Beschluss vom Landesarbeitsgericht Köln - 3 TaBV 22/73
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 24. August 1973 verkündete Beschluß des Arbeitsgerichtes Köln - 7 BV 39/73 - abgeändert:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
Gründe
2I
3Der Beteiligte Dr. L ist beim Landgericht in Köln als Rechtsanwalt zugelassen, Er schloß am 22.5./8.6.1973 mit der Antragsgegnerin einen schriftlichen Arbeitsvertrag, nach dem er als juristischer Mitarbeiter in die Rechtsabteilung eingestellt wurde. Sein Dienstverhältnis begann am 15.6.1973. Die ersten sechs Monate der Tätigkeit sollten als Probezeit gelten.
4Unter dem 22.5.1973 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller Kenntnis von der Einstellung des Beteiligten Dr. L. Sie wies dabei auf § Io5 BetrVG 1972 hin. Am 23.5.1973 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, der Personalfragebogen werde nachgereicht. Das geschah am 12.6.1973. Daraufhin erklärte der Antragsteller der Antragsgegnerin unter dem l4.6.1973, bei der Einstellung des Dr. L handele es sich um eine personelle Einzelmaßnahme nach § 99 Abs. l BetrVG 1972, zu der der Betriebsrat zustimmen müsse. Der Streit der Beteiligten geht demnach um die Frage, ob der Beteiligte Dr. L leitender Mitarbeiter nach § 5 Abs. 3 Hr. 3 BetrVG 1972 ist.
5Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, Mitarbeiter in der Rechtsabteilung der Antragsgegnerin seien nicht schlechthin leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972. Die Antragsgegnerin könne wohl nicht behaupten wollen, ein soeben von ihr in die Rechtsabteilung eingestellter Arbeitnehmer berate sie in Grundsatzentscheidungen der Organisation, Planung und Investition. Es werde zudem entschieden bestritten, daß der Beteiligte nach Dienststellung und Dienstvertrag im wesentlichen eigenverantwortlich Aufgaben wahrnehme, die ihm regelmäßig wegen deren besonderer Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung des Betriebes übertragen zu werden pflegten.
6Damit stehe aber fest, daß es sich beim Beteiligten Dr. L nicht um einen leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG handele. Die Antragsgegnerin sei also verpflichtet gewesen, den Antragsteller bei der Einstellung hinzuzuziehen und seine Zustimmung einzuholen. Dagegen habe sie bewußt verstoßen, so daß die Einstellung unwirksam sei und aufgehoben werden müsse,
7Der Antragsteller hat daher beantragt,
8gemäß § Io2 BetrVG die Einstellung des juristischen Mitarbeiters Dr. L aufzuheben.
9Die Antragsgegnerin hat beantragt,
10den Antrag zurückzuweisen.
11Sie hat die Meinung vertreten, der Beteiligte Dr. L sei leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972. Die Zustimmung des Betriebsrates zu seiner Einstellung nach § 99 Abs. l BetrVG sei daher nicht erforderlich gewesen.
12Einmal habe Dr. L die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse, die nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972 vorausgesetzt würden. Es sei auch nicht zweifelhaft, daß die Tätigkeit eines juristischen Mitarbeiters in der Rechtsabteilung eines großen Luftverkehrsunternehmens eine Aufgabe darstelle, die für den Bestand und die Entwicklung dieses Betriebes von besonderer Bedeutung sei. Dr. L übe auch eine im wesentlichen eigenverantwortliche Tätigkeit aus. Er müsse sich als Jurist seine eigene Auffassung erarbeiten, zu Sach- und Rechtsfragen abschließend Stellung nehmen, Vorschläge und Maßnahmen in eigener Verantwortung ergreifen, ohne auf einen anderen Mitarbeiter, der ihm diese Verantwortung abnehmen könne, auszuweichen. Im Verfahren könne Dr. L die Antragsgegnerin in unbeschränkter Höhe durch Anerkenntnis und Vergleich verpflichten.
13Im Einzelfalle habe er bis zu DM 5.ooo,— alleinige Entscheidungsbefugnis.
14Nach Anhörung der Beteiligten hat das Arbeitsgericht mit seinem Beschluß vom 24.8.1973 nach dem Antrag erkannt und der Antragsgegnerin aufgegeben, die Einstellung des juristischen Mitarbeiters Dr. L aufzuheben.
15In den Entscheidungsgründen des Beschlusses wird diese Entscheidung darauf gestützt, daß Dr. L nicht zum Kreise der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Kr. 3 BetrVG 1972 gehöre, zu seiner wirksamen Einstellung also die Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 Abs. l BetrVG 1972 unerläßlich gewesen sei. Dr. L nehme nämlich nach Dienststellung und Dienstvertrag nicht eigenverantwortlich Aufgaben wahr, die den Tatbestandsmerkmalen des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG entsprächen. Seine Aufgaben seien zunächst nicht solche, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens von großer Wichtigkeit und Bedeutung seien. Auch der Aufgabenkreis, der Dr. L übertragen sei, lasse nicht erkennen, daß er zu der übrigen Arbeitnehmerschaft so weitgehend in einem Interessengegensatz stehe, daß eine gemeinsame Interessenwahrnehrnung nicht mehr möglich sei.
16Wegen des weiteren Inhaltes des angefochtenen Beschlusses wird auf Blatt 26 bis 33 d.A. verwiesen.
17Gegen den am 25.9.1973 zugestellten Beschluß hat die Antragsgegnerin am 9.1o.1973 Beschwerde eingelegt, die gleichzeitig begründet wurde.
18Die Antragsgegnerin meint, die vorn Arbeitsgericht vertretene Auffassung sei nicht haltbar. Die Zuordnung von Dr. L zur Rechtsabteilung als juristischer Mitarbeiter bringe ihn in einen Personenkreis, der dem Vorstand der Antragsgegnerin für unternehmenswesentliche Entscheidungen die entsprechenden Grundlagen liefern müsse. Diese Grundlagen müßten auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet werden. Es genüge daher für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs„ 3 Nr. 3 BetrVG 1972, wenn der Beteiligte Dr. L
19der Unternehmensführung als Berater eine wesentliche Entscheidungshilfe biete. Das aber tue er. Hinzu komme, daß Dr. L als Mitarbeiter in der Rechtsabteilung mit der aktuellen Interessenvertretung des Unternehmens befaßt sei und tagtäglich sich bei seiner Arbeit mit den Interessen des Unternehmens zu identifizieren habe. Gerade die dem Beteiligten übertragenen Gebiete EWG-Recht und Kartellrecht brächten ihn in eine Position, bei der seine rechtlichen Vorarbeiten die Geschäftspolitik der Antragsgegnerin weitreichend und erheblich beeinflussen würden. Eine solide und zuverlässige Rechtsberatung auf diesen Rechtsgebieten sei für die Antragsgegnerin unumgänglich und von ausschlaggebender Notwendigkeit. Daß der Beteiligte die Antragsgegnerin in Prozessen verpflichten könne, sei außer Streit. Daß im Innenverhältnis diese Befugnis auf DM 5.000,— beschränkt sei, besage nichts für seine Stellung als leitender Angestellter. Im übrigen sei Dr. L auch für arbeitsrechtliche Streitigkeiten zuständig, außer Kündigungsschutzverfahren, so daß er hier aufs Schärfste in einen Interessengegensatz zur Arbeitnehmerschaft und den Betriebsrat kommen könne.
20Das rechtfertige seine Stellung als leitender Angestellter. Damit entfalle aber die Unterrichtungspflicht und das Zustimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 Abs. l BetrVG 1972.
21Die Antragsgegnerin beantragt,
22unter Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses den Antragsteller mit seinem Antrag abzuweisen.
23Der Antragsteller beantragt,
24die Beschwerde zurückzuweisen.
25Er halt die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe nicht für geeignet, die zutreffende Auffassung des Arbeitsgerichts zum Begriff des leitenden Angestellten
26nach § 5 Abs„ 3 Nr. 3 BetrVG 1972, der hier allein im Streit sei, zu erschüttern. Der Beteiligte Dr. L könne im übrigen schon deswegen kein leitender Angestellter sein, weil er dem Referatsleiter Dr. V in allen Sachen Vortrag halten müsse, der dann entscheide, welche seiner Arbeitsergebnisse an das Hauptreferat Recht und Sicherheit weitergegeben würden. Auch einen Eingriff durch die Arbeit des Dr. L in das Spannungsverhältnis Betriebsrat- Arbeitgeber scheide aus. In Wirklichkeit führe Dr. L nur aus, was der Arbeitgeber bereits entschieden habe. Dr. L habe nicht einmal die Möglichkeit, den Vorstand der Antragsgegnerin in Grundsatzentscheidungen zu beraten.
27Eine Anhörung der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz ist erfolgt.
28Wegen ihres Ergebnisses wird auf Blatt 5 4- d.A. verwiesen.
29Hinsichtlich des weiteren Vertrages der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitig gewechselten Schriftsätze mit ihren Anlagen Bezug genommen.
30II
31Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft (§ 87 Abs. l ArbGG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, also zulässig (§ 89 ArbGG). In der Sache mußte sie Erfolg haben.
32Der Beteiligte Dr. L ist leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr 3 BetrVG 1972, so daß die Antragsgegnerin mit ihrer Unterrichtung über die Einstellung des Beteiligten nach § Io5 BetrVG ihrer insoweit bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtung genügt hat. Die Anwendung des § 99 Abs. l BetrVG 1972 scheidet demnach aus, so daß auch der Antrag des Antragstellers als unbegründet zurückzuweisen war.
331. Das Beschwerdegericht hat eine abgesonderte Verhandlung über die Eigenschaft des Beteiligten Dr. L angeordnet.
34Die Frage, ob eine solche abgesonderte Verhandlung in der Beschwerdeinstanz des Beschlußverfahrens überhaupt zulässig ist, läßt sich in eindeutiger Weise aus dem Arbeitsgerichtsgesetz nicht entnehmen. Jedoch ergibt sich aus § 87 Abs. 2 ArbGG, daß für das Beschwerdeverfahren die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften über die Verhandlung vor der Kammer gelten. Damit verweist der § 87 Abs. 2 ArbGG auf § 523 ZPO, also sind danach die im ersten Rechtszug vor den Landgerichten geltenden Verfahrensvorschriften zumindest in so weit anwendbar, als sich aus dem Arbeitsgerichtsgesetz und den Vorschriften der §§ 523 ff ZPO nichts anderes ergibt. Damit muß aber auch im Beschwerdeverfahren nach § 87 ArbGG die Möglichkeit bestehen, über Zwischenstreite im Sinne des § 3o3 ZPO abgesondert zu verhandeln und zu entscheiden. Diese Zwischenentscheidung über den Streit, ob der Beteiligte Dr. L leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972 ist oder nicht, bietet sich im übrigen bei den Rechtsfolgen, die mit einer sofortigen Entscheidung über die Beschwerde eintreten könnten an. Das Bundesarbeitsgericht ist in seiner Entscheidung l ABR 13/72 vom 6.4.1973 (in BB 1973, 941) einen ähnlichen Weg gegangen, um Rechtsnachteile von den dort betroffenen Arbeitnehmern abzuwenden (Seite 12/13 der Entscheidungsgründe). Es hat im Verfahren der Rechtsbeschwerdeinstanz den § 538 Abs. l Nr. 3 ZPO analog angewendet, obwohl nach § 96 Abs0 l Satz 2 ArbGG eine Zurückverweisung ausgeschlossen ist.
35Hier in diesem Verfahren geht es bei dem gestellten Antrag darum, ob die Antragsgegnerin den Beteiligten Dr. L nach rechtskräftigem Abschluß dieses Verfahrens noch weiterbeschäftigen darf.
36Würde rechtskräftig festgestellt, daß der Antrag in der gestellten Form begründet ist, müßte die Antragsgegnerin das dann bis dahin bestehende faktische Arbeitsverhältnis zum Beteiligten nach § loo Abs. 3 Satz 2 BetrVG beenden; denn die Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung des Beteiligten nach § 99 Abs. l BetrVG wäre Wirksamkeitsvoraussetzung für den Abschluß eines Arbeitsvertrages mit ihm gewesen. Diese fehlt; denn die Antragsgegnerin glaubt ihrer nicht zu bedürfen und ist nach § Io5 BetrVG 1972 vorgegangen.
37Es bleibt jedoch zu erwarten, daß die Antragsgegnerin das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß abwickeln würde, wenn in diesem Zwischenstreit die Eigenschaft des Beteiligten als leitender Angestellter verneint würde. Ein dann feststehender Verstoß der Antragsgegnerin gegen § 99 Abs. l BetrVG könnte unter diesen Umständen nicht als ein Gesetzesverstoß im Sinne des § 99 Abs. l Nr. l BetrVG 1972 angesehen werden; denn die Antragsgegnerin wollte sich - wie ihr Verhalten zeigt - im Rahmen des Gesetzes bei der Einstellung des Beteiligten bewegen. Deswegen klärt dieser Zwischenstreit die zwischen den Parteien aufgetretene betriebsverfassungsrechtliche Streitfrage,
38Die Entscheidung über den Zwischenstreit muß in analoger Anwendung der Grundsätze des § 275 ZPO erfolgen. Würde festgestellt, daß der Beteiligte keine leitender Angestellter ist, so müßte der erstinstanzliche Beschluß aufgehoben und das Verfahren in die erste Instanz zurückverwiesen werden. Ergibt sich seine Eigenschaft als leitender Angestellter, so ist zur Sache zu entscheiden und unter Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses der Antrag zurückzuverweisen.
392. Der Beteiligte Dr. L ist leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 5 Nr. 5 BetrVG 1972. a) Die Kammer geht nach der Anhörung der Beteiligten von folgendem Sachverhalt aus, der ihrer Entscheidung zugrunde liegt:
40Die Rechtsreferate der Antragsgegnerin sind wie folgt in ihre Organisation eingegliedert: Zuständiges Vorstandsmitglied für die Rechtsreferate ist der Vorstandsvorsitzende Dr. C . Zwischen diesen. Vorstandsvorsitzenden und das Hauptreferat Recht und Sicherheit ist die Direktion "Zentralbüros" zwischengeschaltet, unter dieser Direktion. "Zentralbüros" arbeitet das Hauptreferat Recht und Sicherheit mit dem Hauptreferatsleiter H . Diesem Hauptreferat Recht und Sicherheit sind organisatorisch als Referate zugeordnet; das Rechtsreferat l, in dem der Beteiligte Dr. L beschäftigt wird und das Rechtsreferat 2./Primus inter pares im Rechtsreferat l ist der Angestellte Dr. V .Die einzelnen Aufgabengebiete innerhalb der Rechtsreferate sind nach Sachgebiete; den einzelnen dort tätigen Angestellten zugewiesen. Bis auf den Herrn H sind alle dort tätigen Beschäftigte zugelassene Rechtsanwälte. Der Beteiligte Dr. L ist nach dieser Aufteilung der Arbeitsgebiete innerhalb des Rechtsreferates l zuständig für Fragen des EWG-Rechtes, des Kartellrechtes im Luftverkehr, für Betriebsunfälle, Darlehensverträge und Werkswohnungen, für Personalversicherungen, für Abfertigungsverträge und für Kaufverträge (ausgenommen Flugzeugkaufverträge und Kaufverträge für Flugzeugzubehör und technischer Einkauf
41Es trifft nicht zu, daß der Beteiligte Dr. L bei der Bearbeitung dieses Sachgebietes von den Entscheidungen des Angestellten Dr. V abhängig ist, diesem Vortrag zu halten hat und nur Dr V Entscheidungen trifft. Der Beteiligte hat bei seiner Anhörung klar dargestellt, daß er bei seinen Entscheidungen völlig frei ist. Er allein ist für eine sachgerechte Bearbeitung seiner Aufgabengebiete ausschließlich zuständig. Ergebnisse seiner Arbeiten werden weder von Herrn Dr. V noch von einem anderen Mitarbeiter des Rechtsreferates überprüft, bevor sie an den Vorstand oder die anderen vorliegenden Abteilungen weitergegeben werden.
42Auf dem Gebiete der Rechtsberatung arbeitet Dr. L selbständig. Er entscheidet darüber, ob Kaufverträge, die ihm vorgelegt werden, juristisch einwandfrei sind und abgeschlossen werden können. Sein positives Votum für den Abschluß von Kaufverträgen ist endgültig und bedarf keiner nochmaligen Prüfung durch einen anderen Mitarbeiter. Diese selbständige Entscheidungsbefugnis steht dem Beteiligten auch in den sogenannten "Abfertigungsverträgen" zu. Hier geht es um die Bodendienstleistungen der Antragsgegnerin in der ganzen Welt, also z.B. die Bordverpflegung, die Wartungs- und Betankungsverträge der Antragsgegnerin.
43Der Aufgabenkreis des Beteiligten umfaßt die Beratung des Vorstandes und der anderen Referate der Antragsgegnerin in den bereits genannten Fragen: EWG-Recht -Kartellrecht im Luftverkehr-Betriebsunfälle-Darlehensverträge und Werkswohnungen-Personalversicherungen-Abfertigungsverträge-Kaufverträge. Diese umfassenden Aufgabengebiet bearbeitet er auch bei der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Antragsgegnerin. Er muß sich zwar bei Rechtstreitigkeiten, die den landgerichtlichen Streitwert erreichen, eines am Sitze des betreffenden Landgerichts zugelassenen Rechtsanwaltes bedienen. Dennoch leistet er die Vorarbeiten für diese zivilgerichtlichen Verfahren und hält den Gang der Prozesse in seiner Hand.
44Führt er Prozesse selbst, ist er in der Lage, die Antragsgegnerin durch Anerkenntnisse und Vergleiche zu verpflichten. Im Innenverhältnis ist seine Befugnis, die Antragsgegnerin zu verpflichten, auf DM 5.ooo,— beschränkt.
45b) Dieser Aufgabenbereich erfüllt die Voraussetzungen für die Einordnung des Beteiligten Dr. L in den Kreis der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Nr.3 BetrVG.
46aa) Daß der Beteiligte Dr. L aus der Rechtsabteilung in absehbarer Zeit ausscheidet, hat für die Entscheidung in diesem Verfahren keinen Einfluß. Die Entscheidung wirkt nämlich auf den Zeitpunkt der Einstellung zurück. Auch wenn Dr. L aus der Rechtsabteilung ausscheidet und in eine andere Abteilung überwechseln würde, stellt sich die hier streitige Frage nach der Beteiligung und Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 Abs. l BetrVG 1972. Im übrigen steht offensichtlich nur die Tatsache des Ausscheidens aus dem Rechtsreferat, nicht der Zeitpunkt fest, so daß das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der begehrten Entscheidung nicht streitig sein kann.
47bb) Für den Begriff des "leitenden Angestellten" nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972 kommt es nach der bisher vorliegenden Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte nach dem Inkrafttreten des BetrVG 1972 (LAG Düsseldorf / Köln in EzA § 5 BetrVG 1972, Entscheidung Nr. 3 = DB 1973, 576; LAG Hamm in DB 1973, 2353 Kauf folgende Voraussetzungen an:
48-Der betreffende Arbeitnehmer muß leitender Angestellter im Sinne der Verkehrsanschauung sein.
49-Der betreffende Angestellte muß für das Unternehmen bedeutsame Aufgaben wahrnehmen, die im Rahmen der arbeitsvertraglich, herausragenden Stellung ausgeübt werden,
50für den Bestand und die Entwicklung des Betriebes wesentliche Bedeutung haben und
51aus diesen Gründen ihm regelmäßig mit Rücksicht auf seine besonderen Erfahrungen und Kenntnisse übertragen werden.
52-Die Stellung des leitenden Angestellten muß durch im wesentlichen eigenverantwortliche Arbeitsweise geprägt sein.
53-Seine Stellung muߠ zudem eine Identifikation mit den Interessen des Arbeitgebers erkennen lassen und einen Gegnerbezug zum Betriebsrat ausweisen,,
54Dieser Gegnerbezug kann - wie das LAG Köln in der bereits genannten Entscheidung festgestellt hat - entweder direkt, aber auch indirekt sein. Von einem direkten Gegnerbezug wird man zu sprechen haben, wenn der leitende Angestellte personelle Leitungsfunktionen und eine Vorgesetztenstellung innehat. Ein indirekter Gegnerbezug liegt dann vor, wenn sich der Angestellte durch seine Beratungsfunktionen und seine der Unternehmensleitung gebotenen Entscheidungshilfen mit den Unternehmenszielen und Unternehmenszwecken identifizieren muß. Mit Recht hat das LAG Köln es in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 14.11.1972 darauf abgestellt, daß ein Angestellter, der das Unternehmen in Grundsatzentscheidungen der Organisation, Planung und Investition berät, damit der Unternehmer Grundsatzentscheidungen überhaupt zu fällen in der Lage ist, zu den leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972 gezählt werden müsse. Diese strikte Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Gegnerbezug nimmt auch das LAG Hamm in seinem bereits genannten Beschluß auf (DB 1973,2354). Sein Hinweis auf die Entscheidung des LAG Köln beweist im übrigen, daß es von den Grundsätzen, die dieses Gericht vertreten hat, nicht abweichen möchte, sondern diese mit seiner Entscheidung weiter ausbauen und ergänzen will.
55Diese von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien eines leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Nr.3 BEtrVG 1972 von einem Angestellten nach § 5 Abs. l BetrVG sind auch für die betriebliche Praxis brauchbare Entscheidungshilfen bei der unklaren Fassung des § 5 Abs. 3 Hr. 3 BetrVG 1972. Sie müssen daher auch in diesem Verfahren zur Anwendung kommen.
56cc) Eine Bewertung der Tätigkeit des Beteiligten
57Dr. L… unter diesen Gesichtspunkten ergibt, daß er
58leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ist.
59Dr. L ist zunächst nach der Verkehrsanschuung ein "leitender Angestellter". Er ist kein "einfacher" Angestellter, der Routinearbeiten für seinen Arbeitgeber macht. Er hat selbständig als Syndikusanwalt7 also als ein anerkanntes Organ der Rechtspflege - bestimmte Aufgaben, die sich mit der juristischen Beratung und der Durchführung von Rechtsstreitigkeiten befassen, für die Antragsgegnerin zu erledigen. Er ist aus der Masse der Angestellten der Antragsgegnerin durch diese Aufgabenzuweisung herausgehoben und damit als ein "leitender Angestellter" gekennzeichnet, was sich auch in der Höhe der gewährten Vergütung ausdrückt.
60Dr. L nimmt auch Aufgaben wahr, die für den Bestand und die Entwicklung der Antragsgegnerin wesentliche Bedeutung haben und die ihm nur mit Rücksicht auf seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen übertragen worden sind. Es bedarf keiner weiteren Erwägung, daß der Beteiligte nur aufgrund seiner besonderen Erfahrungen vor allem auf dem Gebiete des Kartell- und EWG-Rechtes den ihm zugewiesenen Aufgabenbereich übertragen bekommen hat. Er ist innerhalb des Unternehmens für diese beiden Rechtsgebiete der Spezialist, der das Unternehmen hierin berät und seine Entscheidungen präjudiziert. Daß vor allein Entscheidungen in diesen beiden Rechtsgebieten den Bestand und die Entwicklung der Antragsgegnerin beeinflussen kann, steht außer Zweifel. Gerade auf dem Gebiete des Kartell- und des EWG-Rechtes bedarf ein Unternehmen, das die Grenzen der BR Deutschland überschreitet, einer zuverlässigen und sorgfältigen Beratung.
61Dr. L arbeitet im w e s e n t l i c h e n eigenverantwortlich. Das hat die Anhörung der Beteiligten in diesem Verfahren zur Überzeugung des Gerichts ergeben. Der Beteiligte ist Syndikusanwalt. Nach dieser seiner Stellung ist er bereits verpflichtet, eigenverantwortlich seine
62Aufgaben als Anwalt in die Dienste des Unternehmens zu stellen. Daß er dabei nicht letztverantwortlich für alle von ihm zu treffenden Entscheidungen ist, hat für seine Stellung als leitender Angestellter keine Bedeutung. Das Gesetz selbst spricht in § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972 nicht von einer letztlich völlig eigenverantwortlichen Tätigkeit, sondern einer im wesentlichen eigenverantwortlichen. Tätigkeit. Das, was der leitende Angestellte erarbeitet, muß seine e i g e n e, von keinem anderen zu überprüfende Arbeit sein. In diesem Sinne arbeitet jedoch der Beteiligte Dr. L eigenverantwortlich (so auch Dietz-Richardi, BetrVG 1972 § 5 Anm.l2o).
63Schließlich muß auch ein Gegnerbezug zum Betriebsrat bestehen. Der Beteiligte Dr. L muß sich bei seiner eigenverantwortlichen Arbeit so sehr mit den Interessen der Antragsgegnerin identifiziert haben, daß er in ganz betontem Sinne eben Vertreter der Antragsgegnerin ist. Hierzu ist festzustellen, daß er in diesen Interessengegensatz zum Betriebsrat schon direkt kommen muß bei der eigenverantwortlichen Bearbeitung von Betriebsunfällen, von Darlehensverträgen und Werkswohnungen, aber auch von Personalversicherungen. Innerhalb dieser Bereiche sind die Interessen der Antragsgegnerin mit denen des Betriebsrates schon vom Zweck der zu treffenden Feststellungen und Regelungen nicht identisch. Aber auch ein indirekter Gegnerbezug wird anzunehmen sein bei den anderen Arbeitsbereichen, die dem Beteiligten zugewiesen sind. Bei seiner Beratung in Fragen des EWG- und Kartellrechtes, der Abfertigungs- und Kaufverträge identifiziert er sich so sehr mit den Interessen und Belangen der Antragsgegnerin, daß damit seine Eigenschaft als leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972 bejaht werden muß.
64Ist aber der Beteiligte Dr. L leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG 1972, dann hat die Antragsstellerin zu Recht den Betriebsrat nur von der beabsichtigten Einstellung des Beteiligten nach § Io5 BetrVG 1972 unterrichtet. Ein Zustimmungsrecht nach § 99 Abs. l BetrVG
651972 besteht demnach nicht, so daß der gestellte Antrag keinen Erfolg haben konnte.
66Unter Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses war daher der Antrag des Antragstellers als unbegründet zurückzuweisen.
67Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, welche Abgrenzungsmerkmale für den leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BEtrVG 1972 von Belang sind, zuzulassen.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.