Beschluss vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 4 Ta 204/22
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.07.2022 abgeändert und der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß §§ 32 RVG iVm. 63 Abs. 1 GVG auf 68.000,00 Euro festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
1
G R Ü N D E :
2I.
3Streitig ist die Bewertung einer Klage auf Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit gleichzeitiger Zusage einer bezahlten Freistellung für sechs Monate sowie einer Abfindungszahlung in Höhe von 63.000,00 Euro brutto.
4Mit Beschluss vom 05.07.2022 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert auf das 3-fache Bruttomonatseinkommen von 5.000,00 Euro, mithin auf 15.000,00 Euro festgesetzt. Mit seiner Beschwerde vom 06.07.2022 wendet sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers hiergegen und begehrt eine Festsetzung in Höhe von 103.000,00 Euro, nämlich 15.000,00 Euro für die begehrte Willenserklärung zur Auflösung des Arbeitsvertrages, 25.000,00 Euro für die begehrte Erklärung zur - vermeintlich nur fünf Monate umfassenden - Freistellung und 63.000,00 Euro brutto für die begehrte Erklärung zur Zahlung einer Abfindung in dieser Höhe.
5Mit Beschluss vom 07.07.2022 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt.
6II.
7Die zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist teilweise begründet. Der Streitwert für die anwaltlichen Gebühren war gemäß § 32 RVG iVm. § 63 Abs. 1 GKG auf 68.000,00 Euro festzusetzen.
81.Grundsätzlich ist für die Bewertung einer Klage auf Abgabe einer Willenserklärung darauf abzustellen, welcher wirtschaftliche Erfolg mit der Abgabe der Erklärung erstrebt wird. Dessen Wert ist gemäß § 48 Abs. 1 GKG iVm. § 3 ZPO zu schätzen (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl. § 3 Rn. 16 Stichwort Willenserklärung). Danach beträgt der Wert der vom Kläger erstrebten Willenserklärung 68.000,00 Euro. Er setzt sich zusammen aus dem Abfindungsbetrag in Höhe von 63.000,00 Euro und dem Wert der begehrten Freistellung für die Dauer von sechs Monaten. Dieser beträgt nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts 25 % der auf den zukünftigen Freistellungszeitraum entfallenden Vergütung, begrenzt auf maximal ein Bruttomonatsentgelt (vgl. etwa LAG Düsseldorf 06.03.2014 - 17 Ta 93/14; 31.05.2016 - 3 Ta 183/16). Dies steht in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit idF. vom 09.02.2018 (NZA 2018, 498, dort Ziffer I.25.1.4) und entspricht einem Wert von 5.000,00 €.
9Soweit die begehrte Willenserklärung auch die Aufhebung des Arbeitsvertrags beinhaltete, ergibt sich daraus kein zusätzliches wirtschaftliches Interesse des Klägers, das über die vorgenannten Interessen (Abfindung zuzüglich bezahlte Freistellung) hinausginge. Hierfür ist vom Kläger jedenfalls nichts dargetan. Der in § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG für Bestandsstreitigkeiten vorgegebene Höchstwert von einem Vierteljahresentgelt ist bei Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses in der Abfindungszahlung und der Freistellung jedenfalls nicht unterschritten.
102.Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist der Gegenstandswert im vorliegenden Verfahren nicht gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG begrenzt. Die Regelung ist auf die hier gegebene Konstellation nicht anwendbar.
11a.Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG ist für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet.
12b.Diese Regelung erfasst Bestandsstreitigkeiten sowie damit im Zusammenhang stehenden streitigen Abfindungszahlungen iSd. §§ 9, 10 KSchG. Ebenso erfasst sie Abfindungszahlungen, die in gerichtlichen Vergleichen zur Kompensation der Auflösung von Arbeitsverhältnissen vereinbart werden. Sie findet keine Anwendung auf Abfindungen, die auf gesonderten Rechtsgrundlagen beruhen wie etwa auf § 113 BetrVG, Tarifverträgen, Sozialplänen oder sonstigen Vereinbarungen. Bei diesen stellt die Abfindung gerade keine Kompensation für die Hinnahme einer (möglicherweise) unwirksamen Kündigung dar, die zu dem Gegenstandswert einer Bestandsschutzklage gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 GKG nicht hinzuzurechnen ist. Sie erfordern vielmehr gerade eine wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist eine solche Abfindung selbst Streitgegenstand oder hat - bei vergleichsweiser Regelung - über einen Rechtsanspruch auf die Abfindung Streit oder Ungewissheit bestanden, ist ihr Wert streitwerterhöhend zu berücksichtigen (ebenso LAG S.-Pfalz 27.04.2015 - 8 Ta 12/15, juris, Rn. 20).
13c.Hier ist die Willenserklärung auf Zusage einer Abfindung und sechsmonatiger bezahlter Freistellung selbst Streitgegenstand. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sind Abfindungszahlung und Freistellung gerade nicht lediglich Folge der begehrten Aufhebungsvereinbarung. Der Antrag des Klägers umfasst ausdrücklich auch ihre Zusage.
14d.Sinn und Zweck der streitwertbegrenzenden Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 GKG stehen dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Die Vorschrift will erreichen, dass der für die Existenz des Arbeitnehmers besonders bedeutsame Streit um das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses aus sozialen Gründen nicht mit einem zu hohen Kostenrisiko verbunden ist. Der Arbeitnehmer, der mit seiner Klage gerade nicht Bestandsschutz für sein Arbeitsverhältnis erreichen will, sondern umgekehrt dessen Auflösung, bedarf des Schutzes von § 42 Abs. 2 GKG jedenfalls dann nicht, wenn kein Streit darüber besteht, ob er das Arbeitsverhältnis beenden kann. So liegt der Fall hier. Der Kläger könnte seinerseits jederzeit kündigen. Sein Interesse an der verlangten Willenserklärung ist nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses gerichtet, sondern allein auf die Abfindung nebst bezahlter Freistellung. Es ist aus diesem Grund in voller Höhe zu berücksichtigen (ebenso LAG S.-Pfalz 27.04.2015 - 8 Ta 12/15, juris, Rn. 22).
15III.
16Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gemäß § 68 Abs. 3 GKG ist das Verfahren gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
17Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs. 1 RVG, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
18Quecke
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Referenzen
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- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 9, 10 KSchG 2x (nicht zugeordnet)
- § 68 Abs. 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 48 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 17 Ta 93/14 1x (nicht zugeordnet)
- § 42 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- 3 Ta 183/16 1x (nicht zugeordnet)
- BetrVG § 113 Nachteilsausgleich 1x
- RVG § 32 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren 3x
- § 63 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x