Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 7 Sa 794/16
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.09.2015 – 3 Ca 986/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Bemessung des Arbeitsentgelts des Klägers als freigestellter Betriebsrat.
3Der 1958 geborene Kläger ist seit dem 01.12.1989 bei der Beklagten als technischer Angestellter in der Funktion eines Linienleiters beschäftigt. Der Kläger ist Betriebsratsmitglied und seit dem Jahr 2002 freigestellt. Bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 42,5 Stunden erhält er seit Jahren ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.914,42 €.
4Die Beklagte, ein Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie, bot den bei ihr tätigen 27 Linienleitern im Mai 2008 eine Abänderung der Vertragsbedingungen in der Form an, dass die wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden bei gleichzeitiger Flexibilisierung verkürzt wird und sich das monatliche Bruttoeinkommen um 60,-- € erhöht. Aus einer von der Beklagten mit Schriftsatz vom 19.08.2015 zur Gerichtsakte (Bl. 17 d.A.) gereichten Auflistung ergibt sich, dass bis auf drei Linienleiter alle dieses Angebot angenommen haben. Hinsichtlich der verbliebenen drei Linienleiter enthält die Auflistung die Bemerkung „per Post (krank)“ oder „per Post (Urlaub)“. Der Kläger hat eine entsprechende Vertragsänderung nicht unterzeichnet; für ihn findet sich die Bemerkung „per Post (krank)“. Er hat hierzu vorgetragen, dass ihm das entsprechende Angebot nicht zugegangen sei.
5Im Jahre 2014 kam es zu einer innerbetrieblichen Diskussion über die Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten, die sich wegen des Tragens vorgeschriebener Hygieneschutzkleidung und vorgegebener Wege zum Arbeitsplatz ergeben. Zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen bot die Beklagte den Arbeitnehmern eine Vertragsänderung an. In dem dazugehörigen Aushang (Bl. 20 d.A.) heißt es hierzu wörtlich:
6„Um eine innerbetriebliche Lösung zu erzielen, beabsichtigen wir, den betreffenden Mitarbeitern/-innen ab dem neuen Jahr eine Lohnerhöhung von 5,5 % anzubieten. Damit sollen zukünftig max. drei Stunden pro Woche für Umkleide- und Wegezeiten abgegolten sein.
7…
8Darüber hinaus planen wir Neu- bzw. Umbauten von Sozialräumen direkt vor den Produktionsstätten, …. Auch wenn die Wegezeiten sich durch den Umbau verkürzen, werden die 5,5 % für die Mitarbeiter/-innen, mit denen wir das vereinbaren, weiter gezahlt, weil es sich um eine Pauschale handelt.“
9Im Übrigen wird auf die Kopie Bl. 20 d.A. Bezug genommen.
10Dieses Angebot wurde auch gegenüber dem Kläger gemacht, welches er auch annehmen wollte. In diesem Zeitpunkt wurde es ihm gegenüber zurückgezogen mit der Begründung, als freigestelltes Betriebsratsmitglied entstünden die entsprechenden Wege- und Umkleidezeiten nicht.
11Mit Schreiben vom 11.05.2015 machte der Kläger gegenüber der Beklagten sowohl die Erhöhung der Vergütung von 60,-- € im Monat, also auf 2.974,42 €, geltend als auch die Lohnerhöhung um 5,5 % (Bl. 7, 8 d.A.). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 22.05.2015 (Bl. 5, 6 d.A.) ab. Mit der vorliegenden, beim ArbeitsgerichtPaderborn am 19.06.2015 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und stützt sich auf die gesetzlichen Regelungen zum Entgeltschutz fürBetriebsratsmitglieder. Für die Monate Januar 2015 bis Mai 2015 berechnet er unter Berücksichtigung einer Entgelterhöhung von 60,-- € und einer folgenden Erhöhung um 5,5 Prozentpunkte einen nicht streitigen Betrag von 1.117,95 €.
12Dementsprechend hat der Kläger beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.117,95 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 16.06.2015 zu zahlen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte hat vorgetragen, das vom Kläger erzielte Einkommen bewege sich im Rahmen der betriebsüblichen Vergütung für Linienleiter. Sie habe dem Kläger im Jahre 2008 das Änderungsangebot für Linienleiter unterbreitet. Ihr sei nicht bekannt, warum der Kläger dieses Angebot nicht angenommen habe. Die Gehaltserhöhung von 5,5 % sei damit verbunden gewesen, auch auf in der Vergangenheit entstandene etwaige Ansprüche aus Umkleide- und Wegezeiten zu verzichten. Da der Kläger seit 2002 freigestelltes Betriebsratsmitglied sei, würden solche Umkleide- und Wegezeiten nicht anfallen, sodass er insoweit ohnehin nicht vergleichbar mit den anderen Linienleitern sei.
17Durch Urteil vom 18.09.2015, der Beklagten zugestellt unter dem 02.10.2015, hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfange stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass der gesetzlich beschriebene Entgeltschutz für Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 4 BetrVG den Anspruch trage.Wegen der Einzelheiten der angegriffenen Entscheidung wird auf Bl. 23 bis 29 d.A. Bezug genommen.
18Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vorliegenden, vorab per Telefax beim Landesarbeitsgericht am 28.10.2015 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 26.11.2015, vorab am selben Tage beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründeten Berufung.
19Die Beklagte trägt vor:
20Zwar habe das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem der Kläger noch ausschließlich beruflich tätig war und insoweit auf die Linienleiter zurückgegriffen. Das Arbeitsgericht habe aber versäumt zu prüfen, welche Mitglieder dieser Gruppe eine betriebsübliche Entwicklung genommen hätten. Die Lohnerhöhung im Jahre 2008 um 60,-- € brutto stehe dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil dieses Angebot mit einer Flexibilisierung derArbeitsbedingungen, z.B. mit der Möglichkeit der Anordnung von Samstagsarbeit, einhergegangen sei. Nicht alle Linienleiter hätten dieses Angebot angenommen; jedenfalls hätten sich für diejenigen, die es akzeptiert hätten, die Arbeitsbedingungen so weitgehend geändert, dass sie nicht weiter als mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmer zu bewerten seien. Die Annahme des Angebots stelle keine betriebsübliche Entwicklung im Sinne der gesetzlichen Regelungen dar.
21Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat die Beklagte ergänzend unter Vertiefung ihres schriftsätzlichen Vorbringens ausgeführt, dass die Gleichbehandlung des Klägers als freigestelltes Betriebsratsmitglied allenfalls einen Anspruch auf Abschluss eines geänderten Arbeitsvertrages beinhalte, der mit den Arbeitsbedingungen der anderen Linienleiter übereinstimme. Nur so könne den von den Linienleitern hergegebenen Gegenleistungen Rechnung getragen werden. Andernfalls würde der Kläger die Lohnerhöhung bekommen, ohne der damit einhergehenden Flexibilisierung der Arbeitszeit zuzustimmen, was eine Begünstigung des Klägers als Betriebsratsmitglied darstellen könnte, die gesetzlich verboten sei.
22Soweit die Gehaltserhöhung von 5,5 % als Pauschale für die Abgeltung von Wege- und Umkleidezeiten im Streit stehe, stünde auch diese dem Kläger nicht zu. Der Kläger stemple schließlich – unstreitig – am sogenannten Tor 3 und begebe sich sodann in der Regel mit seinem Pkw zum Betriebsratsbüro. Daran werde deutlich, dass der Kläger die Zeit vom Einstempeln bis zum Erreichen des Betriebsratsbüros bereits vergütet erhalte. Schließlich würde auch in einer Gewährung der 5,5 %igen Gehaltserhöhung eine Bevorzugung eines Betriebsrates vorliegen, da mit dieser Pauschale insgesamt drei Stunden abgegolten werden sollen, nicht aber nur 2,5 Stunden, die sich rein rechnerisch ergeben, wenn man die Arbeitszeit des Klägers mit 42,5 Stunden pro Woche gegenüber den 40 Stunden der übrigen Linienleiter betrachte.
23Die Beklagte beantragt,
24das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.09.2015 – 3 Ca 986/15 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
25Der Kläger beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Er verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend und hält eine Bevorzugung des Klägers auch bei Gewährung der 5,5 %igen Gehaltserhöhung für ausgeschlossen. Die Beklagte habe nämlich ausweislich ihres eigenen Vorbringens mit ihrem Angebot nicht exakt drei Stunden Wege- und Umkleidezeiten vergüten wollen, sondern, so wörtlich, „bis zu drei Stunden“. Da der Kläger für die gleiche Vergütung, die die übrigen Linienleiter erhalten, nicht 40, sondern 42,5 Stunden Arbeitszeit erfassen müsse, bewegten sich die 2,5 Stunden eindeutig innerhalb des von der Beklagten als „Pauschale“ bezeichneten Rahmens.
28Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe
30Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
31I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 1.117,95 € brutto als Entgeltdifferenz für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2015 gemäß §§ 611 Abs. 1 BGB, 37 Abs. 4 BetrVG zuzüglich der Zinsen (§ 286 Abs. 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB).
321. Die allgemeinen Voraussetzungen des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG liegen vor; der Kläger ist Betriebsratsmitglied.
332. Nach der Bestimmung des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
34a) Nach der ständigen und zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts soll § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrates weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden. Vergleichbar sind dabei Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie das Betriebsratsmitglied und dafür in gleicher Weise wie dieses fachlich und persönlich qualifiziert waren. Üblich ist die Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Eine Üblichkeit entsteht aufgrund gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel. Der Geschehensablauf muss dabei so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann. Hierbei ist zu beachten, dass auch im Bereich des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG zur Anwendung kommt und daher der Entgelt- und Berufsschutz auch nicht zu einer Begünstigung gegenüber anderen Arbeitnehmern führen kann (zuletzt BAG, Urteil vom 04.11.2015, 7 AZR 972/13 Rdnr. 20 ff. m.w.N.).
35b) Ausgehend hiervon gilt vorliegend folgendes:
36aa) Der Kläger hat gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB zunächst einen Anspruch auf Zahlung einer Lohnerhöhung von 60,-- € brutto monatlich.
37(1) Schon aufgrund des unstreitigen Vorbringens musste die Berufungskammer davon ausgehen, dass der Kläger als Linienleiter hinsichtlich seiner beruflichen und fachlichen Qualifikation mit den übrigen bei der Beklagten beschäftigten Linienleitern vergleichbar ist, da die Beklagte für die übrigen Linienleiter atypische Entwicklungen nicht behauptet hat mit der Folge, dass der Kläger hierzu auch nicht ergänzend vortragen musste (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast BAG aaO.). Unabhängig davon, ob dem Kläger das Angebot seinerzeit im Mai 2008 zugegangen ist oder nicht, ist es jedenfalls im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung einer Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer unterbreitet und von ihnen akzeptiert worden, was von der Beklagten nach eigenem Vorbringen auch initiiert und beabsichtigt war. Betrachtet man die von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichte Aufstellung, so ergibt sich (Bl. 17 d.A.), dass 24 von 27 Linienleitern das Angebot der Beklagten mit „ja“ unterschrieben haben, also nahezu 90 %.
38(2) Soweit die Beklagte eingewandt hat, mit diesem Angebot sei ja auch die Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen einschließlich der Möglichkeit der Anordnung von Samstagarbeit einhergegangen, was für den Kläger bedeute, er habe allenfalls einen Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung bezogen auf einen inhaltsgleichen Arbeitsvertrag, so verkennt die Beklagte die Funktion des § 37 Abs. 4 BetrVG. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG stellt nämlich gerade nicht darauf ab, ob und welche Arbeitsbedingungen im Übrigen für andere Beschäftigte gelten, sondern nur auf die Bemessung des Arbeitsentgelts vergleichbarer Arbeitnehmer bei betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies ist auch gar nicht anders möglich, wie der vorliegende Fall deutlich zeigt: Der Kläger ist freigestelltes Betriebsratsmitglied und als solcher zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht verpflichtet (so ausdrücklich § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wie auch § 37 Abs. 2 BetrVG). Damit erfordert die Vorschrift des § 37 Abs. 4, worauf das Bundesarbeitsgericht aaO. in ständiger Rechtsprechung zutreffend abstellt, eine hypothetische Betrachtung, nicht aber eine Vertragsanpassung der arbeitsvertraglichen Bedingungen des Betriebsratsmitgliedes (vgl. auch Fitting u.a., BetrVG 28. Aufl., § 37 Rdnr. 116 m. zahlreichen N.).
39bb) Dem Kläger steht auch die den übrigen Linienleitern angebotene Lohnerhöhung von 5,5 % ab dem 01.01.2015 gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 611 Satz 1 BGB zu.
40(1) Dass es sich hierbei um eine betriebsübliche Entwicklung im Sinne des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG handelt, ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte durch Aushang das entsprechende Angebot allen Beschäftigten unterbreitet hat, wobei zwischen den Parteien nicht im Streit ist, dass es jedenfalls gegenüber den Linienleitern abgegeben worden ist. Die Beklagte hat dies übrigens auch selbst dadurch dokumentiert, dass sie grundsätzlich davon ausgegangen ist, der Kläger falle auch unter diesen Personenkreis, da die Rücknahme des Angebots gegenüber dem Kläger ausschließlich darauf gestützt wurde, bei ihm fielen als Betriebsratsmitglied, welches freigestellt sei, Wege- und Umkleidezeiten nicht an.
41(2) Im Übrigen kann wegen der grundlegenden Voraussetzungen der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung im Sinne des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG auf die obigen Ausführungen wie auch auf die zutreffenden Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen werden, § 69 Abs. 2 ArbGG.
42(3) Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren ihr Argument, der Kläger werde durch die Weitergabe einer 5,5 %igen Gehaltserhöhung bevorzugt, da insoweit Wege- und Umkleidezeiten nicht anfielen und er diese im Übrigen aufgrund der anderen Arbeitszeiterfassungserfordernisse auch vergütet erhalte, so vermochte die Berufungskammer dem nicht zu folgen. Denn die Beklagte verkennt dabei, dass der Kläger eine Arbeitszeit von 42,5 Stunden pro Woche erfassen muss, um auf die gleiche Vergütung monatlich zu kommen, wie die übrigen Linienleiter, die hierfür indessen nur 40 Stunden Arbeitszeit erbringen müssen. Mit anderen Worten: Der Kläger muss für das gleiche Entgelt wie die vergleichbaren Mitarbeiter mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung 2,5 Stunden pro Woche mehr „arbeiten“. Dementsprechend erfolgt für den Kläger bei Gewährung der 5,5 %igen Gehaltserhöhung keine Besserstellung, auch wenn man sie als mit dem untrennbaren Inhalt verbunden sieht, hiermit seien maximal drei Stunden pro Woche an Umkleide- und Wegezeiten abgegolten. Denn die Beklagte hat in ihrem Angebot (Aushang) selbst formuliert, dass es sich hierbei um eine Pauschale handeln soll, die sich auf maximal drei Stunden pro Woche erstrecke. Das heißt, die Beklagte selbst stellt nicht darauf ab, ob tatsächlich drei Stunden pro Woche anfallen, sie akzeptiert mit diesem Vertragsinhalt auch, dass geringere Umkleide- und Wegezeiten anfallen können, die gleichwohl zur 5,5 %igen Gehaltserhöhung führen sollen. Besonders deutlich wird dies an dem weiteren Inhalt des Angebots der Beklagten (Bl. 20 d.A.), wonach auch bei einer Verkürzung von Wegezeiten durch Neu- bzw. Umbauten von Sozialräumen eine Kürzung der5,5 %igen Gehaltserhöhungen nicht erfolgt. Sie bezeichnet selbst diese Gehaltserhöhung als „Pauschale“. Handelt es sich aber nach eigenem Willen der Beklagten um eine Pauschale, so kann es sich beim Kläger hinsichtlich der von ihm mehr zu erbringenden 2,5 Stunden nicht um eine Begünstigung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG handeln.
43Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben.
44II. Die Beklagte trägt die Kosten der erfolglosen Berufung gemäß § 97 ZPO.
45Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der die erkennende Berufungskammer die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegt hat.
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