Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Berufungskammer) - 5 Sa 85/19

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 01.03.2019 - 4 Ca 1206/17 - unter Ziffer III abgeändert. Die Klage auf Fahrtkostenerstattung in Höhe von € 2.127,36 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2018 wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben beide Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Zahlung einer Aufwandsentschädigung für Hin- und Rückfahrten zur und von der Betriebsstätte.

2

Die Beklagte ist eine international tätige Spedition mit Hauptsitz in C-Stadt und einer Zweigniederlassung in D-Stadt. Die Zweigniederlassung D-Stadt suchte Ende 2013 für ihren Standort S. (bei N.) mehrere LKW-Fahrer mit Wohnsitz im Raum B-Stadt, um regelmäßig Messingprodukte von der Fa. D. in R. an der P. (ebenfalls bei N.) nach R. in Norwegen zu transportieren und von dort Messingspäne etc. zurückzubringen. Die Route über die Fährverbindung B-Stadt-T. war so angelegt, dass die LKW wegen der einzuhaltenden Lenkzeiten und des Sonntagsfahrverbotes regelmäßig über das Wochenende im Raum B-Stadt auf einem sicheren Stellplatz stehen sollten. Da die Transporte nach und von Norwegen allerdings nicht das gesamte Jahr anfielen, weil das Werk in Norwegen im Sommer längere Betriebsferien hatte, mussten die Fahrer in dieser Zeit auch andere Touren übernehmen.

3

Der Kläger schloss mit der Beklagten, Zweigniederlassung D-Stadt, in S. am 02.01.2014 einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit Arbeitsbeginn zum selben Tag, in dem es u. a. heißt:

4

"…    

        

§ 1 Aufgabenbereich           

        

(1) Der Arbeitnehmer ist als Kraftfahrer im nationalen / internationalen Güterverkehr [Führerscheinklasse CE (alt Klasse 2)] eingestellt.

        

(2) Der Arbeitgeber behält sich vor, den Arbeitnehmer in anderen Arbeitsbereichen einzusetzen und ihm zumutbare Aufgaben zuzuweisen, die seinen Fähigkeiten und Berufserfahrungen entsprechen.

        

       

        

§ 4 Aufwendungsersatz           

        

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die er im Interesse des Arbeitgebers tätigt.

        

       

5

Neben dem Kläger stellte die Beklagte vier weitere LKW-Fahrer aus dem Raum B-Stadt für die Norwegenroute ein.

6

Der Kläger bezog zuletzt eine monatliche Vergütung von € 2.100,- brutto zuzüglich einer Sorgfaltsprämie von € 125,- brutto. Bei ihm wurde ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt. Seit dem 30.08.2017 ist er einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.09.2017 forderte der Kläger von der Beklagten einen Ausgleich für die geleistete Nachtarbeit in Form von Zuschlägen oder bezahlten freien Tagen sowie eine Vergütung für die geleisteten Überstunden. Mit Schriftsatz vom 27.09.2017 hat der Kläger den Ausgleich für Nachtarbeit und die Überstundenvergütung gerichtlich weiterverfolgt.

8

Am 23.09. und 09.10.2017 nutzte der Kläger für die Hin- bzw. Rückfahrt nach R. einen PKW der Mietwagenfirma S. zu den damaligen Sonderkonditionen der Beklagten, die ihm die entstandenen Kosten in Höhe von € 131,17 und € 59,39 von dem Gehalt für den Monat Oktober 2017 abzog.

9

Ende Januar/Anfang Februar 2018 verlor die Beklagte den Auftrag der Fa. D. für die Transporte nach und von Norwegen. Aufgrund dessen setzte die Beklagte den Kläger von S. aus nunmehr auf anderen internationalen Routen ein, vorwiegend für Fahrten nach Italien.

10

Am 02./03.02.2018 fuhr der Kläger mit einem selbst angemieteten PKW der Fa. S. von N. nach B-Stadt, wofür er € 127,06 zahlte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.02.2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine Kostenübernahmeerklärung für die Fahrten von seinem Wohnort nach R. und zurück abzugeben, was diese unter dem 08.02.2018 ablehnte. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz 16.03.2018 seine Klage entsprechend erweitert.

11

Seit dem 15.05.2018 ist der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht ungekündigt fort.

12

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die Beklagte ihm, da sie ihn mit Arbeitsort A-Stadt, also seinem Wohnort, eingestellt habe, die Fahrtkosten in das ca. 680 km entfernte R. zu erstatten habe. Mit dem früheren Geschäftsführer, Herrn G. M., habe er vereinbart, dass er mindestens alle 14 Tage zu Hause in A-Stadt sei. Dort habe er den LKW über das Wochenende abgestellt und von dort aus die Arbeit angetreten. Die Kosten für eine regelmäßige An- und Abreise nach und von R. habe der Kläger wirtschaftlich nicht tragen können und wollen. Nachdem die Norwegentour weggefallen sei, habe er auch nicht mehr bei anderen Fahrern mitfahren können.

13

Er habe insgesamt finanzielle Aufwendungen in der folgenden Höhe gehabt:

14

Datum 

        

Mietwagenkosten

Kraftstoff

Privat-PKW

        

Summe 

                                                              

20.07.2015

        

€ 73,42

€ 50,00

                 

€ 123,42

03.08.2015

        

€ 70,69

€ 50,00

                 

€ 120,69

                                                              

28./29.07.2017

        

€ 119,86

€ 47,00

                 

€ 166,86

31.07.2017

        

€ 64,39

€ 50,00

                 

€ 114,39

23.09.2017

        

€ 131,17

                          

€ 131,17

09.10.2017

        

€ 59,39

                          

€ 59,39

11.12.2017

        

€ 69,15

€ 50,00

                 

€ 119,15

23.12.2017

        

€ 75,10

€ 75,10

                 

€ 150,20

                                                              

22.01.2018

        

€ 69,15

€ 26,59
€ 31,64

                 

€ 127,38

02./03.02.2018

        

€ 127,06

€ 71,65

                 

€ 198,71

05.02.2018

                          

€ 0,30 x 680 km

        

€ 204,00

17.02.2018

                          

€ 0,30 x 680 km

        

€ 204,00

20.02.2018

                          

€ 0,30 x 680 km

        

€ 204,00

04.03.2018

                          

€ 0,30 x 680 km

        

€ 204,00

                                                              

Summe 

                                            

2.127,36

15

Soweit er keine Tankbelege mehr vorlegen könne, seien zumindest pauschal € 50,- anzusetzen.

16

Der Kläger hat, soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung, erstinstanzlich beantragt,

17

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Fahrtkostenerstattung in Höhe von € 2.127,36 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2018 zu zahlen.

18

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie bestreitet, dass A-Stadt als ausschließlicher Arbeitsort vereinbart worden sei. Der Arbeitsvertrag enthalte keine solche Bestimmung. Der Kläger habe es zu keinem Zeitpunkt bemängelt, wenn er nicht von A-Stadt aus eingesetzt worden sei. Die Kosten für die Anfahrt zum Arbeitsort habe der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber zu tragen. Nachdem die Sonderkonditionen mit der Mietwagenfirma S. ausgelaufen seien, habe sich der Kläger selbst um die Anfahrt kümmern müssen. Die geltend gemachte Forderung sei auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt. Den Tankquittungen, soweit der Kläger überhaupt solche vorgelegt habe, lasse sich nicht entnehmen, ob er geschäftlich oder privat getankt habe.

19

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger Nachtarbeitszuschläge zu zahlen oder Freizeit in Form von bezahlten Tagen zu gewähren, Überstunden zu vergüten und die geltend gemachten Fahrtkosten zu erstatten. Den letztgenannten Anspruch hat es aus § 670 BGB hergeleitet und zur Begründung ausgeführt, dass die praktische Handhabung des Arbeitsverhältnisses für einen Arbeitsort am Wohnsitz des Klägers spreche, zumal er den LKW dort abgestellt habe. Die Änderung dieser Praxis sei nach § 106 GewO unangemessen, da der Kläger die Fahrtkosten angesichts der Entfernung von 680 km und der Höhe seines Bruttogehalts nicht habe tragen können.

20

Die Beklagte wendet sich mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung nur noch gegen die Verurteilung zur Erstattung von Fahrtkosten. Der Wohnsitz des Klägers sei nicht als Arbeitsort vereinbart worden. Das ergebe sich weder aus dem Arbeitsvertrag noch lasse die mehrjährige praktische Handhabung des Arbeitsverhältnisses diesen Rückschluss zu. Schon zu Zeiten der Norwegentouren habe der Kläger immer wieder andere Strecken übernehmen müssen und sei nach Italien, Spanien oder Frankreich gefahren. Die bisherige praktische Handhabung könne zwar eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts am Wohnort des Klägers begründen. Die Beklagte sei deshalb aber nicht verpflichtet, den Kläger auf Dauer nur noch von seinem Wohnort aus einzusetzen. Zudem sei der Kläger mit dem Einbehalt der vorgeschossenen Mietwagenkosten einverstanden gewesen. Abgesehen davon habe das Arbeitsgericht dem Kläger den geltend gemachten Betrag in voller Höhe zugesprochen, obwohl die Beklagte diese Kosten ausdrücklich bestritten und der Kläger diese nur zu einem kleinen Teil belegt habe. Die Forderung sei der Höhe nach zu bezweifeln. Das gelte insbesondere für die Angabe der Mietwagen- und Tankkosten am 23.12.2017, bei denen der Kläger jeweils exakt denselben Betrag verlange.

21

Die Beklagte beantragt,

22

das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 01.03.2019 - 4 Ca 1206/17 - unter Ziffer III abzuändern und die Klage insofern abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

24

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

25

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Bezugnahme auf den bisherigen Sachvortrag. Im Vorstellungsgespräch habe der frühere Geschäftsführer der Beklagten, Herr M., ihm erklärt, dass er bis zur Rente die Touren für die Fa. D. fahren könne. Er habe ihm zugesichert, mindestens alle 14 Tage am Wochenende mit dem LKW zu Hause zu sein. Die Betriebsferien in Norwegen seien ebenfalls Thema im Vorstellungsgespräch gewesen. Diese Zeiten habe er mit anderen Touren im Norden, mit Urlaub oder mit einem längeren "Draußenbleiben" überbrücken sollen. Der Kläger habe unmissverständlich darauf hingewiesen, nicht bei der Beklagten anfangen zu können, wenn er auf eigene Kosten nach R. fahren müsse. Er habe den Arbeitsvertrag nur im Hinblick auf die Zusicherung von Herrn M. geschlossen, dass er mindestens alle zwei Wochen mit dem LKW der Beklagten zum Wohnort fahren könne. Mit den anderen vier Fahrern aus dem Raum B-Stadt habe die Beklagte gleichartige Vereinbarungen getroffen. Was die Fahrt am 23.12.2017 betreffe, so habe der Kläger versehentlich die Mietwagenkosten doppelt aufgeführt anstatt die pauschalierten Tankkosten von € 50,- anzusetzen. Die Tankkosten seien schon deshalb nicht zu bestreiten, weil der Mietwagen zwingend habe betankt werden müssen.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung der Beklagten zulässig und begründet.

28

Der Kläger hat weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus § 670 BGB einen Anspruch auf die Erstattung von Fahrtkosten für die Hin- und Rückfahrten mit einem Miet- oder Privat-PKW von seinem Wohnort A-Stadt nach S. bzw. dem wenige Kilometer näher gelegenen R..

29

1. Vertragliche Kostenübernahmevereinbarung
a) Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 02.01.2014 enthält keine Bestimmung, nach der die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Fahrtkosten zu dem Standort der Beklagten in S., an dem der Kläger eingestellt wurde, zu erstatten oder für eine kostenfreie Beförderung zu und von diesem Ort zu sorgen.

30

b) Ebenso wenig gibt es eine mündliche Nebenabrede mit einem solchen Inhalt.

31

Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) der einen Vertragspartei gemäß den §§ 145 ff. BGB von der anderen Vertragspartei angenommen wird. Willenserklärung ist jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, Rechte zu begründen, zu ändern oder aufzuheben (BAG, Urteil vom 02. August 2018 - 6 AZR 28/17 - Rn. 19, juris = NZA-RR 2019, 34; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 - X ZR 97/99 - Rn. 17, juris = NJW 2001, 289; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juli 2017 - I-9 U 21/17 - Rn. 17, juris; LAG Hessen, Urteil vom 28. August 2012 - 15 Sa 1710/11 - Rn. 104, juris). Maßgeblich ist, wie sich das Verhalten aus der Sicht des Erklärungsempfängers bei verständiger Betrachtung darstellt (BAG, Urteil vom 02. August 2018 - 6 AZR 28/17 - Rn. 19, juris = NZA-RR 2019, 34; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13. Juli 2011 - 2 Sa 49/11 - Rn. 63, juris).

32

Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten überhaupt eine Willenserklärung darstellt (BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 - 7 AZR 70/17 - Rn. 23, juris; BAG, Urteil vom 17. Mai 2017 - 7 AZR 301/15 - Rn. 16, juris = NZA 2017, 1340).

33

Haben die Vertragsparteien eine Urkunde über ein Rechtsgeschäft aufgenommen, begründet das die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Vertragsurkunde. Beruft sich eine Partei auf hiervon abweichende oder zusätzliche Vereinbarungen, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast hierfür. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Vertragsurkunde das Ergebnis der geführten Verhandlungen vollständig und richtig wiedergibt (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2017 - I ZB 63/16 - Rn. 19, juris = WM 2018, 817; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Juli 2017 - 8 Sa 516/16 - Rn. 46, juris = AE 2017, 151; LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08. März 2011 - 6 Sa 167/10 - Rn. 35, juris).

34

Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger keine Erklärung abgegeben, die den Willen erkennen ließ, dass sie ihn von Fahrtkosten von seinem Wohnort zum Standort S., zum Hauptsitz in C-Stadt oder zu einem sonstigen Ort freistellen und die Kosten übernehmen wollte. Die Gespräche der Parteien vor Vertragsschluss bezogen sich auf die Norwegenroute, die der Kläger langfristig bedienen sollte. Bei einem Einsatz auf dieser Strecke entfielen derartige Fahrtkosten nahezu vollständig, da die Route am Wohnort des Klägers vorbeiführte und er, sofern er nicht selbst fuhr, regelmäßig bei Kollegen nach B-Stadt bzw. nach R. mitfahren konnte. Die Beklagte mag dem Kläger im Rahmen ihres Weisungsrechts zugesagt haben, ihn grundsätzlich auf dieser Route einzusetzen und ihm dadurch die Rückkehr zum Wohnort in einem mindestens zweiwöchentlichen Turnus zu ermöglichen. Diese Zusicherung konnte jedoch nur solange gelten, wie der Auftrag für die Transporte von R. nach R. und zurück bestand. Da die Parteien von einem langfristigen Fortbestand dieses Auftrages ausgegangen sind ("bis zur Rente"), erschien es ihnen nicht notwendig, den Fall eines dauerhaften Einsatzes auf anderen Strecken zu regeln. Besprochen haben sie lediglich den Fall der Betriebsferien des Werkes in Norwegen. Allerdings hat sich die Beklagte nicht einmal für diesen begrenzten Zeitraum verpflichten wollen, dem Kläger die anfallenden Fahrtkosten zu erstatten oder für eine Beförderung auf ihre Kosten zu sorgen. Vielmehr haben die Parteien hinsichtlich der Sommerpause in Norwegen verabredet, dass der Kläger diese Zeiten durch Urlaub oder andere Touren im Norden überbrückt. Der Kläger mag dem damaligen Geschäftsführer im Vorstellungsgespräch mitgeteilt haben, nicht anfangen zu wollen, wenn er die Fahrtkosten von und nach R. selbst tragen müsse. Eine rechtsverbindliche Erklärung auf Übernahme dieser Fahrtkosten hat die Beklagte daraufhin jedoch nicht abgegeben. Eine solche Vereinbarung findet sich auch nicht in dem schriftlichen Arbeitsvertrag. Zusagen unabhängig von der Norwegentour hat es nicht gegeben. Angesichts des geplanten langfristigen Einsatzes auf der Norwegenroute sahen die Parteien zu diesem Zeitpunkt keine Veranlassung hierzu.

35

2. Aufwendungsersatz im Arbeitgeberinteresse
Nach § 4 des Arbeitsvertrages hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die er im Interesse des Arbeitgebers tätigt.

36

Diese vertragliche Regelung entspricht im Wesentlichen der gesetzlichen Bestimmung des § 670 BGB. Danach ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der Beauftragte zum Zweck der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. Diese Vorschrift ist auf Arbeitsverhältnisse entsprechend anzuwenden. Macht der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen, die nicht durch die Vergütung abgegolten sind, ist der Arbeitgeber deshalb zum Ersatz dieser Aufwendungen verpflichtet (BAG, Urteil vom 14. Juni 2016 - 9 AZR 181/15 - Rn. 18 = NZA-RR 2016, 565; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07. Februar 2019 - 5 Sa 250/18 - Rn. 55, juris).

37

Das Interesse des Arbeitgebers ist von dem Interesse des Arbeitnehmers abzugrenzen. Maßgeblich ist, wem und wessen Sphäre eine bestimmte Aufwendung zuzurechnen ist. Die Anreise eines Fahrers zwecks Übernahme eines LKW außerhalb einer Betriebsstätte, z. B. um einen anderen Fahrer abzulösen, kann im Interesse des Arbeitgebers liegen und damit einen Erstattungsanspruch auslösen.

38

Der Weg zur Arbeit ist jedoch grundsätzlich dem privaten Bereich des Arbeitnehmers zuzuordnen. Dieser hat die hiermit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen in der Regel selbst zu tragen, was auch in der steuerrechtlichen Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG zum Ausdruck kommt (BAG, Urteil vom 14. Juni 2016 - 9 AZR 409/15 - Rn. 17, juris = ZTR 2016, 569; BAG, Urteil vom 20. März 2012 - 9 AZR 518/10 - Rn. 12, juris = ZTR 2012, 390; BAG, Urteil vom 19. Januar 1977 - 4 AZR 595/75 - Rn. 23, juris = AP Nr. 5 zu § 42 BAT; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06. Juni 2018 - 7 Sa 59/18 - Rn. 76, juris). Der Arbeitnehmer entscheidet, wo er seinen Wohnort wählt und welchen Arbeitsweg er in Kauf zu nehmen bereit ist. Ob die Kosten für den Weg zur Arbeitsstätte im Verhältnis zum erzielten Einkommen stehen, kann nur der Arbeitnehmer selbst bewerten. Das hängt von zahlreichen, insbesondere privaten, Faktoren ab, die der Arbeitgeber regelmäßig nicht kennt. Eine tägliche An- und Abreise zur Betriebsstätte ist bei Kraftfahrern im Güterfernverkehr ohnehin nicht üblich. Die Interessenlage hinsichtlich der Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit ändert sich nicht deshalb, weil diese angesichts ihrer Höhe für den Arbeitnehmer ggf. unwirtschaftlich sind. Dadurch werden sie nicht zu Aufwendungen im Interesse des Arbeitgebers. Die Vertragsparteien können durch die Festlegung eines konkreten Arbeitsortes im Arbeitsvertrag näher bestimmen, in wessen Interesse welche Fahrtkosten liegen.

39

Der Kläger und die Beklagte haben weder in dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 02.01.2014 noch in einer mündlichen Nebenabrede einen konkreten Arbeitsort festgelegt. Die Beklagte hat lediglich von ihrem Weisungsrecht als Arbeitgeberin Gebrauch gemacht, aufgrund dessen sie den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, sofern dieser nicht durch den Arbeitsvertrag festgelegt ist (§ 106 GewO).

40

Die dauerhafte Festschreibung des Wohnortes als Arbeitsort war schon deshalb nicht möglich und gewollt, weil zum einen die Betriebsferien des Werkes in Norwegen und evtl. sonstige Betriebsunterbrechungen zu berücksichtigen waren und zum anderen der Fortbestand des Transportauftrages nicht garantiert war. Der Kläger musste nicht nur damit rechnen, während der Betriebsferien des Werkes in Norwegen auf anderen Routen eingesetzt zu werden, sondern auch nach einem endgültigen Wegfall des Auftrages für diese Route. Die Parteien haben den Arbeitsvertrag nicht an eine bestimmte Tour oder Strecke gebunden, was im Übrigen bei Wegfall des Auftrags eine (Änderungs-)Kündigung hätte bedingen können. Ebenso wenig hat die Beklagte dem Kläger zugesichert, ihn stets nur auf Touren in der Nähe seines Wohnortes einzusetzen.

41

Die Dauer des Einsatzes auf der Norwegenroute hing von dem Fortbestand des Auftrags der Fa. D. ab. Mit dem Wegfall des Auftrags war die Beklagte gezwungen, ihr Weisungsrecht neu auszuüben. Dabei hat sie billiges Ermessen zu wahren und soweit wie möglich auf die Interessen des Klägers, die auch von seinem Wohnort abhängen, Rücksicht zu nehmen. Sie darf beim Kläger keine unnötigen Fahrtkosten verursachen. Zudem sind Behinderungen des Klägers zu berücksichtigen.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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