Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (9. Kammer) - 9 SaGa 6/12


Tenor

Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.03.2012, Az.: 9 Ga 8/12 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die Verpflichtung des Beklagten, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot einzuhalten.

2

Die Klägerin produziert und vertreibt selbst seit dem Jahr 1999 und seit dem Jahr 2006 auch als Franchisegeberin „Die XY-Zeitung“ als monatlich erscheinendes Informationsblatt mit Nachrichten und Anzeigen aus der jeweiligen Region. Das Blatt wird gegenwärtig in Rheinland-Pfalz und Hessen sowie in Teilen von Bayern und Sachsen herausgegeben und an die jeweils regionalen Haushalte kostenfrei verteilt.

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Der Beklagte war seit 2004 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der Vertriebsabteilung tätig und für den Vertrieb von Werbeanzeigen und Zeitungsartikeln zuständig. Seit 2009 lag dem Arbeitsverhältnis der unter dem 09.07.2009 unterschriebene und dem Beklagten übergebene, von der Klägerin unterzeichnete Vertrag zugrunde. Er enthält in § 8 ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das auszugsweise wie folgt lautet:

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Dem Arbeitnehmer ist es untersagt, auf die Dauer von 2 Jahren nach Beendigung dieses Vertrages in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit dem Unternehmen des Arbeitgebers in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Arbeitnehmer untersagt, während der Dauer dieses Verbots ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zugunsten der mit dem Arbeitgeber verbundenen Unternehmen.

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Während der Dauer des Wettbewerbsverbots erhält der Arbeitnehmer eine Entschädigung, die für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen beträgt.

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Der Arbeitnehmer muss sich anderweitigen Erwerb nach Maßgabe des § 74 c HGB auf die Entschädigung anrechnen lassen. Der Arbeitnehmer hat jeweils zum Quartalsende unaufgefordert mitzuteilen, ob und in welcher Höhe er anderweitige Einkünfte bezieht. Auf Verlangen sind die Angaben zu belegen.

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Der Beklagte hat sein Arbeitsverhältnis zum 29.02.2012 gekündigt. Der Beklagte hat sodann bei dem im Antrag genannten Unternehmen eine Tätigkeit als Vertriebsmitarbeiter im Bereich des neu eingeführten Produkts "AB" aufgenommen. Hierbei handelt es sich um ein monatlich erscheinendes kostenfreies Magazin mit verschiedenen Lokalausgaben in Hessen und Rheinland-Pfalz, namentlich D-Stadt und Umgebung, C-Stadt und Umgebung und Rheinhessen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere auch des Vorbringens der Parteien erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.03.2012, Az.: 9 Ga 8/12 (Bl. 43 ff. d. A.).

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Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht dem Beklagten untersagt, in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache für die XY Gesellschaft für A-Medien in C-Stadt tätig zu werden. Ferner hat das Arbeitsgericht dem Beklagten für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 50.000 € angedroht.

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Das genannte Urteil ist dem Beklagten am 19.03.2012 zugestellt worden, er hat hiergegen mit einem am 22.03.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit dem am (Montag, den) 21.05.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums begründet.

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Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 69 ff. d. A.) macht der Beklagte zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen geltend:

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Das vereinbarte Wettbewerbsverbot stelle eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Beklagten i. S. d. § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB dar. Es sei in seinem räumlichen und inhaltlichen Geltungsbereich unbeschränkt. Es sei offensichtlich, dass der Beklagte nicht in der Lage sein könne, sich an dieses Wettbewerbsverbot zu halten. Er müsste hierzu weltweit sämtliche potenziellen neuen Arbeitgeber zunächst darauf hin überprüfen, ob diese in direktem oder indirektem Wettbewerb zur Klägerin stehen. Anschließend müsse er sich deren gesellschaftsrechtliche Strukturen offen legen lassen, um zu überprüfen, wie die verbundenen Unternehmen tätig seien.

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Das Arbeitsgericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass es sich um einen Formulararbeitsvertrag handele. Das Wettbewerbsverbot in der vorliegenden Form benachteilige ihn unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB. Auch das angedrohte Zwangsgeld sei unverhältnismäßig hoch.

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Der Verfügungsbeklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.03.2012, Az.: 9 Ga 8/12 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

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Die Berufungsbeklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 17.07.2012, auf den Bezug genommen wird (Bl. 85 ff. d. A.), als zutreffend.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und -auch inhaltlich- ausreichend begründet.

II.

20

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung entsprochen. Die Berufungskammer folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung und stellt dies gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich folgende Ausführungen:

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1. Mit dem Kläger kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem vorliegenden Wettbewerbsverbot um allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB handelt. Dessen ungeachtet ist das Wettbewerbsverbot aber nicht an den Maßstäben der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB zu messen. Nach § 74 a Abs. 1 HGB ist das Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, soweit es nicht zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers dient oder unter Berücksichtigung der zugesagten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand das Fortkommen des Arbeitnehmers unbillig erschwert. Danach ist Rechtsfolge eines sogenannten überschießenden Wettbewerbsverbots nicht dessen Unwirksamkeit. Vielmehr büßt ein nach § 74 a Abs. 1 zu weit gefasstes Wettbewerbsverbot seine Wirksamkeit nicht insgesamt, sondern nur teilweise ein. Es wird aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls auf das erlaubte Maß zurückgeführt. In diesem Umfang bleibt es wirksam. Es findet also von Gesetzes wegen eine geltungserhaltende Reduktion statt (vgl. BAG 21.04.2010 -10 AZR 288/09- EzA § 74 a HGB Nr. 14). Dem gegenüber sind nach § 307 Abs. 1 BGB formularmäßig vereinbarte Vertragsklauseln insgesamt unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. In welchem Verhältnis die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB zur Inhaltskontrolle nach § 74 a Abs. 1 HGB steht, wird kontrovers diskutiert. Zum einen wird die Auffassung vertreten, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im vorformulierten Arbeitsvertrag der AGB-Inhaltskontrolle unterfällt, ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB aber nur dann anzunehmen sei, wenn sich das vereinbarte Wettbewerbsverbot bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle (Koch, RdA 2006, 28). Nach anderer Auffassung (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 30.01.2008 -10 Sa 60/07-, NZA - RR 2008, 508; LAG Hamm 14.04.2003 -7 Sa 1881/02, NZA - RR 2003, 513; Diller, NZA 2005, 250; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote 5. Aufl. 2009, Rz 233 ff.) ist ein formularmäßiges vereinbartes Wettbewerbsverbot neben der Inhaltskontrolle nach § 74 a Abs. 1 HGB nicht einer zusätzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterzogen.

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Die Berufungskammer schließt sich der zuletzt genannten Meinung an: Nach § 307 Abs. 3 BGB unterfallen der Inhaltskontrolle nicht solche Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz und andere Vorschriften unterliegen, sondern von den Vertragspartnern festgelegt werden. Dies sind insbesondere Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungen und des dafür zu zahlenden Entgelts. Der AGB - rechtlichen Inhalts - bzw. Angemessenheitskontrolle unterliegen grundsätzlich nur Nebenbedingungen, während die Festlegung der Hauptleistungspflichten der Inhaltskontrolle entzogen sind. Die Wettbewerbsvereinbarung ist aber ein gegenseitiger Vertrag i. S. d. §§ 320 ff. BGB, wobei durch die Festlegung der sachlichen, geographischen und zeitlichen Umfang des Wettbewerbsverbots jedenfalls nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers aus dem Verbot definiert wird (LAG Baden-Württemberg, a.a.O.; Koch a.a.O.).

23

2. Das Wettbewerbsverbot zwischen den Parteien ist bezogen auf die Tätigkeit, deren Unterlassung die Klägerin begehrt, auch nicht nach § 74 a Abs. 1 HGB unverbindlich. Das Arbeitsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass jedenfalls an der Unterlassung einer Tätigkeit bei der im Tenor genannten Gesellschaft ein berechtigtes geschäftliches Interesse der Klägerin besteht und in diesem Umfang auch keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Beklagten i. S. d. § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB zur Folge hat.

24

3. Auch die Androhung des Ordnungsgeldes in hier vorliegender Höhe ist nicht zu beanstanden. Es geht vorliegend nicht um die Festsetzung des Ordnungsgeldes, bei welcher hinsichtlich der festzusetzenden Höhe bei Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens die Umstände des Einzelfalles abzuwägen sind (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Auflage, § 890 Rz. 18 m.w.N.). Bei der Androhung des Ordnungsgeldes ist hingegen regelmäßig das gesetzliche Höchstmaß (vg. § 890 Abs. 1 S. 2 ZPO) anzugeben. Erfolgt eine Androhung unterhalb des Höchstmaßes, dann darf die Festsetzung des Ordnungsgelds die angedrohte Höchstgrenze nicht überschreiten (Zöller, a.a.O., Rz. 12 b). Vorliegend hat das Arbeitsgericht eine Androhung weit unterhalb des gesetzlich zulässigen Höchstmaßes vorgenommen.

III.

25

Die Berufung des Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die Revision gegen dieses Urteil ist gem. § 72 Abs. 4 ArbGG nicht zulässig.

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