Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (7. Kammer) - 7 Sa 177/10

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.03.2010, Az.: 4 Ca 2589/09, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.847,77 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2009 zu zahlen.

Des Weiteren wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 24.624,91 EUR brutto zu zahlen.

Darüber hinaus wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 15.239,56 EUR brutto abzüglich 5.027,88 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 382,77 EUR seit dem 16.12.2009, aus weiteren 2.375,13 EUR seit dem 16.01.2010, aus weiteren 2.375,13 EUR seit dem 16.02.2010, aus weiteren 2.375,13 seit dem 16.03.2010, aus weiteren 2.375,13 EUR seit dem 16.04.2010 sowie aus weiteren 328,39 EUR seit dem 16.05.2010 zu zahlen.

Zudem wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 499,84 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 249,92 EUR seit dem 01.12.2009 sowie aus weiteren 249,92 EUR seit dem 01.05.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat 17/100 und die Beklagte hat 83/100 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahren zu tragen.

Der erstinstanzliche Streitwert wird auf 40.000,00 EUR festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 1/10 und die Beklagte 9/10

zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadenersatz wegen Auflösungsverschuldens und die Zahlung von Weihnachtsgeld.

2

Der am … 1957 geborene Kläger, der verheiratet ist und ein minderjähriges Kind hat, war seit dem 19.06.1995 bei der Beklagten, die mit in der Regel ca. 40 Arbeitnehmern ein Unternehmen im Bereich Betonsanierungen, Kunststoffbeschichtungen, Industrieanstriche, Sandstrahltechnik und Kernbohrungen betreibt, als Vorarbeiter gegen Zahlung eines Stundenlohnes in Höhe von zuletzt 17,51 EUR brutto beschäftigt; auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 04.07.2002 (im Folgenden: BRTV Bau) Anwendung.

3

Zumindest seit Dezember 2008 zahlte die Beklagte das monatliche Arbeitsentgelt des Klägers mit mehrwöchiger, teilweise zweimonatiger Verspätung aus (vgl. zu den einzelnen monatlichen Zahlungszeitpunkten Seite 3 f. der Klageschrift vom 30.11.2009 = Bl. 3 f. d. A.). Während des Jahres 2009 hat der Kläger bereits zwei Zahlungsprozesse gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Mainz (Az: 9 Ca 154/09 und 1 Ca 1286/09) geführt.

4

Mit Schreiben vom 22.12.2008 (vgl. Bl. 12 f. d. A.) mahnte der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten die Zahlung des Arbeitsentgeltes für den Monat November 2008 in Höhe von 3.947,22 EUR brutto an. In dem weiteren Schreiben des späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 09.04.2009 (vgl. Bl. 14 d. A.) erteilte der Kläger der Beklagten eine Abmahnung, weil der Arbeitslohn für den Monat Februar 2009 noch nicht gezahlt war. Des Weiteren sprach der Kläger, vertreten durch seinen späteren Prozessbevollmächtigten, gegenüber der Beklagten eine Abmahnung (vgl. Bl. 15 d. A.) wegen des noch ausstehenden Arbeitsentgeltes für den Monat Juni 2009 aus.

5

Darüber hinaus teilte der Kläger mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 02.11.2009 (vgl. Bl. 16 d. A.) der Beklagten mit, dass er wegen des zu diesem Zeitpunkt noch nicht geleisteten Arbeitsentgeltes für die Monate August und September 2009 von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache; anschließend erschien der Kläger nicht mehr zur Arbeit.

6

Am 17.11.2009 wies das Privatgirokonto des Klägers einen Fehlbetrag in Höhe von 2.349,30 EUR aus (vgl. Bl. 82 d. A.). Anschließend erteilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 18.11.2009 eine Abmahnung (vgl. Bl. 17 d. A.) wegen der zu diesem Zeitpunkt noch ausstehenden Vergütung für die Monate September und Oktober 2009. Dabei setzte er eine Zahlungsfrist bis zum 21.11.2009, behielt sich für den Fall des fruchtlosen Fristablaufes weitere arbeitsrechtliche Schritte vor und wies darauf hin, dass es sich hierbei auch um eine fristlose Kündigung mit Schadenersatzansprüchen handeln könne.

7

Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2009 (vgl. Bl. 18 d. A.) kündigte der Kläger das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos; die Kündigung ging der Beklagten am 24.11.2009 zu.

8

Während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger von der Beklagten - außer für das Jahr 2009 - Weihnachtsgeld in Höhe von insgesamt 780,00 EUR brutto; dabei wurde ein Teilbetrag in Höhe von 520,00 EUR brutto im November ausgezahlt und ein weiterer Teilbetrag in Höhe von 260,00 EUR brutto im Monat April des Folgejahres.

9

Des Weiteren unterrichtete die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 28.11.2003 (vgl. Bl. 159 d. A.) über eine tarifliche Anpassung des 13. Monatseinkommens.

10

Während einer Betriebsversammlung im März 2009 wies die Beklagte die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer darauf hin, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen künftig kein Weihnachtsgeld mehr zahle.

11

Mit seiner beim Arbeitsgericht Mainz eingereichten und später erweiterten sowie abgeänderten Klage hat der Kläger als Schadenersatz sowohl entgangenes Arbeitsentgelt während der ordentlichen Kündigungsfrist als auch eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes verlangt. Darüber hinaus hat er die Zahlung des Arbeitsentgeltes für den Monat November 2009 in Höhe von 2.847,77 EUR brutto und die Leistung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 780,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen auf beide Bruttobeträge und die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses geltend gemacht.

12

Während der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Mainz haben beide Parteien den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt, als um die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses gestritten worden war.

13

Seit dem 06.04.2010 hat der Kläger eine neue Arbeitsstelle als Spezialfacharbeiter und verdient dort einen Stundenlohn in Höhe von 16,20 EUR brutto.

14

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.03.2010 (dort Seite 3 f. = Bl. 121 f. d. A.) Bezug genommen.

15

Der Kläger hat beantragt,

16

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,

17

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat November 2009 einen Betrag in Höhe von 2.847,77 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 16.12.2009 zu zahlen,

18

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Weihnachtsgeld in Höhe von 780,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hierauf seit dem 16.11.2009 zu zahlen,

19

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.238,55 EUR brutto abzüglich 5.865,86 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins auf 497,04 seit dem 16.12.2009, auf 2.375,13 EUR seit dem 16.01.2010, auf 2.375,13 EUR seit dem 16.02.2010, auf 2.375,13 EUR seit dem 16.03.2010, auf 2.375,13 EUR seit dem 16.04.2010 sowie 2.375,13 EUR seit dem 16.05.2010 zu zahlen.

20

Die Beklagte hat beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Urteil vom 22.03.2010 (Bl. 119 ff. d.A.) die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.847,77 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2009 zu zahlen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung des klageabweisenden Teiles seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünden keine Ansprüche wegen Auflösungsverschuldens nach § 628 Abs. 2 BGB zu, da die von ihm erklärte außerordentliche Kündigung nicht rechtswirksam geworden sei. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches sei nicht davon auszugehen gewesen, dass dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht habe zugemutet werden können. Die tarifliche Kündigungsfrist aus § 12 BRTV Bau habe sich nämlich lediglich auf 12 Werktage belaufen. Zwar sei zum Kündigungszeitpunkt die Beklagte mit der Zahlung von Arbeitsentgelt für zwei Monate in Rückstand gewesen, jedoch habe der Kläger bereits zuvor von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht gehabt, wobei auch damals die gleiche Verzugssituation gegeben gewesen sei. Die wirtschaftliche Notlage des Klägers habe sich also zum Kündigungszeitpunkt nicht verstärkt gehabt. Darüber hinaus folge aus der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes, dass der Kläger im Falle einer ordentlichen Kündigung die Arbeitsleistung bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht mehr hätte erbringen müssen. Gerade deshalb sei ihm die Einhaltung der Kündigungsfrist zumutbar gewesen. Dass er im Falle einer ordentlichen Kündigung erst nach dem Ablauf der Kündigungsfrist Arbeitslosengeld erhalten hätte, wäre durch den Annahmeverzugslohnanspruch gegenüber der Beklagten, der für die Dauer der Kündigungsfrist entstanden wäre, ausgeglichen worden.

23

Darüber hinaus habe der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2009. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung sei nicht begründet, da nicht während drei Jahren an den Kläger Weihnachtsgeldzahlung in Höhe von 780,00 EUR brutto geleistet worden seien. Es seien lediglich unregelmäßige Zahlungen erfolgt, die jedoch keinen Anspruch aus betrieblicher Übung ergeben würden. Soweit sich aus den von der Beklagten in der Vergangenheit vorgenommenen Kürzungen des Weihnachtsgeldes ergebe, dass die Beklagte den einschlägigen Tarifvertrag hinsichtlich Weihnachtsgeldes im Rahmen einer betrieblichen Übung zugrunde gelegt habe, scheitere der Weihnachtsgeldanspruch des Klägers daran, dass er zu dem tariflich vorgesehenen Stichtag (30.11.2009) nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 4 ff. des Urteils vom 22.03.2010 (= Bl. 122 ff. d. A.) verwiesen.

25

Der Kläger, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichts Mainz am 31.03.2010 zugestellt worden ist, hat am 15.04.2010 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 14.06.2010 sein Rechtsmittel begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 14.06.2010 verlängert worden war.

26

Der Kläger macht geltend,

27

er verlange zu Recht die Leistung von Schadenersatz einschließlich einer Abfindung, da das von ihm ausgeübte Zurückbehaltungsrecht der Wirksamkeit der fristlosen Eigenkündigung nicht entgegenstehe. Nachdem die Beklagte auf die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes vom 02.11.2009 in keiner Weise reagiert habe und durchgehend weiterhin mit zwei Bruttomonatsgehältern in Verzug gewesen sei, sei er, aufgrund seiner erheblichen finanziellen Schwierigkeiten, gezwungen gewesen, das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs seien seine finanziellen Mittel vollständig erschöpft gewesen. Die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung, nur eine "neuartige Situation" berechtige zur Aussprache einer fristlosen Kündigung, nachdem zuvor von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht geworden sei, widerspreche der durchgängigen Rechtsprechung, wonach es sich bei Lohnrückständen um einen Dauertatbestand handele. Mit der Geltendmachung seines Zurückbehaltungsrechtes habe der Kläger den Zweck dieses Rechtes nicht erreicht, nämlich den Arbeitgeber, zu einer vertragsgemäßen Zahlung der Vergütung zu bewegen. Auch habe sich die Bundesanstalt für Arbeit nachhaltig geweigert, an den Kläger vor Aussprache der Eigenkündigung Zahlungen zu leisten. Soweit das Arbeitsgericht die Auffassung vertrete, bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist verringere sich der Arbeitslosengeldanspruch und dies werde kompensiert durch den vom Beklagten geschuldeten Arbeitslohn, sei dies unzutreffend, zumal angesichts des durchgehenden Schuldnerverzuges der Beklagten ein endgültiger Zahlungsausfall bzw. eine Insolvenz habe eintreten können.

28

Neben dem Recht auf Zurückbehaltung seiner Arbeitsleistung habe dem Kläger auch das Recht zur fristlosen Eigenkündigung zugestanden. Zwischen der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes und der Erklärung der Kündigung habe ein Zeitraum von drei Wochen gelegen, währenddessen die Beklagte nicht vertragsgemäß gezahlt habe.

29

Der Weihnachtsgeldanspruch für das Jahr 2009 stehe dem Kläger zu, da das Weihnachtsgeld seit dem Jahr 2003 entsprechend dem Schreiben vom 28.11.2003 abgerechnet und ausbezahlt worden sei. Soweit man hierin nicht bereits eine vertragliche Regelung sehe, müsse zumindest von einer betrieblichen Übung bei der Beklagten ausgegangen werden. Soweit die Beklagte in der Vergangenheit den jährlichen Weihnachtsgeldanspruch in Höhe von 780,00 EUR brutto teilweise reduziert habe, habe dies auf individuellen Krankheitstagen des Klägers beruht.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 10.06.2010 (vgl. Bl. 148 ff. d. A.), 02.08.2010 (vgl. Bl. 179 ff. d. A.) und 07.09.2010 (vgl. Bl. 190 d. A.) Bezug genommen.

31

Der Kläger beantragt,

32

unter Abänderung des am 22.03.2010 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Mainz, Az: 4 Ca 2589/09, die Beklagte über das erstinstanzliche Urteil hinaus zu verurteilen,

33

an den Kläger eine Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,

34

an den Kläger 15.239,56 EUR brutto abzüglich 5.027,88 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins auf 382,77 EUR seit dem 16.12.2009, auf 2.375,13 EUR seit dem 16.01.2010, auf 2.375,13 EUR seit dem 16.02.2010, auf 2.375,13 EUR seit dem 16.03.2010, auf 2.375,13 EUR seit dem 16.04.2010 sowie auf 328,39 EUR seit dem 16.05.2010 zu zahlen,

35

an den Kläger Weihnachtsgeld in Höhe von 780,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins auf 520,00 EUR seit dem 01.12.2009 sowie auf weitere 260,00 EUR seit dem 01.05.2010 zu zahlen.

36

Die Beklagte beantragt,

37

die Berufung zurückzuweisen.

38

Die Beklagte führt aus,

39

sie habe die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht verschuldet, da der Kläger, ohne dass die rechtlichen Voraussetzungen aus § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen hätten, die fristlose Eigenkündigung ausgesprochen habe. Diese Kündigung sei unwirksam, da ihm die Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist von 12 Werktagen zumutbar gewesen sei. Dies habe das Arbeitsgericht Mainz mit rechtlich zutreffenden Erwägungen bereits festgestellt. Der Kläger habe in Kenntnis der Zahlungsverzögerung auf Seiten der Beklagten es für ausreichend erachtet, mit Schreiben vom 02.11.2009 ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Arbeitskraft auszuüben, anstatt eine fristlose Kündigung auszusprechen. Dieses Ergebnis seiner eigenen Interessenabwägung sei bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Eigenkündigung ausschlaggebend.

40

Darüber hinaus stehe dem Kläger auch kein Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 zu. Zwar habe er vor dem tariflichen Stichtag sein Arbeitsverhältnis gekündigt, jedoch sei diese Kündigung rechtsunwirksam. Die unberechtigte Lossagung von dem Arbeitsvertrag stelle eine Pflichtverletzung dar, sodass die Geltendmachung von Rechten aus dieser unwirksamen Handlung nicht erfolgen könne.

41

Soweit der Kläger einen Schadenersatzanspruch wegen des ihm für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist entgangenen Arbeitsentgeltes geltend mache, müsse das bei dem neuen Arbeitgeber bezogene Arbeitsentgelt auf jeden Fall berücksichtigt werden. Dabei sei zu beachten, dass er dort eine regelmäßige Fahrtkostenerstattung erhalte, die er bei der Beklagten nicht bekommen habe. Darüber hinaus habe sich der Arbeitslohn, den der Kläger bei der Beklagten bezogen habe, auf 3.081,76 EUR brutto und nicht auf 3.517,83 EUR brutto belaufen; dies folge aus einer Multiplikation des Stundenlohnes in Höhe von 17,51 EUR brutto mit 176 Arbeitsstunden im Monat. Die zur Durchschnittsberechnung vom Kläger herangezogenen Lohnabrechnungen der Beklagten für die Monate August, September und Oktober 2009 seien nicht repräsentativ, zumal sie Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt aus dem Vorjahr enthalten würden und darüber hinaus Reisekosten und Verpflegungsmehraufwendungen, die keinen Lohnbestandteil darstellen würden.

42

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 19.07.2010 (vgl. BL. 170 ff. d. A.) und 23.08.2010 (vgl. Bl. 188 f. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

43

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zulässig. Darüber hinaus ist das Rechtsmittel auch teilweise begründet. Dem Kläger stehen nämlich über den erstinstanzlich bereits ausgeurteilten und rechtskräftig festgestellten Arbeitsentgeltanspruch weitere Ansprüche auf Leistung und Schadenersatz wegen Auflösungsverschuldens, einmal auf eine Abfindungsleistung in Höhe von 24.624,91 EUR brutto (A.) und auf Erstattung von Vergütungsausfall in Höhe von 15.239,56 EUR brutto abzüglich 5.027,88 EUR netto nebst den zugesprochenen Zinsen (B.) zu. Des Weiteren hat der Kläger einen Rechtsanspruch auf Leistung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 499,84 EUR brutto zuzüglich Zinsen (C.).

44

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

A.

45

Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistung von Schadenersatz nach § 628 Abs. 2 BGB, wobei Teil dieses Schadenersatzanspruches eine Abfindungsforderung in Höhe von 24.624,91 EUR brutto ist. Die rechtlichen Voraussetzungen für diese Forderung sind erfüllt, da der Kläger seine Eigenkündigung auf einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB stützen kann (I.) und die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist (II.).

46

Der Abfindungsanspruch tritt kumulativ zu der Forderung auf Ersatz des Vergütungsausfalls hinzu, wenn der Auflösungsantrag des Arbeitnehmers bei unberechtigter fristloser Kündigung des Arbeitgebers zum Kündigungstermin einer (umgedeuteten) ordentlichen Kündigung hätte gestellt werden können. Der Schaden des Arbeitnehmers besteht dabei nicht in der entgangenen Abfindung, sondern in dem Verlust des durch das Kündigungsschutzgesetz vermittelten Bestandsschutzes. Nur für die Bemessung des Ausgleichs ist auf die Abfindungsregelung der §§ 9, 10 KSchG abzustellen. Für die Feststellung des Schadens kommt es daher nicht darauf an, ob unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände eine Abfindung gezahlt worden wäre, sondern darauf, ob der Arbeitnehmer in einem durch das Kündigungsschutzgesetz bestandsgeschützten Arbeitsverhältnis stand (vgl. BAG, Urteil vom 26.07.2007 - 8 AZR 796/06 = AP Nr. 19 zu § 628 BGB; Urteil vom 26.07.2001 - 8 AZR 739/00 = AP Nr. 13 zu § 628 BGB; Urteil des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 21.04.2009 - 3 Sa 701/08 - AE 2009, 329 und juris). Dies war hier der Fall (III.).

I.

47

Vorliegend kann der Kläger seine außerordentliche Eigenkündigung vom 23.11.2009 auf § 626 Abs. 1 BGB stützen, da ein wichtiger Grund, der ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, gegeben ist (1.) und darüber hinaus dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zum Überwiegen der berechtigten Interesse des Klägers an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt (2.).

48

1. Ein Lohnrückstand kann an sich geeignet sein, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Lohnrückstand eine nicht unerhebliche Höhe erreicht oder der Verzug des Arbeitgebers mit der Lohnzahlung sich über einen längeren Zeitraum hinweg erstreckt und der Arbeitnehmer diesen Fehler abgemahnt hat (vgl. BAG, Urteil vom 26.07.2007. a. a. O.).

49

Im vorliegenden Fall ist demnach von einem wichtigen Grund, der an sich zur fristlosen Kündigung geeignet ist, auszugehen. Denn die Beklagte war zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs mit der Lohnzahlung in nicht unerheblicher Höhe in Rückstand, da sie am 24.11.2009 den gesamten fälligen Nettolohn für die Monate September und Oktober 2009 in Höhe von insgesamt 4.004,14 EUR noch nicht an den Kläger ausgezahlt hatte. Die Lohnansprüche für die Monate September und Oktober 2009 wurden gemäß § 5 Ziffer 7.2 BRTV Bau am 15.10.2009 bzw. 15.11.2009 fällig.

50

Der Kläger hatte vor Ausspruch der Kündigung die Beklagte bereits mit Schreiben vom 09.04.2009, 22.07.2009 und 18.11.2009 abgemahnt. In der letztgenannten Abmahnung hat er die Zahlung der Arbeitsvergütung für die Monate September und Oktober 2009 geltend gemacht und eine Zahlungsfrist bis zum 21.11.2009 gesetzt. Diese Zahlungsfrist ist ergebnislos verstrichen und auch bis zum Zeitpunkt des Zugangs der Eigenkündigung des Klägers erfolgte keine Zahlung durch die Beklagte. Mithin musste sie zum Kündigungszeitpunkt mit der im Abmahnungsschreiben vom 18.11.2009 angedrohten fristlosen Kündigung rechnen.

51

2. Bei einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist das Überwiegen der berechtigten Interessen des Klägers an der vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses festzustellen. Dem Kläger war es nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung fortzuführen. Bei der Dauer der vom Kläger im Falle einer ordentlichen Kündigung einzuhaltenden Kündigungsfrist war gemäß § 12 Ziffer 1.1 BRTV Bau von zwölf Werktagen auszugehen.

52

Im Rahmen der Interessenabwägung war zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis zunächst über ca. 12 Jahre ohne nennenswerte Störungen abgewickelt wurde und sich die Kündigungsfrist des Klägers - wie ausgeführt - auf lediglich zwölf Werktage belief.

53

Hingegen war nicht zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass der Kläger mit Schreiben vom 02.11.2009 von einem Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Gebrauch gemacht hatte und anschließend nicht mehr zur Arbeit erschien. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts verbrauchte der Kläger durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes nicht das Recht zur fristlosen Eigenkündigung. Insbesondere war es nicht erforderlich, dass sich die Pflichtwidrigkeit zum Kündigungszeitpunkt gegenüber der Sachlage zum Zurückbehaltungszeitpunkt noch verstärkt. Vielmehr war im vorliegenden Fall der Schuldnerverzug der Beklagten als Dauertatbestand durchgehend gegeben, so dass für den gesamten Zeitraum zumindest seit Dezember 2008 von einer schwerwiegenden Pflichtverletzung der Beklagten auszugehen war. Im Übrigen wird mit dem Zurückbehaltungsrecht ein anderer Zweck verfolgt als mit einer fristlosen Kündigung. Zweck des Zurückbehaltungsrechtes ist es, eine Zahlung zu erreichen; Zweck der Kündigung ist es, ein unzumutbares Arbeitsverhältnis zu beenden. Der Arbeitnehmer muss sich auch nicht auf Leistungen der Bundesagentur für Arbeit oder aus dem Insolvenzschutz verweisen lassen, zumal sein Vertragspartner die Beklagte ist und diese ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen hat. Würde man der Auffassung des Arbeitsgerichtes folgen, führte dies im Ergebnis dazu, dass bei einem Zahlungsverzug des Arbeitgebers immer eine fristlose Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgeschlossen wäre. Denn es bestünde dann immer zumindest die Möglichkeit von einem Zurückbehaltungsrecht im Sinne von § 273 BGB Gebrauch zu machen. Würde der Arbeitnehmer davon Gebrauch machen, müsste er sich vorhalten lassen, hierdurch auf eine fristlose Eigenkündigung verzichtet zu haben. Würde er hiervon nicht Gebrauch machen, müsste er sich vorhalten lassen, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen zu haben, da er milderes Mittel nicht angewandt habe. Dies zeigt, dass ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Arbeitsleistung ohne weiteres ausgeübt werden kann, ohne dass ein Recht zur fristlosen Eigenkündigung entfällt.

54

Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Kläger durch die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes den damit beabsichtigten Zweck nicht erreicht hat, zumal die Beklagte auch nach Zurückhaltung der Arbeitsleistung durch den Kläger das ausstehende Arbeitsentgelt nicht vertragsgerecht zahlte. Der Kläger hat angesichts dieser Situation die Beklagte noch einmal mit Schreiben vom 18.11.2009 schriftlich abgemahnt, und dabei die fristlose Eigenkündigung ausdrücklich angedroht. Angesichts dieser Ausgangssituation sind keine schützenswerten Interessen des Arbeitgebers erkennbar, welche Vorrang vor dem sofortigen Beendigungsinteresse des Arbeitnehmers haben könnten.

55

Des Weiteren spricht für eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dass die Beklagte seit Dezember 2008 durchgehend mit der Leistung zumindest eines Nettoarbeitsentgeltes des Klägers in Verzug war und der Kläger dieses Verhalten bereits in einer schriftlichen Mahnung und drei schriftlichen Abmahnungen gerügt hatte. Des Weiteren war er gezwungen, im Laufe des Jahres 2009 zwei Leistungsklagen gegen die Beklagte auf Zahlung von Arbeitsentgelt beim Arbeitsgericht einzureichen.

56

Angesichts der weiteren Tatsache, dass das Girokonto des Klägers kurz vor Ausspruch der fristlosen Eigenkündigung eine Schuld von 2.349,30 EUR aufwies, konnte es ihm nicht zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis für zwölf weitere Werktage, selbst wenn während dieser Zeit wegen des ausgeübten Zurückbehaltungsrechts keine Arbeitspflicht bestand, aufrechtzuerhalten.

II.

57

Der Kläger hat bei Ausspruch seiner außerordentlichen Kündigung vom 23.11.2009 die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Nach dieser gesetzlichen Regelung kann die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Verzug der Beklagten mit der Lohnzahlung für die Monate September und Oktober 2009 um einen Dauertatbestand, welcher auch zum Kündigungszeitpunkt noch gegeben war. Darüber hinaus hatte die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt auch die zuletzt in der Abmahnung vom 18.11.2009 gesetzte Zahlungsfrist nicht eingehalten. Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Kläger die Erklärungsfrist aus § 626 Abs.2 BGB gewahrt hat.

III.

58

Der Kläger kann als Schadenersatz im Sinne von § 628 Abs. 2 BGB eine Abfindung verlangen, da sein Arbeitsverhältnis dem durch das Kündigungsschutzgesetz gewährten Bestandsschutz unterfiel. Er war zum Kündigungszeitpunkt bei der Beklagten nämlich länger als sechs Monate beschäftigt (vgl. § 1 Abs.1 KSchG), zumal das Arbeitsverhältnis bereits seit dem 19.06.1995 bestand. Darüber unterfiel der Betrieb der Beklagten auch dem Geltungsbereich des § 23 Abs. 1 KSchG, da bei der Beklagten in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer, nämlich zwischen 40 und 50 Arbeitnehmer zum Kündigungszeitpunkt beschäftigt waren.

59

Die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Abfindung beläuft sich auf 24.624,91 EUR brutto. Maßgeblich für die Berechnung der Abfindungshöhe sind die §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 1 a Abs.2 KSchG. Nach der letztgenannten gesetzlichen Regelung beträgt die Höhe der Abfindung 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Im vorliegenden Fall hat das Beschäftigungsverhältnis zum Kündigungszeitpunkt bereits 14 Jahre bestanden und der Monatsverdienst des Klägers belief sich unter Beachtung von § 10 Abs. 3 KSchG auf 3.517,83 EUR brutto. Arbeitsentgelt in dieser Höhe hätte der Kläger nämlich für den Monat November 2009, also in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endete, beanspruchen können. Da er in diesem Monat nicht mehr arbeitete, schuldete ihm die Beklagte nämlich den Durchschnittsverdienst aus den drei vorausgegangenen Monaten; dieser beläuft sich, ohne Berücksichtigung von Reisekosten und Verpflegungsmehraufwand auf durchschnittlich 3.517,83 EUR brutto (vgl. die Lohnabrechnungen für die Monate August 2009, September 2009 und Oktober 2009; Bl. 37 bis 39 d. A.). Soweit in den drei genannten Monaten Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld abgerechnet wurde, war dies im Rahmen des § 10 Abs. 3 KSchG der Durchschnittsberechnung mit zugrundezulegen. Denn der Arbeitnehmer hat Anspruch auf alle Bestandteile des Arbeitsentgelts; hierzu gehört auch Urlaubsvergütung (vgl. Erfurter Kommentar, 10. Aufl., § 10 KSchG, Rz. 3).

60

Mithin ergab sich ein Abfindungsbetrag in Höhe von 24.624,81 EUR (7 Monate x 3.517,83 EUR brutto x 0,5). Von diesem Abfindungsbetrag waren keine Abschläge vorzunehmen, zumal der Kläger nach Ausspruch der Eigenkündigung über vier Monate lang arbeitslos war und gegenüber zwei Personen zum Unterhalt verpflichtet ist.

61

Darauf, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung in einem neuen Arbeitsverhältnis bereits wieder allgemeinen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen konnte, kam es - entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten Auffassung - nicht an. Denn dieser Gesichtspunkt muss bei der Bestimmung der Abfindungshöhe nicht zwingend berücksichtigt werden (vgl. BAG, Urt. v. 26.08.1976 - 2 AZR 377/75 = AP Nr. 68 zu § 626 BGB). Vorliegend handelt es sich zudem - unterstellt allgemeiner Kündigungsschutz wäre tatsächlich zugunsten des Klägers erwachsen - um eine Rechtsposition, die erst zehn Monate nach dessen Eigenkündigung entstanden ist und wegen dieses erheblichen Zeitabstandes, ebenso wie die weitere Entwicklung der nachfolgenden Arbeitsverhältnisse des Klägers, bei der Bestimmung der Abfindungshöhe nicht mehr berücksichtigt werden kann.

B.

62

Dem Kläger steht als Schadenersatz im Sinne von § 628 Abs. 2 BGB darüber hinaus der Vergütungsausfall für die Zeit vom 24.11.2009 bis 30.04.2010 in Höhe von 15.239,56 EUR brutto abzüglich des während dieser Zeit bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 5.027,88 EUR netto nebst Zinsen zu. Er kann nämlich die Erstattung des Vergütungsausfalles, der bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer fiktiven Arbeitgeberkündigung entstanden wäre, verlangen. Im vorliegenden Fall wäre bei einer Arbeitgeberkündigung, die am 24.11.2009 zugegangen wäre, das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung von § 12 Ziffer 1., 2. BRTV Bau (5 Monate zum Monatsende) zum 30.04.2010 beendet worden. Infolgedessen schuldet die Beklagte die Erstattung der Vergütungsdifferenz zwischen dem bei einer bis dahin unterstellten Weiterbeschäftigung erwachsenen Arbeitsentgeltanspruch und dem erzielten Zwischenverdienst. Die Differenz beläuft auf 15.239,56 EUR brutto. Der Betrag resultiert aus einem Schadenersatzanspruch für die Zeit vom 24.11.2009 bis 05.04.2010 (4 Monate und 6 Arbeitstage) in Höhe von 15.045,42 EUR brutto (vier Monate x 3.517,83 EUR = 14.071,32 EUR zuzüglich 6 Arbeitstage x 162,35 EUR = 974,10 EUR). Für die Zeit vom 06.04. bis 30.04.2010 musste der Kläger einen Stundenlohn hinnehmen, der um 1,31 EUR brutto je Stunde niedriger war, wobei während der 19 Arbeitstage bei einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 194,14 EUR brutto (1,31 EUR x 7,8 Stunden x 19 Tage) erwachsen ist.

63

Die zugesprochenen Verzugszinsen ergeben sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.

C.

64

Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Leistung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von insgesamt 499,84 EUR brutto.

65

Aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.11.2003 in Verbindung mit den vorliegenden Lohnabrechnungen für die Monate November 2006, Mai 2007, November 2007 und November 2008 sowie den schriftlichen Aufstellungen über Weihnachtsgeldzahlungen im Betrieb der Beklagten während der Kalenderjahre 2007 und 2008 (= Anlage 15 zum Schriftsatz des Klägers vom 02.03.2010 = Bl. 100 f. d.A.) ergibt sich, dass bei der Beklagten eine betriebliche Übung dahingehend bestand, das tarifliche Weihnachtsgeld an die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer entsprechend der maßgeblichen Tarifbestimmung in § 2 Abs. 1 S. 2 des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für gewerbliche Arbeitnehmer im Baugewerbe in der Fassung vom 29.10.2003 in Höhe von grundsätzlich 780,00 EUR brutto zu leisten. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass er während des Beschäftigungsverhältnisses entsprechende Weihnachtsgeldzahlungen, die im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeitszeiten gekürzt wurden, für jedes Kalenderjahr seiner Beschäftigungszeit in zwei Raten erhalten hat. Auch für das Jahr 2009 ist der Kläger, angesichts des bestehenden Schadenersatzanspruches aus § 628 Abs. 2 BGB, so zu stellen, als wäre er zum Zeitpunkt des tariflichen Stichtages (30.11.2009) bei der Beklagten noch beschäftigt gewesen. In diesem Fall hätte er einen tariflichen Weihnachtsgeldanspruch, kraft der bei der Beklagten geltenden betrieblichen Übung, erworben gehabt. Soweit die Beklagte während einer Betriebsversammlung im Jahr 2009 der Belegschaft mitgeteilt hat, dass zukünftig keine Weihnachtsgeldzahlungen mehr erfolgen würden, ergeben sich hieraus keine Rechtswirkungen. Denn der entstandene Rechtsanspruch auf Weihnachtsgeldzahlung konnte nur durch Kündigung oder Änderungsvereinbarung beseitigt werden; keiner dieser Beendigungstatbestände liegt hier vor.

66

Der entsprechend den tariflichen Bestimmungen als Weihnachtsgeld zu zahlende Betrag von 780,00 EUR brutto konnte im vorliegenden Fall im Wert von 16 Arbeitsstunden, das heißt in Höhe von 280,16 EUR brutto (16 Arbeitsstunden x 17,51 EUR brutto) gekürzt werden, da der Kläger während des Kalenderjahres 2009 während 16 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt war und die Beklagte auch in der Vergangenheit entsprechende Kürzungen - wie mit Schreiben vom 28.11.2003 bereits angekündigt - vorgenommen hatte. Der demnach verbleibende restliche Weihnachtsgeldbetrag in Höhe von 499,84 EUR war entsprechend der vorausgegangenen Betriebsübung je zur Hälfte im November 2009 und im April 2010 zu zahlen.

67

Die des Weiteren zugesprochenen Zinsen beruhen auf §§ 286 Abs.1 Satz 2, 288 Abs.1 BGB.

68

Die Berufung war insoweit zurückzuweisen, als der Kläger weitergehend Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 geltend gemacht hat, zumal er bei seiner Berechnung die betriebsübliche Reduzierung des tariflichen Weihnachtsgeldes wegen Arbeitsunfähigkeitstagen nicht berücksichtigt hat.

69

Nach alledem war die erstinstanzliche Entscheidung mit der Kostenfolge aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO teilweise abzuändern.

70

Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von §§ 72 Abs.2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

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