Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (2. Senat) - 2 K 1180/11



Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung erlangte Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.

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Der in K wohnhafte Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fa. C GmbH und wurde im Streitjahr 2003 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In seiner am 17. Januar 2005 beim Finanzamt eingegangenen Einkommensteuererklärung für 2003 erklärte er in der Anlage KAP lediglich inländische Kapitalerträge i.H. von 1.278,00 € (Bl. 18 d. ESt-Akte). Der Beklagte veranlagte mit Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 10. März 2005 erklärungsgemäß, wobei er der Besteuerung unter Berücksichtigung von Werbungskosten i.H. von 396,00 € und des Sparerfreibetrags i.H. von 882,00 € Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H. von 0,00 € zugrunde legte (Bl. 29 ff. d. ESt-Akten).

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Am 06. Februar 2006 begann das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung ... beim Kläger mit einer Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 1994 bis 2004. Am gleichen Tag wurde gegen den Kläger wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung in den Jahren 2000 bis 2004 ein Strafverfahren eingeleitet.

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Anlass für die Steuerfahndungsprüfung war ein vom belgischen Finanzministerium im Wege der Amtshilfe zwischen Belgien und Deutschland bzw. des sog. Spontanen Informationsaustauschs an das Bundesamt für Finanzen übermittelter und an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung weitergeleiteter Bericht vom 27. Oktober 2000, dem Ausdrucke von Microfiches beigefügt waren, wonach eine Vielzahl von deutschen Kapitalanlegern bei der X-Bank Luxembourg Société Anonyme (nachfolgend kurz: X) am 31. Januar 1994 Konten unterhalten hatten (vgl. Bl. 102 d. Rbh.-Akte und Bl. 4, 5 der Steuerfahndungsakten, Bd. I). Lt. den Angaben der Steuerfahnderin W waren die Originale der Microfiches von der Kriminalpolizei Brüssel im Jahre 1996 im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gegen die Y-Bank – die Muttergesellschaft der X – beschlagnahmt worden. Die belgische Steuerverwaltung habe die erforderliche Genehmigung zur Einsichtnahme in die betreffende Gerichtsakte gehabt (vgl. Schreiben vom 27. Oktober 2009, Bl. 100 d. Rbh.-Akte).

5

Ausweislich der Microfiches haben am 31. Januar 1994 die nachfolgend aufgeführten Konten des Kontoinhabers „A. N.-T.“ (Name des Klägers mit Zusatz des Geburtsnamens seiner Ehefrau) bei der X bestanden:

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Konto-Nr.

Kontostand

54-422450-18

496.491,05 DM

52-422450-61

    7.395,82 DM

        

503.886,87 DM

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Auf Antrag des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung ordnete das Amtsgericht am 16. März 2006 wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung in den Jahren 2000 bis 2004 die Durchsuchung der Wohnräume und des Arbeitsplatzes des Klägers in den Geschäftsräumen der C GmbH sowie die Beschlagnahme der Unterlagen über Einkünfte aus ausländischem Kapitalvermögen an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen vom 16. März 2006 (Bl. 103 ff. d. Rbh.-Akte; Bl. 126 ff. d. Steuerfahndungsakten, Bd. I) verwiesen.

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Am 08. August 2006 fand daraufhin eine Durchsuchung der Wohnräume des Klägers sowie der Geschäftsräume der C GmbH statt. Zu Beginn der Durchsuchung wurden dem Kläger jeweils Ausfertigungen der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen vom 16. März 2009 (Bl. 35 ff. d. Rbh.-Akte) übergeben, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Wegen der bei der Durchsuchung vom Kläger überlassenen Beweismittel wird auf die Nachweisungen vom 08. August 2006 nebst Anlagen (Bl. 132 f. und Bl. 145 f. d. Steuerfahndungsakten, Bd. I) verwiesen.

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Mit Schreiben vom 08. April 2008 wandte sich der Kläger an die Steuerfahnderin u.a. mit dem Einwand, die ihm bei der Durchsuchung übergebenen Ausfertigungen der Durchsuchungsanordnungen vom 16. März 2006 enthielten keine rechtsgültige Unterschrift eines Urkundsbeamten. Die Steuerfahndungsstelle übersandte das Schreiben des Klägers daraufhin an das Amtsgericht, das es als Beschwerde gemäß § 306 StPO auslegte, dieser allerdings durch Beschluss vom 05. August 2008 nicht abhalf. Demgegenüber gelangte das Landgericht lt. einer Verfügung vom 11. August 2008 zu der Auffassung, dass es sich nicht um eine Beschwerde handele (vgl. Bl. 209 ff., 219, 286, 299, 300 d. Steuerfahndungsakten, Bd. I).

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Im Verlauf der Steuerfahndungsprüfung überreichte der Kläger der Steuerfahnderin am 02. Mai 2008 eine Erträgnisaufstellung des Kalenderjahres 2003 zu dem Konto mit der Nr. 422450 bei der X. Hieraus ergaben sich Zinserträge i.H. von 5.564,32 € sowie Gebühren/Spesen i.H. von 21,61 € (vgl. Bl. 282 d. Steuerfahndungsakten, Bd. I). Vorausgegangen war der Übersendung der Erträgnisaufstellung ein an den Kläger persönlich gerichtetes Schreiben der Steuerfahnderin vom 06. Februar 2007, worin sie diesen u.a. bittet, zur Aufklärung des Sachverhalts Erträgnisaufstellungen der Jahre 1994 bis 2004 zu übersenden, sowie weitere schriftliche und mündliche Erinnerungen/Aufforderungen zur Vorlage der Unterlagen (am 08. Februar 2008, 11. März 2008 und 02. Mai 2008, Bl. 205 Rückseite, 207 und 215 d. Steuerfahndungsakten, Bd. I). Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben vom 06. Februar 2007, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (vgl. Bl. 201 d. Steuerfahndungsakten, Bd. I), nicht.

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Lt. Steuerfahndungsbericht vom 27. Mai 2009 (Bl. 24 ff. d. Steuerfahndungsakten) erfolgte die Zuordnung der Konten lt. Mitteilung des belgischen Finanzministeriums auf die Eheleute N. über den Geburtsnamen der Ehefrau des Klägers („T.“), von der dieser seit 1994 getrennt lebt. Es handele sich um sog. Sollidar-Kollektivkonten bzw. Gemeinschaftskonten. Aufgrund eines notariellen Ehe- und Erbverzichtsvertrags und einer Folgevereinbarung, jeweils vom 16. Dezember 1983, sei davon auszugehen, dass die Ehefrau des Klägers auf ihren Anteil am Guthaben bei der X verzichtet habe und die Erträge und der Kapitalstamm ab diesem Zeitpunkt allein dem Kläger zuzurechnen seien (Tz. 6 und 9, Bl. 26, 28 d. Steuerfahndungsakten, Bd. I). Während die zusätzlich anzusetzenden Einnahmen aus Kapitalvermögen und die zusätzlich anzusetzenden Werbungskosten für die Jahre 1994 bis 1997 aus den bei der Durchsuchung am 08. August 2006 mitgenommenen Unterlagen ermittelt worden seien, ergäben sich diese Beträge für die Jahre 1998 bis 2004 aus den vom Kläger am 02. Mai 2008 eingereichten Erträgnisaufstellungen (Tz. 7, Bl. 27 d. Steuerfahndungsakten, Bd. I).

12

Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Steuerfahndung an und erließ unter dem 25. August 2009 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2003, in welchem er der Besteuerung Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen in Höhe von 5.241,00 € (Einnahmen i.H. von 6.842,00 € abzgl. Werbungskostenpauschbetrag i.H. von 51,00 € und Sparerfreibetrag i.H. von 1.550,00 €) zugrunde legte (Bl. 38 ff. d. ESt-Akten).

13

Hiergegen legte der Kläger am 01. September 2009 Einspruch ein. Nach Erlass eines wegen hier nicht streitbefangener Punkte geänderten Einkommensteuerbescheids für 2003 vom 18. Januar 2011 wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2011 als unbegründet zurück.

14

Mit der am 11. Februar 2011 bei Gericht eingegangenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, der angefochtene Einkommensteuerbescheid basiere auf verfahrensfehlerhaft erlangten Beweismitteln, die einem Beweisverwertungsverbot unterlägen. Die angeordnete Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Klägers stelle sich als willkürliche Verfahrenshandlung des Beklagten dar, die zudem in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung in rechtswidriger Weise eindringe. Zwar lägen zwei richterliche Durchsuchungsanordnungen des Richters am Amtsgericht, J., vom 16. März 2006 vor, gegen die nichts zu erinnern sei. Die angeordneten Durchsuchungen seien allerdings erst am 8. August 2006 durchgeführt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH entfalte eine richterliche Durchsuchungsanordnung keine legitimierende Rechtswirkung, wenn zwischen Anordnung und Durchsuchung ein Zeitraum von sechs Monaten vergangen sei. Diese „Halbjahresfrist“ sei nur in äußerst komplexen Verfahren, nicht jedoch unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen, in Anspruch zu nehmen. Die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Klägers habe somit gegen den grundgesetzlichen Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen. Außerdem sei keine ordnungsgemäße Zustellung bzw. Bekanntgabe der Durchsuchungsanordnung erfolgt. Die dem Kläger überreichte Ausfertigung der Durchsuchungsanordnung sei nicht durch einen zuständigen Urkundsbeamten formgerecht unterzeichnet worden, sondern habe nur eine geschwungene Linie in Form der arabischen Ziffer „2“ mit beigefügtem Dienstsiegel und der Bezeichnung „Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle“ enthalten, die keinen Rückschluss auf den Verfasser des Dokuments zulasse und die zudem unter Verstoß gegen Art. 20 GG, § 317 Abs. 4 ZPO, § 153 Abs. 2 und 3 GVG durch eine offensichtlich unzuständige Person, nämlich den Direktor der Steuerfahndungsstelle, Herrn D., gefertigt worden sei.

15

Darüber hinaus handele es sich im Falle der verwendeten Daten der Kunden der X um Daten, die im Jahre 1994 von zwei Direktoren der X gestohlen und nach vergeblichen Erpressungsversuchen gegenüber der X von den Datendieben hehlerisch in den Verkehr gebracht worden seien. Sie seien zunächst in den an Luxemburg angrenzenden Ländern an die Finanzbehörden verkauft worden. Dem Kläger sei bekannt, dass der belgische Fiskus gleichfalls die Daten direkt und nochmals auf Umwegen erlangt habe und dass die obersten Gerichte die Verfahren gegen betroffene belgische Konteninhaber eingestellt und rückabgewickelt hätten, da die gestohlenen Unterlagen zum einen keinen originaldokumentarischen Wert besessen hätten und zum anderen die Daten als Hehlerware aus rechtsstaatlichen Aspekten nicht hätten verwendet und verwertet werden dürfen. Gleiches gelte für die Niederlande. Der Behauptung der Steuerfahndung, durch einen spontanen Informationsaustausch in den Besitz der Unterlagen gekommen zu sein, schenke der Kläger keinen Glauben, da die Datendiebe am 17. Oktober 2000 in der Nachrichtensendung „Tagesthemen“ aufgetreten seien und angekündigt hätten, die Unterlagen an deutsche Steuerbehörden verkaufen zu wollen. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung berufe sich die Steuerfahndung deshalb auf selektierte X-Microfiche-Daten, die keinen urkundlichen Charakter hätten, nicht die Anschrift oder den Stempel einer Bank erkennen ließen, nicht unterschrieben und zu alledem gestohlen und höchstwahrscheinlich weiterverkauft worden seien.

16

Hinzu komme, dass die Konteninhaber nur durch eine unzulässige intensive Rasterfahndung hätten ermittelt werden können, und zwar im Falle des Klägers nur über den Mädchennamen seiner Ehefrau.

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Der Kläger beantragt, den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 18. Januar 2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2011 dahingehend zu ändern, dass der Besteuerung des Klägers Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 0,00 € zugrunde gelegt werden.

18

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

19

Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend im Wesentlichen vor, die Durchsuchung habe innerhalb von sechs Monaten nach dem Datum der Durchsuchungsanordnung stattgefunden und sei noch von der richterlichen Durchsuchungsanordnung getragen gewesen. Da sich die tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Durchsuchungsmaßnahme nicht verändert hätten, wäre eine erneute richterliche Prüfung der Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme am Durchsuchungstag zu keinem anderen Ergebnis als der Anordnung der Durchsuchung gelangt.

20

Die Behauptung, die dem Kläger ausgehändigten Ausfertigungen der Durchsuchungsanordnungen seien von Herrn D. und nicht von einem Urkundsbeamten des Amtsgerichts unterzeichnet worden, sei im Übrigen unsubstantiiert und unzutreffend.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die im Rahmen der Steuerfahndungsprüfung erlangten Beweismittel unterlagen keinem Verwertungsverbot.

22

1. Nach der Rechtsprechung des BFH besteht im Besteuerungsverfahren kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind. Insbesondere führt nicht jeglicher Verstoß gegen Form- und Ordnungsvorschriften zwangsläufig zu einem Verwertungsverbot. Vielmehr ist zwischen einfachen verfahrensrechtlichen Mängeln, die nicht zu einem endgültigen Verwertungsverbot führen, und qualifizierten materiell-rechtlichen Verwertungsverboten zu unterscheiden. Ein materiell-rechtliches Verwertungsverbot liegt vor, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Steuerpflichtigen verletzt hat. Die auf diese Weise ermittelten Tatsachen sind schlechthin und ohne Ausnahme unverwertbar. Der Verstoß kann auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden. Handelt es sich hingegen nur um formelle Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, so kann es lediglich zu einem „einfachen“ Verwertungsverbot kommen, sofern die Prüfungsmaßnahmen erfolgreich angefochten oder nach Beendigung der Prüfung zumindest ihre Rechtswidrigkeit gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO festgestellt worden ist (vgl. BFH, Urteil vom 19. August 2009, I R 106/08, BFH/NV 2010, 5; BFH, Urteil vom 04. Oktober 2006, VIII R 53/04, BStBl II 2007, 227, jeweils m.w.N.).

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2. Der Kläger wendet sich gegen die nach seiner Ansicht unzulässige Verwendung der durch das Bundesamt für Finanzen erlangten – vermeintlich von „Datendieben“ angekauften – X-Microfiche-Ausdrucke sowie gegen die Rechtmäßigkeit der angeordneten Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume. Damit wird jedoch bereits übersehen, dass der Beklagte der Besteuerung des Klägers nicht die Microfiche-Ausdrucke bzw. die anlässlich der Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel, sondern die vom Kläger selbst überreichte Erträgnisaufstellung des Jahres 2003 zugrunde gelegt hat (vgl. Tz. 7, Bl. 27 d. Steuerfahndungsakten, Bd. I). Ein Verwertungsverbot könnte diesbezüglich allenfalls nach den Grundsätzen in Betracht kommen, die der BFH zur sog. „Fernwirkung“ von Beweisverwertungsverboten aufgestellt hat. Hiernach dürfen Beweismittel, die durch andere, auf rechtswidrige Weise verschaffte Beweismittel mittelbar erlangt wurden, nur im Falle von qualifizierten grundrechtsrelevanten Verfahrensverstößen oder bei in strafbarer Weise erlangten Erkenntnismitteln nicht verwertet werden. Fehlt es an einem derart schwerwiegenden Verfahrensmangel, insbesondere an einem grundrechtsrelevanten Verstoß, einer unmittelbaren Ermittlungsmaßnahme, so ist es bei der gebotenen Abwägung zwischen den Individualinteressen von Steuerpflichtigen, nicht aufgrund verfahrensfehlerhafter Ermittlungsmaßnahmen mit einer materiell-rechtlich an sich zutreffenden Steuer belastet zu werden, und der Pflicht des Staates, eine gesetzmäßige und gleichmäßige Steuerfestsetzung zu gewährleisten, gerechtfertigt, eine Fernwirkung eventueller Verwertungsverbote auch auf spätere, rechtmäßig erlangte Ermittlungsergebnisse zu verneinen (vgl. BFH, Urteil vom 04. Oktober 2006, aaO).

24

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen unterlag die vom Kläger überreichte Erträgnisaufstellung keinem Verwertungsverbot:

25

a) Entgegen der Ansicht des Klägers bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür, dass die deutschen Steuerbehörden die X-Microfiche-Ausdrucke „hehlerisch“ gekauft haben. Vielmehr hat der Senat nach den vorgelegten Unterlagen (vgl. Bl. 102 d. Rbh.-Akte; Bl. 4, 5 der Steuerfahndungsakten, Bd. I) keine Zweifel daran, dass das Bundesamt für Finanzen die Microfiche-Ausdrucke von der belgischen Finanzverwaltung im Wege der Amtshilfe bzw. des sog. Spontanen Informationsaustausches erhalten hat. Ob zuvor Kontendaten von ehemaligen Angestellten der X entwendet worden waren und die „Datendiebe“ – entsprechend dem Bericht in der Nachrichtensendung „Tagesthemen“ am 17. Oktober 2000 – die Absicht hatten, die entwendeten Unterlagen an die deutschen Steuerbehörden zu verkaufen, kann deshalb dahin stehen. Denn die Informationen sind jedenfalls nicht auf diesem Weg in den Besitz der deutschen Steuerverwaltung gelangt.

26

Keiner Klärung bedarf, wie die Microfiche-Ausdrucke in den Besitz der belgischen Steuerverwaltung gelangt waren. Denn selbst wenn diese die Ausdrucke – entgegen der Darstellung der Steuerfahndung im Schreiben vom 27. Oktober 2009 (Bl. 100 d. Rbh.-Akte) – von „Datendieben“ gekauft hätte, wofür allerdings keine Anhaltspunkte bestehen, würde dies nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu einem Verwertungsverbot führen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 09. November 2010 über eine Verfassungsbeschwerde entschieden, mit der sich die Beschwerdeführer dagegen gewandt hatten, dass der für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren erforderliche Anfangsverdacht auf Daten aus einer „Steuer-CD“ gestützt worden war, die der Bundesnachrichtendienst von einer Privatperson aus Liechtenstein erworben und sodann an die zuständige Steuerfahndungsstelle weitergeleitet hatte. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG. Es sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte den für die Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdacht auch auf die Erkenntnisse der Daten aus Liechtenstein gestützt hätten. Insbesondere berühre die Verwendung der Daten – selbst wenn Amtsträger bei deren Beschaffung nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig oder gar strafbar gehandelt oder gegen völkerrechtliche Übereinkommen verstoßen hätten – nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Diese beträfen lediglich geschäftliche Kontakte der Beschwerdeführer mit Kreditinstituten. Außerdem seien Beweismittel, die von Privaten erlangt worden seien, selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgt sei, grundsätzlich verwertbar. Allein von dem Informanten begangene Straftaten müssten bei der Beurteilung eines möglichen Verwertungsverbotes von vornherein nicht berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09. November 2010, 2 BvR 2101/09, BFH/NV 2011, 182; ähnlich übrigens auch das Schweizerische Bundesgericht, Urteil vom 02. Oktober 2007, 2 C 514/2007 und der Hoge Raad der Niederlande, Urteil vom 21. März 2008, LJN: BA8179, 43050).

27

Der Einwand des Klägers, die Microfiche-Ausdrucke besessen „keinen originaldokumentarischen Wert“, geht im Übrigen fehl. Denn die Microfiche-Ausdrucke wurden der Besteuerung nicht unmittelbar zugrunde gelegt, sondern waren lediglich der Anlass, ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten, in dessen Verlauf weitere Beweismittel – insbesondere die Erträgnisaufstellungen – erlangt wurden.

28

Auch soweit der Kläger beanstandet, er habe nur durch eine „unzulässige intensive Rasterfahndung“ als Konteninhaber identifiziert werden können, folgt ihm der Senat nicht. Eine Rasterfahndung ist dadurch gekennzeichnet, dass personenbezogene Daten nach vorher festgelegten Kriterien „gerastert“ und erst hierdurch Hinweise auf Personen erlangt werden, die z.B. Straftaten planen oder bereits begangen haben. Im Streitfall hingegen war bereits bekannt, dass ein deutscher Steuerbürger unter dem Namen „A. N.-T.“ ein Konto bei der X unterhielt, dessen Erträge möglicherweise nicht ordnungsgemäß versteuert worden waren. Insofern ging es nur noch darum, das betreffende Konto einem bestimmten Inhaber konkret zuordnen zu können. Soweit die Steuerfahndung zur Ermittlung des Konteninhabers den Mädchennamen der Ehefrau des Klägers verwendet hat, bestehen hiergegen keine rechtlichen Bedenken.

29

b) Ob die Durchsuchungsanordnungen vom 16. März 2006 wegen Zeitablaufs zum Zeitpunkt der Durchsuchungen am 08. August 2006 bereits ihre legitimierende Wirkung verloren hatten bzw. die dem Kläger bei der Durchsuchung übergebenen Ausfertigungen der Durchsuchungsanordnungen den einschlägigen Vorschriften der StPO widersprechen, bedarf keiner näheren Prüfung. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, unterläge jedenfalls die im Nachgang überreichte Erträgnisaufstellung – auch unter dem Gesichtspunkt der „Fernwirkung“ von Beweisverwertungsverboten – keinem Verwertungsverbot.

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b 1) Ein Verwertungsverbot kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei der Erträgnisaufstellung nach Aktenlage nicht um ein Beweismittel handelt, welches die Steuerfahndung mittelbar aufgrund von Beweismitteln, die bei der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume aufgefunden wurden, erlangt hat. Dass der Kläger ein Konto bei der KBL unterhielt, war der Steuerfahndung vielmehr schon vor der Durchsuchung aufgrund der Microfiche-Ausdrucke bekannt. Ermittlungsergebnisse, die – wie die Erträgnisaufstellung – gleichzeitig oder im Nachhinein aufgrund einer als solcher rechtmäßig durchgeführten Aufklärungsmaßnahme und in Form eines selbständigen Erkenntnismittels gewonnen oder bestätigt worden sind, bleiben nach der Rechtsprechung des BFH in jedem Fall verwertbar (vgl. BFH, Urteil vom 04. Oktober 2006, aaO).

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b 2) Soweit der Kläger meint, die Durchsuchungsanordnungen vom 16. März 2006 hätten zum Zeitpunkt der Durchsuchungen am 08. August 2006 bereits wegen Zeitablaufs ihre rechtfertigende Wirkung verloren, kann dies aus einem weiteren Grund nicht zum Erfolg der Klage führen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind die Steuergerichte nicht befugt, die Rechtswidrigkeit einer Durchsuchungsanordnung im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens zu prüfen. Wird im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung eine Durchsuchung angeordnet, so obliegt die Prüfung der Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen nicht dem Finanz-, sondern dem Amtsgericht und im Beschwerdeverfahren dem nach § 304 StPO zuständigen Landgericht. Dementsprechend kann ein Verwertungsverbot aus der Rechtswidrigkeit einer verfahrensmäßig gesondert zu beurteilenden d.h. anfechtbaren Ermittlungsmaßnahme nur dann abgeleitet werden, wenn die Maßnahme – wie hier nicht – in dem dafür vorgesehenen Verfahren für rechtswidrig erklärt worden ist (vgl. BFH, Beschluss vom 17. Juli 2003, X B 19/03, BFH/NV 2003, 1594 m.w.N.).

32

b 3) Gleiches gilt nach Ansicht des Senats, soweit geltend gemacht wird, die dem Kläger zugestellten Ausfertigungen der Durchsuchungsanordnungen entsprächen mangels Unterschrift des zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht den Vorschriften der StPO. Denn gegen Zustellungsmaßnahmen nach § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG zulässig (vgl. Maul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage, § 36, Rz. 18; Larcher in Beck´scher Online-Kommentar StPO, § 36, Rz. 8; Strubel/Sprenger, NJW 1972, 1736). Einen solchen Antrag hat der Kläger nach Aktenlage nicht gestellt.

33

Ungeachtet dessen hält der Senat diesen vom Kläger gerügten Verfahrensmangel ohnehin nicht für geeignet, sämtliche im weiteren Verlauf der Steuerfahndungsprüfung erlangten Beweismittel mit einem Verwertungsverbot zu belegen. Ein wesentlicher Fehler, der ausnahmsweise zur Unwirksamkeit der Zustellung der Durchsuchungsanordnungen führen könnte, kann hierin nicht gesehen werden.

34

Für die Behauptung des Klägers, die übergebenen Ausfertigungen der Durchsuchungsanordnungen vom 16. März 2006 seien nicht vom zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern vom Leiter der Steuerfahndungsstelle unterzeichnet worden, lassen sich den vorgelegten Akten im Übrigen keine Anhaltspunkte entnehmen.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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