Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 4 Sa 775/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.05.2014 – 20 Ca 7834/13 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Zahlung eines Lohnzuschlags nach dem anzuwendenden Lohntarifvertrag.
3Die Klägerin ist bei der Beklagten am K /B Flughafen als Flugsicherheitskraft angestellt und übt in diesem Rahmen Tätigkeiten als Flugsicherheitsassistent (nach § 5 LuftSiG) aus. Sie ist in der Fluggastkontrolle tätig. Sie kontrolliert als solche die Personen, die die Kontrolle passieren und die von diesen mitgeführten Gegenstände.
4Lohnzuschläge begehrt die Klägerin nach dem allgemeinverbindlichen Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in NRW vom 05.04.2013 für die Zeit vom Mai bis zum Februar 2014. Des Weiteren verfolgt die Klägerin insoweit einen Feststellungsantrag. Der Streit geht um die Auslegung der einschlägigen Tarifvorschrift. Der Höhe nach sind die Ansprüche nicht streitig.
5Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen vom 05.04.2013 (LTV) Anwendung. Dieser ist auf der Basis einer Schlichtungsempfehlung vom 05.04.2013 (Bl. 255 ff. der Gerichtsakte) zustande gekommen und regelt mit Wirkung ab dem 01.01.2013 unter Ziff. 2 B unter anderem in Lohngruppe 17b) für „Tätigkeiten nach §§ 8 oder 9 LuftSiG an Verkehrsflughäfen“ (nach der Probezeit) einen Stunden-Grundlohn von 9,00 EUR (ab dem 01.01.2013) bzw. 9,75 EUR (ab dem 01.05.2013) und in Lohngruppe 18b) für „Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG an Verkehrsflughäfen“ (nach der Probezeit) einen Stunden-Grundlohn von 12,36 EUR (ab dem 01.01.2013) bzw. 13,60 EUR (ab dem 01.05.2013). Darüber hinaus enthält der Tarifvertrag in Ziff. 2.1 nachfolgende Bestimmungen:
6Der Lohnzuschlag
7für den Sicherheitsmitarbeiter in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen gemäß EU-Verordnung 185/2010 oder einer diese Verordnung ersetzenden Verordnung (Mitarbeiter, der in o. g. Bereich eingesetzt wird und über die der Verordnung entsprechende Ausbildung verfügt) beträgt
8ab dem 01.01.2013
9im 8-Stunden-Schicht-Dienst (bei Anforderung des Kunden) pro Stun 1,50 €.
10im 12-Stunden-Schicht-Dienst
11pro Stunde 0,80 €.
12ab dem 01.05.2013
13pro Stunde 1,50 €.
14Die tarifschließenden Parteien haben zu einer im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln zum Az. 12 Ca 1673/13 eingeholten Tarifauskunft zu der Regelung in Ziff. 2.1 LTV Auskunft gegeben (Stellungnahme des Arbeitgeberverbandes Bl. 252 d. A., Stellungnahme der GewerkschaftBl. 253 f. d. A.).
15Der Tarifvertrag kam aufgrund einer Schlichterempfehlung zustande. Auf diese wird Bezug genommen (Bl. 255 ff. d. A.)
16Am Flughafen existieren im BACC ) sogenannte Mischkontrollen, an denen von den Mitarbeitern der Beklagten nicht nur Fluggäste und ihr Gepäck, sondern auch vom Flughafen oder von anderen Firmen beschäftigtes Personal und Fahrzeuge kontrolliert werden. Die hier von der Beklagten eingesetzten Mitarbeiter sind nach § 5 und nach § 8 LuftSiG geschult. Die Klägerin verfügt nicht über eine Ausbildung nach § 8 LuftSiG.
17Die Klägerin ist der Auffassung, dass zu ihren Aufgaben schwerpunktmäßig gehöre, Personen und Waren auf dem K /B Flughafen zu kontrollieren.
18Sie ist der Auffassung, dass ihr aufgrund ihrer Tätigkeit der Zuschlag nach Ziff. 2.1 LTV zustehe und sie für die Monate Mai 2013 bis April 2014 auf der Basis der jeweils erbrachten Monatsstunden Nachzahlung von 1,50 EUR pro Arbeitsstunde verlangen könne. Für die Zukunft begehrt sie eine entsprechende gerichtliche Feststellung ihrer Ansprüche nach Ziff. 2.1 LTV.
19Die Klägerin hat beantragt,
20- 21
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 927,50 Euro netto zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15.05.2014 zu bezahlen (Lohnzuschlag für Sicherheitsmitarbeiter an Verkehrsflughäfen ab 01.01.2014 nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen NRW vom 05.04.2013; Zeitraum Januar bis April2014);
- 23
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.100,30 Euro netto zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15.01.2014 zu bezahlen (Lohnzuschlag für Sicherheitsmitarbeiter an Verkehrsflughäfen ab 01.05.2013 nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen NRW vom 05.04.2013; Zeitraum Mai bis Dezember 2013);
- 25
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin neben dem Stundengrundlohn nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen an Verkehrsflughäfen in Nordrhein-Westfalen von aktuell 14,70 Euro einen Zuschlag im Umfang von 1,50 Euro je Arbeitsstunde zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
27die Klage zurückzuweisen.
28Sie ist der Auffassung, dass der von ihr so genannte Personal- und Warenkontrollzuschlag (PWK-Zuschlag) nach Ziff. 2.1 LTV nur geschuldet sei, wenn Grundlohn nach Ziffer 17 LTV (in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung) geschuldet sei, also für reine Tätigkeiten nach § 8 LuftSiG. Denn in diese Lohngruppe seien auch Mitarbeiter mit einfachen Tätigkeiten, wie etwa Streifengängen ohne Kontakt zu Personal oder Passagieren, eingruppiert. Der PWK-Zuschlag sei für diejenigen Mitarbeiter dieser Vergütungsgruppe vorgesehen, welche die anspruchsvolleren Tätigkeiten der Personal- und Warenkontrolle ausüben. Im LTV sei nur versehentlich von „Personen“- statt von „Personalkontrolle“ die Rede, wie der Vergleich mit anderen Flächentarifverträgen zeige.
29Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.05.2014 abgewiesen. Gegen dieses ihr am 19.08.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.08.2014 Berufung eingelegt lassen und diese zugleich begründet.
30Entgegen dem Arbeitsgericht ist sie der Auffassung, dass sie Waren und Personen im Sinne der Ziffer 2.1 LTV kontrolliere und die Zuschlagsregelung in Ziff. 2.1 LTV nicht an bestimmte Lohngruppen anknüpfe.
31Die Klägerin beantragt,
32- 33
1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 21.05.2014 – 20 Ca 7834/13 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.100,00 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.01.2014 zu bezahlen (Lohnzuschlag für Sicherheitsmitarbeiter an Verkehrsflughäfen vom 01.5.2013 bis 31.12.2013 nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in NRW vom 05.04.2013).
- 35
2. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 21.05.2014 – 20 Ca 7834/13 – festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin neben dem Stundengrundlohn nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen an Verkehrsflughäfen in Nordrhein-Westfalen von aktuell 14,70 Euro (ab 01.01.2014) einen Zuschlag im Umfang von 1,50 Euro je Arbeitsstunden zu bezahlen.
- 37
3. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 21.05.2014 – 20 Ca 7834/13 – die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 927,50 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.05.2014 zu bezahlen (Lohnzuschlag für Sicherheitsmitarbeiter an Verkehrsflughäfen vom 01.01.2014 bis 30.04.2014 nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in NRW vom 05.04.2013).
- 39
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte beantragt,
41die Berufung zurückzuweisen.
42Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
43Sie meint, dass der PWK-Zuschlag an Luftsicherheitsassistenten in Lohngruppe Ziffer 18 LTV (in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung) nicht zu zahlen sei. Der Zuschlag sei nur den Mitarbeitern mit Tätigkeiten nach § 8 LuftSiG in der Personal- und Warenkontrolle zu zahlen, weil diese gegenüber anderen Mitarbeitern derselben Lohngruppe anspruchsvollere Tätigkeiten ausübten.
44Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
45E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
46I. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hatte in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer folgt insoweit der 12. Kammer des LAG Köln, die im Urteil vom 06.05.2014 – 12 Sa 100/14 – im Wesentlichen folgendes ausgeführt hat:
47Die Tarifvorschrift des § 2.1 LTV sieht einen Lohnzuschlag i. H. v.1,50 EUR vor für „Sicherheitsmitarbeiter in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen gemäß EU-Verordnung 185/2010“. Der Kreis der anspruchsberechtigten Personen ist durch einen Klammerzusatz näher bestimmt. Hiernach sind anspruchsberechtigt Mitarbeiter, die in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen eingesetzt sind und über die der Verordnung entsprechende Ausbildung verfügen. Damit wird die Zulage gewährt für einen Einsatz des Mitarbeiters, der zu einer gegenüber der Grundtätigkeit qualifizierten Tätigkeit führt. Dies ist bei einem Einsatz von Luftsicherheitsassistenten mit Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG in der Personen- bzw. Personal- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen nicht der Fall. Die Auslegung von Ziff. 2.1 LTV ergibt, dass diese nicht als Sicherheitsmitarbeiter im Sinne der Norm in Betracht kommen und daher nicht anspruchsberechtigt sind. Im Einzelnen:
48a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 18. Februar 2014 – 3 AZR 808/11, juris, Rz. 29 m. w. N.).
49b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt die Auslegung von Ziff. 2.1 LTV, dass Luftsicherheitsassistenten nicht anspruchsberechtigt im Sinne dieser Regelung sind.
50aa) Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift unmittelbar weder eine positive Bestimmung noch eine Einschränkung des für die beschriebene Tätigkeit in Betracht kommenden Personenkreises. Auch enthält der Wortlaut selbst keine Hinweise darauf, welche Mitarbeiter nach dem Willen der Tarifvertragsparteien bei einer Tätigkeit in der „Personen- und Warenkontrolle“ im Sinne von Ziff. 2.1 LTV anspruchsberechtigt sein sollen.
51bb) Nach Auffassung der Kammer liegen jedoch ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass nach dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien Mitarbeiter, welche Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG ausüben, keinen Zuschlag nach Ziff. 2.1 LTV beanspruchen können.
52(1) Hierauf deuten zunächst die im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln (Az. 12 Ca 1673/13) eingeholten Tarifauskünfte. Nach Auskunft der Arbeitgeberseite (Bl. 252 d. A.) bezieht sich die Zulagenregelung ausdrücklich nur auf die Entgeltgruppen für Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG. Die „PWK-Zulage“ habe der Annäherung der Vergütung der Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG zu derjenigen der Beschäftigten mit Tätigkeiten nach§ 5 LuftSiG dienen sollen. Diese Zweckrichtung eines teilweisen Ausgleichs der Entgeltspanne zwischen Arbeitnehmern mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG und solchen mit Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG legt auch die Stellungnahme der auf Arbeitnehmerseite am Tarifschluss beteiligten Gewerkschaft (Bl. 253 ff. d. A.) nahe. Denn nach deren Auskunft hatte sie in den Tarifverhandlungen im Frühjahr 2013 gar eine insgesamt gleiche Bezahlung für die Tätigkeiten nach den §§ 8, 9 LuftSiG einerseits und § 5 LuftSiG andererseits gefordert. Eine entsprechende Annäherung des Vergütungsniveaus beider Mitarbeitergruppen kann aber nur erreicht werden, wenn der Zuschlag ausschließlich der niedriger vergüteten Gruppe zuteilwird.
53(2) Entscheidend für die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien die Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG (Luftsicherheitsassistenten) nicht in den Kreis der nach Ziff. 2.1 LTV Anspruchsberechtigten aufnehmen wollten, sprechen der tarifliche Zusammenhang, in dem sich die Regelung findet, und tarifsystematische Erwägungen:
54Entgeltzuschläge dienen regelmäßig dazu, über die mit der Grundvergütung abgegoltene Arbeit hinaus besondere Leistungen des Arbeitnehmers zu vergüten, besondere Erschwernisse der Arbeitsleistung auszugleichen oder damit verbundene soziale Belastungen zu mildern (vgl. allg. Staudinger/Fischinger/Richardi, 2011, § 611 BGB Rz. 824; MüKo/Müller-Glöge, 6. Aufl., § 611 BGB Rz. 788 und zur Kasuistik: BAG, Urteil vom 16. November 2011 – 10 AZR 210/10, ZTR 2012, 100, Rz. 18 [Erschwerniszulage]; Urteil vom 24. September 2008 – 10 AZR 106/08, NZA 2008, 1424, Rz. 14 [Schichtzulage]; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. September 2010 – 3 Sa 489/09, juris-Rz. 39 [Funktionszulage]).
55Auch der Lohnzuschlag nach Ziff. 2.1 LTV wird den Sicherheitsmitarbeitern in der Personen- und Warenkontrolle zusätzlich zum Grundentgelt gezahlt. Er soll die Arbeit in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen deshalb über den Grundlohn hinaus vergüten, weil der Einsatz in diesem Bereich eine besondere Qualifizierung erfordert. Diesen Qualifikationsanforderungen unterliegen die Mitarbeiter im Bereich der Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG aber ohnehin, weshalb ihr Grundlohn auch zu Beginn der Laufzeit des LTV (ab 01.01.2013) um 3,36 EUR (ab 01.01.2014: 4,15 EUR) höher lag als derjenige der Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach§§ 8, 9 LuftSiG. Die Zuschlagsregelung des Ziff. 2.1 LTV würde mithin den Zweck eines Lohnzuschlags verfehlen, wenn sie auch denjenigen Mitarbeiter einen Zuschlag zum Grundlohn verschaffen würde, welche die Anspruchsvoraussetzungen hierfür schon aufgrund ihrer mit dem Grundlohn vergüteten Tätigkeiten erfüllen. Anders verhält es sich bei den Mitarbeitern mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG. Im Einzelnen:
56(a) Der streitgegenständliche Lohnzuschlag nach Ziff. 2.1 LTV soll eine besondere Vergütung dafür bieten, dass ein Einsatz in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen gemäß der EU-Verordnung 185/2010 bzw. den sie ersetzenden Verordnungen erfolgt. Anspruchsberechtigt sollen Mitarbeiter sein, die in dem genannten Bereich eingesetzt sind und über die der Verordnung entsprechende Ausbildung verfügen.
57Die EU-Verordnung 185/2010 trifft Vorgaben hinsichtlich der zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen im zivilen Luftverkehr. Sie unterscheidet dabei Kontrollmaßnahmen bezüglich Personen einerseits und bezüglich der Gebäude und des Geländes des Flughafens (vgl. etwa Ziff. 1.5.) sowie der eingebrachten Gegenstände wie (Luft-) Fahrzeuge (Ziff. 1.4., 3.1.), Fluggastgepäck (Ziff. 4.1.2.-4.1.3., 5.1.-5.4.), Fracht, Post und Material von Luftfahrtunternehmen (Ziff. 6.-7.), Bordvorräte und Flughafenlieferungen (Ziff. 8. und 9.) andererseits. Bei der Personenkontrolle unterscheidet die Verordnung zwar danach, ob es sich um Fluggäste (Ziff. 4.) oder andere Personen (Ziff. 1.3.) handelt. Für beide gelten allerdings inhaltlich die gleichen Kontrollbestimmungen (vgl. Ziff. 1.3.1.2.). Schließlich trifft die Verordnung Vorgaben zu den erforderlichen Schulungen, welche das für die jeweiligen Kontrollen eingesetzte Personal zu absolvieren hat (Ziff. 11.2.).
58Das Luftsicherheitsgesetz räumt der Luftsicherheitsbehörde umfangreiche Kontrollbefugnisse hinsichtlich sämtlicher Personen und Gegenstände ein, welche die nicht allgemein zugänglichen Bereiche eines Flugplatzes betreten (§ 5 Abs. 2 LuftSiG) bzw. hierein verbracht werden(§ 5 Abs. 3 LuftSiG). Mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben kann sie nach § 5 Abs. 5 LuftSiG private Personen beleihen. Die solcherart Beliehenen führen die im LTV genannten Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG aus. Sie werden „Luftsicherheitsassistenten“ genannt (vgl. Ziff. 6. der Anlage zu§ 1 Luftsicherheitsgebührenverordnung und § 7 Abs. 1 LuftSiSchulV). Für die Sicherstellung einer ausreichenden Eignung etwa durch Schulung bzw. Ausbildung ist insoweit die Luftsicherheitsbehörde als beleihende Stelle zuständig (vgl. hierzu die von der Klägerin mit dem Berufungsschriftsatz zur Akte gereichten Richtlinien des Bundesministeriums des Innern).
59Die Unternehmer von Verkehrsflughäfen sowie die Luftfahrtunternehmen sind nach §§ 8 und 9 LuftSiG ihrerseits zu Sicherungsmaßnahmen verpflichtet. Das Gesetz sieht in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LuftSiG insoweit ausdrücklich eine Pflicht zur Schulung des hierfür eingesetzten Personals vor, welche in der Luftsicherheits-Schulungs-Verordnung (LuftSiSchulV) näher geregelt ist. Die Luftsicherheits-Schulungs-Verordnung sieht zusätzlich zu der Grundschulung für Sicherheitspersonal und sogenannte Luftsicherheitskontrollkräfte (§ 3 LuftSiSchulV) in §§ 4 – 7 LuftSiSchulV Zusatzschulungen vor. Insbesondere kann nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiSchulV Personal, das bereits ein Befähigungszeugnis als Luftsicherheitskontrollkraft für Personalkontrollen besitzt, für die Tätigkeit als Luftsicherheitskontrollkraft für „Personal- und Warenkontrollen“ qualifiziert werden, indem in mindestens 60 Unterrichtsstunden die Grundlagen für Kontrollabläufe im Hinblick auf den Einsatz von Röntgen- und Sprengstoffspürgeräten, die Durchführung von Kontrollen mitgeführter Gegenstände und die Auswertung von Röntgenbildern mitgeführter Gegenstände geschult werden sowie eine praktische Einweisung an einer Kontrollstelle vorgenommen wird.
60Es ist davon auszugehen, dass die besondere Qualifikation, welche Luftsicherheitskontrollkräfte durch die Zusatzschulung in Hinblick auch auf die „Warenkontrolle“ nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiSchulV erhalten, und die gegenüber der Grundtätigkeit höhere Wertigkeit einer entsprechenden Tätigkeit auch in der Warenkontrolle Voraussetzung und Grund dafür sind, dass der Lohnzuschlag nach Ziff. 2.1 LTV zusätzlich zum Grundlohn gewährt werden soll. Dies lässt sich daraus ableiten, dass die Regelung in Ziff. 2.1 LTV ausdrücklich Bezug nimmt auf die EU-Verordnung 185/2010 und sich auf die für die Ausübung der Tätigkeit notwendige und im nationalen Recht in der Luftsicherheits-Schulungs-Verordnung geregelte Ausbildung bezieht. Jedenfalls in Bezug auf die Warenkontrolle benennt sie die zuschlagspflichtige Tätigkeit auch entsprechend der in der Luftsicherheits-Schulungs-Verordnung verwandten Begrifflichkeit. Es kann dahinstehen, ob die Benennung der für den Zuschlag relevanten Tätigkeit als Einsatz in der „Personen- und Warenkontrolle“ auf einem Versehen beruht und die Tarifvertragsparteien eigentlich von einem Einsatz in der „Personal- und Warenkontrolle“ entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiSchulV ausgingen. Auch fallen die Luftsicherheitskontrollkräfte in der Personal- und Warenkontrolle nicht deshalb aus dem Anwendungsbereich von Ziff. 2.1 LTV heraus, weil sie keine „Personen“ in diesem Sinne kontrollieren. Denn unter den Begriff „Personen“ im Tarifsinne lässt sich durchaus auch das Personal fassen. Insbesondere differenziert der LTV insoweit nicht zu den Fluggästen.
61(b) Die besonders zu schulenden Mitarbeiter in der Personen-/Personal- und Warenkontrolle heben sich durch eine besondere Ausbildung kumulativ im Bereich der Personal- und Warenkontrolle und einen entsprechend höheren Wert ihrer Arbeit aus dem Kreis des übrigen Sicherheitspersonals und der übrigen Luftsicherheitskontrollkräfte heraus. Dies rechtfertigt nach dem üblichen Zweck eines tariflichen Zuschlags ihre Besserstellung durch die Zubilligung des zusätzlichen Entgelts nach Ziff. 2.1 LTV.
62(c) Anders als beim Sicherheitspersonal nach §§ 8, 9 LuftSiG erfährt die Tätigkeit der Luftsicherheitsassistenten (Mitarbeiter nach § 5 LuftSiG) durch den Einsatz in der Personen-/Personal- und Warenkontrolle keine Heraushebung aus den mit dem Grundlohn vergüteten Tätigkeiten. Denn zu ihren Aufgaben gehört es regelmäßig ohnehin, einerseits Personen einer Sicherheitskontrolle zu unterziehen – insoweit gelten nach Ziff. 1.3.1.2. EU-Verordnung 185/2010 die gleichen Regeln für Fluggäste und sonstige Personen – als auch Fracht, Gepäck, Postsendungen und sonstige Gegenstände zu kontrollieren (vgl.§ 5 Abs. 3 LuftSiG). Weder die Personenkontrolle noch die Warenkontrolle im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiSchulV führen daher zu einer Heraushebung aus der im Sinne von § 5 LuftSiG regelmäßig ausgeübten Tätigkeit.
63(d) Der eingangs beschriebene Zweck der Gewährung eines Zuschlags, ein zusätzliches Entgelt für besondere Leistungen, Erschwernisse oder soziale Belastungen zu bieten, würde mithin verfehlt, wenn man den Luftsicherheitsassistenten wegen der besonderen Anforderungen der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen den Zuschlag nach Ziff. 2.1 LTV zusprechen würde, obwohl schon nach dem für den Grundlohn geltenden Anforderungsprofil ihre Ausbildung und tariflich vorgesehene Tätigkeit eben diese Anforderungen bereits erfassen. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten nach Lohngruppe 18 LTV (in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung) bezahlten Mitarbeiter sämtlich auch tatsächlich in der Personen- und Warenkontrolle tätig werden. Denn der LTV stellt jedenfalls auf die ausgeübten Tätigkeiten ab. Ob die Beklagte darüber hinaus auch solchen Mitarbeitern die Vergütung nach Lohngruppe 18 (ab 01.01.2014 Lohngruppe 17) LTV gewährt, welche nur die Ausbildung und Beleihung nach § 5 LuftSiG erfahren haben, aber nicht mit entsprechenden Tätigkeiten betraut sind, ist für die Tarifauslegung ohne Belang.
64(e) Auch regelungssystematisch würde es keinen rechten Sinn ergeben, wenn der Zuschlag nach Ziff. 2.1 LTV den Luftsicherheitsassistenten gleichsam automatisch zusätzlich zu ihrem Grundlohn zustünde. Wäre durch die Tarifvertragsparteien eine Begünstigung auch der Luftsicherheitsassistenten beabsichtigt gewesen, hätte es nahe gelegen, deren Grundlohn unmittelbar zu erhöhen und nicht einen Teil der bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Grundlohngruppe stets anfallenden Vergütung als Zuschlag auszuweisen.
65(4) Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags für das hier vertretene Auslegungsergebnis. Aus der Stellungnahme der auf Arbeitnehmerseite am Tarifschluss beteiligten Gewerkschaft ergibt sich, dass der Lohnzuschlag nach Ziff. 2.1 LTV ursprünglich auf Forderung der Gewerkschaft gerade für den Personenkreis der Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach § 8 LuftSiG eingeführt worden sei. Der Kreis der Berechtigten sei später auf den Personenkreis nach § 9 LuftSiG ausgeweitet worden. In der aktuellen Tarifrunde sei dann nicht mehr über den anspruchsberechtigten Personenkreis verhandelt worden.
66Der hiernach beabsichtigten Beschränkung des Kreises der Zuschlagsberechtigten entspricht es, wenn die als Grundlage des aktuellen Tarifabschlusses dienende Schlichtungsempfehlung vom 05.04.2013 die PWK-Zulage in Höhe von 1,50 EUR nur für die Lohngruppen der Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG aufführt.
67cc) Die hier vertretene Auslegung von Ziff. 2.1 LTV, wonach der Zuschlag nur den Mitarbeitern der Lohngruppe 17 (ab 01.01.2014 Lohngruppe 16) zusteht, führt auch zu einer sachgerechten, dem Zweck eines Entgeltzuschlags entsprechenden Ergebnis. Die Wertigkeiten der Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG und derjenigen nach §§ 8, 9 LuftSiG bei einer Tätigkeit in derPersonen-/Personal- und Warenkontrolle sind zumindest sehr ähnlich (so schon LAG Hamburg, Beschluss vom 26. Mai 2008 – 5 TaBV 8/07, juris-Rz. 73 ff.), so dass die Minderung der Entgeltdifferenz beim Grundlohn durch einen – allein den Mitarbeitern nach §§ 8, 9 LuftSiG zugutekommenden – Zuschlag der Herstellung der Entgeltgleichheit dient.
68c) Nach alledem kann dahinstehen, ob dem geltend gemachten Zuschlagsanspruch schon entgegensteht, dass die Beklagte der Klägerin die Funktion einer Tätigkeit in der Personen- und Warenkontrolle nicht schriftlich bestätigt hat. Nach § 13 Ziff. 1 des Entgeltrahmentarifvertrags für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen, welcher nach der Protokollnotiz zum Lohntarifvertrag bezüglich der Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 05.04.2013 Anwendung findet, wird für die Wahrnehmung von Zusatzfunktionen eine Funktionszulage nur gezahlt, wenn die Funktion und die Zahlung der Zulage schriftlich bestätigt wurden.
69d) Ebenso kann dahinstehen, ob ein Zuschlagsanspruch deswegen ausscheidet, weil die Klägerin keine Schulung für eine Tätigkeit als Luftsicherheitskontrollkraft für „Personal- und Warenkontrollen“ nach der Luftsicherheits-Schulungsverordnung aufweisen kann.
70II. Die Klägerin hat nach § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen.
71III. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen. Die Frage der zutreffenden Auslegung von Ziff. 2.1 LTV und des anspruchsberechtigten Personenkreises dürfte sich – nicht nur im Bereich des K /B Flughafens – bundesweit in einer Vielzahl von Fällen stellen.
72RECHTSMITTELBELEHRUNG
73Gegen dieses Urteil kann vonder klagenden Partei
74R E V I S I O N
75eingelegt werden.
76Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
77Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
78Bundesarbeitsgericht
79Hugo-Preuß-Platz 1
8099084 Erfurt
81Fax: 0361-2636 2000
82eingelegt werden.
83Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
84Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
85- 86
1. Rechtsanwälte,
- 87
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 88
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
90Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
91Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
92* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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