Urteil vom Finanzgericht Münster - 3 K 1895/18 F
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Streitig ist im Rahmen der Feststellung des Grundbesitzwertes, der Ausgangslohnsumme und der Anzahl der Beschäftigten für einen landwirtschaftlichen Betrieb für Zwecke der Erbschaftsteuer, ob das sog. Besatzkapital mit zu erfassen ist.
3Der Kläger ist Alleinerbe des am 15.04.2012 verstorbenen Erblassers. Für die zum Nachlass gehörige landwirtschaftliche Grundbesitzung X-Straße in C-Stadt forderte das für die Erbschaftbesteuerung zuständige Finanzamt B-Stadt beim Beklagten die Feststellung des Grundbesitzwertes an.
4Ausweislich des Pachtvertrages vom 12.05.1970 war die Grundbesitzung X-Straße seitens des Erblassers, handelnd durch die M-Zentralverwaltung E. S., an Herrn U. D. verpachtet, dessen Familie die Hofanlage bereits 1925 mit allen Gebäuden übernommen und auch das Sägewerk betrieben hatte. Zum Gebäudebestand gehörten seinerzeit das Wohnhaus mit anliegendem Stallgebäude, eine alte Getreidemühle sowie eine Scheune mit Sägewerk, das früher auch als Sägemühle bezeichnet wurde.
5Der Pachtvertrag vom 12.05.1970 umfasst diverse Flächen aus C-Stadt Flur A und D-Stadt Flur B mit einer Gesamtgröße von 5.76.62 ha. Das Pachtverhältnis läuft jeweils vom 11.11. eines Jahres bis zum 11.11. des Folgejahres und verlängert sich um ein weiteres Jahr, soweit es nicht mindestens sechs Monate vor Ablauf des Pachtjahres von einem der Vertragspartner gekündigt wird. Ausweislich der ersten Zusatzvereinbarung zu diesem Vertrag vom 04.09.1998 waren seit dem 01.07.1998 Flächen von insgesamt 5.90.87 ha verpachtet. Neben dem Pachtzins für diese Flächen war eine Mühlenpacht i. H. v. 1.000 DM jährlich ab 1999 am 5. Werktag eines jeden Jahres fällig. Vom Pachtverhältnis sind danach Flächen sowie Wohn- und Wirtschaftsgebäude umfasst.
6Zu den Einzelheiten wird auf den Pachtvertrag vom 12.05.1970 und die Zusatzvereinbarung vom 04.09.1998 sowie die dort nachgeheftete Flächendarstellung in den Verwaltungsvorgängen sowie auf Blatt 100 und 101 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Vertrag aus dem Jahr 1970 bezog sich nur auf die Pacht landwirtschaftlicher Flächen während die Zusatzvereinbarung von 1998 die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen mit denen der Gebäude verbindet. Die Mühlenpacht wird bereits seit den 1920er / 1930 er Jahren bezahlt und bezieht sich auf die Scheune mit dem Sägewerk.
7In der Feststellungserklärung vom 12.04.2013 war angegeben, dass der Betrieb im Ganzen verpachtet sei. Den Wert des hier nicht streitbefangenen Wohnteils stellte der Beklagte durch Bescheid vom 06.07.2016 zunächst auf 99.899 Euro und nach Einspruch durch Bescheid vom 06.10.2017 auf 84.914 Euro fest.
8Durch Bescheid vom 19.10.2016 stellte der Beklagte den Grundbesitzwert für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft X-Straße auf 134.460 Euro fest. Zur Ermittlung des Werts des Wirtschaftsteils ging er davon aus, dass es sich um eine Betriebsverpachtung im Ganzen handele. Zum Ansatz kam der Mindestwert gemäß § 164 Abs. 2 und Abs. 4 i. V. m. Anlage 14 des Bewertungsgesetzes (BewG) unter Einbeziehung des Besatzkapitals. Zu den Einzelheiten wird auf den Feststellungsbescheid in den Verwaltungsvorgängen Bezug genommen.
9Mit dem dagegen am 25.10.2016 erhobenen Einspruch machte der Kläger geltend, dass es sich nicht um einen im Ganzen verpachteten landwirtschaftlichen Betrieb handele, sondern um sog. unechte Stückländereien i. S. d. Erlasses vom 04.12.2014 (BStBl. I, 1577, unter II. 2. a). Darüber hinaus sei wegen der engen räumlichen Verbindung des Wohnteils mit dem Betrieb ein 15 %iger Abschlag gemäß § 167 Abs. 3 BewG vorzunehmen.
10Zur Berücksichtigung dieses Abschlags im Rahmen des zum Wohnteil erlassenen Bescheides vom 06.10.2017 erließ der Beklagte ebenfalls am 06.10.2017 einen geänderten Bescheid und stellte den Grundbesitzwert für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft X-Straße auf 119.475 Euro fest. Im Übrigen wies er den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 18.05.2018 als unbegründet zurück. Die Wertfeststellung müsse unter Berücksichtigung des Besatzkapitals erfolgen, da eine Betriebsverpachtung im Ganzen vorliege. Denn ausweislich der pachtvertraglichen Regelungen seien Wirtschaftsgebäude mitverpachtet und eine Stückländerei liege nicht vor, da zum Bewertungsstichtag die verbleibende Pachtzeit weniger als 15 Jahre betrage. Die Regelungen des Erlasses zu den sog. unechten Stückländereien seien erst für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2015 anzuwenden.
11Mit der Klage vom 19.06.2018 verfolgt der Kläger sein Begehren auf eine Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes X-Straße ohne Einbeziehung des Besatzkapitals weiter. Die zum Betrieb gehörenden stehenden und umlaufenden Betriebsmittel i. S. d. § 158 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BewG stünden im Eigentum des Pächters. An wesentlichen Wirtschaftsgütern i. S. d. § 162 Abs. 4 i. V. m. § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5 BewG seien vorliegend nur Grund und Boden sowie Wirtschaftsgebäude, nicht aber stehende Betriebsmittel oder immaterielle Wirtschaftsgüter verpachtet. Da somit nicht alle wesentlichen Wirtschaftsgüter, sprich der volle Besatz, verpachtet seien, handele es sich nicht um eine Betriebsverpachtung im Ganzen im bewertungsrechtlichen Sinne mit der Folge, dass das Besatzkapital nicht beim Verpächter – hier dem Erblasser/Erben – zu erfassen sei.
12Zur weiteren Begründung verweist der Kläger darauf, dass nach dem Gesetzeswortlaut die bewertungsrechtliche Berücksichtigung von Pachtverhältnissen durch die Anknüpfung an den Begriff der „selbst bewirtschafteten Flächen“ in §§ 163 Abs. 3 und 164 Abs. 4 BewG und die Definition der Stückländereien in § 160 Abs. 7 BewG geregelt sei. Den Begriff der Betriebsverpachtung im Ganzen kenne das Gesetz dagegen nicht. Deshalb sei in diesem Zusammenhang eine enge Auslegung geboten. Soweit die Finanzverwaltung in R B 158.1 Abs. 1 Satz 3 Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR) die Betriebsverpachtung im Ganzen als Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit auf andere Art und Weise und damit als Selbstbewirtschaftung fingiere, sei dies nur dann anzunehmen, wenn alle wesentlichen Wirtschaftsgüter i. S. d. § 162 Abs. 4 BewG verpachtet seien.
13Der Kläger beantragt,
14den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts, der Ausgangslohnsumme und der Anzahl der Beschäftigten auf den 15.04.2012 für Zwecke der Erbschaftsteuer für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft X-Straße in C-Stadt vom 06.10.2017 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18.05.2018 zu ändern und den Wert des Besatzkapitals mit 0 Euro zu berücksichtigen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Mit Bezug auf die Einspruchsentscheidung meint der Beklagte, die Einbeziehung des Besatzkapitals in die Bewertung sei weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
18Wirtschaftliche Einheit und Bewertungsgegenstand des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sei gemäß § 158 Abs. 2 Satz 1 BewG der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Dabei sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Annahme eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs weder eine Mindestgröße noch ein voller landwirtschaftlicher Besatz erforderlich. Beim Übergang von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen im Erbweg sei aus Sicht des bisherigen Eigentümers (Erblassers) zu beurteilen, welche Wirtschaftsgüter Bestandteil der übertragenen wirtschaftlichen Einheit sind. Das gelte unabhängig davon, ob es sich um einen selbst bewirtschafteten oder um einen im Ganzen verpachteten Betrieb handele. In die zu bewertende wirtschaftliche Einheit seien alle Wirtschaftsgüter einzubeziehen, die dem Verpächter als Eigentümer zuzurechnen sind. Im vorliegenden Fall seien Grund und Boden und Wirtschaftsgebäude die alleinigen wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebes. Diese seien aus Sicht des Verpächters, also des Erblassers, am Bewertungsstichtag anderen, nämlich dem Pächter, zur Nutzung überlassen gewesen. Damit seien sämtliche wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebes verpachtet gewesen. Darauf, dass weitere wesentliche Wirtschaftsgüter – etwa in Form von stehenden Betriebsmitteln – Eigentum des Pächters gewesen seien, komme es nicht an. Eine Stückländerei i. S. d. § 160 Abs. 7 BewG habe nicht vorgelegen, da die Pachtzeit am Bewertungsstichtag weniger als 15 Jahre betragen habe. Es sei auch deshalb nicht von einer Stückländerei auszugehen, da es sich bei dem verpachteten Betrieb um einen Gutshof – also Hof, die dazugehörigen Wirtschaftsgebäude sowie die umliegenden Flächen – handele, so dass es bereits begrifflich an der Überlassung einzelner Flächen fehle.
19Für die Bewertung der im vorliegenden Fall übergegangenen wirtschaftlichen Einheit „im Ganzen verpachteter land- und forstwirtschaftlicher Betrieb“ sei gemäß § 164 Abs. 4 BewG das Besatzkapital beim Verpächter zu berücksichtigen, da die Bewertung bei einer Betriebsverpachtung im Ganzen nach den gleichen Grundsätzen wie bei einer vollständigen Eigenbewirtschaftung erfolge. Im Übrigen sei bei Berücksichtigung der klägerseitigen Auffassung die tatsächlich hinsichtlich der Wirtschaftsgebäude eingetretene Bereicherung nicht zutreffend erfasst. Soweit die pauschalierte Bewertung nach § 164 Abs. 4 BewG nicht berücksichtige, dass ggfs. nicht ein voller Besatz mit wesentlichen Wirtschaftsgütern vorhanden sei, könne gemäß § 165 Abs. 3 BewG ein niedrigerer gemeiner Wert des Wirtschaftsteils nachgewiesen werden.
20Der Senat hat in der Sache am 06.10.2021 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift hingewiesen.
21Entscheidungsgründe
22Die Klage ist nicht begründet.
23Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat das sog. Besatzkapital zu Recht bei der Wertfeststellung für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft X-Straße in C-Stadt einbezogen.
24Für wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, die wie vorliegend im Erbfall übergehen, sind Grundbesitzwerte gemäß § 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellen und der Wert gemäß §§ 157 Abs. 2 i. V. m. 158 bis 175 BewG zu ermitteln.
25Wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (§ 158 Abs. 2 BewG). Land- und Forstwirtschaft ist die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen Erzeugnisse; zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auf Dauer zu dienen bestimmt sind (§ 158 Abs. 1 BewG). Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft besteht aus der Gesamtheit der Wirtschaftsgüter, die nach ihrer Zweckbestimmung einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dauerhaft zur planmäßigen und ständigen Bewirtschaftung dienen (vgl. Eisele in Rössler/Troll Bewertungsgesetz, Kommentar, Rz. 2 zu § 158). Zu diesen Wirtschaftsgütern gehören gemäß § 158 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 BewG insbesondere der Grund und Boden, die Wirtschaftsgebäude, die stehenden Betriebsmittel, der normale Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln, die immateriellen Wirtschaftsgüter, die Wohngebäude und der dazu gehörende Grund und Boden. Von diesen Wirtschaftsgütern definiert § 162 Abs. 4 Satz 1 BewG Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel und immaterielle Wirtschaftsgüter als wesentliche Wirtschaftsgüter.
26Der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft i. S. d. § 158 Abs. 2 BewG setzt dabei weder eine Mindestgröße noch einen vollen land- und forstwirtschaftlichen Besatz mit Wirtschaftsgebäuden, Betriebsmitteln u. s. w. voraus (vgl. BFH, Urteil vom 25.11.2020 II R 9/19, BStBl. II 2021, 491 mit weiteren Nachweisen). Mehrere Flächen werden ohne Rücksicht auf ihre räumliche Lage unter der Voraussetzung in eine wirtschaftliche Einheit einbezogen, dass sie zusammen bewirtschaftet werden und zwischen ihnen ein räumlicher Zusammenhang besteht (vgl. Eisele in Rössler/Troll Bewertungsgesetz, Kommentar, Rz. 4 zu § 158).
27Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen handelt es sich bei der Grundbesitzung X-Straße – unabhängig von dem Pachtverhältnis – um einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Die zugehörigen Flächen werden landwirtschaftlich genutzt und zusammen von der Hofstelle mit den zugehörigen Wirtschaftsgebäuden aus bewirtschaftet. Zwischen den bewirtschafteten Flächen besteht ausweislich des Kartenmaterials in den Verwaltungsvorgängen und in Blatt 100 und 101 der Gerichtsakte auch ein räumlicher Zusammenhang, da die Flächen entweder direkt aneinander grenzen, zumindest aber in räumlicher Nähe zur Hofstelle liegen.
28Ihre Qualität als landwirtschaftlicher Betrieb i. S. d. § 158 Abs. 2 Satz 1 BewG in der Hand des Erblassers / Erben verliert die Grundbesitzung X-Straße nicht dadurch, dass die Flächen sowie die Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit Vertrag vom 12.05.1970/04.09.1998 zusammen an Herrn U. D. verpachtet sind und die tatsächliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung durch den Pächter erfolgt. Denn ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft liegt auch in Fällen der Betriebsverpachtung in der Hand des Verpächters, hier des Erblassers / Erben, vor.
29Eine sog. Betriebsverpachtung im Ganzen ist gegeben, wenn die zum Bewertungsstichtag übergegangenen wesentlichen Wirtschaftsgüter i. S. d. § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5 BewG an andere zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind und keine Stückländerei vorliegt; auf die Dauer der Nutzungsüberlassung kommt es dabei nicht an (vgl. Eisele in Rössler/Troll Bewertungsgesetz, Kommentar, Rz. 6 zu § 158; Grootens in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2. Aufl. 2020, § 158 BewG Rz. 8). Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt eine Betriebsverpachtung im Ganzen auch dann vor, wenn neben dem Grund und Boden lediglich ein weiteres wesentliches Wirtschaftsgut aus dem Katalog des § 158 Abs. Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5 BewG an andere zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen ist und keine Stückländerei vorliegt (vgl. dazu gleichlautende Ländererlasse vom 08.11.2013 S 3014b-86-St 26-35 – für hiesigen Stichtag maßgeblich – unter I. 1. und III. sowie vom 04.12.2014 3-S 301.5/4 unter III. 1. a; zustimmend Grootens in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2. Aufl. 2020, § 158 BewG Rz. 8). Diese Sichtweise wird durch die Rechtsprechung des BFH gestützt (vgl. dazu Urteil vom 25.11.2020 II R 9/19, BStBl II 2021, 491 m. w. N.), wonach ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft weder eine Mindestgröße noch einen vollen Besatz mit Wirtschaftsgütern i. S. d. § 158 Abs. 3 BewG voraussetzt. Deshalb ist es für die Annahme einer Betriebsverpachtung im vorliegenden Fall unerheblich, dass neben dem Grund und Boden mit den Wirtschaftsgebäuden lediglich ein weiteres wesentliches Wirtschaftsgut i. S. d. § 158 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 und 5 BewG mit verpachtet ist.
30Der erkennende Senat hält es für zutreffend, in Fällen einer wie vorstehend definierten Betriebsverpachtung im Ganzen von einem bewertungsrechtlichen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in der Hand des Verpächters und damit hier in der Hand des Erblassers / Erben und Klägers auszugehen.
31Zwar hat der BFH im Urteil vom 25.11.2020 II R 9/19 (BFHE 272,100, BStBl. II 2021, 491 unter II. 4. c) dd)) offen gelassen, ob der Eigentümer eines nießbrauchsbelasteten Betriebs selbst einen bewertungsrechtlichen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innehat. Gleichwohl sieht er für die Bestimmung des Betriebsbegriffs die Öffnung zum Ertragsteuerrecht als gegeben an (BFH-Urteils vom 25.11.2020 II R 9/19, BStBl II 2021, 491 unter II. 5. b)). Der erkennende Senat sieht deshalb keinen Grund dafür, für die Beurteilung der Frage, ob der Betrieb des Verpächters bewertungsrechtlich ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb ist, nicht an ertragsteuerliche Grundsätze anzuknüpfen. Ertragsteuerlich liegt nicht nur in der Hand des „wirtschaftenden“ Pächters (oder sonstigen Nutzungsberechtigten) ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vor, sondern auch in der Hand des Verpächters ein solcher – „ruhender“ – Betrieb (s. dazu Kube in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 13 EStG, Rz. 33 m. w. N.), ohne dass die Verpachtung sämtliche wesentlichen Betriebsmittel umfassen müsste (vgl. BFH, Urteil vom 18.03.1999 IV R 65/98, BFHE 188, 310, BStBl. II 1999, 398)
32Im Übrigen handelt es sich auch nicht um eine Stückländerei.
33Stückländereien sind ebenfalls Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, die als gesonderte wirtschaftliche Einheiten zu bewerten sind, § 160 Abs. 7 BewG. Gemäß § 160 Abs. 7 Satz 2 BewG sind Stückländereien einzelne land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel oder beide Arten von Wirtschaftsgütern nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören, sondern am Bewertungsstichtag für mindestens 15 Jahre einem anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind.
34Unabhängig von der (kürzeren) Pachtdauer im Bewertungsstichtag liegen Stückländereien im hier zu entscheidenden Fall schon deshalb nicht vor, weil es sich nicht um einzelne Flächen handelt, sondern um die Verpachtung einer ganzen, voll funktionsfähigen Hofeinheit mit im Zusammenhang von dort aus bewirtschafteten Flächen. Auf die Frage, welche stichtagsbezogen unterschiedlichen – den erkennenden Senat im Übrigen nicht bindenden – Erlassregelungen (vgl. dazu gleichlautende Ländererlasse vom 08.11.2013 S 3014b-86-St 26-35 für Stichtage vor dem 01.01.2015 und vom 04.12.2014 3-S 301.5/4 für Stichtage nach dem 31.12.2014) die Finanzverwaltung für Stückländereien im Hinblick auf die Pachtdauer getroffen hat und welche hier anzuwenden gewesen wäre, kommt es daher vorliegend nicht an.
35Die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit „land- und forstwirtschaftlicher Betrieb“ X-Straße hat der Beklagte zutreffend mit dem Mindestwert gemäß § 164 Abs. 1 BewG (i. V. m. § 162 Abs. 1 Satz 4 BewG) unter Einbeziehung des Besatzkapitals gemäß § 164 Abs. 4 BewG vorgenommen. Gemäß § 164 Abs. 4 Satz 3 BewG erfolgt der Wertansatz für das Besatzkapital durch eine Multiplikation der selbst bewirtschafteten Flächen mit einem standardisierten Ansatz für das Besatzkapital gemäß Anlagen 14 bis 18 zum BewG, mit dem die Werte für die Wirtschaftsgüter i. S. d. § 158 Abs. 3 Nr. 2 bis 5 BewG abgegolten sind.
36Dabei hält der Senat den Ansatz der Finanzverwaltung, die Betriebsverpachtung im Ganzen als Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit auf andere Art und Weise (vgl. RB 158.1 Abs. 1 Satz 3 ErbStR) und damit als Selbstbewirtschaftung anzusehen, im Ergebnis für zutreffend (a. A. Stephany in Kreutziger/Schaffner/Stephany, Bewertungsgesetz, 5. Auflage 2021, Rz. 8 zu § 164 BewG, da der Wortlaut der Vorschrift insoweit eindeutig sei).
37Zum einen verändern weder Flächen noch andere Wirtschaftsgüter ihre Qualität als land- und forstwirtschaftliches Vermögen, solange sie keine andere Zweckbestimmung erhalten (vgl. BFH, Urteil vom 28.03.2012 II R 37/10, BFH/NV 2012, 1416 m. w. N. zu § 33 BewG (in der Sache deckungsgleich mit § 158 BewG); FG Düsseldorf, Urteil vom 12.05.2005 11 K 3773/04 BG, EFG 2005, 1164). Das trifft auch im vorliegenden Fall zu, da die durch den Erblasser / Erben verpachteten Flächen und Gebäude landwirtschaftlich genutzt werden.
38Zum anderen erzielt der Verpächter eines im Ganzen verpachteten Betriebs bei entsprechender Ausübung des Wahlrechts weiterhin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i. S. d. § 13 Einkommensteuergesetz (EStG), führt also weiter einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft und wird so behandelt, als würde er die verpachteten Flächen selbst bewirtschaften. An diese ertragsteuerliche Betrachtung bzw. Einordnung knüpft der Senat auch für die Auslegung des Begriffs „selbstbewirtschaftete Flächen“ in § 164 Abs. 4 Satz 3 BewG für Fälle einer Betriebsverpachtung im Ganzen an. Das ergibt sich als Konsequenz daraus, dass bereits bei der vorrangig zu klärenden Frage, ob in der Hand des Verpächters ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, an ertragsteuerliche Grundsätze angeknüpft wird.
39Soweit insoweit eine Doppelerfassung des Besatzkapitals gerügt wird (vgl. Stephany in Kreutziger/Schaffner/Stephany Bewertungsgesetz, 5. Auflage 2021, Rz. 8 zu § 164 BewG), folgt der Senat dem nicht. Die Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer erfolgt mit dem Ziel, die Bereicherung des Empfängers – hier des Klägers als Erbe – zum Bewertungsstichtag zutreffend zu erfassen. Da der Kläger vorliegend im Erbgang das Eigentum an den Wirtschaftsgebäuden erhalten hat, ist er insoweit bereichert, was sich in der Bewertung durch die Erfassung des Besatzkapitals widerspiegelt. Ob für den Fall der Übertragung des gepachteten Betriebes das angepachtete Besatzkapital zu erfassen ist, war vorliegend nicht zu entscheiden. Mit Blick auf das BFH-Urteil vom 25.11.2020 II R 9/19 unterliegt in einem derartigen Fall jedoch das Nutzungsrecht an den Pachtgegenständen und damit ein anderer Vermögensgegenstand der Besteuerung.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
41Die Revisionszulassung erfolgt zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) mit Blick auf die Frage des Betriebsbegriffs und der Bewertung in Fällen einer land- und forstwirtschaftlichen Betriebsverpachtung (im Ganzen).
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Referenzen
- FGO § 115 1x
- 11 K 3773/04 1x (nicht zugeordnet)
- BewG § 160 Betrieb der Land- und Forstwirtschaft 4x
- BewG § 33 Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens 1x
- BewG § 165 Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Fortführungswert 1x
- 2012 II R 37/10 1x (nicht zugeordnet)
- BewG § 158 Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens 14x
- BewG § 163 Ermittlung der Wirtschaftswerte 1x
- BewG § 157 Feststellung von Grundbesitzwerten, von Anteilswerten und von Betriebsvermögenswerten 1x
- BewG § 162 Bewertung des Wirtschaftsteils 3x
- BewG § 164 Mindestwert 9x
- FGO § 135 1x
- 2020 II R 9/19 5x (nicht zugeordnet)
- BewG § 151 Gesonderte Feststellungen 1x
- 1999 IV R 65/98 1x (nicht zugeordnet)