Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (5. Senat) - 5 K 1003/16


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Tenor

I. Der Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 6. Oktober 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2015 wird dahin gehend geändert, dass ein weiterer Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 9.000,- € Berücksichtigung findet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu 83 v. H. und der Beklagte zu 17 v. H. zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger über den vom Beklagten in Höhe von 13.500,- € anerkannten Auflösungsverlust im Jahr 2012 hinaus weitere nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 44.000,- € als Verlust gemäß § 17 EStG geltend machen kann.

2

Die Kläger wurden im Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und machte einen Auflösungsverlust nach § 17 EStG geltend, wobei allein dessen Höhe zwischen den Beteiligten streitig ist.

3

Die B GmbH (im Folgenden: GmbH) war mit notarieller Urkunde vom 8. September 2009 vom Kläger und Herrn L gegründet worden. Sitz der GmbH war W. Gegenstand des Unternehmens war die Bereitstellung einer Internetplattform zur Vermittlung von Warengeschäften für Baustoffe und sonstiges Baubedarfsmaterial. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 25.000,- €. Hiervon übernahmen der Kläger und Herr L jeweils 12.500,- €. Die Stammeinlage war sofort voll in bar einzuzahlen. Die GmbH war auf unbestimmte Zeit gegründet worden. Geschäftsjahr war das Kalenderjahr.

4

Mitte Dezember 2009 gewährten der Kläger und Herr L der GmbH Darlehen in Höhe von jeweils 22.000,- €. In der Bilanz zum 31. Dezember 2009 waren die der GmbH vom Kläger und von Herrn L geliehenen Beträge als Verbindlichkeiten erfasst worden. Beim Kläger erfasste die GmbH ein Darlehen in Höhe von 22.010,23 € (Konto 1701; Kläger) und bei Herrn L in Höhe von 22.000,- € (Konto 1706; Herr L). In den dem Beklagten vorgelegten Bilanzen zum 31. Dezember 2010, zum 31. Dezember 2011 und zum 21. August 2012 wurden die Gesellschafterdarlehen weiterhin als Verbindlichkeiten erfasst.

5

Mit notarieller Urkunde vom 9. November 2010 verkaufte Herr L seinen Geschäftsanteil an der GmbH für 10.000,- € an den Kläger. In § 1 Abs. 4 Buchst c. wurde festgehalten, dass der Verkäufer keine Forderungen gegen die Gesellschaft aus Darlehen oder aus Rechtshandlungen hat, die einem Darlehen entsprechen. Für solche Forderungen hat die Gesellschaft in der Vergangenheit auch keine Befriedigung oder Sicherung gewährt. In § 3 Nr. 1 garantierte der Verkäufer, dass die auf den verkauften Geschäftsanteil zu leistenden Bareinlagen ohne Verstoß gegen das Verbot der verschleiernden Sacheinlage in voller Höhe erbracht und die Bar- und Sacheinlagen so bewirkt sind, dass sie endgültig, uneingeschränkt zur freien Verfügung der Gesellschaft stehen. In § 3 Nr. 2 übernahm der Verkäufer keine über Nr. 1 hinausgehenden Garantien oder Haftungen. Sämtliche Rechte und Ansprüche des Verkäufers über Nr. 1 hinaus waren ausgeschlossen.

6

Mit notarieller Urkunde vom 16. Februar 2011 wurde mit Ablauf dieses Tages die Auflösung der GmbH beschlossen. Der Kläger wurde als Geschäftsführer abberufen und zu ihrem Liquidator bestellt. Mit weiterer notarieller Urkunde vom 16. Februar 2011 wurde die Auflösung der Gesellschaft, die Abberufung ihres Geschäftsführers und die Bestellung des Klägers zum Liquidator, der die Gesellschaft alleine vertritt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Zum 24. Juli 2012 wurde das Gewerbe der GmbH abgemeldet.

7

Ausweislich der Bilanzen der GmbH erwirtschaftete sie im Gründungsjahr 2009 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von -4.962,41 €, im Jahr 2010 in Höhe von -40.690,15 €, im Jahr 2011 in Höhe von -3.470,- € und ausweislich der Liquidationsbilanz zum 21. August 2012 in Höhe von -20.989,73 €.

8

In der Einkommensteuererklärung für 2012 erklärte der Kläger einen Veräußerungsverlust in Höhe von 39.900,- €. Aus der Anlage zu Einkommensteuererklärung 2012 ergab sich, dass der Kläger den Verlust aus der Liquidation der GmbH geltend machte.

9

Der vom Kläger berechnete Veräußerungsverlust ergab sich aus den von ihm erworbenen beiden Kapitalanteilen in Höhe von jeweils 12.500,- €, die er für 12.500,- € und für 10.000 € erworben hatte sowie aus der vom Kläger geltend gemachten Erhöhung der „Kapitaleinlage“ von 44.000,- € gemäß der Gesellschafterversammlung vom 30. Juni 2010. Hiernach fand am 30. Juni 2010 eine Gesellschafterversammlung der GmbH statt, in der die vom Kläger und von Herrn L der GmbH gewährten Darlehen in „Kapitaleinlagen“ gewandelt wurden. Die Gesellschafter beschlossen die im Dezember 2009 gezahlten, zinsfreien Darlehen von jeweils 22.000,- € (gesamt 44.000,- €) in eine „Kapitaleinlage“ zu wandeln. Zugleich hielten die Gesellschafter fest, dass keine Darlehen (mehr) für die GmbH bestanden.

10

Die in der Gesellschafterversammlung vom 30. Juni 2010 beschlossene Umwandlung der Gesellschafterdarlehen aus dem Jahr 2009 in Kapitaleinlagen war in den Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 2010, zum 31. Dezember 2011 und zum 21. August 2012 nicht umgesetzt worden. Der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 ging beim Beklagten am 23. April 2012 ein. Er war weder vom Kläger noch vom Bevollmächtigten des Klägers unterschrieben.

11

Mit Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 6. Oktober 2014 berücksichtigte der Beklagte einen Veräußerungsverlust in Höhe von 13.500,- €. In den Erläuterungen führte er aus, dass der Verlust nach § 17 EStG nur zum Teil berücksichtigt worden sei, da die erklärte Umwandlung der Verrechnungskonten in eine Kapitaleinlage nicht nachgewiesen worden sei (siehe Beanstandungsschreiben). Der Betrag in Höhe von 13.500,- € ergebe sich nach dem Teileinkünfteverfahren in Höhe von 60 % der Anschaffungskosten des Klägers für das Stammkapital der GmbH (= 22.500,- € × 60 %).

12

Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch. Der Verlust gemäß § 17 EStG sei nicht vollständig berücksichtigt worden. Anbei lägen die fehlenden Nachweise, dass das Kapital in Höhe von 44.000,- € + 25.000,- € geflossen sei. Die Kapitalerhöhung bei der GmbH sei vom Steuerbüro nicht richtig verbucht worden.

13

Mit Schreiben vom 10. November 2014 wies der Beklagte darauf hin, dass die Nachweise zur Umwandlung von Verrechnungskonten in eine „Kapitaleinlage“ nicht vorgelegt worden seien.

14

Mit Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

15

Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, dass sie sich gegen den vom Beklagten vermittelten Eindruck verwahrten, dass korrigierte Jahresabschlüsse und Gesellschafterbeschlüsse nachträglich erstellt worden seien. Er - der Kläger - sei juristischer Laie. Wenn in dem Gesellschafterbeschluss vom 30. Juni 2010 eine Erhöhung des Stammkapitals gemeint gewesen wäre, dann hätte der Vertrag auch notariell beurkundet werden müssen. Dies sei hier nicht erfolgt und sei auch nicht beabsichtigt gewesen. Eine Stammkapitalerhöhung sei nicht vorgesehen gewesen. Er - der Kläger - begehre neben dem Verlust aus den GmbH-Anteilen auch den Verlust aus den Gesellschafterdarlehen. Soweit die Zahlungen laut Vertrag vom 4. Dezember 2009 und Gesellschafterbeschluss vom 30. Juni 2010 als Kapitalrücklagen eingeordnet würden, hätten sich die Anschaffungskosten um weitere 44.000,- € erhöht.

16

Bilanzielle Fragen bei der GmbH seien nachrangig bzw. berührten § 17 EStG nicht. Soweit man die Zahlungen des Klägers an die Gesellschaft als „Kapitalrücklagen“ einordne, lägen Anschaffungskosten im Sinne von § 17 EStG i. V. m. § 6 EStG vor. Alternativ und unabhängig von der Einordnung, ob der Kläger ein „krisenbestimmtes“ Darlehen oder sogar ein Finanzplandarlehen gegeben habe, lägen auch die Voraussetzungen für ein kapitalersetzendes Darlehen vor. Die Darlehen seien nicht in der Krise gegeben worden. Im Dezember 2009 habe noch keine Krise vorgelegen. Die Darlehen seien auch nicht in der Krise zurückgezogen worden. Damit lägen sämtliche Voraussetzungen für nachträgliche Anschaffungskosten vor, die mit dem Nennwert anzusetzen seien. Anhaltspunkte für eine Minderung der Anschaffungskosten ergäben sich laut Sachverhalt nicht. Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 11. März 2016 und vom 10. Mai 2016 verwiesen.

17

Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 6. Oktober 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2015 dahin gehend zu ändern, dass ein weiterer Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 44.000,- € berücksichtigt wird.

18

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

19

Er trägt vor, dass die zutreffende Ermittlung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG voraussetze, dass auch die Verhältnisse der Gesellschaft, an der der Kläger beteiligt gewesen sei, d. h. insbesondere die Bilanzansätze, bekannt seien. Wie in der Einspruchsentscheidung dargestellt, seien in der am 30. November 2010 zum 31. Dezember 2009 erstellten Bilanz weder Darlehen der Gesellschafter noch eine Kapitalrücklage, sondern nur Verrechnungskonten der beiden Gesellschafter in Höhe von 22.010,23 € (den Kläger betreffend) und in Höhe von 22.000,- € (Herrn L betreffend) ausgewiesen gewesen.

20

Der Kläger habe mit notariellem Kaufvertrag vom 9. November 2010 den Geschäftsanteil seines Mitgesellschafters erworben. Dieser Vertrag enthalte keine Regelung hinsichtlich des vom Mitgesellschafter der Gesellschaft gewährten Darlehens bzw. des Verrechnungskontos in Höhe von 22.000,- €. Obwohl trotz Aufforderung nicht erläutert bzw. nachgewiesen worden sei, ob bzw. wie die Übernahme des Darlehens bzw. des Verrechnungskontos gegenüber dem ehemaligen Mitgesellschafter geregelt worden sei, werde in den Bilanzen zum 31. Dezember 2010 und zum 31. Dezember 2011 ein Verrechnungskonto des Klägers in Höhe von jeweils 44.010,23 € ausgewiesen.

21

Abgesehen von der nicht nachgewiesenen Höhe des Verrechnungskontos des Klägers hätte ein Verlust aus dem Ausfall des Verrechnungskontos nur anerkannt werden können, wenn es sich um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen des Klägers gehandelt hätte. Der Kläger habe letztlich nicht nachgewiesen, ob und in welcher Höhe Verluste aus Finanzierungsmaßnahmen im Rahmen eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG entstanden seien.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage hat teilweise Erfolg. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nach § 100 Abs. 1 S. 1 FGO hinsichtlich der von den Klägern begehrten Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten in Höhe von 44.000,- € nicht rechtswidrig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (hierzu unter I.). Er ist jedoch rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit er lediglich 13.500,- € für die vom Kläger angeschafften Geschäftsanteile und nicht 22.500,- € berücksichtigt hat (hierzu unter II.).

23

I. Der Auflösungsverlust ist nicht um nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 44.000,- € zu erhöhen.

24

1. Entgegen der Auffassung der Kläger haben sie die in den dem Beklagten vorgelegten Jahresabschlüssen 2009 bis 2011 und in der Liquidationsbilanz zum 21. August 2012 ausgewiesenen Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern nicht nach § 4 Abs. 2 EStG in Kapitaleinlagen ändern können. Zum einen sind die vorliegenden Jahresabschlüsse Grundlage für die Steuerfestsetzungen der GmbH in den Jahren 2009 bis 2011 gewesen, so dass eine Änderung nach § 4 Abs. 2 EStG ausscheidet. Zum anderen können tatsächliche Vorgänge – hier die Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern – nicht über Bilanzänderungen in Einlagen abgeändert werden (vgl. Heinicke in: Schmidt, EStG-Kommentar, 36. Aufl. § 4 Rn.750 – dort wird die Rückgängigmachung von tatsächlichen Vorgängen durch Bilanzänderungen ausgeschlossen -).

25

2. Der Kläger hat durch die von ihm und seinem Mitgesellschafter im Dezember 2009 der GmbH begebenen Darlehen keine nachträglichen Anschaffungskosten gehabt, die mit den Nennwerten zu berücksichtigen gewesen sind.

26

a) Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 S. 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 S. 2 HGB auch nachträgliche Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Zu in diesem Sinne funktionellem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft (§ 32a GmbHG a. F.) ein Darlehen gewährt, eine Bürgschaft übernimmt, eine Sicherheit bestellt oder eine andere Rechtshandlung i. S. des § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a.F. unternimmt und diese Finanzierungsmaßnahmen eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt (BFH-Urteil vom 14. März 2012, IX R 37/11, BStBl II 2012, 487, juris-Ausdruck Rn.15 und ständige BFH-Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2010, IX R 16/10, BFH/NV 2011, 778).

27

b) Die Anschaffungskosten eines Gesellschafters für seine Beteiligung erhöhen sich um den Nennwert seiner wertlos gewordenen Forderungen auf Rückerstattung des gewährten Darlehens, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehenshingabe und der Bürgschaftsübernahme wegen fehlender Kreditwürdigkeit bereits in der sog. Krise war oder die Darlehen und Bürgschaften auch für den Fall der Krise bestimmt waren. Den Krisendarlehen und krisenbestimmten Darlehen stehen die sog. Finanzplandarlehen gleich. Für die sog. gesellschafterbesicherten Darlehen, die der Gesellschaft von Dritten in der Krise oder (auch) für die Krise gewährt werden, ist diese Erweiterung des Kapitalersatzrechts anerkannt. Es kommt deshalb in diesen Fällen nur darauf an, ob das Drittdarlehen oder eine Finanzierungshilfe anderer Art in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 1999, VIII R 50/98, BStBl II 1999, 559 m. w. N.).

28

Ist das Darlehen von vornherein krisenbestimmt gewesen oder aber im Rahmen eines erkennbaren Finanzplans vom Kläger übernommen worden, so ist der Nennwert der wertlos gewordenen Rückgriffsforderung aus der für die Gesellschaft übernommenen Bürgschaft anzusetzen. Fällt der Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft mit einem solchen „krisenbestimmten" Darlehen aus, führt das im Allgemeinen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe des Nennwerts des Darlehens. Das beruht auf der Erwägung, dass bei „krisenbestimmten" Darlehen die Bindung bereits mit dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung im Zeitpunkt der Krise eintritt und deshalb der Verlust des Darlehens auf diesem Verzicht und nicht nur auf den später eintretenden gesetzlichen Rechtsfolgen der Krise beruht (BFH-Urteil vom 25. Mai 2011, IX R 54/10, BFH/NV 2011, 2029, ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 10. November 1998, VIII R 6/96, BStBl II 1999, 348 und vom 13. Juli 1999, VIII R 31/98, BStBl II 1999, 724). Die Bestimmung des Darlehens zur Krisenfinanzierung kann sich aus den objektiven Umständen der Darlehenshingabe, aber auch aus einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Erklärung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft oder - wie etwa im Falle eines Rangrücktritts - gegenüber der Gesellschaft selbst ergeben.

29

Ist das Darlehen hingegen erst durch das Stehenlassen bei Kriseneintritt eigenkapitalersetzend geworden, so ist die Rückgriffsforderung mit ihrem gemeinen Wert zu diesem Zeitpunkt anzusetzen.

30

c) Unter Beachtung dieser Grundsätze haben der Kläger und Herr L als Gesellschafter der GmbH im Dezember 2009 Darlehen gewährt, die entsprechend der zugleich getroffenen Rückzahlungsvereinbarung an sie zurückgeführt werden sollten. Eine Krisenbestimmtheit bzw. in einen Finanzplan eingebundene Darlehen lagen - auch entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung - zur Überzeugung des Gerichts nicht vor. Vielmehr handelte es sich um der GmbH von ihren Gesellschaftern in Form von Darlehen zur Verfügung gestelltes Fremdkapital, das zwar zinsfrei, aber – wie auch unter fremden Vertragspartnern üblich - in 22 monatlichen Tilgungsraten zurückgeführt werden sollte. Hinzu kommt, dass die GmbH im Zeitpunkt der Begebung der Gesellschafterdarlehen im Dezember 2009 weder zahlungsunfähig noch überschuldet gewesen ist, die Gesellschafter weder auf ihr Kündigungsrecht nach § 490 Abs. 1 BGB verzichtet noch in erkennbarer Weise Rangrücktrittserklärungen abgegeben haben.

31

d) Nach dem Vorbringen der Kläger sind das vom Kläger gewährte und das vom Mitgesellschafter L übernommene Darlehen in der Krise der GmbH stehen gelassen worden. Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH wurde als Krise der Zeitpunkt festgelegt, in dem die Gesellschafter der Gesellschaft als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000, VIII R 22/92, BStBl II 2001, 385). Das ist der Fall, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung oder Weitergewährung der Darlehen entweder insolvenzreif oder kreditunwürdig geworden ist. In einer solchen Situation wäre nämlich ein Nichtgesellschafter als ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung nicht eingegangen und hätte das Darlehen nicht gewährt oder hätte das Darlehen nicht stehen lassen. Ob die Gesellschaft in eine Krise geraten ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2015, 2 K 2506/13, EFG 2016, 2070 und BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000, VIII R 22/92, a.a.O.). Der Senat geht in Anlehnung an die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Krise einer Gesellschaft davon aus, dass diese in jedem Fall dann vorliegt, wenn sich ausweislich eines von der Gesellschaft vorgelegten Jahresabschlusses eine deutliche Überschuldung der GmbH ergibt und ihr Stammkapital vollständig aufgebraucht ist, d. h. sie im Grunde insolvent ist. Wird – wie im Streitfall – ein vom Gesellschafter gewährtes Darlehen trotz des Kündigungsrechts in dieser Situation gemäß § 490 Abs. 1 BGB nicht gekündigt, sondern stehen gelassen, liegt in Anlehnung an die bisherige ständige höchstrichterliche Rechtsprechung eine Finanzierungsmaßnahme des Gesellschafters vor, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Ein fremder Darlehensgeber hätte das Darlehen in dieser Situation außerordentlich gekündigt. Im Streitfall hat die Krise der GmbH ausweislich des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2010 bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen und dazu geführt, dass sie spätestens zum Stichtag 31. Dezember 2010 mit -20.652,56 € überschuldet gewesen ist. Ihr Stammkapital war zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig aufgebraucht und sie war im Grunde insolvent.

32

Ungeachtet der Überschuldung der GmbH hat der Kläger, der seit dem 9. November 2010 alleiniger Gesellschafter der GmbH gewesen ist, das ausweislich der Bilanz von ihm der GmbH gewährte Darlehen in Höhe von 22.000,- € und das nach seinen nicht belegten Angaben von Herrn L übernommene Darlehen in gleicher Höhe stehen lassen.

33

Soweit der Kläger sein Darlehen vom Dezember 2009 trotz der spätestens zum Stichtag 31. Dezember 2010 eingetretenen Krise stehen gelassen hat, kann er es entgegen seiner Auffassung nicht mit dessen Nennwert in Höhe von 22.000,- €, sondern lediglich mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Liquidation der GmbH zum 21. August 2012 ansetzen. Dieser liegt nach Überzeugung des Gerichts nicht bei 22.000,- €, sondern bei 0,- €. Eingedenk der Überschuldung der GmbH seit dem zum 31. Dezember 2010 in Höhe von -20.652,56 € hätte ein fremder Dritter für das der GmbH vom Kläger gewährte Darlehen nichts mehr gezahlt. Ungeachtet dessen, dass der Kläger nicht belegt hat, dass er das Darlehen von Herrn L tatsächlich übernommen hat, worauf die Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 2010, zum 31. Dezember 2011 und die Liquidationsbilanz zum 21. August 2012 hindeuten, beträgt der gemeine Wert dieses Darlehens zum 21. August 2012 ebenfalls 0,- €.

34

e) Zu Recht hat der Beklagte weiter darauf hingewiesen, dass der Kläger bis heute nicht belegt hat, dass er das Darlehen von Herrn L überhaupt übernommen hat. Dass das Darlehen von Herrn L vom Kläger möglicherweise nicht übernommen worden ist, ergibt sich aus § 1 Abs. 4 Buchst. c der notariellen Urkunde vom 9. November 2010. Dort ist festgehalten worden, dass der Verkäufer (Herr L) keine Forderungen aus Darlehen gegen die Gesellschaft hat. Auf Vorhalt dieser Regelung im notariellen Übertragungsvertrag vom 9. November 2010 hat der Bevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung lediglich erklären können, dass der Kläger die notarielle Urkunde möglicherweise nicht genau gelesen habe. Er hat - trotz der beim Kläger liegenden Feststellungslast - jedoch nicht ausschließen können, dass das von Herrn L der GmbH gewährte Darlehen vor der Anteilsübertragung bereits zurückgeführt worden ist, wofür - wie dargelegt - spricht, dass in der notariellen Urkunde ausdrücklich festgehalten worden ist, dass Herr L keine Forderungen (mehr) aus Darlehen gegen die Gesellschaft hat.

35

Auch aus diesem Grund kann das zunächst von Herrn L gewährte Darlehen bei der Berechnung der nachträglichen Anschaffungskosten des Klägers keine Berücksichtigung finden.

36

f) Nach alledem hat der Beklagte den Wert des vom Kläger im Dezember 2009 der GmbH gewährten Darlehens und des (möglicherweise) vom Mitgesellschafter L übernommenen Darlehens, nicht mit den Nennwerten, sondern zutreffend nur mit dem gemeinen Wert in Höhe von 0,- € angesetzt.

37

3. Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass selbst wenn die Gesellschafterdarlehen vom 4. Dezember 2009 mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Juni 2010 in Einlagen der Gesellschafter umgewandelt worden sein sollten, dies nicht dazu führt, dass nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 44.000,- € zu berücksichtigen gewesen sind.

38

a) Zum einen hat der Beklagte die tatsächliche Umwandlung der beiden Darlehen der Gesellschafter in Kapitaleinlagen zum 30. Juni 2010 zu Recht in Zweifel gezogen, da dies in den dem Beklagten von der GmbH vorgelegten Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 2009 bis 2011 und in der Liquidationsbilanz zum 21. August 2012 in keiner Weise umgesetzt worden ist. Insoweit trifft den Kläger die Feststellungslast.

39

b) Zum anderen übersieht der Kläger, dass die „Einlagen“ – so sie denn zum 30. Juni 2010 umgesetzt worden sein sollten - gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG mit dem Teilwert zu bewerten gewesen wären. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger den Kapitalanteil des Mitgesellschafters L mit notarieller Urkunde vom 9. November 2010 für 10.000,- € (ohne jegliche weitere Zahlung) erwarb und in § 3 Nr. 2 garantierte, dass „sämtliche Rechte und Ansprüche des Käufers über Nr. 1 hinaus ausgeschlossen sind“. Unterstellt, das Darlehen von Herrn L wurde - trotz des unterbliebenen Ausweises in der Bilanz zum 30. Dezember 2010 - tatsächlich zum 30. Juni 2010 in eine Einlage umgewandelt, spricht der Umstand, dass der Kläger hierfür in der notariellen Urkunde vom 9. November 2010 nichts aufgewendet hat, dafür, dass selbst der Kläger den Teilwert der Einlage zum 30. Juni 2010 mit 0,- € eingestuft hat.

40

Demzufolge hätte der Teilwert beider Einlagen aus dem umgewandelten Darlehen des Klägers und dem von Herrn L gewährten Darlehen infolge der Überschuldung der GmbH seit dem 31. Dezember 2010 zum Realisationszeitpunkt 21. August 2012 ebenfalls bei 0,- € gelegen.

41

II. Bei den Anschaffungskosten des Klägers für die Gesellschaftsanteile der GmbH in Höhe von 12.500,- € und in Höhe von 10.000,- € für den von Herrn L im November 2010 erworbenen Anteil hat der Beklagte hingegen zu Unrecht das Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c S. 2 EStG und das Teilabzugsverbot gemäß § 3c Abs. 2 S. 1 EStG berücksichtigt.

42

a) Ausweislich der Bilanzen der GmbH erwirtschaftete sie während ihres gesamten Bestehens ausschließlich Verluste. Gleichermaßen erzielte der Kläger im Zuge der Liquidation der GmbH im Sinne von § 17 Abs. 4 EStG keinerlei Einnahmen. Infolge der Überschuldung der GmbH zum 21. August 2012 in Höhe von insgesamt -45.112,29 € (= Stammkapital von 25.000,- € abzüglich Verlustvortrag von -49.122,56 € abzüglich Jahresfehlbetrag während der Liquidation von -20.989,73 €) konnte die GmbH an den Kläger nichts mehr auskehren.

43

Erzielte die GmbH jedoch während ihres Bestehens keine Einnahmen und konnte sie infolge ihrer Überschuldung nach ihrer Liquidation an den verbliebenen Gesellschafter nichts auskehren, erzielte sie im Sinne von § 3c Abs. 2 S. 1 2. Halbsatz EStG keine Einnahmen. Dies hat zur Folge, dass das Teilabzugsverbot gemäß § 3c Abs. 2 EStG nicht greift (vgl. BFH-Urteil vom 6. April 2011, IX R 40/10, BStBl II 2011, 785).

44

b) Infolgedessen hat der Beklagte rechtsfehlerhaft nur 60% der Anschaffungskosten in Höhe von 13.500,- € berücksichtigt, obwohl er die vom Kläger erbrachten Anschaffungskosten in Höhe von 22.500,- € hätte in Ansatz bringen müssen.

45

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S. 1 FGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 2, 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).

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