Beschluss vom Finanzgericht Münster - 2 V 1478/21 F
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
1Zu entscheiden ist über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hinsichtlich eines Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 18 Abs. 1 bis 3 Außensteuergesetz in der Fassung des Jahres 2016 (AStG) für das Feststellungsjahr 2016 (Feststellungsbescheid).
2Die Antragsteller zu 1. und 3. sowie der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2., Herr HX, waren Gesellschafter der in Hongkong ansässigen J Ltd. (J), an deren Vermögen sie jeweils zu 1/3 beteiligt waren. Herr HX , der seinen Wohnsitz in I hatte, ist am xx.xx.2021 verstorben; ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wurde nicht gestellt.
3Ausweislich einer in englischer Sprache vorliegenden Bilanz erzielte die J im Jahr 2016 einen Überschuss i.H.v. xxx HKD bzw. xxx €.
4Gegenstand des Unternehmens der J sind Agentur- und Handelsgeschäft diverser Art. Geschäftsführer der J waren der Antragsteller zu 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. Zu der Tätigkeit der J führte der Steuerberater der Antragsteller zu 1. und 3. und des Rechtsvorgängers der Antragsteller zu 2. mit Schreiben vom 27.08.2020 u.a. aus: der Geschäftsumfang der J sei nicht so sehr hoch, dass eine ständige Anwesenheit eines Geschäftsführers vor Ort erforderlich sei; das operative Geschäft werde von einem Angestellten als Sachbearbeiter geführt; das Agenturgeschäft umfasse im Wesentlichen die Qualitätskontrolle der J für die J GmbH (GmbH), der Umfang der Geschäftstätigkeit der J sei deutlich geringer als der der GmbH in Deutschland.
5Eine Besteuerung der Einkünfte der J in Hongkong erfolgt nicht.
6Die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. gaben für das Feststellungsjahr 2016 keine Steuererklärung ab.
7Am 09.02.2021 erließ der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern zu 1. und 3. und dem Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. den Feststellungsbescheid 2016. Hierin wurde, ausgehend von einer niedrigen Besteuerung der J gemäß § 8 Abs. 3 AStG im Schätzungswege ein Hinzurechnungsbetrag i.S.d. § 10 Abs. 1 AStG i.H.v. 750.000€ festgestellt und den Feststellungsbeteiligten jeweils zu 1/3 zugerechnet.
8Hiergegen legten die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. am 19.03.2021 Einspruch ein und beantragten AdV.
9Am 22.03.2021 lehnte der Antragsgegner die beantragte AdV ab.
10Am 18.03.2021 bzw. 19.03.2021 erließ das Finanzamt B u.a. gegenüber dem Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. bzw. den Antragstellern zu 1. und 3. geänderte Einkommensteuerbescheide 2016, mit denen der jeweils gesondert festgestellte Hinzurechnungsbetrag i.H.v. 250.000 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, berücksichtigt wurden. Nach Ablehnung der insoweit bei der Behörde beantragten AdV stellten u.a. die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. einen gerichtlichen AdV-Antrag, der durch Beschluss vom 29.10.2021, 13 V 1349/21, abgelehnt wurde.
11Am 04.06.2021 haben die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. hinsichtlich des Feststellungsbescheides bei Gericht AdV beantragt.
12Die Antragsteller sind im Wesentlichen der Auffassung, der Antragsgegner sei nicht zuständig für den Erlass des Feststellungsbescheides. Das Finanzamt B sei zuständig. Alle Antragsteller hätten ihren Wohnsitz in I. § 12 Nr. 3 der Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter (FA-ZVO) werde durch § 18 Abs. 2 AStG verdrängt. Landesrechtliche Regelungen dürfen nicht Bundesrecht widersprechen nach Art. 31 GG. Die Hinzurechnungsbesteuerung sei europarechtswidrig; sie verstoße in nicht zu rechtfertigender Weise gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Wenn sich alle erklärungsverpflichteten Gesellschafter im Inland befänden, könne allein die Tatsache, dass die Gesellschaft im Ausland ansässig sei, keine Beschränkung rechtfertigen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es für die Hinzurechnungsbesteuerung darauf ankomme, dass die ausländische Gesellschaft passiv und niedrig besteuert sei. Wenn diese wiederum nur im Ausland begründeten Tatbestandsmerkmale vorab geprüft würden, belege dies, dass es auf das Fehlen einer großen Auskunftsklausel für die Besteuerung dem Grunde nach nicht ankommen könne. Selbst wenn durch die Hinzurechnungsbesteuerung dem Grunde nach die Kapitalverkehrsfreiheit nicht verletzt wäre, sei die konkrete Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung selbst eine nicht akzeptable Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, weil diese konkreten Regelungen keine verhältnismäßigen Einschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit seien. Passive Gesellschaften würden gegenüber aktiven Gesellschaften benachteiligt. Die im Streitfall konkret verwirklichte passive Tätigkeit sei Ausfluss einer aktiven Tätigkeit. § 8 Abs. 2 AStG sei entsprechend anzuwenden. Die in § 8 Abs. 3 AStG definierte niedrige Besteuerung i.H.v. weniger als 25% sei im Vergleich zum Körperschaftsteuersatz des § 23 Abs. 1 KStG i.H.v. 15% schlicht nicht zu rechtfertigen.
13Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
14die Vollziehung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 18 Abs. 1 bis 3 AStG für das Feststellungsjahr 2016 vom 09.02.2021 bis einen Monat nach Abschluss des gegen diesen Bescheid geführten Einspruchsverfahrens ohne Anordnung einer Sicherheitsleistung auszusetzen;
15die Beschwerde zuzulassen.
16Der Antragsgegner beantragt,
17den Antrag abzulehnen.
18Der Antragsgegner ist im Wesentlichen der Auffassung, seine Zuständigkeit sei gegeben. Die Besteuerungsgrundlagen seien dem Grunde und der Höhe nach zutreffend geschätzt worden. J habe nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG passive Einkünfte erzielt. Es liege eine passive Tätigkeit der J vor. J werde niedrig besteuert. Die Hinzurechnungsbesteuerung sei europarechtskonform.
19Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die beigezogenen Akten in dem Verfahren 13 V 1349/21 Bezug genommen.
II.
20Der Antrag hat keinen Erfolg.
211. Die gemeinsame Verfahrensführung durch die Antragsteller ist im Wege der subjektiven Antragshäufung zulässig. Nach § 59 FGO i.V.m. § 59 Zivilprozessordnung (ZPO) können mehrere Personen gemeinschaftlich klagen, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind. Im Streitfall stehen die Antragsteller im Hinblick auf den Feststellungsbescheid zwar nicht in Rechtsgemeinschaft, sind allerdings aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund i.S.d. § 59 ZPO verpflichtet, da dieser Grund jeweils in dem Feststellungsbescheid 2016 liegt. Bei den Antragstellern zu 2. folgt dies daraus, dass sie Erben ihres Rechtsvorgängers sind, der von dem Feststellungsbescheid betroffen gewesen ist.
222. Das Aussetzungsverfahren ist nach dem Versterben des ursprünglichen Antragstellers zu 2., Herrn HX, nicht unterbrochen. Dieser ist durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten gewesen (vgl. § 155 FGO i.V.m. §§ 239, 246 Abs. 1 ZPO). Ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nach § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO ist nicht gestellt worden.
233. Auch die für jeden einzelnen Antragsteller voneinander unabhängig zu prüfenden Antragsvoraussetzungen (FG Münster, Beschluss vom 16.01.2012, 6 V 4218/11 E, juris) sind gegeben, insbesondere hat der Antragsgegner vor Anrufung des Gerichts einen behördlichen Antrag auf AdV am 22.03.2021 abgelehnt.
244. Der Antrag ist unbegründet. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides noch hat dessen Vollziehung für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.
25a. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag den Verwaltungsakt aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
26Ernstliche Zweifel i.S.d. § 69 Abs. 2 FGO liegen vor, wenn bei Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der notwendigen Abwägung im Einzelfall sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung, Bundesfinanzhof –BFH–, Beschluss vom 23.8.2007 VI B 42/07, juris). Die Aussetzung der Vollziehung setzt jedoch nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Gründe überwiegen. Vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso nicht auszuschließen ist wie der Misserfolg (BFH, Beschluss vom 23.8.2007 VI B 42/07, juris). Dagegen begründet eine vage Erfolgsaussicht noch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes (BFH, Beschluss vom 11.6.1968 VI B 94/67, juris). Im gerichtlichen Verfahren über einen Antrag auf AdV beschränkt sich der Prozessstoff wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Akten der Behörde oder andere präsente Beweismittel. Das Gericht muss den Sachverhalt in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht weiter aufklären (BFH, Beschluss vom 14.2.1989 IV B 33/88, juris).
27b. Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides 2016.
28aa. Der Antragsgegner ist für den Erlass des Bescheides zuständig gewesen.
29Gemäß § 16 AO richtet sich die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG). Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 FVG kann, soweit es sich um Aufgaben der Finanzverwaltung handelt und der Vollzug der Aufgaben verbessert oder erleichtert wird, die zuständige Landesregierung durch Rechtsverordnung einem Finanzamt oder einer besonderen Landesfinanzbehörde Zuständigkeiten für die Bezirke mehrerer Finanzämter übertragen. Nach dieser Norm können in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (BFH, Urteil vom 08.02.1995 J R 127/93, juris) durch Rechtsverordnung der Landesregierung Zuständigkeiten (Sonderaufgaben) einem Finanzamt für die Bezirke mehrerer Finanzämter übertragen werden. Von dieser Ermächtigung hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht und hat Zuständigkeitskonzentrationen nach § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG vorgenommen, nämlich mit der FA-ZVO. Gemäß § 1 FA-ZVO sind die in § 2 FA-ZVO bezeichneten Finanzämter jeweils in ihrem Bezirk für die von den Finanzämtern wahrzunehmenden Aufgaben der Steuerverwaltung und für die ihnen sonst übertragenen Aufgaben zuständig, soweit in den §§ 2 bis 19 nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 12 Nr. 3 FA-ZVO ist für die Durchführung der §§ 2, 4, 7 bis 14 und § 18 AStG abweichend von der Bezirksgliederung des § 2 FA-ZVO zuständig im Oberfinanzbezirk N das Finanzamt E für die Bezirke aller Finanzämter des Oberfinanzbezirks N.
30Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 12 Nr. 3 FA-ZVO i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG i.V.m. § 16 AO vor. Der Feststellungsbescheid betrifft die Durchführung der §§ 7 ff. AStG. Entgegen der Auffassung der Antragsteller verstößt § 12 Nr. 3 FA-ZVO nicht gegen Art. 31 GG. Diese Norm beruht auf der bundesrechtlichen Verordnungsermächtigungsgrundlage des § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG. Ein Widerspruch zu § 18 Abs. 2 AStG scheitert bereits daran, dass diese Norm (nur) die örtliche Zuständigkeit regelt (AEAStG, Tz. 18.2; Schönfeld/Engler in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff u.a., Außensteuerrecht, 99. Lieferung 10.2021, § 18 AStG, Rz. 310; Kramer in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, 129. Lieferung 01.2022, § 18 AStG, Rz. 8).
31Zuständigkeitskonzentrationen, wie im Streitfall durch die vorstehenden Normen, führen dazu, dass das bisher zuständige Finanzamt die sachliche Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben verliert, das zentral zuständige Finanzamt, im Streitfall der Antragsgegner, wird für die übertragene Aufgabe sachlich und in seinem Bezirk zugleich örtlich zuständig (BFH, Urteil vom 19.04.2012 III R 85/11, juris; FG Niedersachsen, Urteil vom 14.03.2018, 13 K 114/17, juris).
32Die Zuständigkeit folgt nicht aus § 18 Abs. 2 AStG, der die örtliche Zuständigkeit regelt. In Fällen des § 12 Nr. 3 FA-ZVO, wie im Streitfall, gilt die Zuständigkeit des nach § 18 Abs. 2 AStG an sich zuständigen Finanzamts als auf das jeweils zentral zuständige Finanzamt, im Streitfall den Antragsgegner, übertragen (vgl. BFH, Urteil vom 19.04.2012 III R 85/11, juris und FG Niedersachen, Urteil vom 14.03.2018, 13 K 114/17, juris; Schönfeld/Engler in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff u.a., Außensteuerrecht, 99. Lieferung 10.2021, § 18 AStG, Rz. 300).
33bb. Die Voraussetzungen der §§ 7 ff., 18 AStG liegen im Streitfall vor.
34(1) Sind unbeschränkt Steuerpflichtige, wie die in I wohnhaften Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2., an einer Körperschaft, i.S.d. KStG, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Geltungsbereich des AStG hat und die nicht gemäß § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist (ausländische Gesellschaft), wie im Streitfall die J, zu mehr als der Hälfte beteiligt, sind gemäß § 7 Abs. 1 AStG die Einkünfte, für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, bei jedem von ihnen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt. Unbeschränkt Steuerpflichtige sind i.S.v. § 7 Abs. 1 AStG an einer ausländischen Gesellschaft u.a. dann gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG zu mehr als der Hälfte beteiligt, wenn ihnen allein oder zusammen mit Personen i.S.d. § 2 AStG, wie im Streitfall, am Ende des Wirtschaftsjahrs der Gesellschaft, in dem diese die Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG bezogen hat (maßgebendes Wirtschaftsjahr), mehr als 50% der Anteile oder Stimmrechte an der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind.
35Die nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte sind gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Betrag, der sich nach Abzug der Steuern ergibt, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften sowie von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben worden sind, anzusetzen (Hinzurechnungsbetrag).
36Gemäß § 8 Abs. 1 Hs. 1 AStG ist eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht aus jenen Einkünften stammen, die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 AStG aufgelistet sind.
37Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG sind die nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Betrag, der sich nach Abzug der Steuern ergibt, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften sowie von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben worden sind, anzusetzen (Hinzurechnungsbetrag).
38Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG werden die Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7 bis 13, insbesondere der Hinzurechnungsbetrag (§ 10), gesondert festgestellt.
39(2) Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung von Einkünften der J insoweit unzweifelhaft gegeben, und auch zwischen den Beteiligten unstreitig, als dass es sich bei J um eine Körperschaft i.S.d. KStG handelt, die im Jahr 2016 weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland, sondern in Hongkong, hatte und an der die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. als nahestehende Personen i.S.d. § 2 AStG zu mehr als der Hälfte beteiligt gewesen sind, nämlich zu 100%.
40Entgegen der Auffassung der Antragsteller handelt es sich bei den Einkünften der J auch um Einkünfte, für die die J Zwischengesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG gewesen ist (sog. passive Einkünfte). Anhaltspunkte dafür, dass diese passive Tätigkeit Ausfluss einer aktiven Tätigkeit der J ist, wie die Antragsteller behaupten, sind vor dem Hintergrund der Tätigkeit der J nicht ersichtlich.
41Im Streitfall hat J als Zwischengesellschaft Einkünfte i.S.d. § 8 AStG erzielt. Die Einkünfte der J sind aus Dienstleistungen erzielt worden, die nicht von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG erfasst sind. Die (Ausschluss-)Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) AStG liegen vor. Die J hat sich als ausländische Gesellschaft für ihre Dienstleistung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, der gemäß § 7 AStG an ihr beteiligt ist oder einer einem solchen Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 2 nahestehenden Person, bedient, die mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Geltungsbereich des AStG steuerpflichtig ist, nämlich dem an der J beteiligten Antragsteller zu 3. und dem Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. als Geschäftsführer der J. Umstände, die hieran ernstliche Zweifel begründen, sind weder vorgetragen worden noch aus dem Gericht vorliegenden Akten ersichtlich.
42Auch haben die Einkünfte der J in Hongkong einer niedrigen Besteuerung unterlegen. Eine niedrige Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG liegt gemäß § 8 Abs. 3 AStG vor, wenn die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft einer Belastung durch Ertragsteuern von weniger als 25 % unterliegen, ohne dass dies auf einem Ausgleich mit Einkünften aus anderen Quellen beruht. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Eine Besteuerung der Einkünfte der J in Hongkong ist aufgrund einer Freistellung nicht erfolgt. Die von den Antragstellern hinsichtlich des Prozentsatzes vorgetragenen (rechtspolitischen) Einwendungen sind aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes, an dem weder in verfassungsrechtlicher noch in unionsrechtlicher Hinsicht Zweifel bestehen, unerheblich.
43cc. Gegen die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung bestehen auch keine ernstlichen Zweifel in unionsrechtlicher Hinsicht. Die Hinzurechnung von einer in Hongkong ansässigen Zwischengesellschaft, im Streitfall J, erzielten Einkünfte beschränkt zwar die auch auf sog. Drittstaatenfälle anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ist aber gerechtfertigt und verstößt daher nicht gegen Unionsrecht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat auf die zutreffenden Ausführungen des BFH, Urteil vom 30.09.2020 I R 12/19 u.a., juris, die der erkennende Senat teilt und von denen abzuweichen auch hinsichtlich des Streitjahres 2016 kein Anlass besteht bzw. hält an seinen Ausführungen in dem Senatsurteil vom 30.10.2014, 2 K 618/11 F, juris, bestätigt durch vorgenannte Entscheidung des Bundesfinanzhofs, fest. Das einschlägige Regelungsregime der §§ 7 ff. AStG ist in den entscheidenden Aspekten mit den Streitjahren der zitierten Entscheidungen mindestens vergleichbar, insbesondere hinsichtlich der Definitionen einer ausländischen Gesellschaft, des Hinzurechnungsbetrages, einer niedrigen Besteuerung und von passiven Einkünften sowie der Systematik der Hinzurechnung von Einkünften, für die diese Gesellschaft eine sog. Zwischengesellschaft ist; Gleiches gilt für das Fehlen einer Exkulpationsmöglichkeit.
44dd. Der Antragsgegner hat die Besteuerungsgrundlagen zu Recht im Schätzungswege i.H.v. 750.000 € ermittelt.
45Die Voraussetzungen der Schätzung dem Grund nach gemäß § 162 Abs. 1, 2 AO liegen vor. Die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. haben über ihre Angaben keine ausreichenden Aufklärungen gegeben; sie haben keine Steuererklärungen abgegeben, obwohl sie hierzu nach § 18 Abs. 3 Satz 1 AStG verpflichtet gewesen wären. Nach dieser Norm hat jeder der an der ausländischen Gesellschaft unmittelbar beteiligten Steuerpflichtigen, im Streitfall die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. hinsichtlich der J, eine Erklärung zur gesonderten Feststellung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben.
46Auch an der Höhe des Hinzurechnungsbetrages des § 10 Abs. 1 AStG i.H.v. insgesamt 750.000 € bestehen keine ernstlichen Zweifel. Dieser Betrag erscheint vor dem Hintergrund des Überschusses der J im Jahr 2016 bei summarischer Prüfung schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig. Umstände, die hieran ernstliche Zweifel begründen sind weder vorgetragen worden noch aus dem Gericht vorliegenden Akten ersichtlich.
47c. Die Vollziehung hätte für die Antragsteller auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.
48Diese Möglichkeit der Aussetzung kommt nur in Betracht, wenn zugleich Zweifel, die allerdings nicht notwendig die Stufe „ernstlicher“ Zweifel erreichen müssen, an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Sind derartige Zweifel, wie sich für den Streitfall aus den vorstehenden Darlegungen ergibt, die nicht nur „ernstliche Zweifel“, sondern auch sonstige Zweifel ausschließen, zu verneinen, scheidet eine Aussetzung selbst dann aus, wenn die Vollziehung tatsächlich eine unbillige Härte zur Folge hätte (BFH, Beschluss vom 22.03.2005 II B 14/04, juris). Zudem hat der Antragsteller nicht das Vorliegen einer unbilligen Härte glaubhaft gemacht.
495. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO
506. Die Beschwerde wird gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Vor dem Hintergrund der gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30.09.2020 I R 12/19 u.a., juris, eingelegten Verfassungsbeschwerde 2 BvR 923/21 hat die Sache grundsätzliche Bedeutung.
51… … …
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