Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 264/12

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 12.09.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten mit Feststellungs- und Zahlungsanträgen darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis nicht nur die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge, sondern sämtliche Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk Anwendung finden, insbesondere auch darüber, ob der Klägerin ein zusätzliches Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk vom 07.09.2007 zusteht.

2

Die Klägerin schloss im Jahre 2010 einen Arbeitsvertrag als Innenreinigerin mit einem Unternehmen namens H., in dem es auszugsweise heißt:

3

„Im Übrigen gelten die Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk soweit sie für allgemeinverbindlich erklärt sind oder aus anderen Rechtsgründen ein Anspruch auf Anwendung entsteht und die betrieblichen Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung.“

4

Wegen der näheren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage B1, Blatt 20 f., 44 f. der Akte verwiesen.

5

Das Arbeitsverhältnis ging durch Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang auf die H. – H. G. Service GmbH über. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft Verbandsmitgliedschaft der Klägerin ein Haus-Rahmentarifvertrag vom 21.08.2008 Anwendung, dessen § 1, befindlich im „Abschnitt I – Geltungsbereich“ wie folgt lautet:

6

㤠1
Geltungsbereich

7

1. Dieser Rahmentarifvertrag gilt:

8

Räumlich: für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
Fachlich: für sämtliche Organisationseinheiten der H.
Persönlich: für alle Beschäftigten der H. –H. G. Service GmbH, die gem. § 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausüben, einschließlich derjenigen, die gem. § 8 SGB Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) eine geringfügige Beschäftigung ausüben.

9

2. Dieser Rahmentarifvertrag gilt nicht für:

10

- Leitende Angestellte im Sinne des BetrVG § 5 Abs. 3, Ziffer 1 bis 3 und Abs. 4, Ziffer 4, sowie Angestellte, denen Prokura nach § 49 HGB übertragen ist.

11

- Arbeitnehmer, die überwiegend Tätigkeiten im Sinne der Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk ausüben. Diese unterfallen den Tarifverträgen des Gebäudereiniger-Handwerks.

12

Soweit in diesem Rahmentarifvertrag Formulierungen für Personen in maskuliner Form verwendet werden (z. B. „Arbeitnehmer“), sind damit gleichzeitig und gleichwertig auch weibliche Personen gemeint und bezeichnet.“

13

Wegen der weiteren Einzelheiten der insgesamt 31 Paragraphen des Tarifvertrages wird auf die Anlage B2, Blatt 46 – 60 der Akte verwiesen.

14

Zum 01.02.2011 ging das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang auf die Beklagte über. Die Beklagte beschäftigt insgesamt etwa 640 Arbeitnehmer (Blatt 37 der Akte). Die Beklagte ist nicht auf Grund Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerkes gebunden. Die Beklagte wendet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die für allgemein verbindlich erklärten Rahmentarifverträge für gewerbliche Beschäftigte in der Gebäudereinigung sowie den Mindestlohntarifvertrag Gebäudereiniger-Handwerk an, nicht jedoch die nicht allgemein verbindlichen Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk.

15

Die Klägerin verdiente zuletzt als Innenreinigerin 455,00 Euro brutto monatlich.

16

Die Klägerin mahnte die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes für 2011 an und verfolgt dieses Begehren zusammen mit dem Eingangs beschriebenen Feststellungsbegehren mit am 10.04.2012 zugestellter Klage weiter.

17

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die begehrten Feststellungen ergäben sich aus einer Auslegung von § 1 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages vom 21.08.2008. Aus dem Wortlaut ergebe sich eindeutig, dass Arbeitnehmer, die überwiegend Tätigkeiten im Sinne der Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks durchführten, den Tarifverträgen für das Gebäudereiniger-Handwerk unterfielen. Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus dem Tarifvertrag zur Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes. Die Klägerin hat vorgetragen, die Geltendmachung sei rechtzeitig erfolgt.

18

Die Klägerin hat die Angabe der Beklagten, etwa 142 Arbeitnehmer bei ihr seien Reinigungskräfte, nicht bestritten.

19

Die Klägerin hat beantragt:

1.

20

Festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung kommen, hilfsweise festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks in der am 01.01.2010 geltenden Fassung zur Anwendung kommen.

2.

21

Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 94,63 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.12.2011 zu zahlen.

22

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

23

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die streitige Regelung stelle eine Ausnahme aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages dar unter nur klarstellender Darstellung, was dann gälte, nicht jedoch eine inhaltliche Regelung.

24

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 12.09.2012 die Klage abgewiesen, im Kern aus den von der Beklagten vertretenen Gründen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Blatt 92 – 102 der Akte verwiesen.

25

Die Klägerin hat das ihr am 02.10.2012 zugestellte Urteil mit am 12.11.2012 beim Berufungsgericht eingegangener Berufung angegriffen, mit am Montag, dem 03.12.2012 eingegangenem Schreiben um Verlängerung der Begründungsfrist bis 02.01.2013 gebeten und nach entsprechender Verlängerung die Berufung mit am 27.12.2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben begründet.

26

Im Rahmen der Berufungsbegründung reicht die Klägerin ein am 12.09.2012 bei den Klägervertretern eingegangenes Schreiben der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 10.09.2012 zur Akte. Wegen dessen näherer Einzelheiten wird auf Blatt 138 – 140 der Akte verwiesen.

27

Die Klägerin behauptet, der Inhalt des Schreibens, beide Parteien des Rahmentarifvertrages hätten die Geltung aller Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks gewollt, sei zutreffend.

28

Die Klägerin hält die bereits erstinstanzlich vertretene Auslegung nach wie vor für richtig und meint, ergänzend hätte der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit berücksichtigt werden müssen. Diesen hätte das Gericht von Amts wegen ermitteln müssen und wäre dabei zu dem aus dem Schreiben vom 10.09.2012 ersichtlichen Ergebnis gelangt, dass die Tarifparteien sich einig gewesen waren, dass alle Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerkes gelten sollten.

29

Am 06.05.2013 reicht die Klägerin die Satzung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt in Auszügen zur Akte und vertritt die Auffassung, die tarifschließende Gewerkschaft sei für das Unternehmen der H. – H. G. Service GmbH nicht zuständig gewesen. Die Klägerin trägt vor, etwa 60 Prozent der Mitarbeiter der H. – H. G. Service GmbH seien Gebäudereiniger gewesen. Aus Sicht der Klägerin habe dieser Umstand einen Einfluss auf die Auslegung des Rahmentarifvertrages. Es sei im Zweifel einer Auslegung zu folgen, die die Regelung insgesamt als rechtmäßig erscheinen lasse. Wenn die fragliche Klausel zur Geltung der Gebäudereinigertarifverträge nur eine klarstellende Bedeutung habe, sei der gesamte Tarifvertrag unwirksam. Diese Auslegung widerspreche aber dem soeben dargestellten Auslegungsgrundsatz.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung und der soeben dargestellten Ergänzung dazu wird auf die Schreiben vom 17.12.2011 und 02.05.2013, jeweils nebst Anlagen, verwiesen (Blatt 133 – 140, Blatt 168 – 173 der Akte).

31

Die Klägerin beantragt:

1.

32

Das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 12.06.2012, Az.: 2 Ca 579/12, zugestellt am 02.10.2012, wird abgeändert.

2.

33

Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung kommen,

34

hilfsweise,

35

es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks in der am 01.01.2010 geltenden Fassung zur Anwendung kommen.

3.

36

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 94,63 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 15.12.2011 zu zahlen.

4.

37

Die Revision wird zugelassen.

38

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

39

Die Beklagte bezieht sich auf den Vortrag erster Instanz. Die Beklagte hält die Auslegung des Rahmentarifvertrages für eindeutig. Die Beklagte behauptet, die Erklärung vom 10.09.2012 sei inhaltlich unzutreffend. Es handele sich um eine Gefälligkeitsmitteilung.

40

Die Berufungsbeantwortungsfrist ist durch Beschluss vom 28.01.2013 bis 28.02.2013 verlängert worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den am gleichen Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 28.02.2013 und auf den Schriftsatz vom 03.06.2013 verwiesen (Blatt 158 – 162, Blatt 176 – 177 der Akte).

Entscheidungsgründe

41

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I.

42

Die Berufung ist zulässig. Die Berufung ist fristgerecht bei Gericht eingegangen und fristgerecht begründet worden.

II.

43

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Gründen, auf die verwiesen wird, die zulässigen Klaganträge abgewiesen. Die von der Klägerin in der zweiten Instanz neu eingeführten Gesichtspunkte führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Auf das Arbeitsverhältnis finden nur die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk Anwendung, nicht die anderen Tarifverträge für Gebäudereiniger. Damit entfällt zugleich der Zahlungsanspruch nebst Zinsen. Es kommt nicht darauf an, ob eventuelle Geltendmachungsfristen gewahrt wurden.

1.

44

Die vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellte Auslegung ist eindeutig.

a)

45

Es handelt sich bei § 1 des Rahmentarifvertrages um einen normativen Teil des Tarifvertrages, also um einen Teil, der nicht nur schuldrechtlich zwischen den tarifvertrags-abschließenden Parteien gelten soll. Bei der Auslegung normativer Teile eines Tarifvertrages gelten folgende Grundsätze (BAG vom 22.04.2010 – 6 AZR 962/08 –, in Juris veröffentlicht, Juris Rz. 17; BAG vom 18.10.2012 – 6 AZR 261/11 -, Juris Rz. 87; Treber in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Auflage, § 203, Rz. 4 – 14; Franzen in Erf. Kommentar, Auflage 2012, § 1 TVG, Rz. 92 f.): Es ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang sind Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien zu erschließen und Sinn und Zweck der Tarifnorm zu ermitteln. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können ohne Bindung an eine Reihenfolge ergänzend die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, die praktische Tarifübung und die Praktikabilität berücksichtigt werden. Lässt sich auch danach der Normbefehl nicht hinreichend ermitteln, ist im Interesse des Normerhalts auf das Verständnis eines durchschnittlichen Normanwenders zurückzugreifen. Lässt sich danach ein eindeutiger Norminhalt feststellen, so gilt dieser; ansonsten ist die Norm wegen Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit nichtig. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

b)

46

Die Auslegung nach Wortlaut und Zusammenhang ergibt das vom Arbeitsgericht festgestellte Ergebnis. Die Sätze 2 und 3 von § 1 beschreiben sowohl nach der Überschrift des Paragraphen wie auch nach der Überschrift des Abschnittes den Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nach dem Wortlaut von § 1 Satz 2 des Tarifvertrages gilt dieser nicht für Arbeitnehmer, die überwiegend Tätigkeiten im Sinne der Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk ausüben. Das ist eine eindeutige Aussage. Würde Satz 3 von § 1 eine eigenständige Regelung enthalten, enthielte Satz 2 keine klare Aussage mehr, sondern wäre in sich unverständlich. Einerseits soll dann der Rahmentarifvertrag nicht für Gebäudereiniger gelten, andererseits soll der Tarifvertrag eine inhaltliche Regelung für Gebäudereiniger enthalten. Es ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu dem Zusammenhang, nämlich zu den Überschriften passt, und die zu einem eindeutigen Ergebnis statt zu einem mehrdeutigen, unverständlichen Ergebnis führt. Für diese Auslegung sprechen im Übrigen auch sprachliche Gesichtspunkte. Der dritte Satz von § 1 ist von seiner Stellung her ein Satz mit einer Nebenbedeutung, nicht mit einer Hauptbedeutung.

c)

47

Eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift führt zu dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis. Das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis führt zu einer eindeutigen, in sich stimmigen Aussage und ist sinnvoll. Die von der Klägerin bevorzugte Auslegung führt zu einer mehrdeutigen Aussage. Mehrdeutige Aussagen in Tarifverträgen sind nicht sinnvoll. Die Darstellung des Zusatzes „diese unterfallen den Tarifverträgen des Gebäudereiniger-Handwerks“ macht auch nach Maßgabe der Auslegung des Arbeitsgerichts Sinn. Es handelt sich um eine Erläuterung, was für Gebäudereiniger aus anderen Gründen als aus Gründen der Regelung im Rahmentarifvertrag vom 21.08.2008 gilt.

48

Die Argumentation, bei unterstellter Auslegung im Sinne des Arbeitsgerichts hätte sich der Zusatz „allgemeinverbindlich“ angeboten, ist nicht zwingend. Denn bei Eintritt der H. – H. G. Service GmbH in den Arbeitgeberverband könnten die Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks auch gelten, soweit sie nicht allgemeinverbindlich sind. Es erscheint im Übrigen nicht ausgeschlossen, dass einzelne Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber Arbeitsverträge abschließen, wonach die Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks komplett gelten. Eine Einschränkung auf die allgemeinverbindlichen Tarifverträge kann daher in bestimmten Situationen zu einer falschen Aussage führen.

d)

49

Ein eventueller Wille der Tarifvertragsparteien, also der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und der H. – H. G. Service GmbH, es sollen für Gebäudereiniger sämtliche Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks gelten, ist nicht Inhalt des Tarifvertrages geworden. Bei Tarifverträgen ist zwar der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, allerdings nur dann, wenn er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gewunden hat. Das ist vorliegend nicht der Fall. Bei isolierter Betrachtung des Satzes „Diese unterfallen den Tarifverträgen des Gebäudereiniger-Handwerks“ erscheint es zwar vertretbar, dass ein entsprechender Wille der Tarifvertragsparteien seinen Niederschlag im Wortlaut gefunden hat. Bei kombinierter Berücksichtigung des Wortlautes und des Zusammenhangs, insbesondere zu den Überschriften, ist dies allerdings nicht mehr der Fall. Danach gilt nur noch das oben dargestellte eindeutige Auslegungsergebnis. Tarifverträge sind stets nach dem Zusammenhang auszulegen, weil sich nur so der Tarifvertragsinhalt erschließen lässt.

50

Die von der Klägerin am 06.05.2013 vertretene Auslegung ist aus an späterer Stelle [II. 2. c)] dargestellten Gründen nicht erkennbarer Wille der Tarifvertragsparteien.

e)

51

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die getroffene Auslegung unpraktikabel ist. Sie führt zwar dazu, dass für die Gebäudereiniger keine Regelung getroffen wird. Das schadet jedoch nicht, weil wesentliche Regelungen in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen für das Gebäudereiniger-Handwerk getroffen sind. Es macht Sinn, für die Nichtgebäudereiniger der H. – H. G. Service GmbH tarifliche Regelungen zu treffen.

f)

52

Angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses kommt es nicht auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags an.

2.

53

Der Argumentation der Klägerin vom 06.05.2013, fußend auf einer Unzuständigkeit der Gewerkschaft, ist aus mehreren Gründen nicht zu folgen.

a)

54

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt war zuständig für den Abschluss tariflicher Regelungen für bestimmte Arbeitnehmer der H. – H. G. Service GmbH. Bei den DGB-Gewerkschaften gilt im Zweifel das Prinzip ein Betrieb, eine Gewerkschaft (Anlage 1 zur Satzung des DGB – Stand Juni 2010, Punkt 2 a Strich 2, Seite 26 der Internetausgabe http://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/satzung). Bei Zugrundelegung der (nicht bestrittenen) Annahme von Klägerseite, bei der H.– H. G. Service GmbH seien überwiegend Reinigungskräfte beschäftigt, handelt es sich um ein Unternehmen des Gebäudemanagements, für das die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt zuständig ist. Ein Indiz für die Zuständigkeit der Gewerkschaft ist die eingereichte Tarifauskunft, die eine Unzuständigkeit nicht erwähnt.

b)

55

Selbst wenn die Gewerkschaft unzuständig wäre, so würde dies der Klägerin nicht helfen. Der von der Klägerin am 06.05.2013 vorgeschlagene Auslegungsweg würde nicht greifen. Bei Unzuständigkeit der Gewerkschaft für das Unternehmen bzw. den Betrieb wäre der von der Klägerin als Anspruchsgrundlage ins Feld geführte Tarifvertrag vollständig unwirksam.

c)

56

Der von der Klägerin am 06.05.2013 vorgeschlagenen Auslegung ist nicht zu folgen. Sie würde dazu führen, dass zwei Sätze des Rahmentarifvertrages die eigentliche Regelung darstellen würden und 30 ½ Paragraphen ohne Bedeutung sind. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht der Wille der damals tarifvertragsschließenden Parteien gewesen sein kann.

III.

57

Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Es ist keine Tarifauskunft einzuholen beim Geschäftsführer oder beim Tarifvertrags-Verhandlungsführer der H. – H. G. Service GmbH, und zwar aus mehreren Gründen.

1.

58

Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft besteht nur, wenn Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung führen (BAG vom 22.04.2010 – 6 AZR 962/08 -, Juris Rz. 32; BAG vom 13.06.2012 – 10 AZR 351/11 -, Juris Rz. 28). Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte zu einem eindeutigen Ergebnis führen, handelte das Arbeitsgericht richtig, keine Tarifauskunft einzuholen.

2.

59

Die von der Klägerin eingereichte Tarifauskunft gibt keinen Anlass zur Einholung einer weiteren Tarifauskunft. Wenn die eingereichte Tarifauskunft zu berücksichtigen wäre, so wäre es zwingend, eine weitere Tarifauskunft auch von der anderen Tarifvertragsseite einzuholen. Die eingereichte Tarifauskunft ist allerdings nicht zu berücksichtigen. Tarifauskünfte, die auf die Beantwortung einer prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sind, sind nicht zu berücksichtigen, sondern lediglich Tarifauskünfte, die Auskunft geben über das tatsächliche Tarifgeschehen oder eine einvernehmliche tarifliche Übung (ausführlich BAG vom 18.08.1999 – 4 AZR 247/98 -, Juris Rz. 57 f.; ferner BAG vom 14.03.2012 – 10 AZR 172/11 -, Juris Rz. 27; BAG vom 14.09.2011 – 10 AZR 358/10 -, Juris Rz. 28). Die von der Klägerin eingereichte Tarifauskunft stellt im Wesentlichen die Rechtsauffassung der Gewerkschaft dar. Sie schildert nicht das tatsächliche Geschehen bei den Tarifvertragsverhandlungen oder eine einvernehmliche tarifliche Übung. Die Tarifauskunft ist hinsichtlich eventueller innerer Tatsachen nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, wessen Wille geschildert wird und inwieweit Menschen ihren Willen während der Tarifvertragsverhandlungen verbal oder nonverbal äußerten.

3.

60

Eine ergänzende Auskunftanfrage sowohl an die Gewerkschaft wie auch an die H.- H. G. Service GmbH zum Wortlaut der Verhandlungen vor Abschluss des Tarifvertrages wäre zwar möglich. Auf das Ergebnis käme es jedoch nicht an, weil es im Tarifvertragswortlaut keinen Niederschlag fand.

IV.

61

Die Klägerin als in beiden Instanzen unterlegene Partei hat nach §§ 91, 97 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

V.

62

Es liegen keine Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG vor.

63

Die Frage, ob bei eindeutigem Auslegungsergebnis eine Tarifauskunft heranzuziehen ist, ist zwar grundsätzlich, aber nicht klärungsbedürftig. Sie ist durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bereits geklärt.

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