Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamm - 14 Ta 410/21
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29. Oktober 2021 (1 Ga 32/21) aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts an das Arbeitsgericht Dortmund zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO, §§ 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist auch begründet. Mit der vom Arbeitsgericht angegebenen Begründung kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden.
3I. Der Beschwerdeführer hat sowohl seinen Prozesskostenhilfeantrag als auch den amtlichen Erklärungsvordruck sowie das beigefügte Begleitschreiben per Computerfax übersandt. Die Schriftstücke sind von ihm nicht eigenhändig unterzeichnet und sodann per Fax an das Gericht geschickt worden, sondern enthielten lediglich den „maschinenschriftlichen“ Eintrag „gez. A.r“ an der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle. Sowohl in das Begleitschreiben als auch in das Prozesskostenhilfegesuch hatte der Beschwerdeführer zusätzlich den Hinweis aufgenommen:
4Für das Gericht ist diese Zustellung durch Hinweis auf die fehlende Unterschrift aufgrund dieser Zustellform im Original rechtswirksam (GmSOGB 05.04.2000 – GmS-OGB 1/98).
5In dem amtlichen Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse befindet sich im Unterschriftenfelde der Eintrag „gez. A. – Computerfax“.
6II. Die fehlende eigenhändige Unterzeichnung des „Prozesskostenhilfegesuchs“ und des Erklärungsvordrucks und deren fehlende Widergabe in dem per Computerfax übersandten Dokument stellen entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts keinen Grund für eine Verweigerung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe dar.
71. Zu beanstanden ist es bereits, dass das Arbeitsgericht den Beschwerdeführer auf diesen (vermeintlichen) Mangel vor Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht hingewiesen hat. Das Arbeitsgericht ist verpflichtet, vor einer Entscheidung, mit der es Prozesskostenhilfe zurückweist, auf Mängel der Klagebegründung, die eine Erfolgsaussicht in Frage stellen oder eine Mutwilligkeit der Klageerhebung begründen können, oder bei der Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zeitnah hinzuweisen, statt zunächst einen Antrag unbearbeitet zu lassen und sodann das Prozesskostenhilfegesuch aus diesem Grund abzulehnen (vgl. LAG Hamm 17. Juni 2013 – 14 Ta 77/13 – juris, Rn. 12 f.). Das gilt auch für „formale“ Mängel wie eine – angeblich – fehlende Unterschrift.
8Ein vorheriger Hinweis in der Zeit zwischen Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Rechtspflegerin und Erlass der angefochtenen Entscheidung hätte vermutlich auch Erfolg gehabt. Die in gleicher Form eingelegte sofortige Beschwerde hat der Beschwerdeführer auf Aufforderung des Arbeitsgerichts unterschrieben nachgereicht.
92. Im Übrigen ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts für die Wahrung der Schriftform bei einem Prozesskostenhilfegesuch die eigenhändige Unterschriftsleistung weder für die Antragsschrift noch für den amtlichen Vordruck der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zwingend erforderlich.
10a) Ein Prozesskostenhilfeantrag, der nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt, sondern schriftlich gestellt wird (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO), muss vom Antragsteller unterschrieben und mit der Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben versehen werden (vgl. BGH 4. Mai 1994 – XII ZB 21/94 – juris, Rn. 8).
11Dieser Anforderung ist hinsichtlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse genügt, wenn feststeht, dass diese von der Partei stammt. § 117 Abs. 2 ZPO verlangt auch in der seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts im Jahre 2013 geltenden Fassung nicht, dass die Erklärung, um wirksam zu sein, eigenhändig unterschrieben sein muss und im Original vorgelegt wird (vgl. BGH 10. Juli 1985 – IVb ZB 47/85 – juris, Rn. 3). Ein solches Erfordernis stellt auch die PKHVordruckVO vom 22. Januar 2014 nicht auf (vgl. LAG Schleswig-Holstein 17. Mai 2017 – 6 Ta 67/17 – juris, Rn. 14). Ein vollständig ausgefüllter Erklärungsvordruck kann auch in Form eines elektronischen Dokuments mit eingescannter Unterschrift vorgelegt werden, wenn die Erklärung unzweifelhaft vom Antragsteller stammt und er zu seinen Angaben steht (Sächsisches LAG 25. Oktober 2018 – 4 Ta 52/18 (8) – juris, Rn. 18).
12Es entspricht im Übrigen der langjährigen Entwicklung der Rechtsprechung, dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung zu tragen und die Übermittlung bestimmender Schriftsätze auch durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts zuzulassen. Entspricht bei einem solchen Computerfax ein bestimmender Schriftsatz inhaltlich den prozessualen Anforderungen, so ist die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt, dass seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann. Auch der Wille, einen solchen Schriftsatz dem Gericht zuzuleiten, kann in aller Regel nicht ernsthaft bezweifelt werden (vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 – juris, Rn. 15 f.; ebenso BVerfG 4. Juli 2002 – 2 BvR 2168/00 – juris, Rn. 20 ff.). Insoweit ist zu beachten, dass ein Computerfax wie auch das Telefax kein im Sinne des § 46c ArbGG elektronisches, sondern weiterhin – nach Ausdruck – ein schriftliches Dokument ist und dementsprechend keiner elektronischen Signatur bedarf.
13b) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer einen formgerechten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingereicht, indem er unter Hinweis auf die gewählte Übertragungsform („Computerfax“) die fehlende eigenhändige Unterzeichnung erklärte. Im Übrigen sind keine Zweifel ersichtlich, dass Antrag und Erklärung nicht vom Antragsteller stammen.
143. Das Arbeitsgericht wird nunmehr unter Berücksichtigung der Auffassung des Beschwerdegerichts zur Frage der formgerechten Antragstellung über den Prozesskostenhilfeantrag erneut zu entscheiden haben.
154. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.
16RECHTSMITTELBELEHRUNG
17Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Referenzen
- ArbGG § 46c Einreichung elektronischer Dokumente 1x
- ArbGG § 78 Beschwerdeverfahren 1x
- ZPO § 127 Entscheidungen 1x
- 1 Ga 32/21 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamm - 14 Ta 77/13 1x
- XII ZB 21/94 1x (nicht zugeordnet)
- 6 Ta 67/17 1x (nicht zugeordnet)
- 4 Ta 52/18 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 2168/00 1x (nicht zugeordnet)