Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (1. Kammer) - 1 Ta 198/11
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 14.09.2011 – 4 Ca 2367/10 – wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Gründe
I.
- 1
Der beschwerdeführende Prozessbevollmächtigte des Klägers begehrt die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts seiner anwaltlichen Tätigkeit.
- 2
Der Kläger war bei der Beklagten als Busfahrer zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. 4.000,- Euro beschäftigt. Er ist zu einem Grad von 30 % behindert und einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis ordentlich mit zwei Schreiben vom 22.11.2010 zum 31.12.2010 gekündigt. Mit seiner Klage griff der Kläger zunächst die Kündigungen vom 22.11.2010, im weiteren Prozessverlauf dann darüber hinaus auch eine Befristungsabrede vom 31.03.2009 und eine weitere Kündigung vom 26.04.2011 als unwirksam an. Die zweite Kündigung durch die Beklagte erfolgte mit Zustimmung des Integrationsamts.
- 3
Die Parteien haben den Rechtsstreit mit Vergleich vom 18.07.2011 beendet. Darin vereinbarten sie unter anderem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2011 (Ziffer 1) sowie die Verpflichtung des Klägers, seinen gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes eingelegten Widerspruch zurückzunehmen (Ziffer 6). In Ziffer 3 des Vergleichs vereinbarten die Parteien weiter die Zahlung einer Abfindung an den Kläger, welche dann gemindert werden bzw. vom Kläger zurückzuzahlen sein sollte, falls er von einem durch den Betriebserwerber der Beklagten eingeräumten Rückkehrrecht Gebrauch machen sollte.
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Nach Anhörung hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Beschluss vom 14.09.2011 auf 20.000,- Euro für das Verfahren und 24.000,- Euro für den Vergleich festgesetzt. Dabei hat das Arbeitsgericht den Kündigungsschutzantrag gegen die erste Kündigung mit 3 Bruttomonatsgehältern, den Entfristungsantrag mit einem weiteren Bruttomonatsgehalt und den Kündigungsschutzantrag gegen die zweite Kündigung ebenfalls mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet. Für die im Vergleich vereinbarte Zeugnisregelung hat das Gericht einen Mehrwert von 4.000,- Euro angesetzt.
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Gegen diesen Beschluss, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 20.09.2011, hat dieser mit einem am 21.09.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und die Festsetzung eines höheren Vergleichswertes verlangt. Ziffer 3 des Vergleiches sei mit 2000,- Euro zu bewerten, da die Parteien nicht nur die von der Kostenregelung des § 42 Abs. 3 GKG erfasste Abfindungszahlung, sondern auch Modalitäten wie Rückzahlung und Minderung der Abfindung bei Eintritt einer Bedingung vereinbart hätten. Diese zusätzliche Rückzahlungsregelung sei weder vom Wortlaut des § 42 Abs. 3 GKG noch von dessen Sinn und Zweck erfasst. Zudem sei Ziffer 6 des Vergleichs mit 5.000,- Euro zu bewerten, da es sich bei dem Widerspruchsverfahren um ein vom Schicksal des arbeitsrechtlichen Verfahrens unabhängiges Verfahren gehandelt habe, über dessen Ende man eine Vereinbarung getroffen habe.
- 6
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Festsetzung eines weiteren Vergleichsmehrwerts hat es mit der Begründung abgelehnt, die Regelung des § 42 Abs. 3 GKG erfasse nach ihrem Sinn und Zweck der Kostendämpfung die gesamte Ziffer 3 des Vergleichs. Die Regelung in Ziffer 6 des Vergleichs sei wegen wirtschaftlicher Identität nicht gesondert zu bewerten, da die behördliche Zustimmung Vorfrage für die arbeitsgerichtliche Bewertung der Kündigung sei.
II.
- 7
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gem. § 33 Abs. 3 RVG zulässig. Auch übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes den Mindestbeschwerdewert von 200,-- €.
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In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten hinsichtlich des geltend gemachten Vergleichsmehrwertes zutreffend auf 24.000,- € festgesetzt.
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Zu Recht hat das Arbeitsgericht keinen Vergleichsmehrwert für die Abfindungsregelung in Ziffer 3 des Vergleichs festgesetzt. Nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 3 S. 1 Halbsatz 2 GKG bleibt die Vereinbarung einer Abfindung bei der Bewertung einer Bestandsstreitigkeit wertmäßig unberücksichtigt. Nach § 3 ZPO bestimmt grundsätzlich das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Klage den Wert des Rechtsstreits, wovon nach § 42 Abs. 3 S. 1 GKG bei Bestandsstreitigkeiten eine Ausnahme zu machen ist, indem eine Obergrenze von 3 Bruttomonatsgehältern für den Wert solcher Streitigkeiten gezogen wird. Sinn und Zweck der Regelung des § 42 Abs. 3 S. 1 GKG ist es, aus sozialen Gründen die Kosten von Bestandsstreitigkeiten niedrig zu halten. Dieser Zweck würde vereitelt, wenn für den Verlust eines Arbeitsplatzes vereinbarte Kompensationen oder Äquivalente den Streitwert erhöhen würden. Darf der Gegenstandswert schon bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage - also bei unbefristetem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses - den Betrag eines Vierteljahresgehalts nicht übersteigen, dann muss dies nach der gesetzgeberischen Intention erst recht dann gelten, wenn die Kündigung lediglich abgemildert wird, indem beispielsweise, wie vorliegend, eine Abfindung vereinbart wird. Werden dabei über die reine Zahlungsverpflichtung des Arbeitsgebers hinaus Modalitäten der Abwicklung dieser Zahlungsverpflichtung vereinbart, bilden diese Regelungen eine Einheit und sind voneinander nicht logisch trennbar. Insbesondere betreffen die Modalitäten einer Zahlungsvereinbarung keinen anderen Streitgegenstand oder wirtschaftlich ein anderes Interesse der Parteien als die Zahlungsvereinbarung selbst (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13.08.2010 – 1 Ta 139/10). Das Interesse des Klägers an der vereinbarten Abfindung und ihrer Höhe ist mit seinem Interesse an den Modalitäten einer Rückzahlungsverpflichtung wirtschaftlich identisch. Denn beide Vereinbarungsbestandteile betreffen die Frage, welche Kompensation der Kläger für den Verlust seines Arbeitsplatzes letztlich erhält. Daher unterfällt nicht nur die bloße Vereinbarung einer Abfindungszahlung, sondern auch die Ausgestaltung der Zahlungsplichten dem Schutzzweck des § 42 Abs. 3 S. 1 GKG und ist der entsprechende Vereinbarungsbestandteil nicht werterhöhend zu berücksichtigen.
- 10
Der Gegenstandswert war auch nicht für die in Ziffer 6 des Vergleiches getroffene Vereinbarung höher festzusetzen, weil die Vereinbarung über die Rücknahme des Widerspruchs des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamts vorliegend den Gegenstandswert nicht erhöht hat. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Widerspruchs entfiel mit der Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Ziffer 1 des Vergleichs, da der Widerspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenstandslos geworden war. Substanziell hat der Kläger daher mit seiner Verpflichtung, den Widerspruch zurückzunehmen, keine zusätzlich wirtschaftlich wertsteigernde Verpflichtung übernommen, sondern die Parteien haben damit lediglich den Weg für die im Vergleich substantiell vereinbarte Beendigung eines gegenstandslos gewordenen Verfahrens deklaratorisch festgeschrieben (vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, NZA-RR 2007, 539). Die Kosten des Widerspruchsverfahrens selbst kann der Beschwerdeführer, sofern er den Kläger auch im Verwaltungsverfahren vertreten hat, unter den dortigen Voraussetzungen geltend machen. Diese Kosten haben nicht auch noch das durch Vergleich beendete arbeitsgerichtliche Verfahren erhöht.
- 11
Nach alledem war die unbegründete Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG zurückzuweisen.
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Ein Rechtsmittel ist gegen diesen Beschluss nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.
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