Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht (2. Senat) - 2 K 194/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt Kindergeld für die leiblichen Kinder ihrer in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Lebenspartnerin und den Zählkindervorteil.
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Die Klägerin lebt seit dem 2009 in eingetragener Lebenspartnerschaft. Die Klägerin erhält für ihre Kinder A (geboren 1999) und B (geboren 2011) Kindergeld. Am 17. Mai 2011 beantragte sie darüber hinaus Kindergeld für die leiblichen Kinder ihrer Lebenspartnerin C (geboren 2001) und D (geboren 2003).
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Mit Verwaltungsakt vom 18. Mai 2011 wurde das Kindergeld für C und D abgelehnt. Mit fristgerechtem Einspruch trägt die Klägerin vor, dass sie und ihre Lebenspartnerin mit insgesamt vier Kindern im gemeinsamen Haushalt leben. Alle vier Kinder würden gemeinsam versorgt werden. Die Betreuung und auch die Unterhaltssicherung erfolgen gemeinschaftlich durch die Lebenspartnerinnen. Gemäß § 63 des Einkommensteuergesetzes (EStG) würden gemäß Abs. 1 Ziff. 2 als Kinder auch die vom Kindergeldberechtigten in seinen Haushalt aufgenommenen Kinder seines Ehegatten berücksichtigt. Zwar enthalte der § 63 Abs. 1 Ziff. 2 EStG insofern keine ausdrückliche Erwähnung für eingetragene Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz. Indes sei die Regelung des § 63 EStG sowohl mit Art. 3 und 5 des Grundgesetzes (GG) als auch europarechtlichen Vorgaben unvereinbar. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. November 2004 stamme noch aus einer Zeit, als die Gleichbehandlung zwischen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern noch nicht vollständig vollzogen gewesen sei. Allerdings habe bereits im Jahr 2010 das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 21. Juli 2010 (1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/09) erklärt, dass auch der Splittingtarif im EStG nicht vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG sei. Auch im Bereich der Rentengleichstellung zwischen verheirateten Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnerschaften sei durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2011 eine Grundsatzentscheidung erfolgt. Vor diesem Hintergrund könne die Auffassung, in § 63 EStG läge keine planwidrige Regelungslücke vor bzw. die Vorschriften des § 63 i.V.m. § 32 EStG seien verfassungsgemäß, nicht geteilt werden. Sie gehe davon aus, dass bei einer verfassungsgemäßen Auslegung der Vorschrift, die Kinder von eingetragenen Lebenspartnern, welche in einem gemeinsamen Haushalt großgezogen würden, ebenso wie Kinder von Ehegatten, die in einem gemeinsamen Haushalt großgezogen würden, gleich zu behandeln seien. Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Kinder der Lebenspartnerin der Klägerin bei der Berechnung des Kindergeldes mit zu berücksichtigen wären und insofern eine Kindergeldberechtigung für vier Kinder vorliege. Damit ergäben sich allerdings auch im Hinblick auf die Höhe der festzusetzenden Kindergeldbeträge erhebliche Unterschiede, da sodann ein drittes und viertes Zählkind in der zwischen Lebenspartnerinnen geführten Familiengemeinschaft gegeben wären.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2011 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Kindergeld könne nach § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG nur für Kinder im Sinne des § 63 EStG beansprucht werden. Die Kinder der Lebenspartnerin seien jedoch keine Kinder im Sinne des § 63 EStG. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG würden Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG berücksichtigt werden. Die letztgenannte Vorschrift beziehe sich auf Kinder, die im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandt seien, und auf Pflegekinder. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG seien bei den Kindern eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners nicht erfüllt, weil sie mit dem gleichgeschlechtlichen Lebenspartner ihrer Mutter (oder Vaters) nicht verwandt seien und auch nicht als verwandt gelten würden. Die Kinder der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin der Klägerin seien mit dieser nicht im Sinne des § 1589 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verwandt. Die Kinder würden auch nicht als mit der Einspruchsführerin verwandt, sondern nach § 11 Abs. 2 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) als verschwägert gelten.
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Die Kinder der Lebenspartnerin seien auch keine Pflegekinder im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dies setze voraus, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr bestehe - vorliegend bestehe dieses Verhältnis zwischen der Lebenspartnerin und ihren leiblichen Kindern jedoch fort. Schließlich könnten die Kinder der Lebenspartnerin auch nicht nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG zugerechnet werden. Nach ständiger Rechtsprechung - zuletzt BFH vom 30. November 2004 zu VIII R 61/04 - könnten die Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nicht als Ehegatten angesehen werden. Vielmehr sei unter dem Begriff des Ehegatten nur ein Partner des anderen Geschlechts zu verstehen, weil die Geschlechtsverschiedenheit zu den prägenden Merkmalen der Ehe gehöre. Die eingetragene Lebenspartnerschaft sei keine Ehe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG, weil sie sich von dieser durch die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner unterscheide und sich an einen anderen Adressatenkreis richte.
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Es lägen auch nicht die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor: Es fehle an einer für eine analoge Gesetzesanwendung erforderlichen Regelungslücke. Denn der Gesetzgeber des Lebenspartnerschaftsgesetzes habe bewusst von einer einkommensteuerlichen Gleichstellung von Ehegatten und Partnern einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft abgesehen: Die unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung basiere eben nicht auf einer unbewussten Regelungslücke, sondern sei bewusst in Kauf genommen worden.
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Auch verstoße die unterschiedliche Behandlung von Kindern des Ehegatten einerseits und Kindern der gleichgeschlechtlichen Partnerin andererseits auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn Art. 6 Abs. 1 GG stelle die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates. Dies ermögliche es dem Gesetzgeber, ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG Regelungen zu treffen, die zwischen Ehegatten und Nichtehegatten differenzieren und erstere begünstigen.
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Schließlich liege auch kein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht vor. Dieses räume den einzelnen Mitgliedstaaten das Recht ein, den Kreis der Familienangehörigen, die bei den in Betracht kommenden Sozialleistungen berücksichtigt würden, selbst zu bestimmen. Daraus folge, dass der deutsche Gesetzgeber berechtigt sei, selbst zu bestimmen, für wessen Kinder er wem Kindergeld gewähre. Im Übrigen fehle es in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft an einer allgemeinen Gleichstellung der Ehe mit den übrigen Formen gesetzlicher Lebenspartnerschaften, so dass auch insoweit nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen werde.
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Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der ergänzend vorgetragen wird, dass § 63 EStG mit Art. 3 und 6 des Grundgesetzes unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben zur allgemeinen Gleichbehandlung und dem daraus resultierenden Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung unvereinbar sei und daher in grundrechtskonformer Auslegung trotz Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke analog für eingetragene Lebenspartnerschaften und die in der Partnerschaft im Haushalt lebenden Kinder anzuwenden sei. In Anbetracht der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Grunderwerbsteuer vom 18. Juli 2012 (1 BvL 16/11) sei es unerlässlich, die Frage der Vereinbarkeit der kindergeldrechtlichen Regelungen bei eingetragenen Lebenspartnerschaften mit dem Grundgesetz zu klären.
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Die Klägerin beantragt,
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die beklagte Familienkasse unter Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 18. Mai 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2011 zu verpflichten, ihr für ihre leiblichen Kinder A und B sowie für die Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin C und D Kindergeld ab Dezember 2009 zu gewähren.
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Die beklagte Familienkasse beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt, dass das Finanzgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 25. Juli 2011 (6 V 50/11) zu dem Ergebnis komme, dass die einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach dieser Vorschrift zukommende Gesetzeskraft sich nur auf die Entscheidungsformel - Tenor - erstrecke (Urteil des BVerfG vom 31. Januar 1989, 1 BvL 17/87, BVerGE 79, 256, 264). Die in Gesetzeskraft erwachsene Entscheidungsformel des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses vom 21. Juli 2010 (1 BvR 611/07) beziehe sich ausschließlich auf §§ 15 Abs. 1, 16 Abs. 1, 17 und 19 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Es gebe ferner einen weiteren Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009 (1 BvR 1164/07), der sich mit der Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zusatzversichert seien, beschäftige. Dieser Beschluss befasse sich einzig mit der Frage nach der Regelung, ob der überlebende Partner nach Versterben seines Lebenspartners eine Hinterbliebenenversorgung entsprechend einem überlebenden Ehegatten erhalten könne, und nicht, ob eine eingetragene Lebenspartnerschaft einer Eheschließung in jeder Beziehung gleichzustellen sei. Die Beklagte könne eine vermeintliche Diskriminierung der Klägerin nicht erkennen, denn deren Lebenspartnerin erhalte laufend Leistungen (Kindergeld) für ihre eigenen Kinder. In den zuvor zitierten Rechtsstreitigkeiten sei es hauptsächlich darum gegangen, dass die eingetragenen Lebenspartner nicht berücksichtigt würden.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Die Klägerin ist für die Kinder ihrer Lebenspartnerin nicht kindergeldberechtigt, da die Voraussetzungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG nicht vorliegen. Sie ist mit den Kindern der Lebenspartnerin nicht verwandt (1a), es sind keine Pflegekinder (1b) und es handelt sich nicht um Kinder eines Ehegatten (2.).
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1. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG werden Kinder i.S. des § 32 Abs. 1 EStG berücksichtigt. Die letztgenannte Vorschrift bezieht sich auf Kinder, die im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandt sind (Nr. 1) und auf Pflegekinder (Nr. 2).
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a) Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind bei den Kindern eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners nicht erfüllt, weil sie mit dem gleichgeschlechtlichen Lebenspartner ihrer Mutter oder ihres Vaters nicht verwandt sind und auch nicht als verwandt gelten. Nach § 1589 Satz 1 BGB sind Personen, deren eine von der anderen abstammt, in gerader Linie verwandt. Dies trifft für die Kinder der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin nicht zu. Auch gelten die Verwandten und damit die Kinder eines Lebenspartners mit dem anderen Lebenspartner nicht als verwandt, sondern nach § 11 Abs. 2 LPartG nur als verschwägert.
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b) Die Kinder der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin sind bei einer bestehenden Lebensgemeinschaft auch keine Pflegekinder i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Der Pflegekindbegriff im Sinne dieser Vorschrift setzt u.a. voraus, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Das Obhuts- und Pflegeverhältnis zwischen der Lebenspartnerin und ihrem leiblichen Kind besteht jedoch fort.
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2. Die Kinder der Lebenspartnerin der Klägerin sind ihr auch nicht nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zuzurechnen. Danach werden die "vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommenen Kinder seines Ehegatten" als Kinder berücksichtigt.
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a) Nach dem Urteil des BFH-Urteil vom 20. April 2004 (VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103) kann für das Kind der Partnerin einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft kein Kinder- und Haushaltsfreibetrag berücksichtigt werden, da die Partnerinnen einer solchen Lebensgemeinschaft keine "Ehegatten" seien und das Kind der einen Partnerin auch nicht als Stiefkind der anderen Partnerin anzusehen sei. Die unterschiedliche Behandlung von leiblichen Kindern und Stiefkindern einerseits und Kindern der Partnerin einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft andererseits verstoße nicht gegen das GG. Nach der weiteren Entscheidung des BFH (Beschluss vom 30. November 2004, BFH/NV 2005, 695 sind die Kinder eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners nicht als "Kinder seines Ehegatten" i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen. Dies gelte auch bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Die unterschiedliche Behandlung von Kindern des Ehegatten einerseits und von Kindern des gleichgeschlechtlichen Lebenspartners andererseits sei nicht verfassungswidrig und verstoße auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG werden daher nur die in den Haushalt aufgenommen Kinder des Ehegatten berücksichtigt, nicht aber Kinder der Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (BFH-Urteil vom 21. April 2006 III B 153/05, BFH/NV 2006, 1644).
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b) § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist auf die Kinder einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin auch nicht analog anzuwenden. Es fehlt an der für eine analoge Gesetzesanwendung erforderlichen Regelungslücke. Denn der Gesetzgeber des LPartG hat bewusst von einer einkommensteuerlichen Gleichstellung von Ehegatten und Partnern einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft abgesehen (BFH-Urteil vom 30. November 2004 VIII R 61/04, BFH/NV 2005, 695; BAG-Urteil vom 18. März 2010 6 AZR 156/09, BAGE 133, 354, MDR 2010, 1194 mit Anmerkung Cristoph Burgmer in jurisPR-ArbR 33/2010 Anm. 3, juris). Der ursprünglich einheitliche Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (Lebenspartnerschaften -LPartG-, BTDrucks 14/3751) wurde während des Gesetzgebungsverfahrens in zwei Gesetze aufgegliedert: Zum einen in das LPartG mit den Regelungen zur eingetragenen Lebensgemeinschaft und zu den wesentlichen damit verbundenen Rechtsfolgen, zum anderen in das Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz), das in Art. 2 § 55 auch Änderungen des Einkommensteuergesetzes vorsah (BTDrucks 14/4545, S. 69 und 80). Das Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz ist wegen fehlender Zustimmung des Bundesrats nicht zum Gesetz geworden (vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich BVerfG-Urteil vom 17. Juli 2002 1 BvF 1/01 u, 2/01, BVerfGE 105, 313, 315 ff.).
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Damit beruht die unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung von Ehegatten einerseits und den Partnern einer eingetragenen Lebensgemeinschaft andererseits nicht auf einer unbewussten Regelungslücke, sondern ist bewusst in Kauf genommen worden.
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c) Die unterschiedliche gesetzliche Behandlung von Kindern des Ehegatten einerseits und Kindern der gleichgeschlechtlichen Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft andererseits ist auch nicht verfassungswidrig. Sie verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn Art. 6 Abs. 1 GG stellt die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates. Wie der BFH in seinem Urteil vom 20. April 2004 (VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103 m.w.N.) ausgeführt hat, ermöglicht dies dem Gesetzgeber, ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG Regelungen zu treffen, die zwischen Ehegatten und Nichtehegatten differenzieren und erstere begünstigen (vgl. auch das die eingetragene Lebensgemeinschaft nach dem LPartG betreffende BVerfG-Urteil vom 17. Juli 2002 1 BvF 1/01 u. 2/01, BVerfGE 105, 313, 348). Aus diesem Grunde kommt weder eine verfassungskonforme Auslegung noch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht.
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Im Übrigen hat der BFH (Beschluss vom 05. März 2012 III B 6/12, BFH/NV 2012, 1144) an seiner Auffassung festgehalten, dass die Beschränkung des Rechts auf Wahl der Zusammenveranlagung auf Ehegatten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Das Recht auf Wahl der Zusammenveranlagung steht nur Ehegatten zu, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften werden vom Wortlaut der §§ 26 Abs. 1, 26b EStG nicht erfasst. Eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften auf Lebenspartnerschaften kommt nicht in Betracht. Da § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch auf den Begriff Ehegatten abstellt, ist diese Rechtsprechung übertragbar (BFH-Urteil vom 21. April 2006 III B 153/05, BFH/NV 2006, 1644).
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Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 1 BvL 16/11 (DStR 2012, 1649) ist zur Grunderwerbsteuer ergangen. Danach benachteiligt die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. - bis zur Neuregelung durch das Jahressteuergesetz -JStG- 2010 - eingetragene Lebenspartner gegenüber Ehegatten dadurch, dass ihnen die dem Ehegatten des Veräußerers gewährte Steuerbefreiung vorenthalten wurde. Den Beschlüssen des BVerfG kommt im Hinblick auf die Anwendung der §§ 32 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG jedoch keine Bindungswirkung zu. Eine solche Bindungswirkung ergibt sich nicht aus § 31 Abs. 2 BVerfGG. Die einer Entscheidung des BVerfG nach dieser Vorschrift zukommende Gesetzeskraft erstreckt sich nur auf die Entscheidungsformel -Tenor- (BVerfG Urteil vom 31. Januar 1989 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 264; FG Hamburg, Beschluss vom 25. Juli 2011 6 V 50/11, Juris). Die in Gesetzeskraft erwachsene Entscheidungsformel des BVerfG-Beschlusses vom 21. Juli 2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, NJW 2010, 2783) bezieht sich ausschließlich auf §§ 15 Abs. 1, 16 Abs. 1, 17 und 19 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und der BVerfG-Beschluss vom 18. Juli 2012 (a.a.O.) ausschließlich auf § 3 Nr. 4 GrEStG a.F.
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d) Die Auffassung, der Gesetzgeber sei bei der Gewährung von Kindergeld berechtigt, für die Kinder eines Ehegatten günstigere Regelungen zu treffen als für die Kinder einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin, verstößt auch nicht gegen das europäische Gemeinschaftsrecht.
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aa) Das europäische Gemeinschaftsrecht räumt den einzelnen Mitgliedstaaten das Recht ein, den Kreis der Familienangehörigen, die bei den in Betracht kommenden Sozialleistungen berücksichtigt werden, selbst zu bestimmen. Nach Art. 1 Buchst. f, Unterbuchst. i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 118/97 vom 2. Dezember 1996 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1997 Nr. L 28/1) bestimmt sich die Frage, wer als "Familienangehöriger" anzuerkennen ist, nach den Rechtsvorschriften des Staates, der die Leistungen gewährt. Das bedeutet, dass der deutsche Gesetzgeber berechtigt ist, selbst zu bestimmen, für wessen Kinder er wem Kindergeld gewährt.
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bb) Dem entspricht auch die Regelung, die für Lebenspartner in der Richtlinie (EWG) 2004/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 getroffen worden ist (ABlEG 2004 Nr. L 158/77). In Kapitel I, Art. 2 Nr. 2 Buchst. b ist bestimmt, dass der Ausdruck "Familienangehöriger" auch den Lebenspartner bezeichnet, mit dem der Unionsbürger auf der Grundlage der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, sofern nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt ist und die in den einschlägigen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind.
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Da in Deutschland als dem Aufnahmemitgliedstaat die eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe nicht gleichgestellt ist, verlangt auch das europäische Gemeinschaftsrecht nicht, dass Personen, die in anderen europäischen Ländern eine der Ehe gleichgestellte gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingegangen sind, in Deutschland wie Ehegatten behandelt werden.
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cc) Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gibt keinen Anlass, gleichgeschlechtliche Lebenspartner abweichend vom Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG den Ehegatten gleichzustellen. Nach dem Urteil vom 31. Mai 2001 C-122/99 P und C-125/99 P (EuGHE 2001 I 4319, 4342, Rn. 37 und 48 ff.) sind Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nicht so auszulegen, dass rechtliche Fallgestaltungen, die sich von der Ehe unterscheiden, ihr gleichgestellt werden, wenn kein Zweifel besteht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber einen Vorteil nur Ehepaaren zukommen lassen wollte. Die unterschiedliche Behandlung von Ehegatten und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern verstoße nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eine allgemeine Gleichstellung der Ehe mit den übrigen Formen gesetzlicher Lebenspartnerschaften fehle.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.
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