Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (1. Kammer) - 1 Ta 191/11

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.07.2011 - 6 BV 2/10 - klarstellend dahingehend gefasst, dass der Gegenstandswert des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats für das Verfahren auf 21.000,00 EUR und für den Vergleich auf 27.000,00 EUR festgesetzt wird.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens.

Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe

I.

1

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren begehrt der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes nach Durchführung eines Beschlussverfahrens.

2

Die Beteiligten stritten um den Status von 18 im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Personen. Der Betriebsrat hat das vorliegende Verfahren eingeleitet mit den Anträgen,

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festzustellen, dass 18 namentlich genannte Personen Arbeitnehmer i. S. d. § 5 Abs. 1 BetrVG sind,

        

festzustellen, dass diese 18 Personen keine leitenden Angestellten i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG sind sowie

        

festzustellen, dass er für diese 18 Personen zuständig ist.

4

Die Arbeitgeberin war der Ansicht, die genannten 18 Personen seien leitende Angestellte in ihrem Betrieb und der Betriebsrat daher für diese nicht zuständig.

5

Die Beteiligten haben zunächst einen Teil des Verfahrens durch Vergleich vom 06.10.2010 beendet. Darin waren sie sich einig, 8 Arbeitnehmer der Arbeitgeberin als leitende Angestellte und weitere 12 Arbeitnehmer nicht als leitende Angestellte i. S. d. § 5 BetrVG einzuordnen. In diese Feststellungen haben sie 5 Arbeitnehmer mit einbezogen, deren Status nicht Gegenstand des Verfahrens war. Die Beteiligten haben das Verfahren schließlich hinsichtlich des Status der verbleibenden 3 Arbeitnehmer sowie eines vierten Arbeitnehmers, dessen Status ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens war, mit weiterem Vergleich vom 04.05.2010 insgesamt erledigt.

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Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats nach Anhörung mit Beschluss vom 22.07.2011 auf

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21.000,00 EUR für die Anträge zu 1 und 2 bis zum 05.10.2010,

        

23.000,00 EUR für den Teilvergleich vom 06.10.2010

        

7.000,00 EUR für das Verfahren ab dem 07.10.2010 sowie

        

7.000,00 EUR für den Schlussvergleich vom 04.05.2011

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festgesetzt.

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Bei der Bewertung hat das Arbeitsgericht für die Anträge zu 1. und zu 2. den Hilfswert von 4.000,00 EUR für den ersten Arbeitnehmer sowie je 1.000,00 EUR für jeden weiteren Arbeitnehmer angesetzt. Den Klageantrag zu 3. hat es wegen wirtschaftlicher Teilidentität als nicht streitwerterhöhend erachtet. Für den Teilvergleich vom 06.10.2010 hat das Gericht ebenfalls den Hilfswert von 4.000,00 EUR für den ersten sowie je 1.000,00 EUR für jeden weiteren Arbeitnehmer angesetzt. Entsprechend hat das Arbeitsgericht für das Verfahren ab dem 07.10.2010, in welchem noch der Rechtsstreit über den Status von 4 Arbeitnehmers anhängig war, sowie den Schlussvergleich 4.000,00 EUR für den ersten sowie je 1.000,00 EUR für die weiteren Arbeitnehmer angesetzt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, aufgrund der Mehrzahl von Fällen mit ähnlichen Prüfungsansätzen und Fragestellungen komme die Festsetzung des vollen Hilfswerts für den Streit um den Status jedes Arbeitnehmers nicht in Betracht.

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Mit am 02.08.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats gegen diesen ihm am 26.07.2011 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt und beantragt, den Gegenstandswert auf 80.000,00 EUR für das Verfahren sowie 104.000,00 EUR für den Vergleich festzusetzen. Zur Begründung hat er vorgetragen, eine Reduktion des Hilfswerts für den Streit über den Status der weiteren Arbeitnehmer sei nicht gerechtfertigt, da sowohl die rechtliche Bewertung als auch die Sachverhaltsvoraussetzungen für jeden Arbeitnehmer unterschiedlich ausgefallen seien. Auch hätte für jeden einzelnen Mitarbeiter ein eigenes Beschlussverfahren eingeleitet werden können. Daher sei für jeden Arbeitnehmer der Hilfswert von 4.000,00 EUR anzusetzen. zudem sei der Antrag zu 3. ebenfalls mit 4.000,00 EUR zu bewerten, da der Betriebsrat insoweit ein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht habe.

11

Die Arbeitgeberin hat eingewendet, es habe sich bei den betroffenen Arbeitnehmern um Mitarbeiter einer Hierarchiestufe und damit um nahezu identische Lebenssachverhalte gehandelt, so dass der volle Hilfswert für jeden Arbeitnehmer nicht anzusetzen sei.

12

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

13

1. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft und zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,00 EUR.

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2. Das Rechtsmittel hat in der Sache zu einem geringen Teil insoweit Erfolg, als der Vergleichswert auf 27.000,00 EUR zu erhöhen war.

15

Die Bewertung der Anträge richtet sich vorliegend nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet hier schon deswegen keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 2 a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG genannten Gebührentatbestände finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.07.2007 - 1 Ta 173/07; Beschl. v. 21.07.2008 - 1 Ta 116/08). Der Gegenstandswert steht auch nicht nach anderen Regelungen fest.

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Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen; mangelt es an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung des konkreten Werts, ist der Gegenstandswert mit dem in § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG genannten Hilfswert (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 01.03.2010 - 1 Ta 24/10) von 4.000,00 EUR anzusetzen.

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Auf den Hilfswert ist somit nur zurückzugreifen, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausscheiden. Solche Anhaltspunkte können sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, einer möglichen Berührung finanzieller Ansprüche einzelner Arbeitnehmer, Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der Sache sowie aus dem Arbeitsaufwand des Verfahrensbevollmächtigten ergeben. Bei der Ausübung des billigen Ermessens ist das Interesse aller Beteiligten an der beantragten Feststellung bzw. Maßnahme zu berücksichtigen.

18

Streiten die Beteiligten um den betriebsverfassungsrechten Status einer Person, handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, zuletzt Beschl. v. 09.09.2009 - 1 Ta 292/09). Der Antrag beruht auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat und ist weder auf Geld noch auf Geldeswert gerichtet.

19

Ausgehend von den oben dargestellten Grundsätzen sind vorliegend keine besonderen Anhaltspunkte ersichtlich, die zur Wertfestsetzung herangezogen werden könnten, so dass ein Rückgriff auf den Hilfswert in Frage kommt.

20

Nach § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG ist der Hilfswert von 4.000,00 EUR nicht statisch, sondern je nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzusetzen. Das Gericht hat also auch in den Fällen, in denen grundsätzlich auf den Hilfswert zurückzugreifen ist, eine Einzelfallbewertung vorzunehmen.

21

Das Arbeitsgericht hat das ihm vorliegend im Rahmen der Bewertung eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, indem es für den ersten Arbeitnehmer den Hilfswert des § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG angesetzt und für jeden weiteren Mitarbeiter je 1.000,00 EUR. Er erscheint nicht angemessen, für jeden Mitarbeiter, dessen Status in Frage stand, jeweils den vollen Hilfswert anzusetzen (vgl. hierzu auch GK-Schleusener, ArbGG, 65. Ergänzungslieferung 2009, § 12 Rn. 483; LAG Hamm, Beschl. v. 27.11.2006 - 13 Ta 619/06). Der Beschwerdeführer hat nicht konkret dargelegt, dass die jeweiligen Einzelfälle markante Besonderheiten aufwiesen oder eine umfangreichere als eine parallel laufende Prüfung des Status der einzelnen Mitarbeiter erforderte und somit den Umfang bzw. die Schwierigkeit der Sache vergrößerten. Allgemeine Abgrenzungskriterien betrafen alle streitigen Mitarbeiter. Eine betriebsverfassungsrechtliche Statusklage weist in aller Regel auch keinen besonders hohen Schwierigkeitsgrad auf (vgl. GK-Schleusener, ArbGG, 65. Ergänzungslieferung 2009, § 12 Rn. 483).

22

Das Arbeitsgericht hat auch den Antrag zu 3) zutreffend nicht als gegenstandswerterhöhend berücksichtigt. Die mit dem Antrag zu 3) rechtshängig gemachte Rechtslage der Zuständigkeit des Betriebsrats ist den Statusklagen nach § 5 BetrVG immanent und eine von zahlreichen automatischen Rechtsfolgen der Statusfeststellung ohne zusätzliche einzelfallabhängige Rechtsfolge. Eine gesonderte Bewertung scheidet daher aus.

23

Das Arbeitsgericht hat das Verfahren daher zutreffend mit 21.000,00 EUR bewertet. Die Bildung von Verfahrensabschnitten war vorliegend entbehrlich, da der Beschwerdeführer seine angefallenen Gebühren, eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr nur ein Mal aus dem gesamten, und zwar dem höchsten Verfahrenswert abrechnen kann. Eine Bildung von Zeitabschnitten ist nur dann geboten, wenn eine bestimmte Gebühr nur in einem Verfahrensabschnitt anfällt, der - beispielsweise wegen Teilklagerücknahme oder Klageerweiterung - einen anderen Wert als die sonstigen Verfahrensabschnitte hat. Berechnet sich hingegen die angefallene Gebühr aus dem gesamten Verfahren, ist der am höchsten zu bewertende Verfahrensabschnitt für den gesamten Verfahrenswert maßgeblich.

24

Der Vergleichswert betrug vorliegend 27.000,00 EUR. In dem Teilvergleich vom 06.10.2010 hatten sich die Beteiligten zunächst über den Status von 15 in den Anträgen genannten Arbeitnehmern und 5 weiteren in das Verfahren einbezogenen Arbeitnehmern geeinigt. Im folgenden Schlussvergleich vom 04.05.2011 einigten sie sich schließlich über den Status der verbleibenden 3 in den Anträgen genannten Mitarbeiter sowie über den Status eines weiteren, nicht rechtshängig gewesenen Mitarbeiters. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG fällt die Einigungsgebühr unabhängig von der Zahl der im Verfahren geschlossenen Vergleiche nur ein Mal an (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, § 15, Rn. 54) und berechnet sich aus dem gesamten Wert aller Vergleiche. Daher war nur ein Vergleichswert mit einem Mehrwert von je 1.000,00 EUR für die Einigung über den Status von insgesamt 6 Arbeitnehmer, die nicht in den Anträgen genannt waren, festzusetzen.

25

Nach alledem war die größtenteils unbegründete Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG zurückzuweisen. Nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG steht es im Ermessen des Gerichts, die Gebühr nur bei teilweiser Zurückweisung der Beschwerde auf die Hälfte zu ermäßigen oder nicht zu erheben. Dies erscheint vorliegend nicht angemessen, da die Beschwerde - wenn überhaupt - nur zu einem ganz geringen Teil begründet war, weshalb die volle Gebühr anfällt.

26

Das vorliegende Beschwerdeverfahren wird auch nicht von der Gerichtskostenfreiheit des § 2 Abs. 2 GKG erfasst. Nach Sinn und Zweck der Kostenfreiheit von Streitigkeiten der Betriebspartner erfasst diese Bestimmung nicht auch das Gebühreninteresse der beauftragten Rechtsanwälte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.09.2010 - 1 Ta 189/10; LAG Köln BB 2001, 831). Die verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwälte sind nicht Beteiligte eines Beschlussverfahrens i. S. v. §§ 2 a, 83 Abs. 1 a ArbGG. Mit einer Wertbeschwerde verfolgen sie - unabhängig von der Verfahrensart - ausschließlich ein eigenes finanzielles Interesse. Solche Streitigkeiten sind nicht nach § 2 Abs. 2 GKG von Gerichtskosten befreit.

27

Ein Rechtsmittel ist gegen diesen Beschluss nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

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