Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 Sa 33/10

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.11.2009, Az.: 1 Ca 666/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer Kündigung, über Ansprüche des Klägers auf Rücknahme und Entfernung einer Abmahnung sowie einer Ermahnung und letztlich über einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Entzugs eines ihm auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellten Dienstwagens.

2

Der 48-jährige Kläger war seit dem 01.08.1999 bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, als Vertriebsleiter beschäftigt. Als solcher war er direkt dem Vorstand der Beklagten unterstellt.

3

Am 27.07.1999 trafen die Parteien eine "Vereinbarung über die Benutzung eines Firmenwagens", die u. a. folgende Bestimmungen enthält:

4

" 2. Zweck der Firmenwagenüberlassung

        

Der Firmenwagen dient in erster Linie dazu, den Mitarbeiter in der effizienten Bewältigung seiner Aufgabenstellung zu unterstützen und seine Mobilität mit dem Ziel einer schnellen Verfügbarkeit im Firmeninteresse zu erhöhen. ,,,,

5

14. Rückgabe des Firmenwagens

        

Der Mitarbeiter ist verpflichtet, den Firmenwagen unverzüglich an die Firma zurückzugeben, wenn

das Arbeitsverhältnis endet;

vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Freistellung von der Arbeitsverpflichtung durch die Firma ausgesprochen wird;

…….." 

6

Der zwischen den Parteien, ebenfalls am 27.07.1999 geschlossene Anstellungsvertrag enthält u. a. folgende Bestimmung:

7

"§ 2 Vertragsdauer und Kündigung

        

…..     

(4) Die Fa. W AG ist in jedem Fall der Kündigung berechtigt, Herrn A. unter Anrechnung auf etwa noch offenstehenden Urlaub bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Verpflichtung zur Dienstleistung freizustellen.

….."   

8

Mit Schreiben vom 02.03.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2009 und bot dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.10.2009 zu geänderten Bedingungen, nämlich als Mitarbeiter im Innendienst fortzusetzen. Wegen des Inhalts des Kündigungsschreibens im Einzelnen wird auf Bl. 14 d. A. Bezug genommen.

9

Der Kläger hat das Änderungsangebot nicht - auch nicht unter Vorbehalt - angenommen.

10

Am 25.03.2009 ging beim Arbeitsgericht per Telefax ein als Klage bezeichneter Schriftsatz vom 22.03.2009 ein, der u. a. einen gegen die Kündigung vom 02.03.2009, die dem Kläger am 05.03.2009 zugegangen war, gerichteten Kündigungsantrag enthält. Das Original dieses Schriftsatzes ging am 26.03.2009 beim Arbeitsgericht ein. Der betreffende Schriftsatz ist von der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers, die einen Doppelnamen mit insgesamt 19 Buchstaben und 5 Silben trägt, mit einem ca. 2 cm langen Schriftzug unterzeichnet, der als Buchstaben wohl ein großes L sowie zwei sich unten treffende senkrechte Linien erkennen lässt. Zur genauen Darstellung des betreffenden Schriftzuges wird auf Bl. 8 d. A. Bezug genommen.

11

Mit zwei Schreiben vom 06.04.2009 (Bl. 61 f. d. A.) stellte die Beklagte den Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeit frei und forderte die Herausgabe des Dienstwagens. Dieser Aufforderung kam der Kläger ohne Anerkennung einer Rechtspflicht am 29.04.2009 nach.

12

Mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 25.06.2009 machte der Kläger einen Anspruch auf Zahlung eines Bonus für das Jahr 2008 in Höhe von 10.000,00 EUR brutto sowie einen Schadensersatzanspruch wegen Entzugs des Dienstwagens für die Monate Mai und Juni 2009 in Höhe von jeweils 540,00 EUR brutto geltend. Dieser Schriftsatz ist erkennbar mit dem vollen Namenszug der seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnet.

13

Von einer weitergehenden (wiederholenden) Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.11.2009 (Bl. 254 bis 257 d. A.).

14

Der Kläger hat beantragt,

15

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 02.03.2009 - zugegangen am 05.03.2009 - nicht aufgelöst worden ist und nicht zum Ablauf des 30.09.2009 endet;

16

die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 02.03.2009 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen;

17

die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 04.12.2007 erteilte Ermahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen;

18

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für das Kalenderjahr 2008 einen Bonus i. H v. 10.000,00 EUR brutto zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 10.000,00 EUR zu zahlen;

19

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadenersatz i. H. v. 540,00 EUR brutto für den Zeitraum vom 29.04.2009 bis 29.05.2009 zzgl. 5 % Zinsen über Basiszinssatz aus 540,00 EUR brutto, seit dem 30.05.2009 zu zahlen;

20

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadenersatz i. H. v. 540,00 EUR brutto für den Zeitraum vom 30.05.2009 bis 30.06.2009 zzgl. 5 % Zinsen über Basiszinssatz aus 540,00 EUR brutto, seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

21

Die Beklagte hat beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.11.2009 der Klage auf Zahlung eines Bonus in Höhe von 10.000,00 EUR brutto für das Kalenderjahr 2008 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Bezüglich der Abweisung der Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt, diese sei in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Unterzeichnung der Klageschrift vom 20.03.2009 unzulässig. Die Kündigungsschutzklage sei auch unbegründet, da die Kündigung gemäß § 7 KSchG infolge Versäumung der Klageerhebungsfrist des § 4 KSchG als rechtswirksam gelte. Zur weiteren Darstellung der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 16 (= Bl. 258 bis 267 d. A.) des Urteils vom 20.11.2009 verwiesen.

24

Gegen das ihm am 29.12.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.01.2010 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 22.02.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 24.03.2010 begründet.

25

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Klageschrift vom 20.03.2009 ordnungsgemäß unterzeichnet. Die betreffende Unterschrift lasse eindeutig die Anfangsbuchstaben des Doppelnamens seiner Prozessbevollmächtigten, nämlich ein "H" und ein "L" erkennen. Hinzu komme, dass seine Prozessbevollmächtigte im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin von nunmehr über 20 Jahren noch niemals auf Bedenken gegen die Ordnungsgemäßheit ihrer Unterschrift hingewiesen worden sei und diese Unterschrift bei allen Schriftsätzen verwende. Auch in einem anderen Verfahren des Arbeitsgerichts Mainz (Az: 9 Ca 3650/03) seien keinerlei Bedenken seitens des Gerichts hinsichtlich dieser Unterschrift geäußert worden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb das Arbeitsgericht erstmals im Beschluss vom 04.06.2009, also nach Durchführung des Gütetermins, Bedenken hinsichtlich der wirksamen Unterzeichnung der Klageschrift zum Ausdruck gebracht habe. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht auch noch im Kammertermin vom 26.08.2009 nicht deutlich zu erkennen gegeben, dass die Kündigungsschutzklage nicht ordnungsgemäß unterzeichnet sei, sondern stattdessen einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Aus seiner - des Klägers - Sicht handele es sich daher um eine Überraschungsentscheidung. Soweit es um die Rücknahme der Abmahnung sowie der Ermahnung und der Entfernung der betreffenden Schreiben aus einer Personalakte gehe, so könne das erstinstanzliche Urteil bereits deshalb keinen Bestand haben, weil das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung rechtsirrig davon ausgegangen sei, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung beendet worden sei. Auch bezüglich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen des Entzugs des Dienstwagens habe das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft die Klage abgewiesen. Zunächst stehe außer Frage, dass dann, wenn sich die vorliegend streitgegenständliche Kündigung als unwirksam erweise, die Beklagte dazu verpflichtet sei, ihm den Firmenwagen auch zur privaten Nutzung weiter zur Verfügung zu stellen. Der in Ziffer 15 der Benutzungsvereinbarung enthaltene Widerrufsvorbehalt sei nach § 305 ff. BGB unwirksam, zumal die Voraussetzungen des Widerrufs dort nicht klar definiert seien. Des Weiteren habe die Beklagte nicht ansatzweise substantiiert und schlüssig vorgetragen, auf welcher Grundlage bzw. aufgrund welcher Umstände ihm die Möglichkeit, den Firmenwagen weiterhin zu nutzen, entzogen worden sei.

26

Zur Darstellung aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 24.03.2010 (Bl. 301 bis 307 d. A.) sowie auf dessen Schriftsatz vom 07.06.2010 (Bl. 355 bis 359 d. A.) Bezug genommen.

27

Der Kläger beantragt:

28

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.11.2009 zu Aktenzeichen 1 Ca 666/09 wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 02.03.2009, zugegangen am 05.03.2009, nicht aufgelöst worden ist und nicht zum Ablauf des 30.09.2009 endet.

29

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.11.2009 zu Aktenzeichen 1 Ca 666/09 wird die Beklagte dazu verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 02.03.2009 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

30

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.11.2009 zu Aktenzeichen 1 Ca 666/09 wird die Beklagte dazu verpflichtet, die dem Kläger mit Schreiben vom 04.12.2007 erteilte Ermahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

31

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.11.2009 zu Aktenzeichen 1 Ca 666/09 wird die Beklagte zu verurteilt, an den Kläger Schadenersatz in Höhe von EUR 540,00 für den Zeitraum vom 29.04.2009 bis 29.05.2009 zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 540,00 brutto seit dem 30.05.2009 zu zahlen.

32

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.11.2009 zu Aktenzeichen 1 Ca 666/09 wird die Beklagte dazu verpflichtet, an den Kläger Schadenersatz in Höhe von EUR 540,00 brutto für den Zeitraum vom 30.05.2009 bis 30.06.2009 zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 540,00 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

33

Die Beklagte beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen,

35

hilfsweise,

36

das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.09.2009 gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen in das Gericht gestellt wird, aufzulösen.

37

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 07.05.2010 (Bl. 327 bis 336 d. A.), auf den Bezug genommen wird. Ihren Auflösungsantrag hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.07.2010 (Bl. 366 bis 368 d. A.) begründet, auf den ebenfalls Bezug genommen wird.

38

Der Kläger beantragt,

39

den Auflösungsantrag abzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

40

Die statthafte Berufung des Klägers ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

41

1. Die gegen die Kündigung vom 02.03.2009 gerichtete Kündigungsschutzklage ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

42

a) Die Kündigungsschutzklage ist zulässig.

43

Die Kündigungsschutzklage ist vorliegend auch dann wirksam erhoben worden, wenn man davon ausgeht, dass die Klageschrift vom 20.03.2009 nicht formgültig unterschrieben ist. Zwar wird es - abweichend vom Wortlaut des § 130 Nr. 6 ZPO - als zwingend angesehen, dass bestimmende Schriftsätze, wozu die Klageschrift gehört, unterschrieben sein müssen (vgl. BAG v. 26.06.1986 - 2 AZR 358/85 - AP Nr. 14 zu § 4 KSchG 1969). Eine wirksame Klageerhebung erfolgte im Streitfall jedoch jedenfalls mit Einreichung und Zustellung des klageerweiternden Schriftsatzes des Klägers vom 25.06.2009, welcher zweifellos eine vollständige und formgültige Unterschrift der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers trägt. Zwar hat der Kläger den Kündigungsschutzantrag in dem klageerweiternden Schriftsatz nicht erneut formuliert, jedoch insoweit ausgeführt, dass es im Übrigen "bei den Anträgen aus der Klageschrift zu Ziffer 1 bis 5 vom 20.03.2009 bleibe." Selbst wenn man davon ausgeht, dass mit dieser Formulierung bzw. Bezugnahme keine wirksame Erhebung der im Schriftsatz vom 20.03.2009 formulierten Kündigungsschutzklage verbunden war, so konnte der Kläger jedoch nunmehr, da jetzt jedenfalls wirksam eine Klage erhoben worden war, diese wiederum nach § 261 Abs. 2 ZPO durch bloßes Stellen eines entsprechenden Antrages wirksam erweitern. Ausweislich des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils sowie des Sitzungsprotokolls der letzten mündlichen Verhandlung vom 26.08.2009 hat der Kläger u. a. gerade auch den Antrag zu Ziffer 1 aus dem Schriftsatz vom 20.03.2009 gestellt. Die Kündigungsschutzklage ist damit wirksam erhoben worden und zulässig.

44

b) Die Kündigungsschutzklage ist jedoch unbegründet.

45

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene Kündigung aufgelöst worden. Diese gilt nämlich nach § 7 KSchG als von Anfang rechtswirksam, da der Kläger eine etwaige Rechtsunwirksamkeit nicht innerhalb der in § 4 Satz 1 KSchG im Wege einer Klage geltend gemacht hat.

46

Der Kläger hat nicht bereits mit Einreichung und Zustellung der Klageschrift vom 20.03.2009 wirksam eine Kündigungsschutzklage erhoben, da der betreffende Schriftsatz - entgegen § 130 Nr. 6 ZPO - nicht ordnungsgemäß unterzeichnet ist.

47

Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Eine Unterschrift setzt danach einen individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namenskürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe) stellt dem gegenüber keine formgültige Unterschrift dar. Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich dabei nach dem äußeren Erscheinungsbild. In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist insoweit ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert ist (BAG v. 30.08.2000 - 5 AZR 17/00 - AP Nr. 17 zu § 130 ZPO; BAG v. 13.02.2008 - 2 AZR 864/06 - AP Nr. 5 zu § 85 SGB IX).

48

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der unter der Klageschrift vom 20.03.2009 befindliche Schriftzug nicht als Unterschrift angesehen werden. Dies gilt auch dann, wenn man, da die Autorenschaft der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers bezüglich des betreffenden Schriftzuges gesichert ist, einen großzügigen Maßstab anlegt. Der Schriftzug lässt nämlich nach seinem äußeren Erscheinungsbild nicht die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen. Er erscheint vielmehr als bloße Namenskürzung (Handzeichen, Paraphe). Die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, die einen aus 5 Silben und insgesamt 19 Buchstaben bestehenden Doppelnamen trägt, hat die Klageschrift mit einem ca. 2 cm langen Schriftzug unterzeichnet, der - bei großzügiger Betrachtungsweise - die Wiedergabe von zwei Buchstaben erkennen lässt. Die Absicht der Wiedergabe weiterer Buchstaben und damit die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung lassen sich dem Schriftzug nicht ansatzweise entnehmen. Dieser erscheint auch nicht als Ergebnis eines bloßen Abschleifungsprozesses, da unter einer Abschleifung der Verlust von Ausprägungen eines Schriftzuges, nicht aber das Absehen von der Wiedergabe ganzer Silben oder Namensteile zu verstehen ist. Das äußere Erscheinungsbild des unter der Klageschrift befindlichen Schriftzuges spricht eindeutig dafür, dass es sich dabei lediglich um ein Handzeichen (Paraphe) handelt.

49

Der Formmangel ist vorliegend auch nicht gemäß § 295 Abs. 1 ZPO infolge rügeloser Einlassung geheilt worden. Die Beklagte hat vielmehr, nachdem das Arbeitsgericht im Beschluss vom 04.06.2009 bezüglich der Unterzeichnung der Klageschrift auf die Entscheidung des BAG vom 13.02.2008 (2 AZR 864/06) hingewiesen hatte, ausdrücklich den betreffenden Formmangel gerügt. Der Umstand, dass sie diese Rüge nicht bereits in der Güteverhandlung vom 27.04.2009 erhoben hat, führt nicht zu einer Heilung nach § 295 ZPO. Nach § 54 Abs. 2 Satz 3 ArbGG bleiben nämlich prozesshindernde Einreden erhalten, auch wenn sie in der Güteverhandlung nicht vorgebracht werden; § 282 Abs. 3 Satz 1 ZPO findet insoweit keine Anwendung.

50

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der unter der Klageschrift befindliche Schriftzug sei bislang von keinem Gericht beanstandet worden. Zwar verstößt es gegen die Pflicht zur fairen Verfahrensgestaltung, wenn eine bestimmte Kammer eines Gerichts eine bestimmte Form der Unterschrift eines Prozessbevollmächtigten einen längeren Zeitraum beanstandungslos als ausreichend erachtet und sodann ohne Vorwarnung die gleiche Unterschrift plötzlich nicht mehr ausreichen lässt (BVerfG, Beschluss v. 26.04.1988 - 1 BvR 669/87 - NJW 1988, 2787). Es besteht indessen kein Vertrauenstatbestand, wenn - wie vorliegend - eine andere Kammer des Arbeitsgerichts oder gar andere Gerichte bisher einen Namenszug nicht beanstandet haben. In diesen Fällen kommt allenfalls eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG in Betracht. Einen diesbezüglichen Antrag hat der Kläger indessen nicht gestellt.

51

Der Kläger hat somit frühestens mit Einreichung und Zustellung seines klageerweiternden Schriftsatzes vom 25.06.2009 und somit nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben. Die Nichterhebung der Klage innerhalb von drei Wochen führt infolge der Regelung des § 7 KSchG dazu, dass die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam gilt. Diese Fiktion erfasst sowohl die Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung als auch sämtliche anderen Unwirksamkeitsgründe i. S. von § 4 Satz 1 KSchG, mithin auch eine etwaige, vom Kläger geltend gemachte Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung nach § 35 a Abs. 2 Hessische Gemeindeordnung.

52

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keine Ansprüche auf Zurücknahme einer Ermahnung und einer Abmahnung sowie auf deren Entfernung aus seiner Personalakte (Berufungsanträge zu 2. und 3.) und auf Zahlung von Schadensersatz wegen Entzugs des Dienstwagens (Berufungsanträge zu 4. und 5.).

53

Das Berufungsgericht folgt insoweit uneingeschränkt den ausführlichen Ausführungen unter II. und IV. der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (dort Seite 10 = Bl. 261 d. A. und Seite 11 bis 16 = Bl. 262 bis 267 d. A.) und stellt dies ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe wird daher insoweit abgesehen. Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren - bezüglich des Entzugs des Firmenwagens - auf eine Unwirksamkeit des in Ziffer 15 der Benutzungsvereinbarung enthaltenen Widerrufsvorbehalts beruft, erscheint lediglich die Klarstellung angebracht, dass - wie bereits das Arbeitsgericht in den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen zutreffend ausgeführt hat, sich das berechtigte Herausgabeverlangen der Beklagten nicht aus dieser vertraglichen Regelung, sondern vielmehr aus Ziffer 14 der Benutzungsvereinbarung ergibt.

III.

54

Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

55

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen