einrichtung des Kfz zu beurteilen ist, ob ein Pkw oder ein Lkw vorliegt.

24

Bei der Beurteilung der Gesamtheit aller Merkmale, nach denen eine Bewertung der objektiven Beschaffenheit des streitigen Fahrzeugs vorzunehmen ist, kommt es z. B. auf die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers an (vgl. BFH-Urteil vom 01. August 2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72). Dabei kann kein Merkmal von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs als von vornherein allein entscheidend angesehen werden, mag auch einzelnen Merkmalen ein besonderes Gewicht zukommen und eine Zuordnung als Pkw oder Lkw nahe legen (BFH-Urteil vom 05. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489).

25

Unter Beachtung dieser Grundsätze handelt es sich bei dem streitigen Fahrzeug um einen Pkw. Bauart und Einrichtung dieses Serienfahrzeugs, die erreichbare Höchstgeschwindigkeit, die Beförderung von nicht mehr als 7 Personen und die Rundumverglasung sprechen für ein Fahrzeug zur Personenbeförderung. Zweck eines Wohnmobils ist es, Personen nicht nur zu befördern, sondern ihnen auch das (vorübergehende) Wohnen im Fahrzeug und damit eine besondere Art des Reisens zu ermöglichen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1983 II R 64, 82, BStBl II 1983, 747, 749). Die insoweit auf die Personen- und nicht auf die Lastenbeförderung ausgerichtete Bauart und Einrichtung des streitigen Fahrzeugs ist vom Kläger nicht bestritten worden.

26

Eine rückwirkende Änderung zum 01. Mai 2005 schied aus, weil nach der insoweit nachträglich verabschiedeten günstigeren Regelung durch das 3. Gesetz zur Änderung der KraftSt vom 21. Dezember 2006 die Besteuerung der Wohnmobile für den Zeitraum bis 31. Dezember 2005 noch nach altem Recht erfolgt (vgl. § 18 Abs. 5 KraftStG).

27

Eine Besteuerung nach dem durch das 3. Gesetz zur Änderung des KraftStG für Wohnmobile neu eingeführten günstigeren Steuersatzes gemäß § 2 Abs. 2 b, § 9 Abs. 1 Nr. 2 a KraftStG a. F. kommt nicht in Betracht. Unstreitig weist das klägerische Fahrzeug nach den Angaben des Klägers im Wohnteil keine Stehhöhe sowohl an der Kochgelegenheit als auch an der Spüle von mindestens 1,70 m aus. Die aus dem Fahrzeugschein ersichtliche verkehrsrechtliche Einstufung des Fahrzeugs war für den Beklagten nicht verbindlich (vgl. BFH-Urteile vom 29. April 1997, VII R 1/97, BFHE 183, 272, BStBl II 1997, 627 und vom 09. April 2008, II R 62/07, BStBl II 2008, 691).

28

Der angefochtene Änderungsbescheid verstößt nicht gegen die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes.

29

Nach der Rechtsprechung des BFH verhindert der einer Steuerfestsetzung beigefügte Vorbehalt der Nachprüfung in aller Regel das Entstehen eines für die Bindung nach Treu und Glauben notwendigen Vertrauenstatbestandes (vgl. BFH-Beschluss vom 14. August 1997 – III B 58/97, BFH/NV 1998, 83; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 164 Rdnr. 22). Da seitens des Beklagten weder eine bindende Zusage noch ein zusageähnliches Verhalten festgestellt werden kann, liegt keine Ausnahme vom Regelfall vor.

30

Der Kläger konnte als Halter eines von den Zulassungsbehörden als Wohnmobil eingestuften Fahrzeugs mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t über den 01. Mai 2005 hinaus in keinem Fall mit der steuerrechtlichen Behandlung seines Fahrzeugs als Lkw rechnen. Es lag kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage vor. Denn nach der rechtlichen Lage in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der nachteiligen Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, musste mit einer entsprechenden Neuregelung gerechnet werden. Nach der Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO durch die 27. Verordnung vom 02. November 2004 (BGBl. I 2004, 2712) war die Grundlage dafür entfallen, diese Bestimmung zur Ausfüllung der für diese Fahrzeuge bestehenden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Gesetzeslücke heranzuziehen. Die steuerlichen Folgen der Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO für die im Gesetz genannten Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t war seit der Verkündung der 27. Verordnung zur Änderung der StVZO im November 2004 allgemein bekannt. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens des 3. KraftStÄndG geäußerte und für die Beschlussfassung dieses Gesetzes nicht maßgebliche Rechtsauffassungen begründen keine hinreichende Vertrauensgrundlage in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage (BFH-Urteile vom 24. Februar 2010, II R 40/09, BFH/NV 2010, 1662 und II R 44/09, BFH/NV 2010, 1204, m. w. N.).

31

Indem der Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 b KraftStG u. a. im Wohnteil eine Stehhöhe von mindestens 170 cm an der Kochgelegenheit und der Spüle vorgeschrieben hat, hat er nicht willkürlich gehandelt. Willkür ist im objektiven Sinne zu verstehen als eine Maßnahme, welche im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist (vgl. von Münch/Kunig, GG, Band 1, 4. Aufl., Art. 3 Rdnr. 11). Das ist bei § 2 Abs. 2 b KraftStG nicht der Fall. Die unterschiedliche kraftfahrzeugsteuerrechtliche Behandlung „echter“ und „unechter“ Wohnmobile ist ebenso wie die steuerliche Behandlung von Pkw und Lkw sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber wollte durch die Vorschrift die dort genannten „echten“ Wohnmobile von kleineren, sogenannten „unechten“ Wohnmobilen abgrenzen. Dies beruht auf der Erwägung, dass Fahrzeuge, die etwa auf den Fahrzeugkonzepten von Kleinbussen, Geländewagen oder Mehrzweck- und Kombinationskraftfahrzeugen basieren, regelmäßig nur einzelne Beschaffenheitskriterien eines Wohnmobils erfüllen, weshalb sie der Besteuerung als Pkw unterworfen werden sollten, soweit sie nicht die in § 2 Abs. 2 b KraftStG genannten Tatbestandsmerkmale erfüllen (vgl. BFH-Beschluss vom 07. Juli 2010 – II S 32/09, BFH/NV 2010, 2120; Strodthoff, KraftStG, § 2 Rdnr. 7 e). Die Ähnlichkeit der „echten“ Wohnmobile mit anderen Fahrzeugen i. S. v. § 8 Nr. 2 KraftStG, insbesondere im Hinblick auf Aufbau, Größe, technische Dimensionierung, Motorisierung, Fahrgestell, Lenkbarkeit und Beherrschbarkeit sowie die Beförderung von Gütern (Einrichtungsgegenstände, Hausrat, Vorräte, Gepäck) rechtfertigt der Besteuerung auf der Grundlage des zulässigen Gesamtgewichts. Das klägerische Fahrzeug hat diese Merkmale eines „echten“ Wohnmobils ebenso wenig erfüllt, wie die, die an die Einstufung als Lkw gefordert werden.

32

Aufgrund der konzeptionellen Unterschiede bei „echten“ und „unechten“ Wohnmobilen scheidet eine gleichheitswidrige Besteuerung beider Gruppen aus (vgl. BFH-Beschluss BFH/NV 2010, 2120, 2121).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Die Revision war nicht zuzulassen. Insbesondere liegt kein Fall grundsätzlicher Bedeutung vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

35

Den Streitwert hat das Gericht nach § 52 Abs. 1, 4 Gerichtskostengesetz (GKG) bestimmt.

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