Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Berufungskammer) - 5 SaGa 2/19
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 27.11.2018 - 3 Ga 22/18 - abgeändert. Die Klage wird auch im Übrigen abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die Fortführung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens.
- 2
Der im Juli 1975 geborene Kläger schloss im März 2008 sein dreijähriges Studium an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung im Fachbereich Sozialversicherung als Diplom-Verwaltungswirt ab. Im Anschluss daran war er zunächst bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, danach bei einem Jugendhilfeverbund und sodann bei der Bundesagentur für Arbeit tätig. Mit Arbeitsvertrag vom 18.08.2010 stellte die Beklagte ihn zum 01.09.2010 als Vollzeitbeschäftigten im allgemeinen Verwaltungsdienst ein. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme die durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) für die Verwaltung und die ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung Anwendung. Nach dem Arbeitsvertrag ist der Kläger in der Entgeltgruppe 10 TVöD eingruppiert. Die Beklagte übertrug ihm zunächst die Leitung des Sachgebiets "SGB XII/Wohngeld" mit 18 Mitarbeitern. Seit April 2018 leitet der Kläger das Sachgebiet "Hilfe zur Pflege".
- 3
Am 23.03.2018 schrieb die Beklagte die folgende, zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzende Stelle aus:
- 4
"…
- 5
Abteilungsleiter/-in Schul- und Sportstättenplanung/IuK, Kennziffer 76AE2018
- 6
…
- 7
Aufgabengebiet:
- 8
• fachliche Anleitung und Führung der Abteilung
- 9
• Erarbeitung, Aktualisierung und Umsetzung der komplexen Schulentwicklungsplanung der Schulnetze sowie der Sportstättenentwicklungsplanung der Hanse- und Universitätsstadt A-Stadt
- 10
• schul- und sportfachliche Vorbereitung, Entwicklung und Begleitung von zentralen Schulbaumaßnahmen sowie Bauinvestitionen an Sportstätten einschließlich der Projektausarbeitung
- 11
• Problemdiskussion und Beratung im Rahmen der Schulentwicklungs- und Schulbauplanung mit Schulkonferenzen, Schulleitern, Elternvertretungen
- 12
• Vertretung der Schul- und Sportstättenverwaltung in Angelegenheiten der Schulbau- und Schulentwicklungsplanung sowie der Sportstättenentwicklungsplanung und Immobilienangelegenheiten gegenüber anderen Ämtern und Institutionen innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung
- 13
• Konsultationen und Abstimmungen zu abstimmungspflichtigen Schwerpunkten der Schulentwicklungs- und Schulbauplanung mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie mit dem Staatlichen Schulamt A-Stadt
- 14
• Beratungen und Verhandlungen zur gegenseitigen Abstimmung der Schul- und Sportstättennetzentwicklung mit Institutionen und Gremien anderer Verwaltungen und Kreise sowie Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Richtlinien der Hanse- und Universitätsstadt A-Stadt
- 15
• Strategische und konzeptionelle Fortschreibung des kommunalen Medienentwicklungsplanes sowie schulträgerseitige Begleitung bei der Entwicklung der jeweiligen schulischen Medienentwicklungspläne im Kontext des Einsatzes von IT als Lehr- und Unterrichtsmittel an Schulen in Trägerschaft der Hanse- und Universitätsstadt A-Stadt
- 16
• Investitionsplanung sowie Koordination der Instandhaltung von Informations- und Kommunikationstechnik an den kommunal getragenen Schulen und Sportstätten der Hanse- und Universitätsstadt A-Stadt
- 17
• Erarbeitung von Antwortentwürfen, Stellungnahmen, Vertragsentwürfen sowie Beschluss- und Informationsvorlagen
- 18
Voraussetzungen:
- 19
• Master of Laws, Fachrichtung Verwaltungswirtschaft, Verwaltungsbetriebswirtschaft, Verwaltungslehre oder vergleichbarer Abschluss alternativ abgeschlossenes Hochschulstudium, Fachrichtung Informatik/angewandte Informatik oder vergleichbarer Abschluss mit langjähriger Erfahrung alternativ Abschluss eines pädagogischen Hochschul-/Universitätsstudiums oder vergleichbarer Abschluss
- 20
• einschlägige Berufserfahrungen vorzugsweise in der öffentlichen Verwaltung
- 21
• Anwendungsbereite Kenntnisse des Schulgesetzes, der Schulentwicklungsplanung, von Vergaberichtlinien, des Datenschutz- und des Tarifrechts sowie der Mitarbeiterführung
- 22
• fundierte Kenntnisse über neue Medien und deren Einsatzmöglichkeiten im Schulunterricht
- 23
• Teamfähigkeit, Eigeninitiative, hohe Lernbereitschaft sowie ein ergebnisorientierter Arbeitsstil, umfassende Fähigkeiten zur Mitarbeitermotivation
- 24
• sicheres Auftreten, Entscheidungsbereitschaft, Verhandlungskompetenz
- 25
• hohes Verantwortungsbewusstsein und überdurchschnittliche Belastbarkeit
- 26
Entgelt:
- 27
Die Planstelle ist nach TVöD EG 13 bewertet.
- 28
…"
- 29
Auf diese Stellenausschreibung bewarb sich der Kläger innerhalb der Bewerbungsfrist mit Schreiben vom 12.04.2018. Die Beklagte erhielt insgesamt 9 interne und externe Bewerbungen, darunter mehrere Bewerber mit beiden rechtswissenschaftlichen Staatsexamen. Mit 6 Bewerbern führte die Beklagte am 17.05. und 01.06.2018 Vorstellungsgespräche. Sie entschied sich, die Stelle mit dem Kläger, ersatzweise mit Frau Dr. K., zu besetzen. Der Personalrat stimmte dieser Besetzungsreihenfolge am 25.07.2018 zu, der Hauptausschuss am 21.08.2018.
- 30
Mit Schreiben vom 31.08.2018 widersprach Frau Dr. K. der beabsichtigten Stellenbesetzung mit dem Kläger und rügte, dass dieser die in der Stellenausschreibung genannten Ausbildungsanforderungen nicht erfülle.
- 31
Der Personalausschuss der Bürgerschaft ließ sich am 18.09.2018 über den Stand des Stellenbesetzungsverfahrens unterrichten und sprach sich im Anschluss daran für einen Abbruch des Verfahrens sowie eine Neuausschreibung der Stelle mit einem überarbeiteten Ausschreibungsprofil, Schwerpunkt Schulentwicklungsplanung, aus. Die Beklagte unterrichtete den Kläger mit E-Mail vom 17.10.2018 über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens. Zur Begründung berief sie sich darauf, bisher irrtümlicherweise davon ausgegangen zu sein, dass die beiden in Aussicht genommenen Bewerber über eine der in der Ausschreibung geforderten Ausbildungen verfügen.
- 32
Mit Schreiben vom 23.10.2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, das Stellenbesetzungsverfahren fortzuführen. Das lehnte diese mit E-Mail vom 29.10.2018 ab und bezog sich nochmals auf das weder vom Kläger noch von der Mitbewerberin Dr. K. erfüllte Anforderungsprofil.
- 33
Die Beklagte schrieb am 01.11.2018 die Stelle der Abteilungsleiter/-in Schul- und Sportstättenplanung/IuK unter der Kennziffer 237AE2018 erneut aus. Während die Aufgabenbeschreibung unverändert blieb, fasste die Beklagte im Abschnitt "Voraussetzungen" die ersten beiden Punkte wie folgt neu:
- 34
"…
- 35
• abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung in den Fachrichtungen Verwaltungswirtschaft, Verwaltungsbetriebswirtschaft, Verwaltungslehre, Medien- und Kommunikationswissenschaften oder Erziehungswissenschaften
- 36
• mindestens 3-jährige Berufserfahrung in einer öffentlichen Verwaltung
- 38
Unter dem 05.11.2018 hat der Kläger beim Arbeitsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Fortführung des bisherigen Stellenausschreibungsverfahrens verbunden mit dem Abbruch des bereits neu eingeleiteten Verfahrens beantragt. Mit Schriftsatz vom 27.11.2018 hat er die Hauptsache anhängig gemacht mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, ihm die Stelle zu übertragen, hilfsweise das frühere Stellenausschreibungsverfahren fortzuführen (Arbeitsgericht Rostock, Aktenzeichen 3 Ca 1357/18).
- 39
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass das alte Stellenbesetzungsverfahren mit dem bisherigen Bewerberkreis fortzuführen und das neue Verfahren abzubrechen sei. Mit dem Abbruch des alten Stellenbesetzungsverfahrens habe die Beklagte seinen Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 GG verletzt. Der Abbruch beruhe nicht auf sachlichen Gründen. Der Kläger erfülle im Gegensatz zur Mitbewerberin Dr. K. die Einstellungsvoraussetzungen und sei der geeignetste Bewerber für die Stelle. Er verfüge jedenfalls über eine mit dem Master of Laws vergleichbare Ausbildung. Davon sei auch die Beklagte ausgegangen. Der Beklagten gehe es allein darum, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Mit der neuen Ausschreibung habe sie im Übrigen gezielt die Voraussetzungen geschaffen, um der Mitbewerberin Dr. K. die Stelle übertragen zu können. Die neue Ausschreibung richte sich nunmehr auch an Hochschulabsolventen der Medien- und Kommunikationswissenschaften. Abgesehen davon sei es sachlich nicht gerechtfertigt, für die Tätigkeit einen wissenschaftlichen Hochschulabschluss zu fordern. Ein akademischer Zuschnitt der Stelle sei nicht ersichtlich. Die frühere Stelleninhaberin habe ebenfalls nicht über eine solche Ausbildung verfügt. Zudem seien die in der bisherigen beruflichen Laufbahn vom Kläger erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu berücksichtigen.
- 40
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
- 41
der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens aufzugeben, das abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren für die Stelle als Abteilungsleiter/in Schul- und Sportstättenplanung/IuK mit der Kennziffer 76AE2018 mit dem bestehenden Bewerberkreis fortzusetzen
- 42
und das neue Stellenbesetzungsverfahren für die Stelle als Abteilungsleiter/in Schul- und Sportstättenplanung/IuK mit der Kennziffer 237AE2018 abzubrechen.
- 43
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe das alte Stellenbesetzungsverfahren zu Recht abgebrochen, da dieses nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung habe führen können. Sie sei irrtümlich zunächst davon ausgegangen, dass der Kläger über die geforderte Ausbildung verfüge. Er habe jedoch weder den Abschluss als Master of Laws noch einen hiermit vergleichbaren Abschluss.
- 44
Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag stattgegeben, soweit der Kläger die Fortführung des abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gefordert hat. Hinsichtlich des ebenfalls begehrten Abbruchs des neuen Stellenbesetzungsverfahrens hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens nicht sachlich gerechtfertigt sei. Die Ankündigung einer Konkurrentenklage sei kein sachlicher Grund für einen Abbruch. Die Qualifikation des Klägers habe die Beklagte zuvor nicht in Zweifel gezogen.
- 45
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie ist der Auffassung, dass der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens rechtmäßig gewesen sei. Die Stellenausschreibung weise Widersprüche zwischen dem Anforderungsprofil und der Eingruppierung auf. Eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe 13 TVöD erfordere eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung und eine entsprechende Tätigkeit. Damit sei das Anforderungsprofil nur insoweit vereinbar, als ein Abschluss als Master of Laws, Fachrichtung Verwaltungswirtschaft, gefordert werde. Bei den übrigen aufgelisteten Abschlüssen handele es sich hingegen nicht um eine wissenschaftliche Hochschulbildung, die zu einer Eingruppierung in der Entgeltgruppe 13 TVöD führe. Möglicherweise seien fachlich geeignete Bewerber ohne einen wissenschaftlichen Hochschulabschluss dadurch von einer Bewerbung abgehalten worden. Abgesehen davon habe der Personalausschuss gefordert, das Anforderungsprofil im Hinblick auf den Schwerpunkt Schulentwicklungsplanung zu überarbeiten.
- 46
Die Beklagte beantragt,
- 47
das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 27.11.2018 - 3 Ga 22/18 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
- 48
Der Kläger beantragt,
- 49
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
- 50
Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen. Die Beklagte habe das Stellenbesetzungsverfahren ohne einen sachlichen Grund abgebrochen. Die neue Stellenausschreibung weise keine wesentlichen Unterschiede zu der früheren auf. Die Beschreibung des Aufgabengebiets sei exakt gleich. Soweit sich die Beklagte auf die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe 13 TVöD beziehe, berücksichtige sie nicht, dass auch "sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben" dort eingruppiert seien. Nach wie vor habe die Beklagte die Erforderlichkeit eines wissenschaftlichen Hochschulabschlusses nicht dargelegt. Die frühere Stellenausschreibung habe keine potentiellen Bewerber von einer Bewerbung abgehalten, und zwar schon deshalb nicht, weil sie weit offener gewesen sei als die neue Ausschreibung, auf die sich im Zweifel keiner ohne eine wissenschaftliche Hochschulbildung mehr bewerben werde. Die Mitbewerberin Dr. K. sei im Übrigen nicht mehr an der Stelle interessiert, da sie mittlerweile anderweitig beschäftigt sei.
- 51
Im Hauptsacheverfahren hat das Arbeitsgericht die Klage mittlerweile mit Urteil vom 21.05.2019 abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Übertragung der Stelle als Abteilungsleiter Schul- und Sportstättenplanung habe, da er - ebenso wenig wie die Konkurrentin - nicht über eine der in der Ausschreibung geforderten Ausbildungen verfüge. Dieses Urteil hat der Kläger mit der Berufung angegriffen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Aktenzeichen 5 Sa 154/19).
- 52
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 53
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Einer einstweiligen Verfügung bedarf es nicht, um einen drohenden Verlust von Rechten des Klägers zu verhindern.
- 54
Nach § 935 ZPO, § 62 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 7 ArbGG sind einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
- 55
Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 33, juris = NZA 2018, 515).
- 56
214;ffentliche Ämter sind nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Dabei dient Art. 33 Abs. 2 GG zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet (sogenannter Bewerbungsverfahrensanspruch; dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. Januar 2017 - 2 BvR 2076/16 - Rn. 24, juris = NVwZ 2017, 472; BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - Rn. 31, juris = ZTR 2016, 170). Der Bewerbungsverfahrensanspruch ist ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf eine chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren nach den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 33, juris = NZA 2018, 515; BAG, Urteil vom 06. Mai 2014 - 9 AZR 724/12 - Rn. 10, juris = ZTR 2014, 610). Der Bewerbungsverfahrensanspruch bezieht sich auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. Januar 2017 - 2 BvR 2076/16 - Rn. 24, juris = NVwZ 2017, 472).
- 57
Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat vor der Besetzung einer Stelle zwingend ein Anforderungsprofil festzulegen. Eine leistungsbezogene Auswahl setzt im Verfahren voraus, dass zuvor für die zu besetzende Stelle ein konkretes Anforderungsprofil festgelegt wird. Dieses allein ermöglicht eine sachgerechte Prognose, wer von den Bewerbern die zukünftigen Aufgaben am besten erfüllen würde. Das Anforderungsprofil muss zur Gewährleistung eines hinreichenden Rechtsschutzes des unterlegenen Bewerbers nach Art. 19 Abs. 4 GG so dokumentiert sein, dass die Auswahlentscheidung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG überprüft werden kann (BAG, Urteil vom 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 32, juris = NZA 2008, 1016; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 7 Sa 134/15 - Rn. 101, juris; LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28. April 2015 - 6 Sa 487/13 - Rn. 89, juris).
- 58
Die Einengung des Kreises der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt durch die Festlegung eines Anforderungsprofils kann wegen der damit verbundenen teilweisen Vorwegnahme der Auswahlentscheidung nur aufgrund sachlicher, dem Grundsatz der Bestenauslese entsprechender Erwägungen erfolgen. Fehler im Anforderungsprofil führen grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auch auf sachfremden, nicht am Leistungsgrundsatz orientierten Gesichtspunkten beruhen. Im Übrigen unterliegt es nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umständen der Dienstherr im Rahmen seines Auswahlermessens das größere Gewicht beimisst (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. November 2011 - 2 BvR 2305/11 - Rn. 15, juris = NVwZ 2012, 368; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. November 2010 - 2 BvR 2435/10 - Rn. 13, juris = NVwZ 2011, 746).
- 59
Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn bei der Festlegung des Anforderungsprofils und der Eignungsmerkmale ergeben sich daraus, dass das Prinzip der Bestenauslese für die zu besetzende Stelle gewährleistet werden soll. Die Festlegung des Anforderungsprofils muss deshalb im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sachlich nachvollziehbar sein, d. h. es dürfen keine sachfremden Erwägungen zugrunde liegen. Insoweit unterliegt das Anforderungsprofil auch trotz eines dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes von Verfassungs wegen gewährten Beurteilungsspielraums einer gerichtlichen Kontrolle (BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 - 9 AZR 554/13 - Rn. 16, juris = ZTR 2015, 448; BAG, Urteil vom 06. Mai 2014 - 9 AZR 724/12 - Rn. 14, juris = ZTR 2014, 610). Art. 33 Abs. 2 GG berechtigt den öffentlichen Arbeitgeber nicht, ohne nachvollziehbare Gründe Stellen mit überqualifizierten Bewerbern zu besetzen (BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 - 9 AZR 554/13 - Rn. 23, juris = ZTR 2015, 448; BAG, Urteil vom 06. Mai 2014 - 9 AZR 724/12 - Rn. 17, juris = ZTR 2014, 610).
- 60
Allein aus der angestrebten Eingruppierung kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die zu besetzende Stelle tatsächlich die in der Ausschreibung genannten formalen Qualifikationsmerkmale erfordert. Der Festlegung einer formalen Ausbildungsqualifikation kommt die Aufgabe zu, die durch eine Prüfung nachgewiesene Befähigung zur Erledigung bestimmter Aufgaben abstrakt zu beschreiben. Die Eingruppierung richtet sich grundsätzlich nach der zu verrichtenden Tätigkeit, nicht aber die zu verrichtende Tätigkeit nach der Eingruppierung (BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 - 9 AZR 554/13 - Rn. 18, juris = ZTR 2015, 448; BAG, Urteil vom 06. Mai 2014 - 9 AZR 724/12 - Rn. 16, juris = ZTR 2014, 610).
- 61
Dem Kläger steht kein Recht zu, dessen Verwirklichung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einen Anspruch auf Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens hätten allenfalls andere Mitbewerber, die über eine der geforderten Ausbildungen verfügen.
- 62
Der Kläger verfügt nicht über
- 63
• einen Abschluss als Master of Laws, Fachrichtung Verwaltungswirtschaft, Verwaltungsbetriebswirtschaft, Verwaltungslehre oder einen hiermit vergleichbaren Abschluss,
- 64
• ein abgeschlossenes Hochschulstudium, Fachrichtung Informatik/angewandte Informatik oder einen hiermit vergleichbaren Abschluss mit langjähriger Erfahrung oder
- 65
• einen Abschluss eines pädagogischen Hochschul-/Universitätsstudiums oder einen hiermit vergleichbaren Abschluss.
- 66
Seine Fachhochschulausbildung im Fachbereich Sozialversicherung ist nicht mit einem Abschluss als Master of Laws vergleichbar. Daran bestehen keine Zweifel. Mit dem Abschluss als Diplom-Verwaltungswirt hat der Kläger lediglich die Voraussetzung erworben, um ein Studium zum Master of Laws aufzunehmen. Der auf einer Fachhochschulausbildung aufbauende Masterstudiengang ist mit dieser nicht vergleichbar. Der von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin (HWR) angebotene Studiengang zum Master of Laws mit Bezug zur öffentlichen Verwaltung sieht eine Regelstudienzeit von 4 Semestern vor (§ 4 Abs. 2 Studien- und Prüfungsordnung des Master-Studiengangs "Recht für die öffentliche Verwaltung" des Fachbereichs Allgemeine Verwaltung der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin vom 05.06.2013, Mitteilungsblatt der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin Nr. 09/2015 vom 23.03.2015, https://www.hwr-berlin.de, im Folgenden nur: Studienordnung). Der Masterstudiengang baut inhaltlich auf einschlägigen 6-semestrigen rechtswissenschaftlichen Bachelor-Studiengängen der HWR Berlin oder anderer Hochschulen auf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Studienordnung). Ziel des Studiums ist der Erwerb und die Vertiefung von Kompetenzen zur Vorbereitung und Umsetzung juristischer Entscheidungen in den Tätigkeitsfeldern der öffentlichen Verwaltung (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Studienordnung). Im Einzelnen sollen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 der Studienordnung folgende Qualifikationen weiterentwickelt werden:
- 67
• fachliche Kompetenz (anwendungsorientierte Problemlösungsfähigkeit auf wissenschaftlichmethodischer Basis) insbesondere in den für die Verwaltung relevanten Rechtsbereichen;
- 68
• kognitive Kompetenz (logisches, abstraktes und konzeptionelles Denken; Fähigkeit zur Wissensvernetzung und Wissensanwendung disziplinärer Inhalte in einem interdisziplinären Umfeld; Transferfähigkeit);
- 69
• methodische Kompetenz (methodisch-didaktische Fähigkeiten; kritisches Methodenbewusstsein);
- 70
• Forschungskompetenz (Fähigkeit zu selbstständigem wissenschaftlichen Arbeiten);
- 71
• soziale Kompetenz (Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit; Team-, Durchsetzungsfähigkeit und Verantwortungsbereitschaft).
- 72
Dieser Masterstudiengang vermittelt nicht die gleichen oder gleichwertige Kompetenzen und Fähigkeiten wie ein Fachhochschulstudium. Vielmehr setzt er diesen Wissensstand bereits voraus und verschafft den Studenten deutlich darüber hinausgehende wissenschaftliche Kenntnisse und Fertigkeiten. Solche Kenntnisse und Fertigkeiten waren nicht Gegenstand der Fachhochschulausbildung des Klägers. Die verschiedenen Studiengänge sind nicht ihrem Inhalt nach gleichwertig.
Dass die Beklagte zunä;chst irrtümlich von einer vergleichbaren Ausbildung ausgegangen ist, ändert nichts an dem Anforderungsprofil, das in der Stellenausschreibung gefordert wird. Für den Bewerbungsverfahrensanspruch ist das Anforderungsprofil maßgeblich, wie es sich bei objektiver Betrachtung aus den Ausschreibungsunterlagen ergibt. Eine nachträgliche Abweichung von dem Anforderungsprofil widerspricht dem Ziel des Art. 33 Abs. 2 GG, für eine bestmögliche Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes zu sorgen, und steht darüber hinaus den Bewerbungsverfahrensansprüchen der anderen Interessenten entgegen.
- ss="RspDL">
- 74
Ob die Beklagte, wie der Kläger meint, in der Ausschreibung überhöhte Anforderungen gestellt hat, die angesichts des Aufgabengebietes nicht gerechtfertigt sind, kann dahinstehen. Ein Anspruch auf Fortführung des bisherigen Stellenbesetzungsverfahrens lässt sich daraus jedenfalls nicht herleiten. Vielmehr kann ein fehlerhaftes Anforderungsprofil ein sachlicher Grund dafür sein, das Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen.
- ame="rd_75">75
Der Abbruch eines Auswahlverfahrens bedarf eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt. Liegt ein sachlicher Grund nicht vor, ist das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen. Eine Neuausschreibung hat in diesem Fall zu unterbleiben, da sie die Bewerbungsverfahrensansprüche der bisherigen Bewerber verletzt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. November 2011 - 2 BvR 1181/11 - Rn. 22, juris = NVwZ 2012, 366; BAG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 36, juris = NZA 2018, 515).
- "RspDL">
Der öffentliche Arbeitgeber kann demnach das Auswahlverfahren zum Beispiel abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgem28;ßen Auswahlentscheidung führen kann (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 36, juris = NZA 2018, 515; BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 2014 - 2 A 3/13 - Rn. 19, juris = ZBR 2015, 196). Kann hingegen ein Mangel im laufenden Auswahlverfahren noch behoben werden, ist ein Abbruch zum Zwecke der Neuausschreibung nicht gerechtfertigt (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 1 B 1160/17 - Rn. 25, juris = DVBl 2018, 1304; VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08. August 2019 - 12 D 1/19 - Rn. 35, juris).
- 77
Fehler im Anforderungsprofil führen grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am Grundsatz der Bestenauswahl orientierten Gesichtspunkten beruhen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 02. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/04 - Rn. 18, juris = ZBR 2008, 164; BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1/13 - Rn. 27, juris = ZTR 2013, 587). Hat der Dienstherr im Rahmen der Stellenausschreibung zwingende Vorgaben gemacht, die weder durch Art. 33 Abs. 2 GG noch als dienstpostenbezogene Ausnahme im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung gerechtfertigt sind, ist das Auswahlverfahren fehlerhaft. Dieser Mangel kann nachträglich nicht geheilt werden, das Auswahlverfahren muss abgebrochen und die Stellenvergabe mit einer zulässigen Ausschreibung neu in Gang gesetzt werden (BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1/13 - Rn. 33, juris = ZTR 2013, 587; VG Köln, Beschluss vom 10. Juli 2019 - 15 L 142/19 - Rn. 17, juris).
- 78
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Gegen dieses Urteil ist gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG, § 99 Abs. 1 ZPO kein Rechtsmittel gegeben.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 3 Ca 1357/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 B 1160/17 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 2457/04 1x (nicht zugeordnet)
- 5 Sa 154/19 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 2 A 3/13 1x (nicht zugeordnet)
- 2 VR 1/13 2x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 2305/11 1x (nicht zugeordnet)
- 12 D 1/19 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 64 Grundsatz 1x
- 9 AZR 554/13 3x (nicht zugeordnet)
- 7 Sa 134/15 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 1958/13 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 1181/11 1x (nicht zugeordnet)
- 6 Sa 487/13 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 99 Anfechtung von Kostenentscheidungen 1x
- 15 L 142/19 1x (nicht zugeordnet)
- 9 AZR 724/12 4x (nicht zugeordnet)
- 9 AZR 152/17 4x (nicht zugeordnet)
- 3 Ga 22/18 2x (nicht zugeordnet)
- 9 AZR 70/07 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 2076/16 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand 1x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- 2 BvR 2435/10 1x (nicht zugeordnet)