Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 243/09
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um Entgeltansprüche des Klägers für einen Zeitraum, in dem er keine Arbeitsleistung erbracht hat. Dabei streiten die Parteien insbesondere um die Frage, ob die Beklagte während der streitigen Zeit in Annahmeverzug geraten war.
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Der 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit August 1991 als Heizungsmonteur zu einem Bruttoarbeitsentgelt von zuletzt 9,85 Euro pro Stunde beschäftigt. Der Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter. Die Schwerbehinderung beruht jedenfalls auch darauf, dass der Kläger an Epilepsie leidet.
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Die Beklagte teilt die Arbeit in ihrem Betrieb so ein, dass die Arbeitnehmer häufig alleine tätig sind. Sind sie zu mehreren tätig, fährt man mit einem Firmen-Kfz zur Baustelle. Fahrzeugführer ist der Obermonteur. Bei seiner Arbeit hat der Kläger auch Maschinen zu bedienen, so insbesondere elektrische Sägen, Bohr- und Stemmmaschinen sowie Schweiß- und Lötgeräte.
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Der Kläger war bereits in der Vergangenheit wegen seines Anfallsleidens mehrfach arbeitsunfähig erkrankt; teilweise haben sich die Anfälle während der Arbeitszeit auf den Baustellen der Beklagten ereignet. So war der Kläger vom 21. Mai 2006 bis 30. Oktober 2006 arbeitsunfähig erkrankt, sodann weiterhin vom 26. Januar 2007 bis zum 23. Februar 2007 und ab dem 12. März 2007 bis zum 13. April 2007. Der erneuten Erkrankung ab 26. Januar 2007 ging ein schwerer epileptischer Anfall auf einer Baustelle voraus.
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Im Februar 2007 kam es dann zu Vertragsgesprächen der Parteien. Am 23. Februar 2007 war der Kläger im Büro der Beklagten erschienen und hat eine ärztliche Bescheinigung überreicht, nach der er - seiner Einlassung nach wegen einer Medikamentenumstellung - für einige Zeit nicht in der Lage sei, ein Kraftfahrzeug zu führen. Herr S., Prokurist bei der Beklagten, hat dem Kläger darauf mitgeteilt, dass er unter diesen Bedingungen derzeit im Betrieb nicht einsetzbar sei. Die Gesprächspartner gingen offensichtlich davon aus, dass die Einsatzeinschränkungen des Klägers möglicherweise auch auf Dauer bestehen könnten, denn sie erörterten den Wunsch des Klägers, ihm - gegebenenfalls nach Umschulung - einen anderen Arbeitsplatz, möglicherweise im Büro, zuzuweisen. Über die zukünftige Handhabung des Arbeitsverhältnisses konnte in diesem Gespräch kein Einvernehmen erzielt werden. Zum Schluss war man zunächst so verblieben, dass der Kläger nach Wiedergenesung zunächst die Stunden auf dem Stundenkonto abbummeln sollte und dann vielleicht noch Urlaub nehmen sollte.
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Unter dem 27. Februar 2007 hat der Kläger an die Beklagte geschrieben und abermals das Thema der Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz angesprochen. Er wollte sich in diesem Zusammenhang darum bemühen, Gelder für die Umschulung bei Trägern der Sozialversicherung einzuwerben (Kopie Blatt 95 d. A., es wird Bezug genommen). Dahingehende Wünsche hat die Beklagte dann nochmals schriftlich mit Schreiben vom 7. März 2007 abgelehnt (Kopie Blatt 6 d. A., es wird Bezug genommen). Bei dieser Gelegenheit hat die Beklagte auch nochmals bestätigt, dass "es uns aufgrund ihrer Erkrankung nicht möglich" ist, "Sie weiterhin auf Baustellen in unserem Unternehmen einzusetzen."
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Mit Schreiben vom 15. März 2007 (Kopie Blatt 159 d. A., es wird Bezug genommen) hat die IG M. die Vertretung des Klägers angezeigt und im Namen des Klägers dessen Arbeitskraft angeboten und die Zuweisung von Arbeit verlangt.
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Der Kläger macht mit seiner Klage vom 23. April 2007, Gerichtseingang am selben Tag, Annahmeverzugsansprüche geltend. Die Klage wurde mehrfach erweitert und hinsichtlich einzelner Zeiträume auch wieder fallengelassen. Nach der Antragstellung im Berufungsrechtszug geht es jetzt noch um die klägerischen Ansprüche auf Annahmeverzugslohn aus der Zeit vom 19. April 2007 bis zum 30. November 2007 unter Abzug des dem Kläger in dieser Zeit zugeflossenen Arbeitslosengeldes.
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Nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit bis zum 13. April 2007 hat der Kläger Arbeitslosengeld beantragt, das ihm zunächst verweigert wurde, später jedoch rückwirkend für die Zeit ab dem 19. April 2007 bewilligt wurde. Nach einer sozialmedizinischen Stellungnahme eines Arztes der Bundesagentur für Arbeit vom 18. Juni 2006 ist der Kläger vollschichtig einsetzbar und er kann sogar gelegentlich schwere Arbeit verrichten, wobei auszuschließen sind u.a. Arbeiten mit Kontakt zu Suchtstoffen (Blatt 69 d. A., es wird Bezug genommen).
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Mit Schreiben vom 12. Oktober 2007 (B1att 79 d. A.) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er wieder in der Lage sei, ein Kraftfahrzeug zu führen. Bei dieser Gelegenheit hat er erneut seine Arbeitskraft angeboten. Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 30. Oktober 2007 darauf, dass sie den Kläger wieder einsetzen werde, sobald er seine Arbeitskraft nicht nur schriftlich, sondern auch tatsächlich anbiete.
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Seit Ende November 2007 haben die Parteien dann ihr Arbeitsverhältnis zunächst wieder beiderseitig durchgeführt. Im Juli 2008 hat die Beklagte dann allerdings das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt. Die Kündigung hat der Kläger nicht gerichtlich angegriffen. Das Arbeitsverhältnis ist daher inzwischen beendet.
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Das Arbeitsgericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 27. November 2007 (Blatt 83 d. A.) ärztliche Berichte der den Kläger behandelnden Ärztinnen zu der von der Beklagten behaupteten fehlenden Arbeits- bzw. Leistungsfähigkeit eingeholt. Auf den Bericht von Frau Dr. S. vom 7. August 2008 (Blatt 109 d. A.) und von Frau Dr. R. vom 6. Oktober 2008 (Blatt 112 ff d. A.) wird Bezug genommen.
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Der Kläger hat zunächst am 29. April 2009 ein klagabweisendes Versäumnis-Urteil gegen sich ergehen lassen. Nach Einspruch hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 20. Juni 2009 durch die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils und die Zurückweisung des Einspruchs in der Sache die Klage abgewiesen.
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Das Urteil ist dem Kläger am 10. August 2009 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung ist beim Landesarbeitsgericht am 27. August 2009 eingegangen. Sie ist nach rechtzeitig gestelltem und bewilligtem Fristverlängerungsantrag innerhalb der verlängerten Frist begründet worden.
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Im Berufungsrechtszug verfolgt der Kläger im noch rechtshängigen Streitzeitraum sein Begehren weiter, wobei er allerdings seine Forderung zur Höhe des Annahmeverzugslohns teilweise korrigiert hat. Außerdem bringt er nunmehr schon bei der Antragstellung zum Ausdruck, dass das zugeflossene Arbeitslosengeld gegenzurechnen sei.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte ihn für den streitgegenständlichen Zeitraum voll zu vergüten habe. Er sei im Streitzeitraum in der Lage gewesen, die arbeitsvertraglichen Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehöre gerade nicht das Führen von Kraftfahrzeugen. Aus den ärztlichen Stellungnahmen ergebe sich nichts anderes. Er habe seine Arbeitskraft auch auf dem rechtlich gebotenen Wege angeboten. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 7. März 2007 die weitere Entgegennahme der Arbeitskraft des Klägers endgültig abgelehnt habe, hätte das wörtliche Angebot der Arbeitskraft durch die IG M. mit Schreiben vom 15. März 2007 ausgereicht, um den Annahmeverzug des Arbeitgebers auszulösen.
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Der Kläger beantragt,
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das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern, das Versäumnisurteil teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
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1. für den Zeitraum 10.04.2007 bis 31.07.2007 5.831,27 Euro brutto abzüglich 2.811,12 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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2. für den Zeitraum 01.08.2007 bis 30.09.2007 3.388,40 Euro brutto abzüglich 1.653,60 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2007 zu zahlen;
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3. für den Zeitraum 01.10.2007 bis 31.10.2007 1.812,40 Euro brutto abzüglich 826,80 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2007 zu zahlen sowie
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4. für den Zeitraum 01.11.2007 bis 30.11.2007 1.733,60 Euro brutto abzüglich 826,80 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verweist darauf, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, seine Arbeitsverpflichtungen zu erfüllen, denn dazu hätte auch das Führen eines Kraftfahrzeuges gehört und das Bedienen gefährlicher Maschinen. Das deutsche Recht kenne keine partielle Arbeitsfähigkeit. Der Kläger habe der Beklagten gegenüber erklärt, dass er Aufgaben wie Kraftfahrzeugfahren und Bedienen von gefährlichen Maschinen nicht weiter erfüllen könne. Dies ergebe sich aus seinem Schreiben vom 27. Februar 2007 und den mit ihm geführten Gesprächen. Die Beklagte könne aber auch schon deshalb nicht in Annahmeverzug geraten sein, weil der Kläger seine Arbeitskraft nicht persönlich angeboten habe, sondern lediglich schriftsätzlich. Weiter sei zu berücksichtigen, dass aufgrund des unstreitigen Umstandes, dass der Kläger nicht in der Lage war, Kraftfahrzeuge zu führen, sich auch ergebe, dass er keine schweren Maschinen habe bedienen dürfen. Hier sei insbesondere zu berücksichtigen, dass Schweißen eine gefährliche Tätigkeit sei und Schweißen bei fehlender körperlicher Eignung eine erhöhte Gefährdung für den Kläger und seine Umgebung dargestellt hätte.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die klägerische Berufung ist nicht begründet. Die Klage ist auch unter Berücksichtigung der geänderten Antragstellung nach wie vor unschlüssig.
I.
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Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte sich in der streitgegenständlichen Zeit vom 19. April 2007 bis zum 30. November 2007 in Annahmeverzug befunden hat und daher nach § 615 BGB zur Zahlung von Annahmeverzugslohn verpflichtet wäre.
1.
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Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug, wenn er die ordnungsgemäß angebotene Arbeitskraft des Klägers nicht in Anspruch nimmt (§ 293 BGB). Dazu muss der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft tatsächlich im Sinne von § 294 BGB anbieten. Ein tatsächliches Angebot erfolgt im Arbeitsverhältnis dadurch, dass sich der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz einfindet (vgl. nur LAG Köln 12. April 2002 NZA-RR 2003, 18). Im Arbeitsverhältnis der Parteien hätte der Kläger also seine Arbeitskraft tatsächlich im Sinne von § 294 BGB angeboten, wenn er zu Arbeitsbeginn morgens am Betriebssitz der Beklagten in S. erschienen wäre und sich arbeitsbereit gemeldet hätte.
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In diesem Sinne hat der Kläger seine Arbeitskraft bei der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum zu keinem Zeitpunkt tatsächlich angeboten. Zuletzt war er am Betriebssitz am 23. Februar 2007 erschienen. An diesem Tag hat er aber nicht seine Arbeitskraft angeboten, sondern im Gegenteil mitgeteilt, dass er Teile der bisher mit erledigten Arbeitsaufgaben derzeit nicht erfüllen könne.
2.
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Statt des tatsächlichen Anbietens der Arbeitskraft reicht im Ausnahmefall auch das wörtliche Angebot der Arbeitskraft im Sinne von § 295 BGB aus. Das ist aber nur dann der Fall, wenn der Arbeitgeber bereits zuvor erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde oder er erkennbar nicht bereit ist, dem Arbeitnehmer Arbeit zuzuweisen. Dass die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums gegeben waren oder sie jedenfalls später eingetreten sind, konnte der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen.
- 31
Anknüpfungspunkt könnte insoweit allein das Verhalten der Beklagten bei dem Personalgespräch am 23. Februar 2007 gewesen sein oder das darauf Bezug nehmende Anschreiben der Beklagten vom 7. März 2007. Der Vortrag des Klägers zu den Einzelheiten des Personalgesprächs vom 23. Februar 2007 ist unergiebig. Aus dem Umstand, dass die Beklagte den Kläger zunächst einmal die Plusstunden abbummeln ließ, lässt sich allerdings indirekt erkennen, dass die Beklagte die weitere Annahme der Arbeitsleitung des Klägers bei dieser Gelegenheit noch nicht endgültig abgelehnt hatte. Vielmehr hatte sie wohl noch die Hoffnung auf eine Veränderung und hat das Stundenabbummeln als Überbrückungsmaßnahme vorgeschlagen bzw. angeordnet. Auch mit dem Anschreiben vom 7. März 2007 wird die Annahme der Arbeitskraft des Klägers nicht endgültig abgelehnt. Vielmehr wird ein Zusammenhang zwischen der (derzeitigen) "Erkrankung" des Klägers und der Ablehnung der Annahme der Arbeitskraft hergestellt.
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Ob die Beklagte oder auch der Kläger der Auffassung waren, dass die Erkrankung dauerhaft dem weiteren Einsatz des Klägers entgegenstehe, kann dahinstehen. Entscheidend ist aus der Sicht des Gerichts, dass der Arbeitgeber die Annahme der Arbeitskraft nicht generell abgelehnt hat, sondern nur für den Zeitraum der "Erkrankung".
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Sollte sich aus der Sicht des Klägers nach dem Personalgespräch vom 23. Februar 2007 die Sachlage verändert haben, sollte er sich also in der Lage gesehen haben, die Arbeit wieder aufnehmen zu können, hätte er seine Arbeitskraft tatsächlich anbieten müssen. Denn im nicht gekündigten Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer grundsätzlich seine bestehende Bereitschaft zur Erfüllung des Arbeitsvertrages durch tatsächliches Angebot der Arbeitskraft bewirken. Das gilt insbesondere für den Fall der Beendigung einer Arbeitsunfähigkeit (BAG 20. Oktober 1992 EzA BGB § 615 BGB Nr. 77).
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Im Falle des Klägers lag seinerzeit zwar im rechtlichen Sinne keine Erkrankung vor, die zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Wenn die Parteien von Erkrankung sprechen, meinen sie vielmehr die Frage, ob der Kläger seiner Zeit leistungsfähig (und leistungsbereit) im Sinne des Rechts des Annahmeverzuges gewesen war. Denn wenn es tatsächlich so gewesen war, dass der Kläger zwar keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr vorlegen konnte, er jedoch ärztlicherseits die Empfehlung bzw. Aufforderung hatte, kein Kraftfahrzeug zu führen, könnte dies - trotz Fehlens einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - zu der Feststellung führen, dass der Kläger seinen Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug versetzen konnte, weil er nicht leistungsfähig im Sinne des Annahmeverzugsrechts gewesen war.
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Auf einen solchen Fall ist aber die Rechtsprechung, die das BAG (a. a. O.) für den Fall des Auslaufens der Arbeitsunfähigkeit entwickelt hat, erst Recht anzuwenden. Wenn sogar im normalen Falle einer Wiedergenesung nicht der Anruf beim Arbeitgeber mit dem Angebot der Arbeitskraft genügt, um Annahmeverzugsansprüche auszulösen, muss dies doch erst Recht dann gelten, wenn nicht einmal eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, sondern nur eine ärztliche Empfehlung, bestimmte Tätigkeiten zu unterlassen. In einem solchen Falle muss der Arbeitnehmer daher ebenfalls seine Arbeitskraft durch Erscheinen am Betriebssitz anbieten, wenn er den durch die ärztliche Empfehlung entstandenen Leerlauf im Arbeitsverhältnis überwinden will.
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Dies gilt nach der Überzeugung des Gerichts selbst dann, wenn sich an der Sachlage nichts geändert hat und der Arbeitnehmer lediglich seine Auffassung geändert hat und meint, der Arbeitgeber müsse ihn trotz der ärztlichen Empfehlungen zur Arbeit heranziehen. Denn der Arbeitgeber muss gerade in den Fällen wie dem vorliegenden in der Lage sein, durch das direkte Gespräch mit dem Arbeitnehmer und durch die Beobachtung des Arbeitnehmers bei diesem Gespräch sich ein Urteil darüber zu bilden, ob er es verantworten kann, den Arbeitnehmer trotz der ärztlichen Empfehlungen zur Arbeit zuzulassen.
3.
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Aber selbst dann, wenn man sich hilfsweise auf den Standpunkt stellt, das wörtliche Angebot der Arbeitskraft des Klägers durch das Anschreiben der IG M. vom 15. März 2007 könne als ein ordnungsgemäßes Angebot der Arbeitskraft des Klägers bewertet werden, bleibt die Klage unschlüssig. Denn die Beklagte hat sich darauf berufen, dass es dem Kläger an der Fähigkeit gemangelt habe, seine vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Der dazu vorhandene Vortag der Beklagten ist ausreichend und der Kläger hat es nicht vermocht, ihn substantiiert zu bestreiten. Das führt zu der gerichtlichen Feststellung, dass im Arbeitsverhältnis der Parteien im streitgegenständlichen Zeitraum auch deshalb kein Annahmeverzug entstanden ist, weil der Kläger seinerzeit nicht in der Lage war, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen.
a)
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Zum einen war der Kläger nicht in der Lage, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, weil es ihm - jedenfalls zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums - nicht möglich war, ein Kraftfahrzeug zu führen. Nach dem vom Kläger vorgetragenen Grund soll dies mit einer Medikamentenumstellung begründet gewesen sein.
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Es kann dahinstehen, ob es zu den arbeitsvertraglichen Aufgaben des Klägers gehört hat, ein Kraftfahrzeug zu führen. Denn jedenfalls schließt sich das Gericht der Bewertung der Beklagten an, dass es unverantwortlich gewesen wäre, den Kläger während dieser Phase der Medikamentenumstellung mit den branchenüblichen Maschinen und Geräten (Schweißgerät, Flex, Stemmbohrer) hantieren zu lassen. Denn deren ordnungsgemäße und sichere Bedienung erfordert mindestens ebenso viel Konzentration, Aufmerksamkeit und Reaktionsschnelle, wie die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug.
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Diese Bewertung wird vom Kläger sogar geteilt. Er meint lediglich, der Beklagten wäre es zumutbar gewesen, den Kläger für die Zeit der Medikamentenumstellung mit Arbeiten zu betrauen, die mit Rücksicht auf seine eingeschränkte Eignung zur Vertragserfüllung von ihm ohne Risiko erfüllbar seien. Diese Bewertung seiner Einsatzmöglichkeiten durch den Kläger wird vom Gericht nicht geteilt. Das Bedienen von Geräten und Maschinen gehört zum alltäglichen Kerngeschäft eines Heizungsmonteurs. Kann es nicht verantwortet werden, ihm das Bedienen solcher Geräte und Maschinen anzuvertrauen, ist er nicht in der Lage, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.
b)
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Unabhängig davon war der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum aber auch deshalb nicht in der Lage, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, weil er unter einer hochgradigen Alkoholabhängigkeit leidet und auch schon seinerzeit gelitten hat.
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Etwas anderes als diese traurige Feststellung kann aus der ärztlichen Stellungnahme von Frau Dr. R. vom 6. Oktober 2008 (Blatt 112 ff d. A.) nicht entnommen werden. Ohne Umschweife und diplomatische Rücksicht erklärt die Ärztin dort, das Anfallsleiden des Klägers habe eine "alkoholtoxische Genese"; bereits im klinischen Entlassungsbericht nach stationärer Behandlung im April 2004 sei eine "Alkoholkrankheit mit toxischer Leberschädigung und toxischer Thrombozytopenie" festgestellt worden. Aus der Zeit ihrer eigenen Behandlung und der vorgenommenen Medikamentenumstellung berichtet sie für 2007 von "weiter bestehendem Alkoholkonsum". Bezüglich des Anfallsleidens habe die Medikamentenumstellung zwar zu Verbesserungen geführt, der Kläger habe aber die weitere Behandlung im Mai 2007 abgebrochen und sich erst im April 2008 wieder vorgestellt. Darauf sei dann in der Labordiagnostik ein "alkoholtoxischer Leberschaden bestätigt worden", dabei hätten sich "hochpathologische Werte" gezeigt. In der Schlussbemerkung heißt es dann wörtlich: "Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass aufgrund der Alkoholabhängigkeit des Patienten sowohl seine Arbeitsfähigkeit als auch seine Fahrtauglichkeit erheblich eingeschränkt sind. ... Die o. g. Laborwerte sprechen ... für einen unverändert bestehenden Alkoholkonsum."
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Dem braucht nichts hinzugefügt werden. Der Kläger war bereits im streitgegenständlichen Zeitraum alkoholabhängig erkrankt und war schon daher nicht in der Lage seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verantwortungsvoll nachzugehen. Erschreckend ist dabei eigentlich nur, dass dies die Personen, die vor und während des Rechtsstreits Umgang mit dem Kläger hatten, nicht schon viel früher mit der gleichen Deutlichkeit wie Frau Dr. R. ausgesprochen haben. Vielleicht wäre man dann noch in der Lage gewesen, das Arbeitsverhältnis zu retten oder jedenfalls dem Kläger die Hilfe angedeihen zu lassen, die er als Suchtkranker dringend benötigt hat.
II.
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Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
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