Urteil vom Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 K 134/10

Tenor

Abweichend von dem Bescheid für 2004 über Umsatzsteuer vom 07. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2010 sind die „Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 16 %“ nur mit ……,.. € zu bemessen; die Umsatzsteuer für 2004 ist entsprechend herabzusetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 72 % und der Beklagte zu 28 %.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin jedoch durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf ……,.. € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über Umsatzsteuer.

2

Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft, bestehend aus den Eheleuten E. Sie erwarben im Jahre 2001 ein mit einem denkmalgeschütztem Gebäude bebautes Grundstück in X. Das Hauptgebäude wurde von ihnen in den folgenden Jahren restauriert und mit einem Cafe im Erdgeschoss und einer Wohnung im Dachgeschoss ausgebaut. Ein Nebengebäude wurde teilweise für Zwecke des Cafes (Aufenthaltsraum, Lager und Kühlung), teilweise als Nebenraum für die Wohnung im Dachgeschoss des Hauptgebäudes hergerichtet.

3

Mit Schreiben vom 21. Juli 2003 teilte ihre steuerliche Beraterin dem Beklagten mit, dass in dem Gebäude eine gastronomische Einrichtung mit einer Einliegerwohnung für deren Pächter entstehe. Mit der Verpachtung der den gewerblichen Zwecken des Pächters dienenden Räume würden steuerpflichtige Umsätze anfallen. Die Fläche der gewerblichen Räume wurde in diesem Schreiben mit 78,78 qm im Haupt- und 41,11 qm im Nebengebäude angegeben.

4

Ab dem 01. Dezember 2004 vermieteten die Eheleute E die im Erdgeschoss des Hauptgebäudes befindlichen Gaststättenräume, die dazugehörigen Räume im Nebengebäude und die Gartenanlagen des Grundstücks zum Betrieb eines Cafes an ihren Sohn. § 4 Ziffer 1 des Mietvertrages sieht vor, dass die Miete nach dem zu versteuernden Gewinn berechnet wird und davon 10 % zuzüglich der zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer beträgt. Die Miete wird in monatlichen Abschlagszahlungen entrichtet und beträgt 75 % der Vorjahresmiete. Zusammen mit der Jahressteuererklärung wird die Miete berechnet und es erfolgt der Ausgleich innerhalb von drei Monaten nach Abgabe der Steuererklärung beim zuständigen Finanzamt. Im ersten Jahr der Vermietung – Jahr 2005 – wird die Miete auf monatlich ……,.. € zuzüglich Mehrwertsteuer geschätzt, der Ausgleich erfolgt mit der zum Jahr 2005 erstellten Steuererklärung entsprechend. Der letzte Satz ist unter dem 11. Februar 2005 dahingehend geändert worden, dass das Wort „Miete“ gestrichen und durch das Wort „Mindestmiete“ ersetzt worden ist (Bl. 34 der Betriebsprüfungsakten). Gemäß § 4 Ziffer 2 des Mietvertrages trägt der Mieter sämtliche Betriebskosten im Sinne der Anlage 3 zu § 27 der Berechnungsverordnung. In einer Zusatzvereinbarung zu dem Mietvertrag vereinbarten die Eheleute E mit ihrem Sohn, dass sie ihm die „Einrichtungsgegenstände gemäß Inventarliste“ zur Nutzung zur Verfügung stellen. Das Entgelt für die Nutzung sei Teil der Miete der Geschäftsräume (Bl. 43 der Betriebsprüfungsakte).

5

Mit ihren Umsatzsteuererklärungen für 2002 bis 2004 machte die Klägerin Vorsteuerbeträge für die Rekonstruktion der Gebäude, soweit diese auf die gewerblichen Räume entfielen, geltend. Ihre Umsätze aus sonstigen Leistungen zum allgemeinen Steuersatz gab sie für diese Jahre jeweils mit …,..  € an. Erstmals mit Umsatzsteuererklärung für 2005 wurden von ihr sonstige Leistungen zum allgemeinen Steuersatz i. H. v. ………,.. € erklärt.

6

Der Beklagte führte 2005 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin durch. In ihrem Bericht vom 17. Mai 2005 vertrat seine Prüferin die Ansicht, dass im Streitfall die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes -UStG- anzuwenden sei, weil die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG die vereinbarte Miete übersteige und letztere auch nicht marktüblich sei. Eine Miete von ……,.. € entspreche bei einer Nutzfläche von ca. 120 qm – die Terrasse und Außenanlagen noch nicht berücksichtigt – einem Betrag von .,.. €/qm. Dieser Betrag sei für einen Gewerberaum außergewöhnlich niedrig und betrage nicht einmal 50 % der Miete, die für Wohnungen üblich sei. Zudem werde im Streitfall auch die Einrichtung mit vermietet, ohne dass hierfür ein entsprechender Ansatz bei der Miete erfolgt sei. Die Prüferin ermittelte die nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG zu berücksichtigenden Ausgaben für das Cafe und dem ihm zugehörigen Teil des Nebengebäudes mit …………,.. € und für das Inventar mit …………,.. €. Erstere verteilte sie auf zehn, letztere auf fünf Jahre und ermittelte auf diese Weise eine Mindestbemessungsgrundlage von …………,.. € pro Jahr bzw. abgerundet ………,.. € pro Monat (Bl. 78, 79 der Betriebsprüfungsakte).

7

Der Beklagte folgte den Feststellungen seines Prüfers. Mit nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung -AO- geändertem Bescheid vom 07. Juli 2008 setzte er die Umsatzsteuer für 2004 auf -………,.. € fest und berücksichtigte dabei steuerpflichtige Umsätze zum allgemeinen Steuersatz („Lieferungen und sonstige Leistungen zu 16 %“) i. H. v. ……,.. €. Den hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21. April 2010 als unbegründet zurück.

8

Mit ihrer hiergegen form- und fristgerecht erhobenen Klage wendet die Klägerin sich allein gegen den Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage. Sie vertritt die Ansicht, dass § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG im Streitfall nicht anzuwenden sei. Der Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage setzte nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom                  07. Oktober 2010 (V R 4/10, BFH/NV 2011, 930) voraus, dass die Gefahr einer Steuerhinterziehung oder -umgehung bestehe. Dies habe der Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Außerdem beruft sie sich auf Art. 80 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Hiernach könnten die Mitgliedstaaten Maßnahmen nur zur Vorbeugung von Steuerhinterziehung oder -umgehung ergreifen. Nach Art. 80 Abs. 1 Buchstabe a) der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie sei der Normalwert nur anzusetzen, wenn der Dienstleistungsempfänger nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sei. Der Sohn sei allerdings zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt, weil er nur umsatzsteuerpflichtige Erlöse erziele. Die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 Buchstaben b) und c) der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie lägen im Streitfall ebenfalls nicht vor.

9

Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. August 2011 unter Hinweis auf die ihm von der Gemeinde X mitgeteilten Vergleichsmieten vorgetragen hat, dass die marktübliche Miete für das streitbefangene Cafe der von ihm berücksichtigten Mindestbemessungsgrundlage (…..,.. €) zumindest entspreche, bestreitet die Klägerin dies. Unter Berücksichtigung der vom Beklagten für das Vergleichsobjekt 2 mitgeteilten Pacht (……,.. €), das nach ihren Ermittlungen über 98 Plätze verfüge, ergebe sich eine Pacht von ..,.. € je Sitzplatz. Dieser Betrag sei wegen des Standortnachteils des von ihr – der Klägerin – verpachteten Cafes um 20 % zu mindern. Der so ermittelte Preis belaufe sich auf ..,.. €/Sitzplatz. Das von ihr verpachtete Cafe habe 68 Plätze. Die Mindestbemessungsgrundlage belaufe sich daher auf ….,.. €.

10

Der Klageschrift vom 29. April 2010 lässt sich als Antrag der Klägerin sinngemäß entnehmen,
abweichend von dem Bescheid für 2004 über Umsatzsteuer vom 07. Juli 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2010 die „Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 16 %“ nur mit …,.. € zu bemessen
sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

11

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

12

Er hält an der von ihm schon im Verwaltungsverfahren vertreten Ansicht fest, dass im Streitfall die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG anzuwenden sei. Die marktübliche Miete entspreche zumindest der von ihm berücksichtigten Mindestbemessungsgrundlage. Hierzu beruft er sich auf ihm von der Gemeinde mitgeteilte Mieten für sieben Vergleichsobjekte, die er mit Schriftsatz vom 18. August 2011 anonymisiert vorgetragen hat (Bl. 53, 54 der Gerichtsakte). Soweit die Klägerin eine marktübliche Miete für das von ihr vermietete Cafe allein aus der für das Objekt 2 mitgeteilten Miete herzuleiten sucht, weist er darauf hin, dass diese noch auf einem Vertrag aus dem Jahre 1997 beruhe. Eine Berechnung der marktüblichen Miete nach den eingerichteten Sitzplätzen sei eher willkürlich. Üblicherweise würden die Vermieter den Mietpreisen die Gebäude- und Freiflächen zu Grunde legen.

13

Dem Berichterstatter lagen je ein Band Umsatzsteuer- und Betriebsprüfungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten aus den Verfahren 2 V 81/08 und 2 K 267/08 vor.

Entscheidungsgründe

14

Über die Klage entscheidet der Berichterstatter anstelle des Senats nach §§ 79a Abs. 3 und 4, 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten sich mit einer solcher Entscheidung mit Schriftsätzen vom 18. und 21. Dezember 2012 wiederholt einverstanden erklärt haben.

15

I.) Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

16

Der angefochtene Bescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit der Beklagte den Umsatz aus der Vermietung des Cafes an den Sohn der Klägerin im Dezember 2004 mit einem die marktübliche Miete übersteigenden Betrag bemessen hat, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

17

1.) Die streitbefangene Vermietung der im Erdgeschoss des Hauptgebäudes befindlichen Gaststättenräume, der dazugehörigen Räume im Nebengebäude und der Gartenanlagen zum Betrieb eines Cafes an den Sohn der Eheleute E ist eine nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare sonstige Leistung, die von der Klägerin nach § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt worden ist. Das greift die Klägerin nicht an und ist dem Grunde nach auch nicht zu beanstanden, weil dieser Umsatz für einen anderen Unternehmer – den Sohn – für dessen Unternehmen ausgeführt worden ist.

18

2.) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) grundsätzlich nach dem Entgelt bemessen, § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen, die nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Gemeinschaften an ihre Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahe stehenden Personen ausführen, jedoch der sogenannten Mindestbemessungsgrundlage, wenn – wie im Streitfall – die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt. Die Beklagte hat die Mindestbemessungsgrundlage mit …..,.. € (für den Monat 2004) ermittelt. Die dahingehenden Feststellungen seiner Prüferin hat die Klägerin nicht angegriffen, so dass auch das Gericht keinen Anlass sieht, diesen Betrag in Zweifel zu ziehen.

19

3.) Gleichwohl ist der Beklagte nicht berechtigt gewesen, die streitbefangene Leistung mit der Mindestbemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Dieser Umsatz war nur nach der marktüblichen Miete zu bemessen.

20

a.) Unionsrechtlich hat es sich bei § 10 Abs. 5 UStG im Streitjahr noch um eine Sondermaßnahme nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG gehandelt. Auf diese Bestimmung gestützte Sondermaßnahmen zur Verhütung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union -EuGH- eng auszulegen und dürfen von der in Art. 11 der Richtlinie 77/388/EWG geregelten Besteuerungsgrundalge nur insoweit abweichen, als dies für die Erreichung des Ziels, der Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung entgegen zu wirken, unbedingt erforderlich ist Eine derartige Gefahr besteht nicht, wenn sich aus objektiven Umständen ergibt, dass der Steuerpflichtige korrekt gehandelt hat. Eine Regelung, nach der bei einem Umsatz zwischen nahestehenden Personen die entstandenen Kosten die Besteuerungsgrundlage auch dann bilden, wenn das vereinbarte Entgelt dem marktüblichen Entgelt entspricht, aber offensichtlich niedriger ist als diese Kosten, beschränkt sich nicht auf die Einführung der Maßnahmen, die unbedingt erforderlich sind, um die Gefahr einer Steuerhinterziehung oder -umgehung zu verhüten und ist demnach durch Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG nicht gedeckt (vgl. EuGH-Urteil vom 29. Mai 1997, C-63/96, BStBl II 1997, 841; Bundesfinanzhof -BFH- Urteil vom 07. Oktober 2010, V R 4/10, BFH/NV 2011, 930). Dies ist im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung bei der Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 07. Oktober 2010, V R 4/10, BFH/NV 2011, 930).

21

Das hat zur Folge, dass der Umsatz nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG zumindest auch dann nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen ist, wenn der Unternehmer für die Leistung an die nahestehende Person zwar ein niedrigeres als das marktübliche Entgelt vereinbart hat, seine Leistung aber nach dem marktüblichen Entgelt versteuert (vgl. BFH-Urteil vom 07. Oktober 2010, V R 4/10, BFH/NV 2011, 930). Das gilt selbst dann, wenn der Unternehmer nach Abgabe der Steuererklärung beantragt hat, nach einem niedrigeren als dem marktüblichen Entgelt besteuert zu werden (vgl. BFH-Urteil vom 07. Oktober 2010, V R 4/10, BFH/NV 2011, 930). Das muss aber auch dann gelten, wenn erst nach einer Außenprüfung festgestellt wird, dass das tatsächlich entrichtete (vereinbarte) Entgelt nicht dem marküblichen Entgelt entspricht (so im Ergebnis wohl auch Finanzgericht -FG- Münster, Gerichtsbescheid vom 05. August 2013, 5 K 3191/10 U, veröffentlicht in juris). Denn der Zweck der auf Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG gestützten Ausnahmevorschrift, eine Steuerhinterziehung oder -umgehung zu verhüten (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 29. Mai 1997, C 63/96, BStBl II 1997, 841) wird auch dann erreicht, wenn der Umsatz nach einer Außenprüfung nach dem marktüblichen Entgelt bemessen wird.

22

b.) Gemessen an diesen Voraussetzungen war der streitbefangene Umsatz abweichend von § 10 Abs. 5 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 4 UStG nicht nach der Mindestbemessungsgrundlage, sondern nach der marküblichen Miete zu bemessen.

23

aa.) Das Gericht vermag nicht festzustellen, dass diese – wie vom Beklagten geltend gemacht – der Mindestbemessungsgrundlage entspricht, sondern geht davon aus, dass sich die marktübliche Miete für die streitbefangenen Räume und Außenanlagen im Dezember 2004 lediglich auf rund …..,.. € belaufen hat. Hierbei hat sich das Gericht von nachfolgenden Überlegungen leiten lassen:

24

(1.) Die Klägerin hat vorgetragen, dass das von dem Beklagten benannte Vergleichsobjekt 2 (Cafe, Gastraum 64 qm zzgl. Küche und Lager, Terrasse 100 qm, Nettokaltmiete ab 01. April 1997 …..,.. DM) – abgesehen von seiner Lage – dem streitbefangenen Cafe vergleichbar ist. Hierzu hat sie einen Prospekt dieses Cafes vorgelegt (Bl. 75 der Gerichtsakte) und anhand einer Karte des Ortes X nachvollziehbar dargelegt, dass das zum Vergleich herangezogene Cafe – anders als das von ihr vermietete – im verkehrsberuhigten Bereich des Ortes im Bereich der Besucherströme liegt; der Standortnachteil sei mit einem Abschlag von 20 % zu berücksichtigen. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29. November 2011 erklärt, dass dieses Vergleichsobjekt nach den Verkehrsflächen gegebenenfalls als Vergleichsobjekt in Betracht gezogen werden könne. Er hat jedoch darauf hingewiesen, dass sich die Miete zum 01. April 1997 auf ……,.. DM belief. Das Gericht folgt der Einschätzung der Klägerin, dass der Standortnachteil zu berücksichtigen ist. Andererseits ist es sachgerecht, einen Anstieg des Mietniveaus um jährlich rund 3 % zu berücksichtigen. Ausgehend von einem Ausgangswert von …..,...  € (dies entspricht rund 80 % von …..,...  DM) zum 01. April 1997 ergibt sich bei einer Steigerung des Mietniveaus um jährlich rund 3 % ein Betrag in Höhe von rund ……,.. € zum 01. April 2004 und in Höhe von rund ……,… € zum 01. Dezember 2004, also dem Beginn des hier streitbefangenen Mietverhältnisses. Das Gericht hält es des Weiteren für sachgerecht, diesen Betrag auf ……,… € aufzurunden, weil die Klägerin dem Sohn der Eheleute E auch die in der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag erwähnten Einrichtungsgegenstände zur Nutzung zur Verfügung gestellt hat. Der gegen die Berücksichtigung des Inventars von der Klägerin erhobene Einwand, dieses sei an den Pächter verkauft worden, greift für das Streitjahr nicht durch. Denn nach der von der Klägerin hierzu vorgelegten Vereinbarung mit dem Sohn der Eheleute E ist das Inventar erst im Jahre 2006 an diesen verkauft worden.

25

(2.) Eine marktübliche Miete von rund ……,.. € lässt sich näherungsweise auch aus dem vom Beklagten herangezogenen Vergleichsobjekt 7 (Schank- und Speisewirtschaft, Gastraum 85 qm, Terrasse 54 qm, zuzüglich Küche, Lager und Stellplätzen, Nettokaltmiete ab 01. Mai 2011 ……,..   €) herleiten, wenn man berücksichtigt, dass dieses Objekt einen größeren Gastraum hat, als das von der Klägerin vermietete Cafe. Bei diesem beläuft sich die Fläche aller Räumlichkeiten im Hauptgebäude – also des Gastraumes einschließlich der Küche – auf 78,78 qm. Bei einer geschätzten Küchengröße von rund 15 qm beläuft sich die Fläche des Gastraumes im Cafe der Klägerin auf rund 75 % der Fläche des Gastraumes im Vergleichsobjekt. Hieraus errechnet sich eine Vergleichsmiete von rund  …...,..  € zum 01. Mai 2011 und – wiederum unter Berücksichtigung eines Anstieges des Mietniveaus um jeweils 3 % jährlich – ein Betrag in Höhe von rund …..,.. € zum 01. Mai 2004 bzw. rund …..,.. € zum 01. Dezember 2004. Da das Gericht mangels näherer Angaben des Beklagten insoweit nicht ausschließen kann, dass auch das Vergleichsobjekt 7 einen Standortvorteil gegenüber dem von den Klägern vermieteten Cafe ausweist, der durch das mit überlassene Inventar nicht vollends ausgeglichen wird, die Klägerin einen solchen andererseits aber auch nicht geltend macht, hält es das Gericht auch hiernach für sachgerecht, die marktübliche Miete für das streitbefangene Cafe zum 01. Dezember 2004 mit rund …..,.. € anzunehmen.

26

(3.) Das vom Beklagten benannte Vergleichsobjekt 1 (Cafe, Gastraum 85 qm, Terrasse 100 qm, Nettokaltmiete ab 01. Mai 2003  ……,..  €) ist – entgegen der der von der Klägerin vertretenen Ansicht – indes nicht geeignet, um die marktübliche Miete zu bestimmen. Denn die für dieses Cafe zwischen einem Vater und seinem Sohn vereinbarte Miete bleibt bei weitem hinter der Miete für das vom Beklagten benannte kleinere Vergleichsobjekt 2 (Cafe, Gastraum 64 qm zzgl. Küche und Lager, Terrasse 100 qm, Nettokaltmiete ab 01. April 1997 …..,..  DM) zurück, obwohl es auch nach den von der Klägerin hierzu mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2011 vorgelegten Unterlagen nach seiner Lage mit diesem vergleichbar ist. Das legt die Annahme nahe, dass die für das Objekt 1 benannte Miete durch familiäre Beziehungen mitbestimmt und nicht marktüblich ist.

27

bb.) Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Gericht abgesehen, weil sich die markübliche Miete für das streitbefangene Cafe mit …..,.. € aus den vom Beklagten mitgeteilten Vergleichsmieten sachgerecht herleiten lässt. Die Beteiligten haben die Einholung eines solchen Gutachtens auch nicht beantragt. Davon abgesehen stünden die mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens verbundenen Kosten in keinem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Auswirkungen dieses Rechtstreites. Nach den von den Beteiligten gestellten Anträgen steht eine Bemessungsgrundlage i. H. v. …….,.. € (…...,.. € -  ….,..  €) in Streit; die                       steuerlichen Auswirkungen des Rechtstreits belaufen sich für das Streitjahr also lediglich auf ….,.. € (16 %) und würden durch die Kosten für ein Sachverständigengutachten um ein mehrfaches übertroffen.

28

4.) Der Ansicht der Klägerin, der Umsatz sei nur nach der vereinbarten Miete (.….,.. €)          zu bemessen, vermag das erkennende Gericht für das Streitjahr 2004 noch nicht zu folgen.

29

a.) Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 80 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) – (nur) in den dort unter Buchstaben a) bis c.) genannten Fällen Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung oder -umgehung treffen können, um sicherzustellen, dass die Steuerbemessungsgrundlage für Lieferungen oder Leistungen an Empfänger, zu denen familiäre oder andere enge persönliche Bindungen nach der Definition des Mitgliedstaates bestehen, der Normalwert ist. Art. 80 Abs. 1 MwStSystRL ist aber im Streitjahr (2004) noch nicht anwendbar gewesen. Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ist erst am 01. Januar 2007 in Kraft getreten, vgl. § 413 MwStSystRL. Eine vergleichbare Regelung hat die Richtlinie 77/388/EWG in ihrer für das Streitjahr (2004) noch maßgeblichen Fassung nicht enthalten. Art. 11 Teil A Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG, mit der die den Mitgliedstaaten zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung und -umgehung erlaubten Maßnahmen auf die dort unter den Buchstaben a), b) und c) aufgezählten Fälle in einer Art. 80 Abs. 1 MwStSystRL vergleichbaren Weise beschränkt worden sind, ist erst mit der Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 in die Richtlinie 77/388/EWG aufgenommen worden.

30

b.) § 10 Abs. 5 UStG wurde jedoch auf der Grundlage von Art. § 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in das Umsatzsteuergesetz eingeführt. Nach Maßgabe dieses Artikels konnte der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern. Eine Art. 80 Abs. 1 Buchstaben a) bis c) MwStSystRL oder des erst mit der Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 eingeführten Art. 11 Teil A Abs. 6 Buchstaben a) bis c) der Richtlinie 77/388/EWG vergleichbare Aufzählung der Fälle, in denen die Mitgliedstaaten entsprechende Maßnahmen ergreifen konnten, enthielt Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in ihrer für das Streitjahr maßgeblichen Fassung nicht.

31

Da Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zum Zwecke der Verhinderung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu Sondermaßnahmen ermächtig, es sich bei § 10 Abs. 5 UStG also nur um eine verhütende Maßnahme handelt, die nur das Bestehen der Gefahr einer Steuerhinterziehung oder -umgehung voraussetzt, ist für die richtlinienkonforme Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG das tatsächliche Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder -umgehung im Einzelfall nicht erforderlich (vgl. auch FG Münster, Gerichtsbescheid vom 05. August 2013, 5 K 3191/10 U, veröffentlicht in juris). Eine bei richtlinienkonformer Anwendung von § 10 Abs. 5 UStG bestehende Gefahr einer Steuerumgehung besteht aber auch dann, wenn ein Grundstück nebst hergerichtetem Gebäude an einen nahen Angehörigen vermietet wird und die vereinbarte und tatsächlich gezahlte Miete – wie im Streitfall – hinter dem marktüblichen Entgelt zurückbleibt (so für die verbilligte Abgabe von Essen an Arbeitnehmer auch FG Münster, Gerichtsbescheid vom 05. August 2013, 5 K 3191/10 U, veröffentlicht in juris). Denn in einem solchen Fall stünde der Vermieterin zwar der Vorsteuerabzug aus den – hier für die Rekonstruktion der gewerblich vermieteten Räumlichkeiten bezogenen – Eingangsleistungen zu, ohne dass diesem Vorsteuerabzug markgerecht Umsatzerlöse und damit einhergehende marktübliche Umsatzsteuern gegenüber stünden. Das wird auch im Streitfall deutlich.

32

Die Klägerin hat in den Jahren 2002 bis 2004 Vorsteuerbeträge i. H. v. insgesamt

33

.........,.. € erklärt (….…,.. € für 2002 + .........,… € für 2003 + ……..,.. € für 2004). Dieser Vorteil würde unter Berücksichtigung einer marktunüblichen Miete von nur ……..,.. € monatlich bzw. ........,.. € jährlich erst nach rund 49 Jahren (.......,.. € / (…….,… € x .,..), also auch weit jenseits der Berichtigungszeiträume des § 15a Abs. 1 UStG, wieder ausgeglichen. Bei einer solchen Gestaltung besteht daher die Gefahr, dass der Klägerin die Vorteile aus dem Vorsteuerabzug zumindest für einen das marktübliche Maß bei Weitem übersteigenden Zeitraum verbleiben, ohne dass dem Sohn ihrer Teilhaber als deren Angehörigen (§15 Abs. 1 Nr. 5 AO) diesen Vorteil kompensierende Nachteile entstünden.

34

5.) Nach alledem sind die vom Beklagten nach der Mindestbemessungsgrundlage (……….,.. €) bemessenen „Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 16 %“ für das Streitjahr 2004 um ……,..  € zu mindern und nur noch mit ………,.. € zu berücksichtigen.

35

II.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Wegen der Schwierigkeit der in diesem Verfahren zu entscheidenden Rechtsfragen hat das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig erklärt.

36

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung -ZPO.

37

Das Gericht hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO (vgl. auch FG Münster, Gerichtsbescheid vom 05. August 2013, 5 K 3191/10 U, veröffentlicht in juris). .

38

Gemäß § 52 Abs. 4 des Gerichtskostengesetzes -GKG- in seiner bis zum 31. Juli 2013 geltenden und hier noch maßgeblichen Fassung (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG) war der Mindeststreitwert (……..,..  €) festzusetzen.

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