Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 180/09
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um eine Einmalzahlung in Höhe von 650,00 Euro.
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Der Kläger, der der Gewerkschaft v. angehört, ist seit 1989 bei der Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt.
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Die Beklagte hat lange Jahre Tarifverträge mit der D.-Bund-Gewerkschaft v. abgeschlossen, die zum großen Teil auch heute noch Anwendung finden. Da im Rettungsdienst traditionell Zeiten der Arbeitsbereitschaft anfallen, die durch Bereitschaftszeiten oder Bereitschaftsdienste abgedeckt werden, hatte die Beklagte ein Interesse daran, mit v. einen Tarifvertrag zur Ausdehnung der Arbeitszeit im Sinne von § 7 Absatz 2a Arbeitszeitgesetz (ArbZG) abzuschließen. Dazu war v. aber nur bereit, wenn die Beklagte Gegenleistungen zu Gunsten der Belegschaft erbringt. Daher kam es nicht zu einem Tarifabschluss.
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Vor diesem Hintergrund hat die beklagte Arbeitgeberin Kontakt aufgenommen zu einer Organisation mit Namen "DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V." (im Folgenden abgekürzt als DHV bezeichnet) und hat mit ihr unter dem 30. November 2007 einen Vertrag, den die Unterzeichner als Tarifvertrag bezeichnet haben, abgeschlossen. In dem Vertrag werden Arbeitszeitfragen für die Arbeitnehmer der Beklagten im Rettungsdienst geregelt. Der Vertrag sieht auch die Ausdehnung der Arbeitszeit im Sinne von § 7 Absatz 2a ArbZG vor. Der Vertrag sollte ausweislich seines § 6 mit dem 1. Januar 2008 in Kraft treten und - ebenfalls dort geregelt - unter Ausschluss der Nachwirkung zum 31. März 2008 enden. Der Vertragstext geht auf einen Formulierungsvorschlag der Beklagten zurück, der ohne große Änderungen übernommen wurde.
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Außerdem hat die Beklagte mit der DHV unter dem 10. Dezember 2007 eine schriftliche Vereinbarung ("Gemeinsame Erklärung") abgeschlossen, die auszugsweise wie folgt lautet (Kopie Blatt 19 d. A., es wird Bezug genommen):
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"Bei Inkrafttreten des Tarifvertrages erhalten die Mitglieder der DHV eine Einmalzahlung in Höhe von 650,00 Euro".
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Den Beschäftigten der Beklagten, die daraufhin Mitglied der DHV geworden sind, wurde mit der Abrechnung für Dezember 2007 im Januar 2008 ein Betrag in Höhe von 650,00 Euro brutto als "Einmalzahlung" ausbezahlt. Um wie viele Arbeitnehmer es sich handelt, ist nicht festgestellt.
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Der Kläger, der nicht Mitglied der DHV geworden ist, machte mit Schriftsatz vom 21. Juni 2008 den Anspruch auf Zahlung der 650,00 Euro schriftlich gegenüber der Beklagten geltend. Nachdem die Beklagte die Zahlung verweigert hat, verfolgt der Kläger sein Begehren mit seiner im Oktober 2008 eingegangenen Klage weiter.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. April 2009 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
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Mit seiner rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.
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Der Kläger stützt seine Forderung auf den Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Er ist der Auffassung, dass die Zahlung aus der "Gemeinsamen Erklärung" ausschließlich an die Mitglieder der DHV eine Differenzierungsklausel sei, die wegen Verstoßes gegen die negative Koalitionsfreiheit unwirksam sei. Er bestreitet, dass die DHV die für den Status einer Gewerkschaft erforderliche Mächtigkeit und Leistungsfähigkeit besitze. Darüber hinaus fehle der DHV die Tarifzuständigkeit für den Bereich des Rettungsdienstes (Hinweis auf BAG 10. Februar 2009 - 1 ABR 36/08 - DB 2009, 1657 = NZA 2009, 908). Dies sei alles so offensichtlich, dass man davon ausgehen müsse, die Beklagte habe bei Zahlung der 650,00 Euro an die Mitglieder der DHV gewusst, dass sie ohne Rechtsgrund eine Zahlung vornehme. Da die Beklagte gewusst habe, dass sie ohne Rechtsgrund zahle, gebe es auch keinen Grund, wieso sie nicht an alle Arbeitnehmer der Belegschaft die Einmalzahlung leiste.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, 650,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2008 an den Kläger zu
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zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, dass eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht vorliege. Selbst bei Unwirksamkeit der Differenzierungsklausel ergäbe sich kein Anspruch zu Gunsten des Klägers, sondern allenfalls ein Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern aus Bereicherungsrecht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache keinen Erfolg. Mit dem Arbeitsgericht, dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht ausdrücklich zu Eigen macht, ist davon auszugehen, dass die Klage nicht schlüssig ist.
I.
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Der vom Kläger behauptete Anspruch besteht nicht.
1.
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Der klägerische Anspruch lässt sich nicht aus der "Gemeinsamen Erklärung" vom 10. Dezember 2007 ableiten. Da durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Februar 2009 (a. a. O.) inzwischen feststeht, dass die DHV keine Tarifzuständigkeit für Mitarbeiter im Rettungsdienst hat bzw. seinerzeit hatte, ist die "Gemeinsame Erklärung" nichts mehr weiter als ein Stück Papier mit mehreren Unterschriften. Direkte Ansprüche irgendwelcher Arbeitnehmer lassen sich daraus nicht ableiten.
2.
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Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass er mit den Begünstigten aus dieser Vereinbarung gleich behandelt wird.
a)
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Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies aber, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen (st. Rspr. vgl. BAG 25. April 2001 - 5 AZR 368/99 - BAGE 97, 350; vgl. dazu auch LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 27. Februar 2008 - 2 Sa 259/07 auf juris.de veröffentlicht). Ein Arbeitgeber, der nach einem selbstgesetzten System vergütet, muss dabei Verteilungsgerechtigkeit üben, weil ein System stets den gedanklichen Zusammenhang mit anderen Tatbeständen und anderen Arbeitnehmern und damit Vergleichbarkeit herstellt (BAG 3. Juli 2003 - 2 AZR 617/02 - BAGE 107, 56 = AP Nr. 73 zu § 2 KSchG 1969 = DB 2004, 655). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, ist damit im Entgeltbereich anwendbar, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt und dazu bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 574 ff).
b)
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Eine sachfremde Gruppenbildung kann vorliegend nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat hier die Gruppe "Mitglieder der DHV" gebildet. Die Bildung einer Gruppe, die als Voraussetzung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisation hat, kann bei Vereinbarungen über Vergütungen mit dieser Organisation in einem Vertrag nicht "sachfremd" sein.
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An diesem Befund ändert sich nichts, auch wenn heute feststeht, dass die "Gemeinsame Erklärung" zwischen der Beklagten und der DHV zu keinem Zeitpunkt direkte Ansprüche der Arbeitnehmer begründet hatte, da der DHV die Zuständigkeit für den Abschluss eines Tarifvertrages für Arbeitnehmer des Rettungsdienstes gefehlt hat. Denn selbst dann, wenn der Vereinbarung nicht die für den Tarifvertrag typische normative Kraft zukommt, bleibt sie doch ein Vertrag, den die vertragsschließenden Parteien wirksam im Rahmen der Vertragsfreiheit verabredet haben. Sonstige Bedenken gegen die Wirksamkeit der "Gemeinsamen Erklärung" als schlichter schuldrechtlicher Vertrag bestehen nicht, insbesondere verstößt der Vertrag nicht gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB.
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Mit der Zahlung an die Mitglieder der DHV hat die Beklagte daher eine Pflicht erfüllt, zu der sie sich gegenüber der DHV verpflichtet hatte. Damit kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet hat. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung im Sinne des Gesetzes ergibt sich jedenfalls nicht durch den bloßen Vollzug eines vermeintlich wirksamen Tarifvertrages (BAG 18. November 2009 - 4 AZR 491/08). - Daher kann offen bleiben, ob der vom Kläger gebildete Rechtssatz, bei vorsätzlicher Zahlung ohne Rechtsgrund müsse die Zahlung an alle erfolgen, zutrifft.
3.
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Mit dem Arbeitsgericht ist zu betonen, dass es einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht oder Rechtsirrtum nicht gibt. Bei einer rechtsirrtümlich falsch angewendeten Rechtsnorm kann niemand aus Gründen der Gleichbehandlung für sich die gleiche Falschanwendung verlangen (BAG 13. Dezember 1972 - 4 AZR 147/72 - AP Nr. 37 zu § 242 BGB Gleichbehandlung mit zust. Anmerkung Löwisch; BAG Urteil vom 19. März 1980 - 4 AZR 300/78 - AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Umstand, dass eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr nicht zustehende Vergünstigung rechtsirrtümlich bereits erhalten hat, ist ein sachlicher, eine Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund auch dann, wenn die versehentlich bevorzugten Arbeitnehmer die Vergünstigung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht zurückzugeben brauchen.
II .
- 28
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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