Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (3. Senat) - 3 K 1185/12


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Tenor

I. Die Bescheide für 2006 und 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG vom 5. Mai 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2012 werden aufgehoben.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob Verluste aus der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft im Rahmen eines Steuerstundungsmodells angefallen sind und daher § 15b Einkommensteuergesetz (EStG) der Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts entgegensteht.

2

Die Klägerin ist eine in Großbritannien am ...12.2006 gegründete Personengesellschaft (Limited Partnership), an der die Firma J Limited (im Folgenden J genannt) mit Geschäftssitz in Großbritannien, als persönlich haftende Gesellschafterin und die in Deutschland ansässigen Beigeladenen, die Herren A und B, als beschränkt haftende Gesellschafter beteiligt sind. Alleinige Gesellschafter der persönlich haftenden Gesellschafterin sind ebenfalls die Beigeladenen. Während die J nicht am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt ist, haben die beigeladenen Gesellschafter neben ihrer Gründungseinlage von jeweils .. € am ..12.2006 eine Kapitaleinlage von jeweils .. Mio. € geleistet. Mit Beschluss vom ...2007 erhöhten die beigeladenen Gesellschafter ihre Kapitaleinlage um jeweils .. Mio. € auf .. Mio. €. Am Gewinn und Verlust der Klägerin sind die beigeladenen Gesellschafter mit jeweils 50 v. H. beteiligt.

3

Die Klägerin wird durch die Firma J vertreten, die wiederum durch ihre angestellten Geschäftsführer, die Herren C und D, vertreten wird. Die Firma J erhält als Vorabgewinn einen Betrag in Höhe von 1.000,-€ sowie Ersatz ihrer Aufwendungen.

4

Der Geschäftszweck der Klägerin besteht nach dem Gesellschaftsvertrag im Handel mit Metallen (Edelmetallen, Basismetallen, Legierungen usw.). Der Handel der Klägerin erstreckt sich insbesondere auf physisches Gold und Silber (Gold- und Silberbarren), es wurden aber auch andere Metalle gehandelt. Der Handel, soweit er auf Gold und Silber entfällt, erfolgt über eine Vereinigung professioneller Edelmetallhändler in London. Die Klägerin ist Mitglied dieser Vereinigung. Ferner hat die Klägerin eigene Räume in London angemietet und beschäftigt neben ihren Geschäftsführern weitere Angestellte.

5

Kurz nach ihrer Gründung erwarb die Klägerin im Dezember 2006 Handelsgold und -silber für insgesamt .. €. Verkäufe sind in geringem Umfang - ca. .. € - ebenfalls im Dezember 2006 erfolgt. Im Jahr 2007 wurde Gold für ca. .. Mio. € gekauft und für ca. .. € verkauft sowie Silber für .. Mio. € erworben und zu einem Preis von ca. .. Mio. € veräußert. Außerdem tätigte die Klägerin ausweislich der vorliegenden Abschlüsse Call- und Put-Optionen.

6

Die Klägerin reichte eine Steuererklärung für die Streitjahre 2006 und 2007 beim beklagten Finanzamt ein und begehrte die Feststellung der nach dem Doppelbesteuerungsabkommen - DBA - Großbritannien steuerfreien Einkünfte aus Gewerbebetrieb für Zwecke des Progressionsvorbehalts. Es wurde ein Verlust in Höhe von .. € für 2006 und von .. € für 2007 bei den laufenden Einkünften erklärt, der auf die inländischen Gesellschafter zur Hälfte verteilt wurde. Zudem gab die Klägerin an, dass für diese nach dem DBA Großbritannien steuerfreien Einkünfte ein Progressionsvorbehalt in Betracht kommt. Die Einkünfte ermittelte die Klägerin durch Einnahme-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Die erklärten Verluste resultieren aus dem sofortigen Betriebsausgabenabzug der Anschaffungskosten des erworbenen Umlaufvermögens (Gold und Silber).

7

In den Folgejahren wurden nach deutscher Gewinnermittlung folgende Gewinne bzw. Verluste erwirtschaftet:

8

 2008:   ... €

 2009: - ... €

 2010:   ... €

9

Nachdem gemäß § 27 der Abgabenordnung (AO) eine Zuständigkeitsvereinbarung getroffen worden war, nach der das beklagte Finanzamt für zuständig erklärt wurde, erließ der Beklagte am 29.08.2008 für 2006 und am 18.05.2009 für 2007 Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in denen es die nach dem DBA steuerfreien Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für die ein Progressionsvorbehalt in Betracht kommt, mit 0,-€ feststellte und den inländischen Gesellschaftern jeweils einen Anteil von 0,-€ zurechnete. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO.

10

Gegen beide Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein.

11

Das beklagte Finanzamt änderte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden vom 05.05.2011 die beiden angefochtenen Feststellungsbescheide, in denen es nunmehr erklärungsgemäß die nach DBA steuerfreien negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit .. € für 2006 und mit .. € für 2007 ansetzte. Die Höhe dieser nach DBA steuerfreien negativen Einkünfte ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Gleichzeitig stellte das beklagte Finanzamt jedoch in gleicher Höhe einen verrechenbaren Verlust nach § 15b EStG bei den beigeladenen Gesellschaftern fest, der nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegt. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass ein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG vorliege und daher die Verluste nicht im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden könnten, sondern lediglich mit Gewinnen späterer Veranlagungszeiträume aus derselben Beteiligung verrechenbar seien.

12

Gegen diese Bescheide für 2006 und 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG legte die Klägerin Einspruch ein.

13

Nachdem eine bei der Klägerin im Jahr 2011 durchgeführte Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hatte, hob das Finanzamt am 14.09.2011 den Vorbehalt der Nachprüfung in den Gewinnfeststellungsbescheiden vom 05.05.2011 auf. Der Nachprüfungsvorbehalt in den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG blieb jedoch bestehen.

14

Mit Schreiben vom 27.09.2011 nahm die Klägerin die Einsprüche gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 2006 und 2007 zurück. Die Einsprüche gegen die Feststellungsbescheide des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG wurden jedoch aufrecht erhalten. Zur Begründung trug die Klägerin im Wesentlichen vor:

15

Die Gesellschafter hätten sich bewusst für London als Ort ihrer Geschäftstätigkeit entschieden, weil hier der wichtigste außerbörsliche Handelsplatz für Gold und Silber sei. Die Klägerin betreibe nunmehr seit vier Jahren Handel mit diesen Edelmetallen und anderen Metallen. Pro Jahr würden ca. 125 Verkäufe bei einem Umsatz von etwa ... Mio. € durchgeführt. Dabei würde der Handel mit Gold und Silber über die Vereinigung von Edelmetallhändlern in London erfolgen, der große internationale Banken, Hersteller usw. auf der ganzen Welt angehörten. Auch sie gehöre zu diesem Kreis Edelmetallhändler, der überwiegend mit bestimmten, einzelnen identifizierbaren Barren handle, die zur Wiederveräußerung erworben würden mit dem Ziel, Gewinne zu erwirtschaften. Ihre Vorgehensweise entspreche der eines typischen Händlers (Umfang der Geschäfte, Unterhalten eines Büros und einer Organisation, Ausnutzen des Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen). Dementsprechend seien ihre Geschäftsführer für sie tätig geworden. D sei aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung und seiner Mitgliedschaft im Management Comittee ein Experte im Bereich des Edelmetallhandels. Er sei ausschließlich für die Klägerin in Vollzeit tätig. Die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen, wie z. B. die Verfolgung der Edelmetallpreisentwicklung, die Auftragserteilung an die Banken zur Erstellung von Konzepten zur Absicherung möglicher Kursrisiken der Handelsbestände, die Entscheidungen über Höhe und Art des Handels sowie organisatorische Verwaltungsmaßnahmen würden ausschließlich in London getroffen.

16

Ein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG könne nicht angenommen werden. Im Streitfall existiere kein von einem Dritten vorbereitetes Anlagekonzept. Die Gesellschafter hätten vielmehr die Initiative zur Gründung der Klägerin ergriffen. Sie hätten die Struktur individuell (mit)entwickelt und ausgehandelt und sich aktiv an den Gründungsvorgängen beteiligt. Zur Gründung der Klägerin und ihrer Ausgestaltung und Aktivitäten hätten sie sich kraft eigener Planung entschieden. Die Auswahl der Geschäftsräume, die Einstellung eines professionellen Händlers, die Festlegung des Geschäftszwecks auf den Handel mit Edel- und Hartmetallen sei durch die inländischen Gesellschafter bzw. durch beauftragte Personen erfolgt. Des Weiteren sei auch der Pfandvertrag zur Absicherung der Handelsbestände zwischen der Klägerin und der H Bank individuell vereinbart worden. Neben den Beziehungen zu dieser Bank habe die Klägerin auch Handelsbeziehungen mit anderen Geschäftspartnern im freien Geschäftsverkehr unterhalten, so dass von dem in § 15b EStG genannten Konzept mit einem Vertragsbündel keine Rede sein könne. Die Gesellschafter würden die Geschäftsräume der Klägerin durchschnittlich zweimal im Jahr aufsuchen, um die Geschäftsstrategie festzulegen. Ein Vergleich mit Wertpapierhandelsfonds könne nicht gezogen werden. Die einzig erkennbare Parallele sei lediglich die Anwendung der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Die Beteiligung der Gesellschafter stelle sich nicht als eine Fondsbeteiligung dar, sondern sei die schlichte Gründung einer Personengesellschaft.

17

Es könne auch kein atypisches Anlagekonzept angenommen werden. Allein aus den steuerlichen Rechtsfolgen bzw. aus der Nutzung steuerlicher Vorteile könne nicht auf ein vorgefertigtes Konzept im Sinne des § 15b EStG geschlossen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung sei es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergebe.

18

Das Finanzamt übersehe, dass das Vorliegen eines vorgefertigten Konzepts eine zwingende Anwendungsvoraussetzung des § 15b EStG sei. Nach der Legaldefinition des Abs. 2 liege - mangels entsprechender Kennzeichnung - eindeutig keine beispielhafte Aufzählung vor. Die Annahme eines Sonderfalls sei damit gesetzlich ausgeschlossen. Die Rechtsprechung gehe davon aus, dass selbst wenn in Reaktion auf die gesetzliche Einführung ein Konzept entwickelt werde, das die Voraussetzungen des § 15b EStG gerade nicht erfülle, die Annahme eines Steuerstundungsmodells ausgeschlossen sei (FG Münster, Urteile vom 08.11.2010 5 K 4566/08 F, EFG 2011, 438 und vom 05.08.2010 V 1142/10 F, EFG 2010, 1878). Eine individuelle Gestaltung des Steuerpflichtigen würde ein vorgefertigtes Konzept zwingend ausschließen (vgl. BFH, Beschluss vom 08.04.2009 I B 223/08, IStR 2009, 503). Eine Gestaltung sei insbesondere dann als individuell einzustufen, wenn hohe Investitionen in Rede stünden (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.11.2008 13 V 3428/08, IStR 2009, 70, bestätigt vom BFH, Beschluss vom 08.04.2009 I B 223/08 aaO). In einem solchen Fall würde stets eine "Maßanfertigung" vorliegen, die ein vorgefertigtes Konzept ausschließe.

19

Die in § 15b EStG genannten steuerlichen Vorteile bestünden darin, dass die Verluste mit den übrigen Einkünften verrechnet werden sollten (horizontaler und vertikaler Verlustausgleich). Eine derartige Verrechnung sei aber im Streitfall nicht möglich, da es sich vorliegend um Einkünfte handle, die nach dem DBA steuerfrei gestellt würden. Insoweit liege eine eindeutige Definition vor, so dass die vom Finanzamt vorgenommene Versagung des negativen Progressionsvorbehalts nicht von § 15b EStG erfasst werde. In der Literatur (Rhode in IStR 2011, 123; Naujok in DStR 2007, 1601; Seeger  in Schmidt, EStG, § 15b Rdnr.3; Heinicke in Schmidt, EStG, § 32b Rdnr.5; Kaeser in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG, § 15b B 42; Kaligin in Lademann, EStG, § 15b Rdnr.41; wohl auch Reiß in Kirchhof, EStG, § 15b Rdnr.18) und in der Rechtsprechung (FG Sachsen, Urteil vom 05.05.2010 8 K 1853/09, DStR 2012, 2053; FG Hessen, Beschluss vom 29.10.2010 11 V 252/10, DStR 2011, 267) werde die Anwendung von § 15b EStG im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts gleichfalls abgelehnt. Der BFH habe zwar kürzlich zu § 2a EStG entschieden, dass diese Norm innerhalb des negativen Progressionsvorbehalts anwendbar sei, auch wenn diese Vorschrift diese Rechtsfolge nicht ausspreche (BFH, Urteil vom 21.01.2011 I R 35/10, BStBl II 2011, 494). Diese Rechtsprechung zum Ausschluss des negativen Progressionsvorbehalts lasse sich jedoch nicht auf § 15b EStG übertragen. Dagegen spreche, dass nach § 2a EStG bestimmte negative Einkünfte von der Verlustverrechnung ausgeschlossen seien. Lägen die Voraussetzungen des § 2a EStG vor, würden diese Einkünfte bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Insoweit finde nach Leseart des BFH eine Erweiterung der Rechtsfolgen des § 2a EStG statt. Hingegen wäre die angestrebte Verlustverrechnung nicht nur eine Rechtsfolge des § 15b EStG, sondern auch eine Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift. Wollte man daher bei § 15b EStG wie bei § 2a EStG den Progressionsvorbehalt berücksichtigen, müsste man die Norm in einem ersten Schritt von ihrer Tatbestandsseite her und anschließend in einem zweiten Schritt bezüglich der Rechtsfolge erweitern. Dies könne in rechtmäßiger Weise weder seitens der Verwaltung noch durch die Rechtsprechung geschehen. Zudem spreche dagegen, dass nach den Gesetzesmaterialien der Gesetzgeber nicht von einer Anwendung des Progressionsvorbehalts ausgegangen sei (vgl. BT-Drucks. 16/107).

20

Das Finanzamt trage für das Vorliegen eines vorgefertigten Konzepts die Darlegungslast. Es habe jedoch bisher die Sachverhaltselemente, die das Vorliegen eines derartigen Konzepts stützen könnten, nicht dargelegt, sondern lediglich das Vorliegen eines gesetzlich nicht geregelten Sonderfalls ohne Tatsachenvortrag behauptet. Der Verweis auf eine "Vielzahl bekannt gewordener Fälle" helfe hier nicht weiter, weil eine solche Argumentation in der Rechtsprechung verworfen worden sei (FG Sachsen, Urteil vom 05.05.2010 8 K 1853/09 aaO). In der Rechtsprechung sei sogar ein Anscheinsbeweis dahingehend verneint worden, dass bei der Gründung einer Vielzahl gleichartiger Gesellschaften mit nur einem oder wenigen Kommanditisten von einem vorgefertigten Konzept im Sinne des § 15b EStG auszugehen sei (FG Münster, Urteil vom 08.11.2000 5 K 4566/08 F aaO).

21

Mit Einspruchsentscheidung vom 30.01.2012 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er bejahte das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells im Sinne des § 15b EStG und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Aufgrund der gewählten Gestaltung führe der im Jahr des Erwerbs der Edel- und Hartmetalle entstandene Betriebsstättenverlust bei Berücksichtigung des negativen Progressionsvorbehalts im Streitfall zu einem erheblichen Einkommensteuerausfall. Die Anwendung eines positiven Progressionsvorbehalts in den Gewinnjahren der Gesellschaft habe hingegen bei den Gesellschaftern keine nennenswerte Einkommensteuermehrbelastung zur Folge, weil ihr Steuersatz ohnehin im Höchstbereich liege. Zwar sei ein solcher steuerlicher Vorteil für sich allein für die Anwendung des § 15b EStG nicht ausschlaggebend. Die nachfolgend aufgezählten Komponenten führten im Streitfall jedoch auch bei den individuell zusammen gestellten Vertragswerken zu einem Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG:

22

- Gründung einer ausländischen Personengesellschaft im DBA-Ausland im Dezember 2006 mit einer ausländischen Betriebsstätte

- Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG)

- Handel mit Edel- und Hartmetallen als Umlaufvermögen

- Bareinlagen von .. Mio. € im Streitjahr 2006 (= Gründungsjahr), die vollständig zum Erwerb des Umlaufvermögens eingesetzt werden; nur wenige Geschäftsvorfälle im Gründungsjahr

- nur in geringem Umfang Verkäufe im Gründungsjahr; Verkäufe größeren Umfangs erst im Folgejahr

23

Insoweit liege ein vorgefertigtes Konzept im Sinne des BMF-Schreibens vom 17.07.2007 (BStBl I 2007, 542, Tz. 10) vor, obwohl kein typisches Anlegerkonzept mit Vermarktungsinstrumenten (wie Verkaufsprospekte, Kataloge etc.) feststellbar sei und es an der Bereitstellung eines Bündels an Haupt-, Zusatz- und Nebenleistungen fehle. Entscheidend sei, dass das aufgezeigte Investitionsschema als Gesamtplan die dargestellten Komponenten enthalte. Dabei spreche auch für die Qualifikation als Steuerstundungsmodell, dass die dem Streitfall zugrunde liegende Gestaltung in Fachzeitschriften beworben und in einer Vielzahl gleichartiger Fälle bundesweit umgesetzt worden sei. Das Finanzamt sei der ihm obliegenden Beweislast in ausreichender Weise nachgekommen. Angesichts der aufgezählten Komponenten liege eine im Rahmen des § 15b EStG unzulässige Beweisführung über einen Anscheinsbeweis nicht vor. Der im Streitfall vorliegende Edel- und Hartmetallhandel unterscheide sich von Wertpapierhandelsfonds, die zu den typischen Steuerstundungsmodellen im Sinne des § 15b EStG zählten (vgl. Seeger in Schmidt, EStG, 30. Auflage, § 15b Rdnr.6), lediglich dadurch, dass statt Wertpapiere Edelmetalle gehandelt würden.

24

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung der Feststellungsbescheide nach § 15b Abs. 4 EStG weiter. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend äußert sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 15b EStG. Der BFH habe die Vorgängervorschrift - § 2b EStG a.F. - für verfassungswidrig gehalten (BFH, Beschluss vom 02.08.2007 IX B 92/07, BFH/NV 2007, 227). Diese Konsequenz werde im überwiegenden Schrifttum auch hinsichtlich § 15b EStG insbesondere wegen mangelnder Bestimmtheit gezogen (Seeger in Schmidt, EStG, § 15b Rz.16; Kaligin in Lademann, EStG, § 15b Rz.16ff; Kaeser in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG, § 15b A Rz.58ff; Lindberg in Frotscher, EStG, § 15b Rz.9; Bock/Raatz, DStR 2008, 1407; Kohlhaas, DStR 2008, 480; Söffing DB 2006, 1585; Brandtner/Lechner/Schmidt, BB 2007, 1922). Jedenfalls sei aber eine verfassungskonforme enge Auslegung von § 15b EStG geboten (FG, Baden-Württemberg, Urteil vom 07.07.2011 3 K 4368/09, EFG 2011, 1897). Dieser engen Auslegung werde die vom Beklagten vorgenommene rechtliche Würdigung nicht gerecht.

25

Entgegen den Ausführungen des Beklagten sei die vorliegende Gestaltung nicht in einer Vielzahl von Zeitschriften beworben worden. Die Tätigkeit der Klägerin sei mit den beworbenen Modellen nicht vergleichbar. Gegen eine Umsetzung der vorliegenden Gestaltung in einer Vielzahl von Fällen spreche bereits die Mitgliederzahl der Vereinigung der Edelmetallhändler, die den eng begrenzten Kreis der zugelassenen professionellen Edelmetallhändler verdeutliche.

26

Schließlich verweist die Klägerin auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE vom 16.05.2012 an die Bundesregierung (BT-Drucks. 17/9685), die sich mit den Rechtsfolgen des Progressionsvorbehalts beim Kauf bestimmter Wirtschaftsgüter - insbesondere Edelmetalle - beschäftigt, sowie auf die Antwort der Bundesregierung vom 05.06.2012 (BT-Drucks. 17/9870). Die Ausführungen der Bundesregierung zeigten, dass derartige Geschäfte nach dem geltenden Recht steuerlich nicht zu beanstanden seien.

27

Die Klägerin beantragt, die Bescheide für 2006 und 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG vom 5. Mai 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2012 aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

28

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

29

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine in der Einspruchsentscheidung dargelegte Auffassung. Darüber hinaus trägt er vor: Die Regelung des § 15b EStG gehe der Regelung des § 32b EStG vor mit der Folge, dass negative Einkünfte nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen seien, soweit ein Steuerstundungsmodell vorliege. Diese Konsequenz ergebe sich aus der Tatsache, dass für den Progressionsvorbehalt die Höhe der ausländischen Einkünfte nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln sei (vgl. Handzik in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 15b Rz.113; Lambrecht in Kirchhof, EStG, § 32b Rz.13). Dieses Verhältnis ergebe sich auch aus der BFH-Rechtsprechung, wonach für Zwecke des Progressionsvorbehalts die vorrangig anzuwendenden steuerlichen Gewinnvorschriften zu beachten seien (vgl. BFH, Urteil vom 22.05.1991 I R 32/90, BStBl II 1992, 94).

30

Im Streitfall sei auch ohne ein typisches Anlegerkonzept mit Vermarktungsinstrumenten von einem Steuerstundungsmodell auszugehen. Die hier vorliegende Gestaltung sei bundesweit in einer Vielzahl von Fällen durchgeführt und in diversen Zeitschriften (z.B. Beilage GmbH intern 2006, Nr. 47/06 oder Steuertip Nr.45/06) beworben worden. Darüber hinaus enthalte der Gesetzeswortlaut keine Einschränkung dahingehend, dass das vorgefertigte Konzept von außen an den Steuerpflichtigen herangetragen werden müsse. Für die Qualifikation als Steuerstundungsmodell sei es unbeachtlich, dass die Gesellschaftsverträge in den zu beurteilenden Einzelfällen nicht in allen Punkten gleich seien und es auch Unterschiede bei dem gehandelten Umlaufvermögen gebe. Entscheidend sei, dass das Investitionsschema immer die gleichen - wie in der Einspruchsentscheidung aufgezählten - Komponenten enthalte. Zur Begründung seiner Rechtsansicht verweist der Beklagte ferner auf die Entscheidung des FG München vom 05.05.2009 (7 V 355/09, in juris).

31

Schließlich hält der Beklagte die Vorschrift des § 15b EStG nicht für verfassungswidrig und verweist hierzu auf die Kommentierung (Reiß in Kirchhof, EStG, § 15b Rz.17; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15b Rz.10; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 15b RZ.5) und auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 07.07.2011 (3 K 4368/09 aaO).

32

Das Gericht hat die inländischen Gesellschafter durch Beschluss vom 20.11.2012 zum Verfahren beigeladen.

Entscheidungsgründe

33

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt.

34

Bei der gesonderten Feststellung nach § 15b Abs. 4 EStG ist die Gesellschaft jedenfalls dann nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) klagebefugt, wenn - wie im Streitfall - die Feststellung des verrechenbaren Verlusts mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte nach § 15b Abs. 4 Satz 5 EStG verbunden worden ist (vgl. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.05.2011 3 K 4368/09, EFG 2011, 1911).

II.

35

Die Klage ist auch begründet. Das beklagte Finanzamt hat in den Gewinnfeststellungsbescheiden der Streitjahre die negativen Einkünfte für Zwecke des Progressionsvorbehalts festgestellt (1.). Die gesetzlichen Voraussetzungen für Feststellungsbescheide nach § 15b Abs. 4 EStG lagen allerdings nicht vor (2.). Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm des § 15b EStG sowie auf die Frage, ob diese Vorschrift zu einem Ausschluss des negative Progressionsvorbehalts führt, kommt es daher nicht mehr an (3.).

1.

36

Die negativen Einkünfte wurden in den Gewinnfeststellungsbescheiden erklärungsgemäß als nach DBA steuerfreie Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt. Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob die Einkünfte der Klägerin als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren sind, die nach Art. XVIII Abs. 2 Buchstabe a in Verbindung mit Art. III des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26.11.1964 in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 23.03.1970 - DBA Großbritannien - im Inland steuerfrei und somit nach § 32b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 EStG grundsätzlich für Zwecke des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind. Auch kommt es nicht darauf an, ob diese Einkünfte der Höhe nach zutreffend erfasst wurden, insbesondere ob die Klägerin die Einkünfte durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln durfte. Denn dem Senat ist insoweit eine eigene Prüfung verwehrt. Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte sind bereits bestandskräftig und nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Weil diese Gewinnfeststellungsbescheide als Grundlagenbescheide Bindungswirkung für das Verfahren zur Feststellung der verrechenbaren Verluste entfalten (vgl. BFH, Urteil vom 23.02.1999 VIII R 29/98, DStR 199 893 zu § 15a EStG; vgl. auch Heuermann in Blümich, EStG, 116. Auflage, § 15b Rdnr. 38), ist von den festgestellten Einkünften auszugehen.

2.

37

Ein nicht ausgleichsfähiger Verlust im Sinne des § 15b Abs. 1 EStG, der gesondert festzustellen wäre, liegt im Streitfall nicht vor.

38

a) Gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG ist der nach Abs. 1 dieser Vorschrift nicht ausgleichsfähige Verlust jährlich gesondert festzustellen. Diese Feststellung ist einheitlich durchzuführen, wenn es sich bei dem Steuerstundungsmodell um eine Gesellschaft im Sinne von § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO handelt und die Feststellung mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte verbunden wird (§ 15b Abs. 4 Satz 5 2. Halbsatz EStG). Nach § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Ein Steuerstundungsmodell in diesem Sinne liegt nach Abs. 2 der Vorschrift vor, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen.

39

b) Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drucks. 16/107 vom 29.11.2005) liegen Steuerstundungsmodelle immer dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten wird, zumindest in der Anfangsphase der Investition die prognostizierten Verluste mit übrigen positiven Einkünften zu verrechnen. Die Regelung solle aber auch modellhafte Anlage- und Investitionstätigkeiten einzelner Steuerpflichtiger außerhalb einer Gesellschaft oder Gemeinschaft erfassen. Für die Modellhaftigkeit spreche ein vorgefertigtes Konzept, welches typischerweise - wenn auch nicht zwingend - mittels eines Anlegerprospekts oder in vergleichbarer Form (z.B. Katalog, Verkaufsunterlagen, Beratungsbögen usw.) vermarktet werde. Charakteristisch sei zudem eine Bündelung von Verträgen und / oder Leistungen durch den Anbieter. Weiterhin spreche für die Annahme eines Steuerstundungsmodells, wenn der Anleger vorrangig eine kapitalmäßige Beteiligung ohne Interesse an einem Einfluss auf die Geschäftsführung anstrebe.

40

Auch nach dem zu § 15b EStG ergangenen Anwendungsschreiben des BMF vom 17.07.2007 (BStBl I 2007, 542) sollen nach Tz. 8 für die Frage der Modellhaftigkeit vor allem das Kriterium eines vorgefertigten Konzeptes und gleichgerichteter Leistungsbeziehungen, die im Wesentlichen identisch sind, maßgeblich sein. Ferner - so Tz. 7 a.E. - erfasse die Vorschrift auch modellhafte Anlage- und Investitionstätigkeiten einzelner Steuerpflichtiger, z.B. die mit Darlehen gekoppelte Lebens- und Rentenversicherung gegen Einmalbetrag (Hessisches FG, Beschluss vom 29.10.2010 11 V 252/10, IStR 2011, 116).

41

c) Das Gericht kann eine derartige modellhafte Gestaltung im Streitfall nicht erkennen. Es fehlt an einem vorgefertigten Konzept. Ein vorgefertigtes Konzept ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich an nicht näher bestimmte Interessenten richtet oder zur wiederholten Verwendung geeignet ist (vgl. auch BFH, Beschluss vom 08.04.2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Insbesondere ist eine Passivität des Investors bei der Entwicklung der Geschäftsidee und der Vertragsgestaltung für eine modellhafte Gestaltung charakteristisch. Die Passivität des Investors ergibt sich aus dem Wortlaut des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Dieser Wortlaut belegt, dass das vorgefertigte Konzept an den Steuerpflichtigen herangetragen, ihm angeboten werden muss (vgl. auch Reiß in Kirchhof, EStG, 8. Auflage, § 15b Rdnr.37). Vorliegend haben die inländischen Gesellschafter jedoch die Gründung der ausländischen Gesellschaft initiiert und wesentlich die Vertragsgestaltung mitgestaltet. Von einer Passivität der Investoren kann im Streitfall daher keine Rede sein. Es liegt vielmehr eine individuelle Gestaltung vor, auf die die beigeladenen Gesellschafter Einfluss nehmen konnten. Zudem haben sich die inländischen Gesellschafter nicht nur am Kapital der Klägerin beteiligt, sondern sie nehmen nach dem unwidersprochenen klägerischen Vortrag auch individuell Einfluss auf die Geschäftsführung der Klägerin, was ebenfalls gegen ihre Passivität und gegen die Modellhaftigkeit spricht. Schließlich wird die individuelle Gestaltung durch die aktive wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin auf dem Edelmetallmarkt bestätigt. Die Klägerin ist Mitglied der Vereinigung professioneller Edelmetallhändler. Dieser in London ansässige Wirtschaftsverband koordiniert die Aktivitäten und Interessen seiner internationalen Mitglieder und deren Teilnahme am Londoner Goldmarkt. Dieser Markt ist der wichtigste außerbörsliche Handelsplatz für Gold und Silber sowie einer der global bedeutenden Rohstoffhandelsplätze in London. Hier wird der Weltmarktpreis für Gold und Silber festgestellt. Der Handel wird unter den Mitgliedern des Wirtschaftsverbands - unter Aufsicht der Bank of England - durchgeführt. Mitglieder dieser Vereinigung sind große internationale Banken, Hersteller, Veredler, Verarbeiter, Produzenten und Händler auf der ganzen Welt. Sie handeln in der Regel untereinander und mit ihren Kunden auf eigene Rechnung, was bedeutet, dass sie alle Risiken tragen. Die Klägerin hat für ihre Tätigkeit im Goldhandel eigene Räume in London angemietet. Von diesen Räumen aus führt ihr Geschäftsführer D, der bereits zuvor in verschiedenen Unternehmen im Bereich des Edelmetallhandels leitend tätig war, ohne Einschaltung eines externen Brokers den Edelmetallhandel für die Klägerin durch. Auch aufgrund dieser Vorgaben an den vorliegenden Goldhandel kann im Streitfall nicht mehr von einer modellhaften Anlage gesprochen werden.

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d) Der Beklagte räumt auch ein, dass kein typisches Anlegerkonzept mit Vermarktungsinstrumenten (wie Verkaufsprospekte, Kataloge etc.) feststellbar sei und es an der Bereitstellung eines Bündels an Haupt-, Zusatz- und Nebenleistungen fehle. Der Beklagte sieht jedoch das Steuerstundungsmodell jedenfalls darin, dass durch die Umsetzung der in der Einspruchsentscheidung aufgeführten Komponenten - Gründung einer ausländischen Personengesellschaft im DBA-Ausland am Ende eines Jahres mit einer ausländischen Betriebsstätte, Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG), Handel mit hochwertigen Gütern als Umlaufvermögen, nur in geringem Umfang Verkäufe im Gründungsjahr - unabhängig von Variationen hinsichtlich der gehandelten Wirtschaftsgüter der im Ausland anfallende Verlust im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu einem niedrigen Steuersatz im Inland führt. Dieses Modell sei bundesweit in einer Vielzahl von Fällen umgesetzt und auch in diversen Zeitschriften beworben worden.

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Der Senat verkennt nicht, dass hier eine Gestaltung zur Steuerersparnis durch die gezielte Ausnutzung des negativen Progressionsvorbehalts entwickelt wurde, welche auch in zahlreichen Fällen - mit Variationen - beworben und umgesetzt wurde. Dies führt jedoch  nicht dazu, dass im Streitfall von einer modellhaften Anlage im Sinne des § 15b EStG gesprochen werden kann. Denn einen solch weit gefassten Begriff des Steuerstundungsmodells kann der Senat nicht in § 15b Abs. 2 EStG erblicken. Das Sächsische Finanzgericht hat zu dieser Rechtsfrage in seinem Urteil vom 05.05.2010 - 8 K 1853/09 - (DStR 2012, 2053) folgendes ausgeführt:

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"Der Senat vermag sich einem solcherart weit gefassten und abstrakten Begriff des Steuerstundungsmodells, insofern er als Tatbestandsmerkmal in § 15b Abs. 1 EStG fungiert, nicht anzuschließen. Denn er lässt allein den Effekt des Steuervorteils genügen. Er entzieht der Vorschrift des § 15b Abs. 1 EStG die fassbare Grundlage im Bereich des tatsächlichen Geschehens. Eine Anwendung der Vorschrift ohne Bezugnahme auf konkrete Tatsachen immer dann, wenn das Zusammenwirken gesetzlicher Bestimmungen einen Steuervorteil ergibt und häufig genutzt wird, lag aber nach dem Verständnis des Senats nicht in der Absicht des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat nämlich, wie sich aus der schon zitierten Gesetzesbegründung ergibt, über Anhaltspunkte im tatsächlichen Vorgehen etwa von Anbietern eines vorgefertigten Konzepts bei der Suche nach Interessenten den entscheidenden Begriff des Steuerstundungsmodells näher zu bestimmen und einzugrenzen versucht."

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Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Sächsischen Finanzgerichts an und macht sie sich zu eigen. Es spricht zwar Vieles dafür, dass das eigentliche Steuersparkonzept in Form der Durchführung der vorbezeichneten Komponenten für eine Vielzahl von Fällen entwickelt wurde. Allein die Umsetzung eines zuvor allgemein beworbenen Grundkonzepts zur Steuerersparnis kann jedoch die Annahme eines Steuerstundungsmodells im Sinne des § 15b EStG nicht begründen. Die vorliegende steuerliche Gestaltung beruht zudem - auch wenn sie auf dem eigentlichen Grundmodell zur Steuerersparnis aufbaut - auf individuellen Vereinbarungen, so dass sie insoweit auch von den Modellen in den anderen beworbenen Fällen abweicht. Es mag zwar sein und ist sogar wahrscheinlich, dass das vorliegende Grundkonzept an die beigeladenen Gesellschafter von ihren steuerlichen Beratern zwecks Steuereinsparung herangetragen wurde. Dieses wurde jedoch sodann individuell ausgestaltet. Nach dem Gesetzeswortlaut und den Gesetzesmaterialien ist die Annahme eines Steuerstundungsmodells immer dann ausgeschlossen, wenn steuerliche Vorteile aufgrund einer individuellen Gestaltung - wie im Streitfall - erzielt werden.

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e) Für dieses Ergebnis spricht zudem die vorgesehene Neuregelung des § 32b EStG durch das Jahressteuergesetz 2013. Durch eine Ergänzung des § 32b Abs. 2 EStG sollen bei den dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Verluste zur Vermeidung von Gestaltungsmissbrauch bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes erst dann Anschaffungs-/Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens berücksichtigt werden, wenn sie veräußert oder entnommen werden (§ 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2c EStG). In den Gesetzesmaterialien heißt es hierzu:

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"Die vorgesehene Ergänzung des § 32b Abs. 2 EStG dient der besseren Verwirklichung des mit dem Progressionsvorbehalts verfolgten Ziels der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Einkünfte, die - z. B. aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens - in Deutschland steuerfrei gestellt sind, wirken sich über den sog. Progressionsvorbehalt auf den persönlichen Steuersatz des Steuerpflichtigen aus. Jedoch können die steuerpflichtigen inländischen Einkünfte maximal mit dem Spitzensteuersatz besteuert werden. Werden bereits die inländischen steuerpflichtigen Einkünfte mit dem Spitzensteuersatz besteuert, wirken sich positive Progressionseinkünfte steuerlich nicht mehr aus. Aufgrund dieser technischen Wirkungsweise des § 32b EStG ist es erforderlich, bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes nach § 32b Absatz 2 EStG für dem Progressionsvorbehalt unterliegende Gewinneinkünfte die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Umlaufvermögen nicht sofort zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen. Den Ausgaben für den Erwerb der entsprechenden Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens steht deren Wert gegenüber, so dass sich keine sofortige Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ergibt. Diese für den Erwerb entstehenden Kosten können künftig erst in dem Zeitpunkt gewinnmindernd berücksichtigt werden, in dem der Veräußerungserlös vereinnahmt wurde oder die Wirtschaftsgüter entnommen wurden. Durch diese zeitlich versetzte Berücksichtigung von Betriebsausgaben bei Progressionseinkünften wird insbesondere erreicht, dass sich die Gewinne aus dem Erwerb und dem späteren Verkauf von Umlaufvermögen in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie erzielt werden, im erforderlichen Maße durch Erhöhung des persönlichen Steuersatzes des Steuerpflichtigen steuerlich auswirken. Nur dadurch ist sichergestellt, dass auch bei ausländischen Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit - also die Besteuerung der im Inland steuerpflichtigen Einkünfte mit dem Steuersatz, der für das Welteinkommen anzuwenden wäre (vgl. BFH, Urteil vom 12. Januar 2011, BStBl II S. 494) - eingehalten wird" (BT Drucks. 17/11220, Seite 36).

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Die beabsichtigte Ergänzung des § 32b Abs. 2 EStG durch das Jahressteuergesetz 2013, die nach § 52 Abs. 43a Satz 11 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2013 keine rückwirkende Anwendung finden soll, macht deutlich, dass es vor dieser Gesetzesänderung keine gesetzlichen Vorschriften gab, die solche Steuergestaltungen verhindern konnten.

3.

49

Da bereits der Anwendungsbereich des § 15b EStG nicht eröffnet ist, muss das Gericht nicht auf die von der Klägerin angesprochene Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm eingehen (vgl. auch BFH, Beschluss vom 08.04.2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Auch kommt es auf die Frage, ob die Vorschrift des § 15b EStG überhaupt den negativen Progressionsvorbehalt auszuschließen vermag, nicht mehr an.

III.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

51

Die Revision wird wegen besonderer Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Das vorliegende Grundmodell - Gründung bzw. Beteiligung eines im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen, dessen Einkünfte bereits mit dem Spitzensteuersatz versteuert werden, an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft im DBA-Ausland, die mit hochwertigem Umlaufvermögen handelt und die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt; Berücksichtigung des im Jahr der Anschaffung des Umlaufvermögens erwirtschafteten Verlustes beim einkommensstarken inländischen Gesellschafter im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalt; in den Gewinnjahren der Personengesellschaft keine nennenswerte steuerliche Mehrbelastung des inländischen Gesellschafters im Rahmen des positiven Progressionsvorbehalts, weil bereits der Spitzensteuersatz erreicht ist - betrifft eine Vielzahl von Fällen, so dass für die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15b EStG eine höchstrichterliche Klärung erforderlich ist.

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